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69. JG | A02125
EINZELPREIS 6,00 €
03/04 2017
Vo r wä r t s - Ko m m u n a l n Da s s oz i a l D em o K r at i s c h e m ag a z i n f ü r Ko m m u n a l p o l i t i K
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EntWicklung ländlichEr räumE
Leben
Foto: Michael Kniess
mittendrin
dörfer sollen attraktiv bleiben:
Was Politiker und Bürger tun können
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Inhalt
03-04/2017 DEMO
Titel
Ländliche Räume entwickeln
4
6
8
10
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Dorfbewohner sind dem land weniger wert | Interview mit Landrat Bernhard Reuter
Schnelles Internet kommt langsam voran | Schlaglichter zum Breitbandausbau aus dem Kreis Heinsberg,
dem Amt Hörnerkirchen und der Region Stuttgart
lichtstrahl am Ende des Glas-tunnels | Wie die Gemeinde Frauenau Chancen der Digitalisierung nutzt
„Mehr Respekt für das Dorf“ | Gespräch mit Gerhard Henkel, dem Autor des Buches „Rettet das Dorf!“
neue Wege der Finanzierung des ÖPnV gesucht | Diskussion um ein Gutachten des Mitteldeutschen
Verkehrsverbundes (MDV)
liebe leserin, lieber leser,
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Mit Komfort von a nach B | Programm für Landesbuslinien in Niedersachsen aufgelegt
Gegen Strukturdefizite mobilmachen | Ideen für mobile Dienste gibt es viele – nicht alle gehen auf
Der Jugend Gehör verschaffen | Die Interessen junger Menschen sind oft unterrepräsentiert
EU fördert Pilgerwege am niederrhein | Geldern, Kevelaer, Straelen und Nettetal sind LEADER-Region
die Sehnsucht nach dem Landleben muss groß
sein, das zumindest signalisiert der Erfolg zahlreicher Publikationen, die sich mit Gärtnern, Ernten
und Kochen befassen. Die Idylle – das scheinbar
unberührte, ruhige und naturnahe Leben – ist das,
worauf Städter auch im 21. Jahrhundert stehen.
Dennoch wächst der Drang zu den Städten wieder.
Denn das Leben der Menschen jenseits der Zentren hat auch seine Nachteile: Die Busverbindung
funktioniert nicht. Der letzte Laden im Dorf hat
dicht gemacht, weil der Umsatz nicht reicht. Die
Arztpraxis gleichsam, weil kein Nachfolger für den
alten Landarzt gefunden wurde, und die Apotheke
gibt es eh nur in der Kreisstadt. Die Alten bleiben
zurück. Die Jungen gehen weg, weil es anderenorts mehr Arbeit und Abwechslung gibt.
Fotos: Dirk Bleicker, Swen Pförtner
Von der Idylle allein lässt sich eben nicht gut
leben. Deswegen muss die Politik den ländlichen
Raum so gestalten, dass er nicht nur Ruhe und
Natur bietet, sondern auch Zukunft. Da ist
zuerst die Kommunalpolitik gefragt. Doch ihr
Gestaltungsspielraum ist begrenzt. Der Bund und
vor allem die Länder müssen unterstützend und
gestaltend mitziehen: damit der Personennahverkehr gesichert ist, damit Schulen, Bildungseinrichtungen und Gewerbe funktionieren und
auch die sonstige Infrastruktur – wie etwa Internetzugänge. Der Vizepräsident des Deutschen
Landkreistages Bernhard Reuter spricht dazu in
der DEMO Klartext und macht gute Vorschläge.
Natürlich, all das kostet viel Geld. Aber es kommt
teurer, abgehängte Landstriche und Regionen
zu stützen bzw. neu zu beleben, als sie möglichst
zügig an die Lebensnotwendigkeiten des
21. Jahrhunderts anzubinden. Attraktivere Dörfer
ziehen auch all die an, die letztlich nur aufgrund
der bekannten Nachteile den Umzug aufs
Land scheuen. Und wenn sich die Liebe zum
Landleben nicht mehr nur in Zeitschriften wiederfindet, werden auch die großen Städte entlastet.
Karin nink, Chefredakteurin
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Report
Integration
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Sozialer arbeitsmarkt für langzeitarbeitslose | Teilhabe durch öffentlich geförderte Beschäftigung
Integration durch arbeit | ver.di sucht kommunale Pilotbetriebe für ein Praxisprojekt mit Geflüchteten
Kompetenzen schnell, objektiv und valide erheben | Neue Wege der Kompetenzmessung in Essen
Das neue Bundesteilhabegesetz | Mehr Leistungen, aber höhere Kosten
Weiter Weg zur Inklusion | Was gemeinsamer Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung bedeutet
Generation Miteinander? | Der demografische Wandel bringt unterschiedliche Herausforderungen mit sich
22
SPD-Bundestagsfraktion | Flächendeckung auf dem Weg, Gigabit im Blick: Wo stehen wir beim
Breitbandausbau?
news | Drei Fragen an Frank Baranowski
Bücher | Wahlen | termine
Das letzte | Vorschau | Impressum
4 TiTel
DEMO 03-04/2017
Dorfbewohner sind dem
Land weniger wert
Viele Dörfer und Kleinstädte sind bedroht. Um sie lebensfähig zu halten,
muss viel passieren, sagt Landrat Bernhard Reuter. Er setzt auf unbürokratische
Breitbandförderung sowie ein breit angelegtes Programm „Jung kauft Alt“
interview Karin Billanitsch
Zur Person
Bernhard Reuter, Jahrgang
1955 und gebürtiger Kasseler,
begann nach dem Abitur 1973
Rechts- und Sozialwissenschaften sowie lehramt in Göttingen zu studieren. Von 1979 an
war er lehrer und stieg bis
zum Schulleiter der Orientierungsstufe der leinebergschule
in Göttingen auf. 1986 legte er
das erste juristische Staatsexamen ab und wurde im selben
Jahr Mitglied der SPD.
Seine politische Karriere begann 1999, als er den Beruf des
Schulleiters mit dem des landrats des landkreises Osterrode
am Harz tauschte. 12 Jahre
blieb er in dieser Position. Seit
dem 1. November 2011 steht er
an der Spitze des landkreises
Göttingen. Reuter hat zahlreiche öffentliche Ämter inne. er
ist Vorstandsvorsitzender des
Regionalverbandes Südniedersachsen, von 2004 bis 2007
und erneut seit dem Jahr 2009
Präsident des Niedersächsischen landkreistags. Seit 2010
ist Reuter Vizepräsident des
Deutschen landkreistages. KB
Den Wandel als Chance begreifen –
ohne Grundvoraussetzungen in der
Infrastruktur geht das nicht. Zum
Beispiel flächendeckender Breitbandausbau. Wo stehen wir jetzt?
Der Breitbandausbau in den Dörfern ist
absolut wichtig. Es ist Aufgabe von Staat
und Kommunen, dafür zu sorgen, dass
es in jedem Dorf schnelles Internet gibt.
Die gute Nachricht ist, dass Kommunen,
Länder und Bund sich in diesem Ziel einig
sind. Jetzt geht es darum, die Ausbauziele
und Förderinstrumente besser zu koordinieren, als das im Moment der Fall ist.
Die Bundesförderung ist viel zu bürokratisch und braucht zu viel Zeit. Hier muss
für eine Entbürokratisierung gesorgt werden, damit der Breitbandausbau schneller
vorangeht. Das Ziel 50 MBit pro Sekunde ist für den Moment in Ordnung, aber
langfristig überhaupt nicht ausreichend.
Nennen sie bitte ein Beispiel für zu
viel Bürokratie.
Viele Landkreise sind nach der Änderung
der Breitbandstrategie des Bundes in der
Schöne Häuser, leere Straßen: Junge Familien
zieht es oft in die größeren Städte. Abhilfe könnte ein Sanierungsprogramm „Jung kauft Alt“
schaffen, schlägt landrat Bernhard Reuter vor.
Situation gewesen, dass ihre Vorarbeiten
nicht mehr mit den Fördervoraussetzungen übereinstimmten. In der Folge mussten sie noch einmal von vorn anfangen. In
meinem Landkreis, Göttingen, haben wir
dadurch ein Jahr Zeit verloren – ohne dass
wir etwas dafür konnten. Ich kenne Landkreise, die verzichten inzwischen ganz auf
eine Bundesförderung.
Smart City ist ein beliebter Begriff.
Böte nicht „Smart Country“ viele
Chancen, der Erosion der Infrastruktur zu begegnen? Welche konkreten
Dienste kommen Ihnen in den Sinn?
Smart Country ist erst einmal ein schöner
Begriff. Und es ist auch etwas dran, beispielsweise bei der Gesundheitsvorsorge
Niedersachsen hat gerade ein Landesbuslinienprogramm aufgelegt.
Ein Schritt in die richtige Richtung?
Ja. Das ist ein kleiner Schritt. Allerdings
ist die kommunale Gegenfinanzierung
erheblich, und gerade für die Kommunen, die es am nötigsten haben, ist es am
schwersten, diese Finanzierung zu leisten.
Autor und Wissenschaftler Professor
Gerhard Henkel spricht – vereinfacht
gesagt – von einer Schwächung des
ländlichen Raumes durch zu viel
Fernsteuerung von oben. Als Beispiel
nennt er die Ausweisung von neuen
Wohn- und Gewerbeflächen, oder die
Leitbildsetzung von oben. Brauchen
die Dörfer wieder mehr Autonomie?
Ja und nein. Natürlich muss es abgestimmte Planung geben. Das ist ganz im Sinne
der Kommunen, weil ansonsten Effekte
einsetzen, die wir auch nicht wollen. Im
Prinzip ist es schon richtig: Es fehlt an Gestaltungsmöglichkeiten, die behördlichen
Vorgaben sind oftmals zu dicht. Aber, um
Foto: Nicolette WolleNtiN/Fotolia.de, alciro theodoro da Silva /laNdkreiS GöttiNGeN PreSSe
entwicklung
ländlicher
Räume
und der Idee von mobilen Praxen. Aber es
ist auch ein bisschen Zukunftsmusik. Man
muss zunächst Probleme anpacken, die
jetzt bestehen. Man muss deutlich sagen:
Nichts wird funktionieren, wenn nicht das
nötige Geld dafür vorhanden ist.
Die negative Entwicklung in den Dörfern
ist die Folge einer jahrzehntelangen falschen Lenkung von Finanzströmen. In
Niedersachsen beispielsweise gibt es im
kommunalen Finanzausgleich für große
Städte pro Einwohner 80 Prozent mehr als
für einen Einwohner im Dorf. Das führt
über die Jahre natürlich dazu, dass auf
dem Dorf die Infrastruktur viel schlechter
ist als in der Stadt. Der ländliche Raum ist
finanziell systematisch trockengelegt worden. Wenn man die Dörfer wieder revitalisieren will, dann muss mehr Geld in den
ländlichen Raum fließen.
Die Dörfer werden immer leerer: Es
gibt immer weniger Menschen, Schulen, Gasthöfe und Läden. Sind Dörfer
und Kleinstädte in Gefahr?
Man muss differenzieren: Was man generell sagen kann, ist, dass die Dörfer
und Kleinstädte in einem Wandel sind.
Ob man den Wandel als Gefahr begreift,
kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern nur konkret. Es gibt Dörfer,
die lebensfähig sind und ihre Chancen
nutzen, und sehr viele Dörfer, die in ihrer Existenz in der Tat bedroht sind. Der
Gestaltungsdruck für alle ist gewaltig und
es muss eine Menge passieren, um die
Dörfer lebenswert zu halten. Da ist die
eigene Bevölkerung gefragt, aber auch
der Staat, der für bessere Rahmenbedingungen für die Dörfer sorgen muss.
TiTel 5
03-04/2017 DEMO
es noch einmal zu sagen: Das viel größere
Problem als fehlende rechtliche Spielräume ist fehlendes Geld.
Durch die Gebietsreformen sind viele eigenständige Gemeinden verschwunden. Ist das nicht mit ein
Grund für die Misere des Dorfes?
Das ist mir zu pauschal. Wir haben in den
vergangenen Jahrzehnten eine starke
Verrechtlichung erlebt, das stimmt. Ich
nehme als Beispiel das Vergaberecht, das
heute extrem kompliziert ist. Die Verrechtlichung hat zur Folge, dass Kommunen
heute professionell geführt sein müssen.
Dazu brauchen sie auch eine gewisse Größenordnung. Deswegen halte ich nichts
davon, so zu tun, als ob der Weg zurück
in die 60er Jahre mit kleinen Gemeinden
und ehrenamtlichen Verwaltungen sinnvoll ist. Das kann nicht mehr funktionieren. Wir sollten aber das kommunale Ehrenamt überall, wo es noch funktioniert,
stärken. Und ihm mehr finanzielle Möglichkeiten geben.
Woran liegt der Rückgang des ehrenamtlichen Engagements?
Das liegt in hohem Maße auch daran,
dass sich Kommunalpolitik in den Zeiten
leerer Kassen auf eine Sparpolitik reduziert hat. Es macht ehrenamtlichen Politikern keinen Spaß, ihrer eigenen Bevölkerung ständig erklären zu müssen, dass
Einrichtungen geschlossen, Bürgerleistungen zurückgefahren und trotzdem Grundund Gewerbesteuer angehoben werden
müssen.
Wie kann man das punktuell ja vorhandene Engagement fördern?
In manchen Dörfern funktioniert es sehr
gut, aber das hängt oft von Zufällen und
dem Engagement einzelner Personen ab –
mit dem Risiko, dass solche Entwicklungen
schnell enden können. Deswegen müssen
wir eine systematische Herangehensweise
finden. Der Landkreis Göttingen hat das
Konzept Dorfmoderation entwickelt. Wir
unterstützen, qualifizieren und finanzieren Dorfkümmerer. Sie bemühen sich im
Ort darum, Initiativen voranzubringen,
die Einwohner zu vernetzen, gute Ideen
zu sammeln und aus ihnen Projekte zu
entwickeln. Ich wünsche mir, dass es für
jedes Dorf einen Dorfkümmerer gibt.
Ich wünsche
mir, dass es
für jedes
Dorf einen
Dorfkümmerer
gibt.
Bernhard Reuter
Wie kann mehr Geld fließen, auch in
die kleinen Dörfer?
Mein erster Ansatzpunkt richtet sich an
die Länder: Ich kann nicht verstehen,
weshalb den Ländern ein Einwohner in
der Großstadt mehr wert ist, als im Dorf.
Ich glaube sogar, dass die Kosten pro Einwohner im Dorf höher sind, wenn man
die Anforderungen an schnelles Internet,
Mobilität und medizinische Versorgung
betrachtet. Der zweite Punkt ist: Die
Städte fordern Unterstützung im sozialen
Wohnungsbau. Im Gegenzug fordere ich
für den ländlichen Raum ein milliardenschweres Bundes-Programm, um auch
dort die Wohnraumfragen zu lösen. Das
Problem sind Leerstände, weil es nicht
mehr attraktiv ist, in Immobilien zu investieren, wenn nicht sicher ist, ob das Haus
in 10, 20 Jahren noch verkäuflich ist. Manche Kommunen unterstützen junge Familien, die renovierungsbedürftige Häuser
sanieren. Das reicht nicht. Wir brauchen
groß angelegte Programme „Jung kauft
Alt”. Das wäre ein wichtiger Beitrag, um
die Einwohnerentwicklung in den Dörfern
zu stabilisieren und für junge Familien
attraktiv zu halten.
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6 TiTel
DEMO 03-04/2017
Schnelles Internet kommt
langsam voran
In vielen Regionen Deutschlands gibt es immer noch kein schnelles Internet – andere
dagegen sind gut aufgestellt. Ein leistungsfähiges Netz ist ein wichtiger Standortfaktor –
doch der Ausbau oft ein Flickenteppich. Drei Schlaglichter
Kreis Heinsberg
Schnelles Internet beflügelt die Provinz im
Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen.
Weil große Telekommunikationsanbieter
nicht wollten und der Ausbau stockte,
holte man sich im Jahr 2012 einen kleineren Anbieter aus der Nachbarschaft,
den Niederlanden. Das war nicht nur die
Initialzündung für den Breitbandausbau,
ganz nebenbei wurde der Kreis Heinsberg auch noch zur Pilotregion. Mittlerweile gibt es mehr als 53.000 Anschlüsse
mit neuester Glasfaser-Technologie und
mindestens 100 Megabit Leistung pro Sekunde. Und zwar ganz ohne öffentliche
Zuschüsse durch Land, Bund oder EU.
Der Kreis Heinsberg ist der westlichste Kreis Deutschlands und liegt in der renommierten Technologieregion Aachen.
Innerhalb einer Autostunde sind Städte wie Köln, Düsseldorf, Duisburg und
Bonn erreichbar, aber auch Maastricht
(NL) und Lüttich (B). Manche nennen es
scherzhaft „zentrale Speckgürtellage“,
auch wenn es dort lange stark unterversorgte Wohnanlagen mit Downloads
von unter zwei MBit/s gab. „Mittlerweile gehören wir zur Region mit dem
schnellsten Wachstum in der Breitbanderschließung“, freut sich Holger Jansen,
Breitbandexperte der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) vom Kreis
Heinsberg.
Seit 2005 kämpft das rheinische Revier
um den Breitbandausbau. Die Motivation
vor zwölf Jahren war für den ehemaligen
WFG-Geschäftsführer Joachim Steiner
„die große Sorge, dass unsere ländlichen Räume künftig außen vor bleiben“.
Die ersten sieben Jahre waren vor allem
gekennzeichnet von Frust und geringen
Einzelfortschritten – bis dann im Jahr
2012 der Durchbruch kam: Die niederländische Investmentgesellschaft Reggeborgh wurde auf Heinsberg aufmerksam.
Die Reggeborgh-Tochter Reggefiber hatte
bereits den Breitbandausbau ganz in der
Nähe in Südlimburg realisiert. „Wir haben
sofort alle Unterstützung zugesichert, innerhalb einer Woche wurden alle Städte
und Gemeinden einbezogen, und so wurde der Kreis Heinsberg zur Pilotregion“,
erinnert sich Steiner an den „fulminanten
Start“. 40 Prozent der kleinen, stark unterversorgten Haushalte schlossen nahezu
überall auf Anhieb Verträge ab. In Selfkant, Gangelt, Waldfeucht bis zum Westen von Übach-Palenberg wurde sogar
nahezu flächendeckend ausgebaut.
Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD)
weiß, dass schnelles Internet zu den wichtigsten Standortfaktoren für Unternehmen und Kommunen gehört; Ausbauprojekte wie Heinsberg schließen für ihn
„auf Kreisebene Lücken im Versorgungsnetz“. „Der Kreis Heinsberg hat schon bei
unserem Regionalen Breitbandgespräch
Anfang 2016 in Jülich deutlich gemacht,
dass er die flächendeckende Versorgung
des Kreisgebietes ohne Fördergelder
schaffen will – und kann. Wir sehen heute, dass das auf einem guten Weg ist.“
Wirtschaftsminister Duin will NRW bis
Heinsberg ist
ein hervorragendes Beispiel
dafür, dass
der eigenwirtschaftliche
Ausbau durch
die Unternehmen in NRW
sehr vital ist.
Garrelt Duin
NRW-Wirtschaftsminister
Wirtschaftsminister Garrelt Duin will flächendeckende Glasfasernetze in NRW bis 2026.
zum Jahr 2026 flächendeckend mit Glasfasernetzen ausstatten.
„Beginnt in der Region ein neues Internet-Zeitalter?“ lautete 2012 die Schlagzeile, als die Deutsche Glasfaser Holding
GmbH auf der Bildfläche erschien und ankündigte, mit einem Millioneninvestment
den Kreis Heinsberg mit Hochleistungsglasfaserkabeln zu versorgen. Verlegt
wurde der technisch zukunftsweisende
Standard ftth, fiber to the home, eine
schnelle Glasfaser, die bis in die Wohnung
reicht. Der Einstieg des deutschen Investors war „ein Glücksfall“, so Holger Jansen
(WFG). „Wir haben die Breitbandinitiative
zwar vorbereitet, aber ohne das Konzept
der Glasfaser wäre so ein schneller Ausbau nicht möglich gewesen.
Ein weiterer Vorteil: Für die unterversorgten Gebiete waren zwar schon Fördermittel bewilligt. Doch „die konnten
wir 2012 zurückgeben, sodass die zehn
Prozent Eigenmittel der Kommune wegfielen“, so Jansen. Beantragt aus Fördermitteln wird demnächst aber ein Breitbandkoordinator. Denn Probleme bereiten aktuell zwei Bereiche: die Gewerbegebiete – da beträgt die Eintrittshürde
50 Prozent Nachfragebündelung – und
die Innenstadtlagen im Kreis Heinsberg,
Wegberg und Erkelenz.
Vor zwölf Jahren war es nahezu undenkbar, dass in der rheinischen Region
mehr als 40 Prozent aller Haushalte über
Glasfaseranschluss verfügen. Sogar Blogger Sascha Lobo war bei einem Vortrag
in Heinsberg beeindruckt, dass von gut
110.000 Haushalten aktuell 53.000 Glasfaseranschlüsse haben, von denen knapp
25.000 aktiviert sind. „Heinsberg ist ein
hervorragendes Beispiel, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau durch die Unternehmen in NRW sehr vital ist, und dass
die Akteure vor Ort mit ihrem Engagement viel bewegen können“, bilanziert
Garrelt Duin.
Foto: Ute Grabowsky/photothek.net
Autoren Maicke Mackerodt, Uwe Roth und Carsten Wittmaack
TiTel 7
03-04/2017 DEMO
Unübersehbar waren die Breitbandarbeiten in Hörnerkirchen. Die Stadtwerke Neumünster haben das Verlegen übernommen.
FotoS: CarSten Wittma aCk
Amt Hörnerkirchen
Es gibt Ämter, die sind so klein, dass sie
offensichtlich für die großen Telekommunikationsunternehmen uninteressant
sind. Das Amt Hörnerkirchen im Norden
des Kreises Pinneberg ist so ein Fall.
Nicht einmal 5000 Einwohner leben in
den vier Gemeinden Bokel, Osterhorn,
Brande-Hörnerkirchen und Westerhorn.
Die Dörfer habe zwar alle eine Art Ortskern, doch viele Häuser liegen in den
weitverzweigten Außenbereichen.
Das sind alles Fakten, die gegen einen
profitablen Glasfaserausbau sprechen.
Und so suchten die Kommunalpolitiker
auch lange Zeit vergebens nach einem
Unternehmen, das sich für das Projekt
hätte begeistern können. Dabei stand
für alle Gemeindevertreter fest: Das
schnelle Internet muss her – sonst würde
die Region Gefahr laufen, für Neubürger
uninteressant zu werden.
Am Ende fassten Verwaltung und Politik einen kühnen Plan: Man wollte das
schnelle Internet auf eigene Faust nach
Hörnerkirchen holen. Im Mai 2013 wurde das Projekt begonnen und durch alle
notwendigen Ausschreibungsprozesse
geführt. Knapp drei Jahre später waren
die Arbeiten beendet.
Dass alles weitgehend reibungslos
lief, verdanken die „Macher“ auch den
Stadtwerken Neumünster, die das flächendeckende Verlegen des Glasfasernetzes – mehr als 97 Prozent aller Haushalte wurden angeschlossen – übernahmen. Voraussetzung für den Bau
war, dass sich mindestens 50 Prozent
der Haushalte vorweg für ein Produkt
der Stadtwerke entscheiden mussten.
Am Ende wurden es deutlich mehr. Die
jüngste „Nachverdichtungs-Aktion“ im
vergangenen Herbst habe noch einmal
rund 80 neue Verträge gebracht, sagt
Amtsvorsteher Bernd Reimers. Damit
sei die Gesamtzahl der Verträge auf 863
gestiegen.
Die Stadtwerke Neumünster haben
das Netz für 25 Jahre vom Amt gepachtet. Zu den rund 3,2 Millionen Euro Baukosten für das Amt kommt noch einmal
rund eine halbe Million Euro, die die
Stadtwerke Neumünster in die Technik
investierten. Vom Land gab es Fördergelder in Höhe von knapp 125.000 Euro. Innerhalb eines Jahres wurden 40
Kilometer Glasfaserkabel im Amtsgebiet
verbaut. Nach Aussage des Leitenden
Verwaltungsbeamten Sven Werner hält
sich das finanzielle Risiko in Grenzen.
„Wir bekommen Pacht von den Stadtwerken, abgerechnet wird pro Vertrag“,
erklärt er. Das ganze Projekt sei „so seriös geplant worden“, dass es sich nach
25 Jahren amortisiert haben soll.
Region Stuttgart
Ein DSL-Anschluss mit 50 MBit/s ist im
Schwäbischen Wald eine Rarität. Die
meisten Haushalte dort müssen sich mit
16 MBit/s begnügen und dem Traum
von einem schnellen Internetanschluss.
Im 40 Kilometer entfernten Stuttgart
und den umliegenden Städten träumt
Amtsvorsteher Bernd Reimers
zeigt die Glasfasern, die in
Hörnerkirchen für ein
schnelleres internet sorgen.
AngeScHloSSen
97
Prozent der Haushalte im Amt
Hörnerkirchen haben einen
Anschluss ans Glasfasternetz.
Quelle: amt HörnerkirCHen
man dagegen bereits vom autonomen
Fahren und dem dafür notwendigen 5GStandard. Damit die Region nicht abgehängt wird, soll nun auch in der Region
um Stuttgart das Breitbandnetz ausgebaut werden.
Die Landeshauptstadt und die fünf
umliegenden Landkreise – neben dem
Rems-Murr-Kreis sind das Böblingen,
Esslingen, Göppingen und Ludwigsburg
– haben den „Verband Region Stuttgart“
(VRS) mit den Breitband-Planungen beauftragt. Politische Entscheidungen
trifft die Regionalversammlung mit
ihren direkt gewählten Mitgliedern. Diese haben beschlossen, den Ausbau des
Backbone-Netzes nicht allein den auf
Rendite ausgerichteten privaten Anbietern zu überlassen, sondern selbst voranzutreiben. Ein sogenanntes BackboneNetz ist der verbindende Kernbereich
eines Telekommunikationsnetzes. Ziel
ist es, dass alle 179 Städte und Gemeinden des Verbandes einen Anschluss ans
schnelle Internet erhalten, sofern sie ihn
nicht bereits haben. Auf ihrer Gemarkung allerdings müssen die Kommunen
selbst für den Ausbau sorgen.
„Es gibt kein flächendeckendes, allgemein zugängliches und geschlossenes
Backbone-Netz in der Region“, begründet Regionaldirektorin Nicola Schelling
den Schritt zur Eigeninitiative und erläutert die aktuelle Situation: „Es gibt
zahlreiche Glasfaserleitungen, unklar ist
jedoch, wo diese liegen, wer der Eigentümer oder Betreiber ist und vor allem,
ob und wie lange diese Leitungen auch
andere nutzen dürfen.“
Um über den Ausbau selbst Regie
führen zu können, ist angedacht, eine
Anstalt des öffentlichen Rechts zu gründen. Vom Land erhoffen sich der VRS
und die Landkreise Zuschüsse. 400.000
Euro Förderung sind vom Land bereits
geflossen. Die noch zu gründende Gesellschaft wäre für den Bau, Besitz und
die Instandhaltung des Netzes verantwortlich. Sie verpachtet das Netz aus
rechtlichen Gründen an einen Betreiber.
Für den Bau der Ortsnetze wären wiederum die Kommunen zuständig. Für die
Bereitstellung ihres Netzes erhielten sie
eine Pacht zur Refinanzierung.
Martin Kaufmann (SPD) ist Bürgermeister der Gemeinde Rudersberg am
Rand der Region. Er begrüßt die Initiative, sagt aber auch, dass ein BackboneAnschluss für ihn nur die halbe Miete sei.
„Das Gewerbe und die Haushalte ans
schnelle Netz zu bringen, bleibt eine riesige, weil auch kostspielige Herausforderung.“ Zumal, wenn Kilometer entfernte
Teilorte zu versorgen seien.
8 TiTel
DEMO 03-04/2017
Lichtstrahl am Ende des Glas-Tunnels
Das Projekt „Digitales Dorf“ will die Attraktivität ländlicher Regionen steigern
Autor Michael Kniess
Bürgermeister Schreiner will den
demografischen Trend stoppen
Das wenig optimistische Bild von darbenden Randregionen in ländlichen Gebieten, will der 57-jährige SPD-Politiker
dennoch nicht nachzeichnen: „Dem
Trend, dass kleine Dörfer immer weiter
schrumpfen und große Städte stetig
wachsen, möchte ich nicht einfach zusehen.“ Herbert Schreiner ist deshalb
äußerst umtriebig, wenn es darum
geht, der demografischen Entwicklung
in Frauenau Einhalt zu gebieten und seine Gemeinde auch für junge Menschen
attraktiv zu gestalten.
Im Rahmen der Städtebauförderung
wurden bereits der Rathausplatz und das
Schulumfeld umgestaltet, die Erneuerung
der Gehwege an der Hauptstraße und die
Gestaltung des Bahnhofsumfeldes sind
in Planung. Zudem stellt die Gemeinde
günstiges Bauland zur Verfügung. Obendrauf erhalten zuziehende Familien 3000
Euro als Prämie für jedes Kind unter 18
Jahren. Mit Erfolg: „In den vergangenen
drei Jahren konnten wir so 17 Bauplätze
eine industriebrache in Frauenau erinnert an die einst stolze Glashüttentradition.
verkaufen. Zudem sind wir gerade dabei, zwei neue Baugebiete auszuweisen“,
sagt Herbert Schreiner.
Ein weiterer, wichtiger Lichtstrahl
am Ende des Glas-Tunnels könnte das
bayernweite Projekt „Digitales Dorf“
sein. Es soll ländliche Regionen attrakiver machen und die Lebensqualität ihrer
Einwohner steigern. In einem zweistufigen Wettbewerb konnte sich Frauenau
in einer gemeinsamen Bewerbung mit
der Nachbargemeinde Spiegelau durchsetzen. Zusammen stehen sie seit Dezember als Gewinner für Südbayern fest.
Die Voraussetzungen dafür waren im
wahrsten Sinne des Wortes gelegt: Die
Dörfer sind bereits mit schnellem Internet
versorgt. Nun geht es darum, mit guten
Ideen darauf aufzubauen.
Entstehen sollen Vorbild-Kommunen,
in denen mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien
neue Services und Anwendungen geschaffen werden, die die Lebensbedingungen im ländlichen Raum verbessern.
Im Blick stehen dabei insbesondere Senioren und Familien. Das Projekt „Digitales Dorf“, dessen erste Umsetzungsphase bis Ende 2018 läuft, versteht sich als
Maßnahme gegen die zunehmende Verstädterung und Alterung und die daraus
resultierenden Konsequenzen für den
ländlichen Raum.
Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, ist Schreiner überzeugt. Dank
Internethandel und neuen Liefermodel-
Parteigrenzen
spielen keine
Rolle – die
Herausforderungen sind
diesselben
Herbert Schreiner
Bürgermeister von Frauenau
Herbert Schreiner will sein Dorf
fit für die Zukunft machen.
Die Koordination liegt bei Prof.
Diane Ahrens (m.), Magdalena
Schindler und Rainer Bomeisl.
len sind Waren vor Ort besser verfügbar.
Medizinische Versorgung ist über mobile
und digitalisierte Angebote verbesserbar.
Die Bewohner können Bildungsangebote wahrnehmen, ohne persönlich anwesend sein zu müssen. Nachbarschaftshilfe, Pflege- und sonstige Dienstleistungen
sind über Internetplattformen besser
koordinierbar – dies sind nur einige Ansatzpunkte, die Chancen bieten, den
ländlichen Raum zu stärken. Gemeinsam
mit seinem Amtskollegen Karlheinz Roth
(CSU), dem Bürgermeister der Gemeinde Spiegelau, will Herbert Schreiner die
Chancen, die sich durch das Projekt ergeben, nutzen. Parteigrenzen spielen dabei keine Rolle, dies ist Herbert Schreiner
wichtig, zu betonen: „Die Herausforderungen sind hier wie dort dieselben, da
ist es doch nur konsequent, wenn wir
diesen Weg gemeinsam beschreiten, da
wir ohnehin schon lange vertrauensvoll
und eng zusammenarbeiten.“
Standortvorteil durch erschließung
neuer Verkaufsgebiete
Dieser Schulterschluss ist unter anderem
ein Grund, weshalb sich der Ministerrat
auf Empfehlung einer sechsköpfigen Jury
aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunalpolitik für Frauenau und Spiegelau
als Modelldörfer entschieden hat. Einen
anderen unterstreicht Rainer Bomeisl,
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Hochschule Deggendorf, die in
Form des Technologie Campus Grafenau (TC Grafenau) das Projekt begleitet:
„Die Bewerbung war sehr detailliert und
zeugte von viel Engagement. Ebenso
überzeugten die aufgeführten Ideen hinsichtlich des Modell-Charakters und der
‚Leuchtturm-Wirkung‘.“
Derer gibt es bereits einige: Das
Vorhaben des Gemeindeverbundes
verfolgt seit März einen umfassenden
Ansatz aus insgesamt sieben Themenfeldern. Die Bürger werden bei alledem
von Beginn an bei der anstehenden
Umsetzung beteiligt. Neben Telemedizin sind auch Maßnahmen wie das
digitale Rathaus, ein Dorfshuttle, die
Nahversorgung durch ein Bestell- und
Liefersystem im Lebensmitteleinzelhandel oder Wohnwelten für unterschiedliche pflegebedürftige Zielgrup-
foto: Michael Kniess
e
ine stolze Glashüttentradition und traditionelles Glasmacher-Handwerk – dafür wurde
Frauenau einst europaweit bekannt.
Doch der Glanz vergangener Tage ist
verblichen. Das gläserne Herz, es bröckelt: Von den 1400 Arbeitsplätzen in
der Glasproduktion, die es in Frauenau
noch vor 40 Jahren gab, sind heute noch
200 übrig geblieben. Die Berufspendler,
die jeden Wochentag zu Hunderten an
ihren Arbeitsplatz in den staatlich anerkannten Erholungsort im Landkreis
Regen strömten, sind Vergangenheit.
Das Bild hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die Frauenauer sind selbst zu
Pendlern geworden, um ihren Lebensunterhalt anderswo zu verdienen. Wenn
überhaupt: Gab es vor 20 Jahren noch
3300 Einwohner, sind es derzeit noch
2700 Menschen, die in Frauenau leben.
Deren Durchschnittsalter liegt bei über
50 Jahren. Die Folgen: eine Industriebrache im Ortskern, wenige Arbeitsplätze, wenige Abnehmer für die örtlichen
Bäcker, Metzger und Einzelhändler. Kurzum: schwierige Zeiten für Frauenau und
den Bürgermeister Herbert Schreiner.
TiTel 9
03-04/2017 DEMO
pen geplant. Letztere zielen darauf ab,
Menschen durch modernste Technik
ein eigenständiges Leben im gewohnten Lebensumfeld so lange wie möglich
zu ermöglichen. Ein Beispiel: Wenn die
Hausarztpraxis mittels Telemedizin eine
adäquate Diagnostik und Fernkonsultationen mit Spezialisten und Fachärzten
anbietet, können weite Fahrten und unnötige Krankenhausaufenthalte vermieden werden.
Das Dorfshuttle soll insbesondere auch
ältere Menschen, die nicht mehr so beweglich sind, aus entlegenen Dorfteilen
zum Arzt, in die Apotheke oder zum
Einkaufen fahren. Bürgermeister Schreiner verbindet damit eine weitere Vision:
„Denkbar ist auch ein Lieferservice für
Medikamente genauso wie für Lebensmittel.“ Für ihn ein Standortvorteil, denn
auf diese Weise sei man nicht nur attraktiv
für Ärzte und Apotheker, sondern auch
für lokale Einzelhändler, die dadurch in
der Lage wären, neue Kunden in größeren Verkaufgebieten zu gewinnen.
Berufstätige könnten auf diese Weise
beispielsweise Eier, Gemüse oder Obst
vom regionalen Hofladen bestellen, was
aufgrund der Öffnungszeiten vorher nicht
möglich war.
Das Projekt
„Digitales Dorf“
Der Gemeindeverbund Frauenau-Spiegelau hat den Wettbewerb „Digitales Dorf“ gewonnen. Karlheinz Roth, Bürgermeister von Spiegelau, Prof. Diane Ahrens,
Campusleitung TC Grafenau, Staatsminister Helmut Brunner und Herbert Schreiner
(SPD), Bürgermeister von Frauenau (v.l.)
Angelegt ist das Projekt auf zwei
zweijährige Umsetzungsphasen.
Durchführende Partner sind der
Technologiecampus Grafenau der
Technischen Hochschule Deggendorf
(Südbayern) und die Fraunhofer
Gesellschaft mit dem Fraunhofer IIS
in Nürnberg und dem Fraunhofer IESE
in Kaiserslautern (Nordbayern). Diese
übernehmen die Koordination des
Projektablaufes, die Projektplanung
und -leitung sowie die wissenschaftliche Begleitung.
MK
foto: Michael Kniess
Das Projekt als ergebnisoffenes
experimentierlabor
Überhaupt soll durch das Projekt auch das
Kernproblem, die Schaffung von Arbeitsplätzen für Hochqualifizierte, in den Fokus
gerückt werden. „Wir arbeiten an einem
Konzept für Telearbeitsplätze, wo Mitarbeitende die Voraussetzungen vorfinden,
vom Bayerischen Wald aus für Weltfirmen tätig zu sein und sich gleichzeitig
mit Angestellten anderer Unternehmen
vernetzen können“, sagt Rainer Bomeisl.
Ein anspruchsvolles Ziel, denn schon bis
Mitte 2018 sollen wesentliche Projektinhalte umgesetzt werden, für die pro
Modellregion in jedem Jahr 500.000 Euro
zur Verfügung stehen. Bis dahin müssen
vorzeigbare und modellhafte Ergebnisse
vorliegen. Denn vom Projekt „Digitales
Dorf“ sollen alle Gemeinden in einer ähnlichen Situation profitieren. „Wir werden
eine Plattform ins Leben rufen. Allen interessierten Gemeinden steht die Teilnahme
an dieser offen, die dem Erfahrungsaustausch, der Kontaktanbahnung und der
Vermittlung von Best Practices dient“,
sagt Rainer Bomeisl.
Für Annette Karl, SPD-Landtagsabgeordnete und Sprecherin ihrer Fraktion für
Fragen des ländlichen Raumes, ist dies ein
wesentliches Element: „Es ist nötig, dass
das Projekt auch als ein ergebnisoffenes
Experimentierlabor genutzt wird. Nur so
Ziel des Projektes „Digitales Dorf“
ist es, Erfolgsrezepte zu schaffen,
die die Attraktivität des ländlichen
Lebensraumes steigern können. Die
Erkenntnisse aus dem Projekt sollen
die Entwicklung weiterer Digitalisierungsansätze in Bayern und ganz
Deutschland vorantreiben. Neben dem
Gemeindeverbund Spiegelau-Frauenau
(Landkreise Freyung-Grafenau und
Regen) für Südbayern, konnte sich in
Nordbayern die Steinwald-Allianz, ein
Zusammenschluss von 16 Gemeinden
in der Oberpfalz (Landkreis Tirschenreuth), durchsetzen. Das Projekt ist
vom Bayerischen Staatsministerium
für Wirtschaft und Medien, Energie
und Technologie initiiert und koordiniert.
Das Bild hat sich verkehrt: Weniger Abnehmer für die örtlichen Bäcker, Metzger und
einzelhändler, Wohnungen stehen leer. Kurzum: schwierige Zeiten für das bayrische
Dorf Frauenau
Digitales Dorf statt Glasstandort – hier sieht Frauenau seine Zukunft. Doch eine
Glaskunstszene, die europaweit ihresgleichen sucht, hat Frauenau nach wie vor.
lässt sich herausfinden, welche Möglichkeiten die Digitalisierung dem ländlichen
Raum bietet.“ Außerdem müsse nach Abschluss des Modellvorhabens, im Rahmen
der Best-Practice-Beispiele, auch die Frage
einer möglichen Finanzierung beziehungsweise Förderung weiterer solcher Projekte
für andere Kommunen geklärt sein, falls
dies nötig werden sollte. Ihre Forderung:
„Die erfolgreichen Projekte sollten umgewandelt werden in Dauereinrichtungen, um die Lebensqualität im ländlichen
Raum nachhaltig zu verbessern.“
Darauf hofft Herbert Schreiner. Für ihn
und seine Gemeinde ist ein erfolgreicher
Ausgang des Projektes „Digitales Dorf“
überlebenswichtig: „Wir brauchen in
unseren Kommunen insbesondere auch
diejenigen, die uns leider allzu oft den
Rücken kehren: gut ausgebildete junge
Menschen und deren Wissen, Kreativität und Ideen.“ Dafür tut der umtriebige
SPD-Politiker alles. Am Ende steht für ihn
ein Ziel: Die Menschen davon zu überzeugen, dass sich das Leben auf dem Land
vor dem in der Stadt nicht zu verstecken
braucht.
10 TiTel
Fachkräfte vor Ort halten, Frauen zur
Existenzgründung bewegen und sie
vor Altersarmut bewahren sowie ältere Menschen solange wie möglich
in der gewohnten Umgebung halten: Dies sind die drei Ziele der Samtgemeinde Dahlenburg im niedersächsischen Landkreis Lüneburg. Sie
sind für eine Kommune mit knapp
6600 Einwohnern ambitioniert, aber
durchaus erreichbar. Voraussetzung:
Bewohner, Politik, Verwaltung und
Institutionen sind von ihrem Projekt
überzeugt. Und etwas verrückt müssen die Leute auch sein. Aus letzterem machen die Verantwortlichen
Nicole Wiegand-Hellwig und Christoph Maltzan keinen Hehl. Maltzan
ist Samtgemeindebürgermeister,
Wiegang-Hellwig Gleichstellungsbeauftragte und Geschäftsführerin der
Regionalen Servicebörse der Unternehmerinnen Standort Dahlenburg.
Die Servicebörse ist eine von
mehreren Stellschrauben, um die
gesetzten Ziele zu erreichen. Und
sie hat Vorbildcharakter für ganz
Niedersachsen, denn dort wird
Frauen in allen Fragen beim Schritt
ins Unternehmertum umfassend
geholfen. Die Palette reicht von der
Alltagsorganisation bis zu klassischen
Kursen rund um Rechnungswesen
und Buchhaltung. Mit der Servicebörse hat sich die Samtgemeinde
erfolgreich am Wettbewerb „Fachkräftesicherung im ländlichen Raum“
des lokalen Bündnisses für Familie
beteiligt.
Weitere Pflöcke des Konzeptes: Im
Rathaus am Dahlenburger Marktplatz möchten die Mitarbeiter
zeigen, wie sich Familie und Beruf
sowie die Pflege von Angehören und
der Job unter einen Hut bringen lassen. Außerdem gibt es ein Angebot
für junge Familien und Neubürger:
Sie bekommen Rat und Hilfe, wenn
es etwa um einen Platz in der Kindertagesstätte oder der Krippe oder
um die Wohnungssuche geht. Damit, so die Verantwortlichen, ließen
sich mindestens Fachkräfte in der
Samtgemeinde halten. Und manche
werden sogar angelockt.
UB
„Mehr Respekt für das Dorf“
Mehr Wertschätzung von Bund und Ländern
statt fortgesetzter Entmündigung, fordert Gerhard Henkel
interview Karin Billanitsch
DEMO: Herr Henkel, Sie prangern an:
Durch Gemeindeauflösungen wurden
die demokratische Kultur des Dorfes
beseitigt und 300.000 ehrenamtliche Politiker quasi entlassen. Gibt es
einen Weg zurück?
Im Prinzip würde ich es sehr wünschen,
wenn wir in den Zustand vor den Gebietsreformen zurückgehen könnten. Zunächst
möchte ich sagen, was die Gebietsreform
aus meiner Sicht bewirkt hat: Solche Reformen sind zum ersten Mal in den 30er
und frühen 40er Jahren nach dem Zentrale-Orte-Konzept erprobt worden. Das
ZOK trägt auch den Geist dieser Jahre. Es
wurde dann zu einem Grundprinzip der
Raumordnung in den 60er Jahren und
gilt eigentlich durchgehend bis heute.
Die Gebietsreformen haben die demokratische Kultur an der Basis des Staates
beseitigt: In mehr als 20.000 (von 35.000
Dörfern) wurde durch Zwangseingemeindung die Ortsgemeinde aufgelöst. Signal:
Wir brauchen euer demokratisches Mitwirken nicht mehr!
In Brandenburg und Thüringen gibt
es aktuell Gebietsreformen. Werden
die Fehler wiederholt?
Ja. In Thüringen läuft die zweite Welle
der Gebietsreformen. Ich bin häufig dort
und treffe die Menschen. Sie sind wütend
und klagen: „Wir haben ja jetzt schon
kaum Mitwirkung.“ Sie befürchten, dann
wird der nächste Bürgermeister statt acht
25 Kilometer entfernt und aus ihrem Dorf
niemand mehr im Großgemeindeparlament sein. Sie fühlen sich abgehängt.
Lässt sich hier noch etwas stoppen?
Ich gebe die Hoffnung nicht auf. In Thüringen hat man zum Beispiel das Verfahren ausgesetzt. In Brandenburg gibt es
ganz viele Petitionen dagegen. Was daraus wird, wissen wir im Moment nicht.
Ganz ohne Vorgaben und Leitbilder
geht es nicht, oder?
Natürlich ist es immer wichtig, dass man
Leitbilder vorgibt. Flächenverbrauch eindämmen, die Kulturlandschaft erhalten,
das sind alles legitime Leitbilder. Aber
man darf sie nicht, wie in NRW, einseitig
dem Land aufbürden, sondern man muss
flächendeckend vorgehen. In der Großstadt muss man dann etwa auch Flächen
schonen. Man muss auch Anreize geben,
zum Beispiel für die Innenraumentwicklung dort, wo Leerstand ist.
dtv Verlagsgesellschaft,
2016, 303 Seiten, 22 Euro,
ISBN 978-3-423-28102-7
Professor Dr. Gerhard Henkel
Die Gebiets
reformen
haben in 20.000
Dörfern die
demokratische
Kultur an der
Basis des
Staates
beseitigt.
Gerhard Henkel
Wie kann man die Bürger dazu bewegen, sich trotzdem für ihr Dorf verantwortlich zu fühlen? In Ihrem Buch
„Rettet das Dorf!“ erwähnen Sie zum
Beispiel Bürgervereine.
Das ist ja ein Reflex auf die Entmündigung
des Dorfes. Die Vereine, die es gab, waren
vor allem mit sich selbst beschäftigt, aber
nicht mit dem Ganzheitlichen. Und der
eine Vertreter, der im Großgemeinderat
sitzt, muss jonglieren, dass er die Interessen der Großgemeinde und des eigenen
Dorfes irgendwie in Vereinbarung bringen
kann. In vielen Dörfern sind daher Bürgervereine entstanden, die bewusst auf das
Dorfganze ausgerichtet sind. Die Schule
steht leer, der Laden schließt oder Dorfjubiläum, das sind die allgemeinen Themen,
um die sich diese Vereine kümmern.
Was könnte die Situation des Dorfes
verbessern?
Heute befasst sich die Kommune hauptsächlich mit sozialen Fragen und der
schrumpfenden Infrastruktur. Nach einem
Leitbild des Familienministeriums soll sich
das Dorf als „Sorgende Gemeinschaft“
entwickeln. Wer soll das in die Hand nehmen? Die Kommunen müssen generell
gestärkt werden, damit man alle diese
wichtigen Aufgaben bewältigen kann. Sie
brauchen finanziell mehr eigenen Spielraum. Eine außergewöhnliche Idee wäre
es, jedem deutschen Dorf unbürokratisch
10.000 Euro zu geben. Das würde etwas
auslösen: Die Menschen würden sich ernst
genommen fühlen und das Geld mit ihrer
lokalen Kompetenz sinnvoll verwenden.
Ihr Appell an die Politik?
Das Dorf ist so viel wert und leistet so
viel für die Gesamtgesellschaft, dass es
verdient, wie die Großstadt vom Staat respektiert und gefördert zu werden.
www.demo-online.de/blickpunkte
Foto: privat
Dahlenburg setzt
auf Service für
Existenzgründerin
nen und Familien
DEMO 03-04/2017
Digitalisierung der Energiewende
Weil es für smarte Lösungen
klare Regeln gibt.
Smarte Systeme sind unverzichtbar für eine ökonomisch
erfolgreiche Energiewende. Kommunale Versorger und
Netzbetreiber stellen sie jedoch vor ganz neue rechtliche
Fragen: Welche Pflichten hat der Gesetzgeber verankert? Wie
lassen sich Datenschutz und Datensicherheit gewährleisten?
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© 2017 PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.
„PwC Legal“ bezeichnet in diesem Dokument die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft, die zum Netzwerk der PricewaterhouseCoopers International Limited
(PwCIL) gehört. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.
12 TiTel
DEMO 03-04/2017
Neue Wege der Finanzierung
des ÖPNV gesucht
Ein Gutachten im Auftrag des Mitteldeutschen
Verkehrsverbundes (MDV) sorgt für Skepsis und Diskussionen
Autor Harald Lachmann
K
urz vor Weihnachten 2016 nahm
die Regionalbus Leipzig GmbH
vier neue Buslinien in Betrieb. Das
ländliche Muldental, 40 Kilometer östlich
der Messestadt gelegen, soll besser erreichbar werden. Als Modellvorhaben für
ganz Sachsen feierten der Mitteldeutsche
Verkehrsverbund (MDV) und der kommunale Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) das Projekt „Muldental in Fahrt“. Einen „enormen Nutzen
für unsere Bürger“ und eine „deutliche
Verbesserung für die Berufspendler“ erwartet Bürgermeister Arno Jesse (SPD)
aus Brandis. Denn auch seine 10.000-Einwohner-Stadt wird deutlich besser an das
neue Mitteldeutsche S-Bahnnetz angebunden. Auch Grimma, Bad Lausick und
Colditz sind nun für Reisende von und
nach Leipzig kein schwer erreichbares
Terrain mehr.
Nicht zuletzt der wachsende öffentliche Nahverkehr belegt, dass die Region
um Leipzig und Halle boomt. Allein für
Leipzig sagen seriöse Prognosen inzwischen ein kontinuierliches Wachstum auf
720.000 Einwohner bis zum Jahr 2030
voraus. Schon jetzt weist die Stadt die
höchste Geburtenrate und zugleich den
RegioN iN FahRt
60.400
Passagiere nutzten im Jahr
2015 das Streckennetz der
S-Bahn Mitteldeutschland.
28
ÖPNV-Betriebe haben sich
unter dem Dach des MDV zusammengeschlossen.
180
Millionen euro beträgt jährlich
die Finanzierungslücke,
im Netzgebiet des MDV.
QueLLe: zVnL, MdV
höchsten Zuwachs an Beschäftigung unter allen deutschen Metropolen auf.
Wie sehr davon auch das Umland profitiert, zeigt eine weitere Erfolgsgeschichte: der Leipziger City-Tunnel. Diese in den
Untergrund gelegte S-Bahnverlängerung,
die Leipzigs Hauptbahnhof, nun teils im
10-Minuten-Takt mit vier ostdeutschen
Ländern verknüpft, machte zunächst vor
allem durch immense Baukosten Schlagzeilen. Doch seine strategische Ausrichtung als Herzstück eines 430 Kilometer
langen Streckennetzes der „S-Bahn Mitteldeutschland“ mit 104 Stationen funktioniert längst. So kletterte das tägliche
Passagieraufkommen allein vom Jahr 2014
zu 2015 um 4,4 Prozent auf rund 60.400.
Auch 2016 ging es weiter aufwärts.
Damit hat der ÖPNV im Großraum
Leipzig/Halle schon nach zwei Jahren „das
Niveau erreicht, das bei der Planung des
neuen Netzes zugrunde gelegt wurde“,
sagte Kai Emanuel, Landrat im nordsächsischen Torgau. Es ist geplant, weitere
Städte im ländlichen Umland dichter anzubinden, etwa Eilenburg, Oschatz, Torgau
und Markranstädt. Doch all das kostet
erst einmal Geld – und zwar einiges mehr,
als sich mit Tickets erwirtschaften lässt.
ÖPNV-Taxe und Bürgerticket
Es gibt aber auch Vorschläge, dass Kommunen, die eine Verbesserung des ÖPNV
in ihrem Beritt verlangen, hierfür eine
„Verbesserungsabgabe“ zu entrichten
haben. Weitere Instrumente, um künftig
den ÖPNV alimentierbar zu halten, wären laut jener Gutachten höhere Grundsteuern. Auch eine sogenannte ÖPNVTaxe (Touristen zahlen pro Übernachtung
einen Pauschalbetrag, ohne ein Ticket zu
erhalten) sowie ein Bürgerticket wurden
ins Gespräch gebracht: Alle 20- bis 75-Jährigen im Einzugsgebiet müssten demnach
verbindlich einen monatlichen Obolus von
rund 30 Euro entrichten und können dafür den ÖPNV nutzen.
Inzwischen liegen die Gutachten den
Landräten und Bürgermeistern im MDVGebiet zur Diskussion vor. Die ersten Reaktionen fallen indes ebenso skeptischverneinend aus wie bei Unternehmerverbänden und Wirtschaftskammern.
Offizielle Statements gibt es zwar noch
kaum, aber in informellen Runden ist die
Ablehnung weitgehend einhellig. Der
Landrat des Kreises Leipziger Land Henry
Graichen (CDU) monierte beispielsweise
das Fehlen jeglicher Rechtsgrundlagen
für solche Szenarien, die Unternehmen
und Bürgern zusätzlich in die Taschen
greifen würden. Torsten Bonew, Finanzbürgermeister in Leipzig, hält unter den
Vorschlägen einzig eine Grundsteuererhöhung vorerst für rechtlich umsetzbar. Eines ist klar: Die Diskussion um den
Mix bei der ÖPNV-Finanzierung hat erst
angefangen.
Foto: Landkreis Leipzig / presse
Das neue Busangebot im Muldental kommt: Steffen lehmann, Geschäftsführer MDV (l.), Arno Jesse, Bürgermeister Stadt Brandis (3.v.l.),
Andreas Kultscher, Geschäftsführer Regionalbus leipzig (2.v.r), und landrat des landkreises leipzig Henry Graichen (r.).
Steffen Lehmann, MDV-Geschäftsführer,
hat eine Finanzierungslücke von jährlich
180 Millionen Euro beim Unterhalt sowie
bei Investitionen im Netzgebiet konstatiert. Mithin sucht der Verbund, unter
dessen Dach sich 28 ÖPNV-Unternehmen
zusammengeschlossen haben, händeringend nach neuen Geldquellen.
Deshalb beauftragte der MDV Ingenieurbüros, Gutachten zu „ergänzenden
Finanzierungswegen“ zu erarbeiten, deren Ergebnisse im Rahmen einer künftigen Strategie „MDV 2025“ jüngst vorgestellt wurden. Beispielsweise könnten – so
eine der Ideen – Grundstückseigner einen
„flächenbezogenen ÖPNV-Beitrag“ zahlen, der umso höher ausfällt, je näher eine Haltestelle liegt. Alternativ könnte man
auch Betriebe per „Arbeitgeberbeitrag“
zur Kasse bitten. Dieser stiege ebenfalls
mit der Nähe zu Bahn und Bus. Denn Firmen mit guter Verkehrsanbindung profitierten „von diesem Sondervorteil“, da sie
für Beschäftigte und Kunden besser erreichbar wären, heißt es in den Dossiers.
TITEL 13
03-04/2017 DEMO
Mit Komfort von A nach B
Niedersachsen hat ein Programm für Landesbuslinien
aufgelegt und will stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren
Autor Ulf Buschmann
W
enn Olaf Lies über Mobilität
spricht, ist er im wahrsten
Sinne des Wortes kaum zu
bremsen. So auch Anfang des Jahres, als
Niedersachsens Wirtschaftsminister das
neue Förderprogramm für Landesbuslinien vorstellte. Bis zu zehn Millionen
Euro jährlich stellt das Land zur Verfügung,
um die Mobilität der Menschen auf dem
Lande zu erhöhen. Bereits Anfang Mai
geht es los: Zwischen Westerstede und
Oldenburg wird die S35 des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen (VBN)
zur Landesbuslinie aufgewertet.
Die S35 ist eine von 35 Verbindungen,
die im zweiten Halbjahr 2015 von Gutachtern unter die Lupe genommen wurden. Wo es in Zukunft indes als Landesbuslinie durchs Land geht, hängt davon
ab, ob sich die Städte und Gemeinden
das Angebot leisten können und wollen.
Die Landesbuslinien werden nämlich
vom Land nicht komplett übernommen.
Wie üblich, sind Kofinanzierungen seitens der Kommunen notwendig. Eingebunden sind auch die Verkehrsverbünde
und entsprechenden Zweckverbände –
so etwa im Fall der S35 der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN). Ihm haben die beiden
Länder Bremen und Niedersachsen die
Aufgabenträgerschaft über den öffentlichen Personennahverkehr übertragen.
durch bequeme Sitze, die sogenannte
Überlandbestuhlung, Klimaanlage, kostenlosen Drahtlos-Zugang ins Internet
(WLAN) und Barrierefreiheit aus. Und
nicht nur das, die Landesbusse müssen
werktags von sechs bis 23 Uhr im Stundentakt verkehren. Vorbei sollen also die
Zeiten sein, in denen ein- bis zweimal
täglich ein Bus hält und am Wochenende gar nichts geschieht.
Um die Bewohner mit viel Komfort von A nach B zu bringen, werden
nicht nur Mittelzentren ohne Schienenanschluss angebunden und Lücken im
Schienennetz geschlossen. Lies geht es
darüber hinaus um „Orte mit regionaler
und touristischer Bedeutung“, wie er bei
der Vorstellung des Programmes in Hannover sagte. Vor diesem Hintergrund
sollen selbst bestehende Fährverbin-
Wir machen
auch für die
Menschen
im ländlichen
Raum
attraktive
Angebote für
Bus und Bahn.
Olaf Lies (SPD), niedersächsischer Wirtschaftsminister
Weitere Mobilitätshilfen vom Land
Foto: thomas ma x müller /pixelio.de
Lücken in der Fläche schließen
Der ZVBN profitiert gleich siebenfach
vom niedersächsischen Förderprogramm. Dessen Zielrichtung erklärte
Lies bei der Vorstellung im Januar: „Wir
machen auch für die Menschen im ländlichen Raum attraktive Angebote für
Bus und Bahn.“ Es solle helfen, „Mobilitätslücken in der Fläche zu schließen.“
Und: „Wir wollen unsere Mittelzentren
in Niedersachsen mit schnellen und
modernen Busverbindungen besser an
unsere Großstädte anbinden und auch
miteinander vernetzen.“
Um die Menschen zum Umsteigen auf
den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen, macht die Landesregierung strenge
Vorgaben. Die Fahrzeuge, die als Landesbusse unterwegs sind, zeichnen sich
dungen vom neuen Angebot profitieren
können. Stichwort: Verknüpfung.
Laut der vom Land Niedersachsen in
Auftrag gegebenen Studie ist die Verbindung mit der höchsten sogenannten
Sitzplatzauslastung die von Zeven nach
Bremen auf der Linie 630. Auf gefahrenen jährlichen 500.000 Kilometern
ergibt sich ein rechnerischer Wert von
112 Prozent. Ob sie allerdings in diesem
Jahr noch an den Start geht, ist nach
dem derzeitigen Stand allerdings eher
unwahrscheinlich. Einer der Gründe dafür: Die Linie 670 führt durch das Gebiet
des ZVBN und der Verkehrsgesellschaft
Nord-Ost-Niedersachsen, VNO. Beide
Partner müssen ihre Berechnungen und
den daraus resultierenden Antrag aufeinander abstimmen.
Allerdings stoppt die niedersächsische
Landesregierung nicht bei den Landesbussen, im Gegenteil: Lies und Co. haben
noch mehr vor. Die Landesbusse sind laut
Minister „ein weiterer wichtiger Baustein
unseres Gesamtkonzeptes für mehr Mobilität“. Bereits seit dem Jahr 2013 betreibt die Landesregierung nämlich auch
die Reaktivierung von Bahnstrecken und
somit die Ausweitung des Angebotes im
Schienenpersonennahverkehr, kurz SPNV.
Bald mit Bahnanschluss: Burg Bentheim in der gleichnamigen Grafschaft in Niedersachsen. Es soll Ende kommenden Jahres eine Verbindung nach Neuenhaus geben.
Davon profitieren nach einem mehrstufigen Prüfungsverfahren die Verbindungen Bad Bentheim-Neuenhaus, EinbeckSalzderhelden-Einbeck-Mitte und Salzgitter-Lebenstedt-Salzgitter-Fredenberg.
Die neue Zeit auf der Schiene soll im
Norden beginnen. Bereits im Dezember
dieses Jahres soll der Betrieb auf der
Strecke Einbeck-Salzderhelden-EinbeckMitte aufgenommen werden. Dabei
wird das Stadtzentrum Einbeck-Mitte an
den Bahnhof Einbeck-Salzderhelden angebunden. Ende kommenden Jahres, so
das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit
und Verkehr geht es mit der Verbindung
Bad Bentheim-Neuenhaus los.
Parallel dazu hat die Landesregierung weitere Hilfen auf den Weg gebracht. Dazu gehören die Erhöhung der
ÖPNV-Finanzhilfen für die Kommunen
um 20 Millionen Euro jährlich sowie Förderprogramme für Bürgerbusse und attraktivere Haltestellen. Außerdem ist die
Schülerbeförderung in Niedersachsen
reformiert worden. Das Land überweist
Ausgleichzahlungen für Rabatte seit
Jahresbeginn direkt an die verantwortlichen Landkreise und kreisfreien Städte. Außerdem soll landesweit verankert
werden, dass Schüler, Schülerinnen und
Auszubildende einen Rabatt von mindestens 25 Prozent erhalten.
14 TiTel
DEMO 03-04/2017
eine Arztpraxis auf Rädern rollt durch die Dörfer Ost-Niedersachsens: Das Modell konnte sich trotz Auszeichnungen nicht durchsetzen.
Gegen Strukturdefizite mobilmachen
Rollende Arztpraxis oder KombiBus: Ideen gibt es viele – nicht alle gehen auf
D
er Landrat nennt sein Projekt
liebevoll „neue Postkutsche“.
Offiziell ist es der „KombiBus“,
der seit September 2012 nicht allein Fahrgäste durch den Landkreis Uckermark
transportiert, sondern im Laderaum auch
Lebensmittel – vor allem Kühlboxen mit
Wurst und Käse. Die werden dort abgeladen, wo der letzte Lebensmittelladen
längst geschlossen hat, Hoteliers und
Gastronomen auf die regionalen Spezialitäten für die Gästeverpflegung warten.
„Die Daseinsvorsorge in einem Landkreis aufrechtzuerhalten, der zu den
am dünnsten besiedelten Räumen in
Deutschland gehört und gleichzeitig von
der Fläche größer als das Saarland ist, ist
eine ständige Herausforderung“, stellt
Dietmar Schulze (SPD) fest. Seit dem Jahr
2010 kämpft der frühere Staatssekretär
im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium gegen den Bevölkerungsschwund. Seit dem Jahr 2000 sind es
laut amtlicher Statistik rund 25.000 Kreisbewohner weniger, aktuell etwa 120.000.
Um auch die älteren Menschen mobil
zu halten, investiert der Landkreis jährlich vier Millionen Euro in den Busverkehr.
Das seien drei Millionen Euro mehr als im
Nachbarkreis, sagt der Landrat. Dass das
Busunternehmen dem Kreis gehört, sieht
er als einen entscheidenden Vorteil. So
könnten das Angebot flexibel der Nachfrage angepasst und beispielsweise kleinere Busse angeschafft werden. Seit er im
Amt ist, habe sich der Kreishaushalt gut
Die medizini
sche Versorgung
aufrechtzu
erhalten, ist in
den meisten
ländlichen
Räumen eine
Herausforde
rung.
Dietmar Schulze (SPD),
Landrat Landkreis Uckermark
LanDfLucHt
25.000
Bewohner weniger hat der
landkreis Uckermark seit dem
Jahr 2000.
Quelle: amt Für StatiStik berlinbrandenburg
entwickelt, stellt er fest. Doch ohne Fördermittel aus Berlin und Brüssel sind auch
bei ihm innovative Mobilitätskonzepte
nicht umsetzbar. So bekam der KombiBus
eine Anschubfinanzierung. Nach drei Jahren ist diese ausgelaufen, und der Kreistag stand vor der Entscheidung, den Service aus Eigenmitteln aufrechtzuerhalten.
Die Mehrheit entschied sich fürs Weitermachen, zumal die Aussicht besteht, dass
der Dienst seine Kosten einfährt, weil die
Händler für ihre Transportboxen ein entsprechendes Ticket ziehen müssen. „Plus
minus Null“, erhofft sich Schulze. Er sieht
den Dienst nicht als Daseinsvorsorge, sondern als eine Wirtschaftsförderung.
Trotz weiter Wege vom Dorf in die
Stadt, nicht jedes Fahrdienstangebot ist
im Landkreis Uckermark erfolgreich: Ein
Test mit einem Arzt-Shuttle, der Patienten
einsammelte, um sie in die nächste Praxis
zu fahren, musste mangels Interesse abgebrochen werden. „Es sind nicht genug
Leute eingestiegen“, sagt der Landrat, der
über die Gründe nur spekulieren kann.
Die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten ist in den meisten ländlichen
Räumen eine Herausforderung.
Im Landkreis Wolfenbüttel in OstNiedersachsen kam der Hausarzt im Praxisbus sogar in die Dörfer. Von 2013 bis
zum Jahr 2015 hielt er am Dorfgemeinschaftshaus, der Dorfschule oder auf dem
Schützenplatz. Die „Rollende Arztpraxis“
wurde ausgezeichnet und war dann doch
schnell ein Auslaufmodell. „Die Rollende
Arztpraxis könne die ländliche Versorgung ergänzen, aber nur ungefähr die
halbe Kapazität einer Hausarztpraxis erreichen. Das genügt nicht, um am Netz zu
bleiben“, urteilte die für die Finanzierung
zuständige Kassenärztliche Vereinigung.
Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD)
zeigte sich nach Auslauf der Projektes enttäuscht: „Trotz der positiven Zwischenbilanz scheint die Rollende Arztpraxis noch
nicht das geeignete Instrument für unsere
Region zu sein. Offenbar ist die ärztliche
Versorgung für unseren Bereich derzeit
noch ausreichend.“ Die Ärzte-Zeitung
schrieb damals: „Als Subventionsprojekt
liegengeblieben.“
Die Strategie von Landrat Schulze ist:
statt neue Mobilitätsdienste auszuprobieren, die ambulante und stationäre Behandlung in den Krankenhäusern enger
zu verzahnen. Dem Gesetzgeber ist er
nach seinen Worten dankbar, dass dieser
„die Mauer zwischen beiden Teilen endlich durchschlagen hat.“
Mit Strukturdefiziten werden die ländlichen Landkreise in den kommenden
Jahren noch stärker zu kämpfen haben.
Viele Fördermittel wird es weiterhin geben, auch wenn die Aussicht, dass die
Projtekte sich selbst tragen, gering ist.
Ob dieser Weg richtig ist, will Schulze
nicht entscheiden. „Die Frage ist nicht
mit Ja oder Nein, schwarz oder weiß zu
beantworten“, sagt er. Es gehe darum,
die richtigen Entwicklungen wahrzunehmen. „Grundrauschen“ sagt er dazu.
Foto: Fotoagentur Hübner, WolFenbüttel
Autor Uwe Roth
TITEL 15
03-04/2017 DEMO
Der Jugend Gehör verschaffen
Die Interessen junger Menschen sind oft unterrepräsentiert.
Das gefährdet die Zukunft mancher ländlicher Kommunen
Autor Carl-Friedrich Höck
T
homas Minnerop, 52 Jahre alt,
sieht sich als Anwalt der Jugendlichen in Bad Segeberg. Und als
solcher hat er viel zu tun. „Das Jugendzentrum sollte geschlossen werden, das haben wir verhindert. Es gab ein Jugendtreff
und eine Skateranlage in der Stadtmitte
– da wurden Parkplätze draus gemacht“,
klagt er. Und dann seien Stellen in der
offenen Kinder- und Jugendarbeit gestrichen worden. „Bad Segeberg ist Konsolidierungskommune, also megablank“.
Einen Wendepunkt bewirkte das Programm „Jugendgerechte Kommune“: Die
Koordinierungsstelle „Handeln für eine
jugendgerechte Gesellschaft“, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums arbeitet, hat aus jedem Bundesland eine Referenzkommune ausgewählt. Gemeinsam
will man Wege erproben, wie Jugendpolitik neu ausgerichtet werden kann. Geld
gibt es für die Kommunen nicht, dafür
begleitet die Koordinierungsstelle die
einzelnen Projekte und organisiert den
Austausch untereinander. Schleswig-Holstein wird seit Anfang 2016 von der Kleinstadt Bad Segeberg vertreten. Damit, so
empfindet es Minnerop, veränderte sich
der Umgang mit dem Thema im Ort.
Foto: Jugendgerechte Kommune / Jens Zussy
Diaolog auf Augenhöhe nötig
Der Theaterpädagoge, bis dahin Leiter des
Jugendzentrums, ist jetzt Koordinator für
die „Jugendgerechte Kommune Bad Segeberg“. Als Erstes zog er durch die Schulen und fragte die Jugendlichen selbst:
Was braucht ihr? Dann half Minnerop ihnen dabei, sich zu organisieren. Eine Konzert-AG gründete sich, die Auftritte von
Bands organisiert. Eine Medien-AG produziert Videoclips zu jugendrelevanten
Themen und lädt sie ins Internet. Andere
veranstalten Poetry Slams. Minnerop leistet den jungen Bad Segebergern Hilfe zur
Selbsthilfe. Und er versucht, ihnen in der
Lokalpolitik mehr Gehör zu verschaffen.
„Wir haben Politik, Verwaltung und Jugendliche in einen Dialog gebracht, deshalb ist es so gut gelaufen“, ist Minnerop
überzeugt.
Ein Dialog auf Augenhöhe, das ist es
auch, was Nadine Paffhausen und Nils
Rusche einfordern. Als Mitarbeiter der
Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ sollen sie die
Jugendstrategie der Bundesregierung umsetzen – in Zusammenarbeit mit zahlreichen Organisationen, darunter auch den
kommunalen Spitzenverbänden. Das Leitbild lautet „eigenständige Jugendpolitik“,
was unter anderem bedeutet, dass nicht
nur für Jugendliche Politik gemacht werden soll, sondern auch von und mit ihnen.
Gerade für Kleinstädte und ländliche
Kommunen, die mit Abwanderung zu
kämpfen haben, ist das Thema Jugendgerechtigkeit existenziell. Wenn die Jugend
geht, stirbt der Ort auf Dauer aus. Viele
verlassen ihren Heimatort für ein Studium
oder eine Ausbildung. „Die entscheidende Frage ist: Gehe ich zurück oder nicht?“,
bringt es Nils Rusche auf den Punkt. Und
Nadine Paffhausen ergänzt: Maßgeblich
seien die beruflichen Perspektiven, aber
auch die Lebensqualität. „Wer sich in der
Schulzeit wohlgefühlt hat, mit einer guten sozialen Anbindung und kulturellen
Angeboten, der kommt auch eher wieder.“ Ein Vereinsleben und ehrenamtliche
Strukturen könnten viel dazu beitragen.
Aber wer auf die Bedürfnisse der jungen Menschen eingehen will, darf nicht
abwarten, bis diese Vereinsposten oder
Ratsmandate besetzen, um sich Gehör
zu verschaffen. Sich langfristig zu binden
Sie fordert mehr Angebote
in der Jugendarbeit: Nadine
Paffhausen.
„Die entscheidende Frage ist:
Gehe ich zurück oder nicht?“,
unterstreicht Nils Rusche.
passt nicht in die Lebensplanung vieler
junger Menschen, und Verwaltungssprache ist alles andere als jugendgerecht. Rusche und Paffhausen haben beobachtet:
Jugendrelevante Themen kommen in den
öffentlichen Debatten mancher Kommunen überhaupt nicht vor. Angebote der
Jugendarbeit könnten dem entgegenwirken und Fachkräfte als Ansprechpartner
dienen, ist Nadine Paffhausen überzeugt.
Nur werde gerade in diesem Bereich oft
gespart. Noch wichtiger als Geld sei oft
etwas anderes, ergänzt Nils Rusche. „Es
fängt damit an, wie die Kommunalpolitik gegenüber den Jugendlichen auftritt:
Werden sie ernst genommen?“
Bei allen weiteren Schritten leistet die
Koordinierungsstelle Hilfe. Im Februar ist
die Seite werkzeugbox.jugendgerecht.de
online gegangen. Dort finden Interessierte Informationen zum Thema, BestPractice-Beispiele und Empfehlungen.
Eine dort verlinkte Studie des Deutschen
Jugendinstitutes rät dazu, kostenlose
WLAN-Hotspots in jedem Dorf einzurichten. Kommunen könnten duale Ausbildungsberufe stärken und mobile Angebote der Jugendarbeit aufbauen, heißt
es weiter. Oder Räumlichkeiten so teilen,
dass Jugendliche sie mitnutzen können.
Doch das direkte Gespräch bleibe die
Basis, betont Nils Rusche. Etwa, wenn sich
Anwohner von Jugendlichen gestört fühlen, weil diese abends ein Bier auf dem
Bahnhofsplatz trinken. „Meistens sind sie
nicht dort, weil es ihnen da so gut gefällt“,
weiß Rusche. Auf die Frage „Wo sollen
wir sonst hingehen?“ müsse die Kommune immer mehrere Antworten finden.
Weitere Informationen
werkzeugbox.jugendgerecht.de
jugendgerechte-kommune-segeberg.de
Ein „Wohnzimmerkonzert” in Bad Segeberg: Die Karl-May-Stadt will jugendgerechter werden.
16 TiTel
DEMO 03-04/2017
EU fördert Pilgerwege
am Niederrhein
Die Städte Geldern, Kevelaer, Straelen und Nettetal haben sich
gemeinsam erfolgreich als LEADER-Region beworben
Autorin Silke Hoock
Das Programm
Leistende
Landschaft ist
besonders, weil
es das Bottomup-Prinzip lebt.
Simone Schönell, Geschäftsführerin des Regionalmanagements LEADER-Region
Leistende Landschaft
Jakobswegs entlang. Da lag die Idee
nahe“, sagt Simone Schönell. Die Idee
nämlich, die Wallfahrt als eines von insgesamt 16 Leit-Projekten in die regionale
Entwicklungsstrategie aufzunehmen.
Um konkreter zu werden, treffen
sich schon bald die Pilgerleiter aus der
Region, um ihre Pilgerrouten mitzuteilen. In einem weiteren Schritt soll die
Weg-Beschilderung entwickelt werden.
So sollen auch Individualreisende, also
auch Pilger, die Möglichkeit haben, die
Region auf eigene Faust zu Fuß oder
mit dem Fahrrad zu erkunden. „Aufgrund zunehmender Individualisierungs-
Mehr iNFOrMATiONeN
Die Städte Geldern, Kevelaer, Nettetal
und Straelen mit insgesamt 117.000
Einwohnern bilden die Region „Leistende Landschaft“, kurz Lei.La. Die vier
niederrheinischen Kommunen haben
sich erfolgreich als LEADER-Region
im Rahmen des NRW-Programmes
„Ländlicher Raum 2014 – 2020“ beworben. Damit stehen der Region rund
2,7 Millionen Euro zur Verfügung. Die
maximale Projektförderung (65 Prozent)
ergibt zusammen mit dem nötigen
Mindest-Eigenanteil (35 Prozent) ein
regionales Finanzvolumen von über vier
Millionen Euro.
Weitere Schwerpunkte der regionalen
Entwicklungsstrategie sind die Markenund Profilbildung als AgrobusinessRegion sowie Qualifizierung und
Fachkräftesicherung. Davon ausgehend
sollen neue Lösungsansätze in der
Energieversorgung und zum Erhalt der
Biodiversität entwickelt werden.
Wallfahrt als Tourismusfaktor
Die Idee, die Wallfahrt und die Pilgerwege auch als entscheidenden Tourismusfaktor der Region zu begreifen und
daher gezielt aufzuwerten, kam aus
Kevelaer und dort konkret aus der Gemeinde St. Marien. „Insgesamt herrscht
in dieser Region ein christliches Grundrauschen. Hier gibt es viele Pilgerwege.
Überall stehen Kapellen und Wegekreuze. Hier am Niederrhein führen Teile des
Seit November 2016 ist das Regionalmanagement mit seiner Geschäftsstelle
im Gelderner Gründerzentrum eingerichtet (bis 2023), um Projektideen qualitativ
zu begleiten und die regionale Entwicklungsstrategie voranzutreiben. SH
Magnet für Wallfahrer: die Gnadenkapelle in Kevelaer
Foto: Gemeinde Sankt marien / kevelaer
K
evelaer am Niederrhein ist
Nordwest-Europas größter Wallfahrtsort mit jährlich cirka einer
Million Gläubigen. Ziel der Wallfahrt
ist die Gnadenkapelle mit dem Marienbild „Trösterin der Betrübten“. Selbst
Papst Johannes Paul II. machte hier im
Jahre 1987 Station und trug zum internationalen Ruf Kevelaers als Ort des
katholischen Glaubens bei. Nun will die
Kommune zusammen mit den Städten
Geldern, Nettetal und Straelen das Thema Wallfahrt als LEADER-Projekt in den
Fokus rücken.
LEADER ist ein europäisches Förderprogramm, das einen integrierten
Regionalentwicklungsansatz verfolgt –
mit dem Ziel, den ländlichen Raum zu
stärken. Der Begriff steht für eine französische Abkürzung und meint übersetzt
die „Verbindung zwischen Aktionen zur
Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“.
Zu den 28 nordrhein-westfälischen
LEADER-Regionen gehört die Region
„Leistende Landschaft“ mit den Mitgliedskommunen Geldern, Kevelaer,
Nettetal und Straelen (siehe Kasten).
„Das Programm ist besonders, weil es
das Bottom-up-Prinzip lebt. Die Bürger
entwickeln Ideen. Von der Idee bis zur
Entwicklung eines Projektes geben wir
Hilfestellung. Die Prozesse werden von
unten nach oben durch ein professionelles Regionalmanagement begleitet“,
erläutert Simone Schönell, Geschäftsführerin des Regionalmanagements
LEADER-Region Leistende Landschaft
e.V., das Prinzip.
tendenzen gewinnen die Kartierung und
Beschilderung von regionalen Pilgerwegen nach Kevelaer an Bedeutung“, beruft sich Simone Schönell auf eine Umfrage der Wallfahrtsleitung St. Marien
Kevelaer. Demnach kommen aktuell
rund 40 Prozent der Pilger als Einzelpersonen nach Kevelaer, um im Kraftzentrum der Marienstadt am Gnadenbild der
„Trösterin der Betrübten“ Ruhe zu finden
und zu entschleunigen. Die Kartierung
und Beschriftung der Pilger- und Wallfahrtswege soll die beteiligten vier Kommunen verbinden. Außerdem sollen die
besonderen Landmarken (Wegekreuze,
Kapellen) durch eine einzigartig blühende Bepflanzung sichtbar werden. Dazu
ist ein Konzept mit einem Corporate
Design auf der Grundlage des stilisierten
Marien-Logos angedacht.
„Hier sind nicht alle katholisch. Aber
jedem ist die Wallfahrt wichtig. Die Kapellen und auch das Gnadenbild sind
Kraftquellen für alle“, weiß Simone
Schönell. Besonders in diesem Jahr rückt
die Wallfahrt in den Blickpunkt: So feiern die Gemeinde St. Marien und die
Kommune das 375-jährige Bestehen der
Wallfahrt in Kevelaer.
03-04/2017 DEMO
Flächendeckung auf dem
Weg, Gigabit im Blick
Wo stehen wir beim Breitbandausbau?
Autor Martin Dörmann, MdB, kultur- und medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
mit Glasfaser vor. Rund 950 Millionen
Euro und damit etwas über 70 Prozent
der bewilligten Fördermittel des ersten
und zweiten Infrastrukturaufrufes entfallen auf Investitionen in Glasfaserprojekte
bis zum Haus. Letztlich fließen 94 Prozent
der Investitionen in den Glasfaserausbau,
da auch bei Projekten zur Ertüchtigung
der Kabelverzweiger die Verlegung von
Glasfaser das Gros der Kosten verursacht.
Das belegt, dass die Förderbedingungen
so konzipiert sind, dass vor allem in zukunftsfähige Infrastruktur investiert wird.
Der Weg in die Gigabitgesellschaft
Kabelgraben: Auf Drängen der SPD-Fraktion hat die Koalition viel Geld für die Breitbandförderung zur Verfügung gestellt.
S
chnelles Internet ist heute Voraussetzung für die gesellschaftliche
und ökonomische Teilhabe in allen
Regionen. Im Koalitionsvertrag von 2013
wurde deshalb auf Drängen der SPDBundestagsfraktion eine flächendeckende
Versorgung mit Geschwindigkeiten von
mindestens 50 MBit/s als Breitbandziel bis
2018 vereinbart. Das ist durchaus ehrgeizig, lag doch die Abdeckung Ende 2013
erst bei knapp 60 Prozent der Haushalte.
Bis Mitte 2016 ist die Versorgung auf über
71 Prozent gestiegen – und zwar noch
weitgehend ohne Fördermittel. Deren
bauliche Umsetzung beginnt gerade erst.
Foto: thomBal /Fotolia.com
Förderung für Gewerbegebiete
Nachdem in den Jahren der schwarz-gelben Bundesregierung keine nennenswerte Förderung erfolgte, hat die gegenwärtige große Koalition dafür gesorgt, dass
über vier Milliarden Euro für die Breitbandförderung zur Verfügung stehen.
Haushaltsrechtlich ist sichergestellt, dass
die bestehende Förderkulisse bei Bedarf
fortgesetzt werden kann. Seit Anfang
Januar 2017 gibt es auch ein spezielles
Förderprogramm von 350 Millionen Euro
zur Erschließung von Gewerbegebieten.
Das Bundesförderprogramm wird in zeitversetzten Aufrufen ausgeschüttet. Zur
Wirkung der Fördergelder des Bundes ein
Beispiel aus dem überwiegend ländlichen
Mecklenburg-Vorpommern: Dort wird
erwartet, dass sich nach Umsetzung von
rund 700 Millionen Euro Fördermitteln in
91 Projekten aus dem ersten und zweiten Fördermittelaufruf die Breitbandversorgung von derzeit 52,8 auf 79 Prozent
Flächendeckung mit 50 MBit/s verbessert.
2016 wurden (allein im ersten und
zweiten Aufruf) Mittel für mehr als 200
Projekte mit einem Fördervolumen von
über 1,33 Milliarden Euro in Rekordzeit
vergeben. Nach den bisherigen Erfahrungen kann davon ausgegangen werden,
dass mit den vier Milliarden Euro Fördermitteln Investitionen von annähernd zehn
Milliarden Euro ausgelöst werden. Dabei
liegen die technischen Schwerpunkte bei
den geförderten Projekten auf der Versorgung von Haushalten und Gewerbegebieten mit glasfaserbasierten Anschlüssen.
60 Prozent der Fälle sind Mischprojekte,
in denen mindestens die Kabelverzweiger
mit Glasfaser ertüchtigt werden. Etwa ein
Drittel der bewilligten Projekte sieht eine
vollständige Erschließung der Haushalte
Letztlich
fließen
94 Prozent der
geförderten
Investitionen in
den Glasfaserausbau.
Martin Dörmann
Die deutschlandweite Grundversorgung
mit mindestens 50 MBit/s ist ein wichtiger
Zwischenschritt. Das weitergehende Ziel
muss eine Gigabitnetzinfrastruktur sein.
Denn der Bedarf nach höheren Bandbreiten wird in den nächsten Jahren deutlich
steigen – sowohl mobil als auch leitungsgebunden. Gleichzeitig wird zunehmend
deutlich, dass die reine Bandbreite als
Qualitätsparameter in der Zukunft nicht
mehr ausreichend ist. Neben der Geschwindigkeit werden auch die Symmetrie
im Down- und Upstream, extrem kurze
Latenzzeiten und ausreichende Kapazitäten auf allen Netzebenen eine große
Rolle spielen. Mobile Verfügbarkeiten
und Netzdichte, aber natürlich auch Kosten und Bereitstellungsgeschwindigkeiten
müssen zusammengenommen als ein
Paket betrachtet werden.
In den nächsten Jahren müssen die
richtigen Weichen für private Investitionen gestellt werden, damit sich die gesellschaftlichen und ökonomischen Potenziale möglichst schnell entfalten können. Die
SPD-Bundestagsfraktion hat sich hierzu
mit ihrem Beschluss „#DigitalLeben: Digitalisierung in Gesellschaft und Wirtschaft“ vom Oktober 2016 positioniert.
Der verstärkte Ausbau von Glasfaseranbindungen sowie die Bereitstellung
des neuesten Mobilfunkstandards (5G)
mit bis zu 10 GBit/s bei Latenzzeiten von
unter einer Millisekunde werden eine zentrale Rolle spielen. Bis 2025 sollen nach
unseren Vorstellungen möglichst flächendeckend, jedenfalls aber für mindestens
90 Prozent der Gebäude, Geschwindigkeiten im Gigabit-Bereich zur Verfügung
stehen. Bei der Förderung wollen wir
einen festen Milliardenbetrag pro Jahr
festlegen und damit nachhaltige Impulse
für die Implementierung der Gigabitinfrastruktur setzen.
V.i.S.d.P.:
Petra Ernstberger, Parlamentarische Geschäftsführerin,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: (030) 227-744 20,
petra.ernstberger@spdfraktion.de
18 NEWS
DEMO 03-04/2017
Resolution zur
Lage der Türkei
Eine Welt vor Ort –
Entwicklungspolitik
beginnt in den
Kommunen
Euro-SGK heißt jetzt
PES-Local
Veranstaltung der SPDBundestagsfraktion
Lokale Demokratie ist gefährdet
Im Mittelpunkt der Sitzung stand die
Lage in der Türkei, insbesondere der seit
Sommer 2015 im Südosten der Türkei
erneut aufgeflammte gewaltsame Konflikt. Durch die Zerstörungen in vielen
Kommunen und die eingeschränkte
Grundversorgung sind mehr als 350.000
Menschen auf der Flucht. Die lokale
Selbstverwaltung und Demokratie sind
nachhaltig gefährdet: mehr als 60 Bürgermeister wurden verhaftet und in
mehr als 75 Städten und Gemeinden frei
gewählte Bürgermeister suspendiert oder
abgesetzt sowie Verwalter von der türkischen Regierung eingesetzt.
Verabschiedet wurde eine Resolution,
in der PES Local seine Sorge über die
Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltung und Demokratie äußert und
solidarische Hilfsprojekte zur Unterstützung von Städten im Südosten der Türkei
begrüßt. PES Local empfiehlt, Kontakte
zu inhaftierten Bürgermeistern in der
Türkei aufzunehmen und Patenschaften
zu übernehmen, ähnlich wie es viele
Mitglieder des Bundestages für inhaftierte Parlamentarier bereits tun. Zudem
werden die Einstellung der Kampfhandlungen und die Wiederaufnahme des
Friedensprozesses sowie die Einhaltung
der Grundsätze von Demokratie und
Rechtsstaat gefordert. Der Vorstand der
Bundes-SGK hat sich in seiner Sitzung
am 17. März 2017 ebenfalls mit der Lage
in der Türkei befasst und unterstützt die
Resolution von PES Local.
Peter Hamon
Infos www.bundes-sgk.de
Drei Fragen an
Frank Baranowski, Vorsitzender der Bundes-SGK,
zu Arbeitsmarktpolitik und öffentlicher Daseinsvorsorge
Martin Schulz geht mit 100 Prozent Zustimmung seiner
Partei in den Wahlkampf. Als inhaltlichen Punkt hat er die
Einführung eines „Arbeitslosengeldes Q“ angekündigt.
Eine gute Idee?
Auf jeden Fall! Grundgedanke ist ja, dass Menschen länger Arbeitslosengeld bekommen, wenn sie sich während der Arbeitslosigkeit weiterbilden. Und Deutschlands Wirtschaft wird künftig
jeden qualifizierten Kopf und jede qualifizierte Hand brauchen
– gerade auch bei Berufen mit mittlerer Qualifikation wie Pflegekräfte, Erzieher oder Elektroinstallateure.
Mit dem ALG Q allein lässt sich der Fachkräftebedarf aber
nicht abdecken. Nötig ist es aus Sicht der Bundes-SGK, auch die
„stille Reserve“ der Langzeitarbeitslosen zu heben. Deutschland
braucht einen sozialen Arbeitsmarkt, auf dem Menschen mit
mehrfachen Vermittlungshemmnissen nach und nach an Arbeit
– und damit auch soziale Teilhabe – herangeführt werden. Denn
zu viele Menschen profitieren nach wie vor kaum von der im
Prinzip guten wirtschaftlichen Entwicklung.
Ist Arbeitsmarktpolitik da der richtige Ansatzpunkt?
Auch, aber nicht nur. Es gilt zudem, den wachsenden Disparitäten zwischen den Kommunen – unabhängig ob in West oder
Ost, ob städtisch oder ländlich geprägt – mit den Mitteln einer
solidarischen Regionalpolitik entgegenzusteuern. Wir wollen
deshalb eine Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgaben.
Hierzu zählen die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der
regionalen Wirtschaftsstruktur, die Städtebauförderung und deren bedarfsgerechte Ausstattung. Die Gemeinschaftsaufgabe zur
Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sollte zu
einer Gemeinschaftsaufgabe zur Sicherung der Daseinsvorsorge
in strukturschwachen Regionen mit kooperativen und regional
integrierten Handlungsansätzen weiterentwickelt werden.
Was heißt das konkret – Gemeinschaftsaufgabe zur Sicherung der Daseinsvorsorge?
Wir wollen ein abgestimmtes Handeln aller staatlichen Ebenen,
um die Versorgung dünn besiedelter Räume mit Leistungen der
öffentlichen Daseinsvorsorge abzusichern. Zentrale Bedeutung
kommt dabei der verkehrlichen und kommunikationstechnischen
Erreichbarkeit zu. Notwendig sind eine verlässliche Förderung
von Infrastruktur und leistungsfähigen Mobilitätskonzepten wie
auch der zügige Ausbau einer flächendeckend hochleistungsfähigen Breitbandversorgung.
Städte, Landkreise und Gemeinden
engagieren sich vielfältig in der
Entwicklungszusammenarbeit. Sie fassen Beschlüsse zur fairen Beschaffung,
pflegen Partnerschaften mit Städten
aus Schwellen- und Entwicklungsländern, vermitteln kommunalpolitische
Kompetenzen und unterstützen die entwicklungspolitische Informations- und
Bildungsarbeit der Zivilgesellschaft. Am
17. Mai 2017 findet auf Einladung der
SPD-Bundestagsfraktion eine Veranstaltung zur Rolle der Kommunen in der
Entwicklungszusammenarbeit statt.
www.spdfraktion.de/termine/2017-05-17-welt-ort
Stefan Rebmann ist entwicklungspolitischer
Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Seminar „Kommunalund Direktwahlen
gewinnen“
Am 9./10. Juni 2017 veranstaltet die
Bundes-SGK wieder das Seminar „Kommunal- und Direktwahlen gewinnen“ in
Springe bei Hannover. Gemeinsam mit
einem erfahrenen Trainer und erfolgreichen Praktikerinnen und Praktikern
werden Bestandteile eines gelungenen Wahlkampfes herausgearbeitet
und zentrale Elemente für strategische
Wahlkampfführung erschlossen. Hierbei
werden unter anderem die Lage vor Ort
analysiert und ein Wahlkampf-Drehbuch
erstellt. Weitere Informationen zum
Programm und Anmeldung sind auf der
Website der Bundes-SGK zu finden.
www.bundes-sgk.de
Fotos: Dirk Bleicker; sPDFraktion.De (susie knoll /Florian Jänicke)
E
rstmals unter dem neuen Namen
„PES Local“ ist der Vorstand des
europäischen Netzwerkes der
sozialdemokratischen KommunalpolitikerInnen Europas am 8. März 2017
in Brüssel zusammengekommen. Die
neue Bezeichnung (bisher USKRE bzw.
„Euro-SGK“) unterstreicht die enge
Verbindung mit der Sozialdemokratischen Partei Europas (PES). PES Local
will seine Aktivitäten ausweiten und
die Kooperation mit der PES weiter
ausbauen. Inhaltliche Schwerpunkte
der Sitzung waren die „Struktur- und
Kohäsionspolitik nach 2020“ sowie
die „Urban Agenda der EU“, zu denen
Kerstin Westphal, MdEP, berichtete.
News 19
03-04/2017 DEMO
SPD-Erfolge in Kassel
und im Main-Kinzig-Kreis
Sturm als
Glücksfall
Auf der VKU-Verbandstagung
sprachen Merkel, Zypries und
Schäuble zu den Vertretern
kommunaler Unternehmen
Fotos: Carl-FriedriCh höCk; stadt k assel
Christian Geselle wird der neue OB in Kassel.
Am 22. Juli endet in Kassel eine zwölfjährige Ära. Bertram Hilgen (SPD) wird
dann im Alter von 63 Jahren sein Amt
als Oberbürgermeister an seinen Nachfolger übergeben. Der ist wieder ein
Sozialdemokrat: Christian Geselle hat die
Wahl am 5. März klar gewonnen: Mit
56,6 Prozent der Stimmen ließ er seine
fünf Mitbewerber weit hinter sich. „Dass
es so überwältigend und gleich im ersten Wahlgang mit deutlichem Vorsprung
geklappt hat, freut mich natürlich riesig“,
bekannte der Sieger am Wahlabend. Der
ehemalige Polizist und studierte Jurist
Geselle ist derzeit noch Stadtkämmerer.
Als OB wolle er nun wieder stabile politische Mehrheitsverhältnisse schaffen und
eine Zusammenarbeit mit Grünen und
FDP organisieren, sagte er.
Einen Wahlerfolg konnte die SPD auch
im Main-Kinzig-Kreis vermelden. Dort
wurde Thorsten Stolz zum neuen Landrat gewählt – auch er setzte sich im
ersten Wahlgang mit 57,9 Prozent überraschend klar gegen fünf Konkurrenten
durch. „Eine kleine Sensation“, freut sich
Stolz im Gespräch mit der „DEMO“. Er
folgt im Juni auf Erich Pipa (SPD). Der
Landrat hatte seit Sommer 2015 wiederholt Morddrohungen erhalten und auch
deshalb auf eine erneute Kandidatur
verzichtet. Stolz meint daher, das Wahlergebnis sei „auch ein Statement gegen
Rechtspopulismus”. CFH
Interview mit Thorsten stolz:
demo-online.de/aktuelles
R
und 1000 Gäste kamen am 14.
und 15. März zur Tagung des
Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) nach Berlin. Ein Schneesturm sorgte dafür, dass auch die Bundeskanzlerin unter ihnen sein konnte.
Denn ein geplanter Besuch bei Donald
Trump musste wetterbedingt verschoben werden, und so sprach Angela
Merkel stattdessen vor den Vertretern
von Stadtwerken und Entsorgungsunternehmen über die Digitalisierung.
Merkel ermunterte die Unternehmen,
anhand digitaler Daten mehr über die
Wünsche ihrer Kunden herauszufinden.
Denn wer die individuellen Ansprüche
besser befriedige, werde auch die Digitalisierung am besten meistern. Darüber
hinaus war der Kanzlerin anzumerken,
dass ihr wenig Zeit geblieben war, ihren
Auftritt vor den VKU-Vertretern vorzubereiten. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht,
wie Sie darüber denken”, bekannte
sie etwa, als sie auf das geplante Verpackungsgesetz zu sprechen kam. Der
VKU begleitet die Debatte seit Langem
kritisch und lehnt den vorliegenden Gesetzentwurf ab.
Bestens gelaunt: VKU-Präsident Michael ebling, wirtschaftsministerin Brigitte
Zypries und VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche (v.l.)
Wir sprechen
über eine
Strategie, wie
wir bis 2050 ein
25-Gigabit-Netz
hinbekommen.
Hubertus Heil, SPDFraktionsvize im Bundestag
schäuble lobt Investitionen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
lobte in seiner Rede vor den Verbandsmitgliedern die kommunalen Unternehmen für ihren „wichtigen Beitrag zur
Infrastruktur” und ergänzte, es sei ein
erfreulicher Trend ansteigender kommunaler Investitionen zu beobachten. Die
Bundesländer ermahnte Schäuble, die
Mittel aus dem aufgestockten Investitionsprogramm für finanzschwache Kom-
Bundeskanzlerin Angela
Merkel während ihrer Rede
munen so zu verteilen, dass sie zügig bei
den Städten und Gemeinden ankommen,
die das Geld dringend brauchen.
50 MBit-Ziel nur ein Zwischenschritt
Der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Hubertus Heil äußerte sich
zum Breitbandausbau. „Ich glaube, dass
die Debatte ‚50 MBit pro Sekunde bis
zum Jahr 2018‘ schon längst überholt
ist“, sagte er. „Wir sprechen schon längst
über eine ambitioniertere Strategie, wie
wir bis zum Jahr 2050 ein 25-GigabitNetz hinbekommen.” In ländlichen
Regionen, in denen sich der Ausbau
nicht rechne, müsse der Staat weiterhin
Anreize setzen.
Höhepunkt des zweiten Tages war
die Rede der Wirtschaftsministerin
Brigitte Zypries (SPD). Kommunale Unternehmen seien auch ein Motor der
Energiewende, betonte sie. Diese sieht
sie „nicht nur ökologisch, sondern auch
ökonomisch auf einem guten Weg”.
Die Bundesregierung habe Investitionen
in die Stromnetze mit einem Kapitalkostenausgleich attraktiver gemacht und
Fördermittel für Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen erhöht. Zudem habe die
Regierung die (Re-)Kommunalisierung
von Stromnetzen erleichtert. Nun gelte
es, bis 2025 die großen Stromleitungen
von Nord- nach Süddeutschland fertigzustellen. CFH
Anzeige
„Überlassen Sie die Besetzung
“
von Führungspositionen nicht dem Zufall …
– Edmund Mastiaux, Inhaber
zfm • Seit 25 Jahren Personalberatung für Verwaltungen und kommunale Unternehmen
www.zfm-bonn.de
20 RepoRt
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 03-04/2017
Sozialer Arbeitsmarkt für
Langzeitarbeitslose
Öffentlich geförderte Beschäftigung kann gesellschaftliche
Teilhabe durch echte und sinnstiftende Arbeit realisieren
Autor Prof. Dr. Stefan Sell, Hochschule Koblenz, Direktor des Institutes für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM)
Report
Integration
Im AbSeItS
36,9
prozent beträgt der Anteil der
Langzeitarbeitslosen an allen
Arbeitslosen in Deutschland im
Jahr 2016.
Quelle: de.statista.com
D
er Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland stockt.
Die Zahl der statistisch registrierten Langzeitarbeitslosen stagniert
seit vielen Jahren bei rund einer Million.
Das ist aber nur die halbe Wahrheit,
denn die sozialrechtliche Konstruktion
der Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht
geeignet, um die Problemlagen in der
Grundsicherung für Arbeitsuchende zu
analysieren. Kurzfristige Beschäftigungsaufnahme, Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder Arbeitsunfähigkeit führen regelmäßig dazu, dass
die Zählung der Dauer der Arbeitslosigkeit von vorne beginnt. Im SGB II haben
wir es in vielen Fällen mit einer Personengruppe zu tun, die immer wieder
zwischen verschiedenen erwerbsbiografischen Zuständen wechselt, ohne dass
ein dauerhafter Ausstieg aus der Grundsicherung gelingt. Fast die Hälfte der
über vier Millionen Hartz-IV-Empfänger
bezieht seit über vier Jahren Leistungen
und rund eine Million bereits seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2005.
Die Politik schweigt dazu bisher oder
versteckt sich hinter Sonderprogrammen
in homöopathischer Dosis.
„Sozialer Arbeitsmarkt“ als Lösung
Die Jobcenter kapitulieren vor diesem
Personenkreis, der Instrumentenkasten
ist erschöpft und das Arsenal arbeitsmarktpolitischer Instrumente stößt an
seine strukturellen Grenzen. Wir brauchen daher dringend einen Neustart in
der arbeitsmarktpolitischen Förderung,
um die Grundsicherung zu befähigen,
Teilhabe zu organisieren. Überwindung
oder Reduzierung der Hilfebedürftigkeit
können nicht mehr der alleinige Maßstab
zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit
des Systems sein, sondern wir brauchen
eine politische Verständigung darüber,
was das SGB II leisten soll und kann. Und
was es auf jeden Fall leisten sollte: dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Personen einen Weg aufzuzeigen,
gesellschaftliche Teilhabe durch echte
und sinnstiftende Arbeit zu realisieren.
Der Markt alleine hat an dieser Stelle
Unterfinanzierte Jobcenter
Und an dieser Stelle müssen wir auch
die Frage nach dem Geld stellen. Denn
dieses Instrument benötigt eine zusätzliche Finanzierung. Wenn wir ehrlich
sind, dann finden wir heute eine vollkommen unterfinanzierte Infrastruktur
in den Jobcentern vor. Es knirscht an allen Ecken und Enden, und immer wieder
melden sich Jobcenter-Geschäftsführer
zur Wort, die mit den zur Verfügung stehenden Mitteln an die Grenzen des notwendigerweise zu Leistenden stoßen.
Eingliederungs- und Verwaltungsmittel
sind seit Jahren zu gering bemessen, um
die anspruchsvollen Aufgaben der gesellschaftlichen Integration im Jobcenter zu leisten. Ansätze zur Integration
von dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Personen, worunter sich
auch Langzeitarbeitslose befinden (können), kosten Geld, was nicht verschwiegen werden darf. Das aktuelle Gelegenheitsfenster sollte dazu genutzt werden,
die arbeitsmarktpolitische Debatte auf
die Grundsicherung auszuweiten und
deutlich zu machen, dass mehr Geld im
System ein wichtiger Schritt in Richtung
einer gerechten Arbeitsmarktpolitik ist.
Das Finanzierungsinstrument des PassivAktiv-Transfers sollte dabei nicht leichtfertig aufgegeben werden, sondern
bleibt eine unabdingbare Finanzierungsquelle.
Weitere Informationen Institut für Sozial
politik und Arbeitsmarktforschung (ISAM)
www.hskoblenz.de/hochschule/einrichtungen/
forschungsinstitute/institutfuersozialpolitikund
arbeitsmarktforschungisamderhochschule
koblenz/isam/
Foto: bluedesign/Fotolia
Die Integration von dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen personen ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben der Jobcenter.
oft fehlt es am notwendigen Geld.
versagt. Ein „sozialer Arbeitsmarkt“ kann
eine Lösung sein. Die Implementierung
einer Förderung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, die tariflich beziehungsweise ortsüblich entlohnt
werden und echte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind, wäre eine Lösung. Mit einem pauschalierten
Lohnkostenzuschuss, der allen Arbeitgebern zugänglich ist, kann es gelingen,
auch arbeitsmarktfernen Zielgruppen
Teilhabe an der Arbeitsgesellschaft zu
ermöglichen. Ein freiwilliger Zugang ist
dabei unentbehrlich und im Bedarfsfall
sollte die Förderung auch über mehrere
Jahre erbracht werden können. Die Evaluationsstudien verschiedener Modellprojekte zeigen, dass eine sozialpädagogische Begleitung zur Stabilisierung der
Beschäftigungsverhältnisse einen echten
Mehrwert bietet.
RepoRt 21
03-04/2017 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Integration durch Arbeit
ver.di sucht bis zu zehn kommunale Pilotbetriebe
für ein Praxisprojekt zur betrieblichen und beruflichen
Integration von Geflüchteten
Autorin Renate Sternatz, ver.di Bundesverwaltung, Bereichsleiterin Fachbereich Gemeinden
I
m Jahr 2015 gab es in den Kommunen
enorme Anstrengungen zur Aufnahme, Unterbringung und Versorgung
von Geflüchteten. Die Beschäftigten und
viele Ehrenamtliche haben es mit ihrem
großen Engagement geschafft, diese Herausforderung zu bewältigen. Im
nächsten Schritt muss es darum gehen,
die betriebliche und berufliche Integration der Geflüchteten voranzubringen.
Hier sind auch die Kommunen gefordert,
Integrationspfade in ihre Betriebe und
Verwaltungen zu schaffen.
Arbeit ist ein zentraler Baustein für
gesellschaftliche Integration. Sie ermöglicht ein selbstständiges Leben und damit
ein echtes Ankommen in Deutschland.
Die Arbeitswelt ist ein konkreter Ort der
Integration, auch um neue Sprachkenntnisse zu erlernen und anzuwenden. Zusammen arbeiten, zusammen eine Aufgabe bewältigen, zusammen Pause machen – all das verbindet und trägt zum
Ankommen bei.
ten zur individuellen Unterstützung der
Geflüchteten geben Orientierung und
stehen zur Seite.
Kommunale Betriebe und Verwaltungen sind gut beraten, das Thema aufzugreifen. Sie können damit:
• eine gute betriebliche Ausgangsbasis
schaffen und die notwendige betriebliche Vorbereitung systematisch organisieren,
• Voraussetzungen schaffen für mehr
interkulturelle Kompetenz und die
Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses für kulturelle Vielfalt im
Betrieb,
• die Führungskompetenz stärken,
• die strategische Personalentwicklung
voranbringen und an bereits bestehende Lösungsansätze zum demografischen Wandel und alternsgerechten
Arbeiten andocken und
• die Beschäftigten werden bei der Entwicklung konkreter betrieblicher Maßnahmen der Integration beteiligt, was
Akzeptanz und Unterstützung schafft.
Foto: H.-P. obladen
Ausgangsbasis im Betrieb schaffen
Damit die Integration gut gelingt, müssen die notwendigen strukturellen, personellen und emphatischen Voraussetzungen im Betrieb geschaffen werden.
Dies ist erfolgskritisch. Es gibt erhebliche
betriebsinterne Informations-, Diskussions- und Qualifizierungsbedarfe. Hierfür muss der notwendige Resonanzraum
geschaffen werden, der eine gute betriebliche Ausgangslage unterstützt.
Dazu braucht es einen beteiligungsorientierten Prozess, an dem die Beschäftigten bei der Entwicklung konkreter betrieblicher Maßnahmen der
Integration beteiligt werden. Im betrieblichen Diskurs können Bedenken und
Vorbehalte abgebaut sowie Akzeptanz
und Unterstützung geschaffen werden.
Begleitend sind verschiedene Qualifizierungsformate für Führungskräfte, Ausbildende, Praxisanleitende und
Teams zu interkultureller Kompetenz, als
Kommunikations- und Handlungskompetenz anzubieten. Integrationslotsen
als Ansprechpartner im Betrieb und Pa-
projektfinanzierung
Die teilnehmenden Betriebe erhalten
eine Anschubfinanzierung in Form von
fünf Beratungstagen. Diese werden
durch die Walter-Hesselbach-Stiftung
bereitgestellt. Darüber hinaus müssen
auch eigene personelle und finanzielle
Ressourcen aufgebracht werden. Die
Höhe der Eigenmittel ist vom betrieblichen Projektumfang abhängig.
projektteilnahme
Auf Jobsuche
9
prozent der im Februar 2017
registrierten Arbeitssuchenden
in Deutschland waren
Geflüchtete und Asylbewerber,
über die Hälfte davon Syrer.
Das ver.di-projekt
Der ver.di-Fachbereich Gemeinden führt
ein Praxisprojekt zur betrieblichen und
beruflichen Integration von Geflüchteten durch. Bis zu zehn kommunale
Pilotbetriebe können sich daran beteiligen und Beispiele einer guten Praxis
vor Ort erarbeiten und umsetzen. Das
Projekt hat eine Laufzeit vom 1. Oktober
2016 bis 30. September 2020.
Für das Projekt konnten die Akademie Dr. Obladen GmbH (Berlin) für die
Beratung und Qualifizierung vor Ort, die
Deutsche Angestellten-Akademie (DAA)
und das Berufsfortbildungswerk des
DGB als Kooperationspartner zum Themenkomplex Arbeitsmarktintegration
gewonnen werden.
Quelle: naCH deR FluCHt: deR WeG In
dIe aRbeIt – aRbeItSMaRKtInteGRatIon
Von FlÜCHtlInGen In deutSCHland ©
oeCd 2017
Am 17. März 2017 fand ein „Schnuppertag” im Wirtschaftsbetrieb Duisburg statt.
Am Projekt können kommunale Betriebe
und Verwaltungen aus allen Regionen
Deutschlands teilnehmen. Wir haben
ein hohes Interesse daran, Betriebe unterschiedlicher Größe, Regionen, kommunaler Dienstleistungen und Aufgaben
sowie mit verschiedenen möglichen
Ausbildungsberufen an dem Projekt zu
beteiligen.
Weitere Informationen
http://www.oecd.org/berlin/publikationen/
Arbeitsmarktintegration-von-Fluechtlingen-inDeutschland-2017.pdf
22 RepoRt
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 03-04/2017
Bisher wurden im Kompetenzzentrum
für Flüchtlinge in Essen 100 InCheckMessungen durchgeführt. Im anschließenden Einzelcoaching verfolgen die
Coaches die Ergebnisse zur Entwicklung einer individuellen Perspektive in
Bezug auf Aktivierung und Vermittlung
in den Arbeitsmarkt. „Dabei spielen die
Feststellung der Arbeitsmarktnähe, die
Identifizierung der beruflichen Potenziale sowie das Aufzeigen von beruflichen
Perspektiven eine große Rolle“, erklärt
Abteilungsleiterin Elena Kromm.
Die große Mehrheit der Flüchtlinge besitzt keine Nachweise über formale Bildungs- und Berufsabschlüsse. Informationen zu ihren
beruflichen Qualifikationen sind aber für eine erfolgreiche Integration dringend nötig.
Kompetenzen schnell,
objektiv und valide erheben
In Essen geht das kommunale Beschäftigungsunternehmen
neue Wege zur Kompetenzmessung
Autorinnen Doris Walencki, Bereichsleiterin, Arbeit & Bildung Essen GmbH,
Cornelia Schach, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit, L&D Support GmbH
D
ie große Zahl anerkannter
Flüchtlinge stellt Jobcenter, Arbeitsagenturen, Wirtschaft und
freie Träger vor neue Herausforderungen.
Das Hamburger Beratungsunternehmen
für Personalentwicklung L&D Support
hat darauf mit dem mehrsprachigen
Kompetenzmessverfahren „InCheck“ für
die Analyse von Flüchtlingen hinsichtlich
Bildung, Beruf und persönlicher Balance reagiert. Seit Oktober 2015 haben
fast 5000 Geflüchtete eine InCheckMessung durchgeführt. Auch die Arbeit
und Bildung Essen GmbH (ABEG), das
kommunale Beschäftigungs- und Qualifizierungsunternehmen der Stadt, nutzt
dieses Kompetenzmessverfahren. Seit
November 2016 ist es im Modellprojekt
Kompetenzzentrum für Flüchtlinge im
Einsatz. Im Projekt werden 120 geflüchtete Menschen chancenorientiert aktiviert, stabilisiert und qualifiziert.
Mit Hilfe der von L&D Support entwickelten InCheck-Messung erstellt die
ABEG in der Einstiegsphase des Projektes eine belastbare Erstanalyse von geflüchteten Menschen, die die Grundlage
für die weitere Vorgehensweise bildet.
Die Messung wird über Selbstauskünfte
computergestützt mittels eines Fragenkataloges durchgeführt. Sie ist objektiv,
valide und schnell durchführbar. Das Ergebnis setzt sich aus zwei Berichten zusammen:
• Der Balance-Report, der Aussagen darüber trifft, ob und wie stark die gemessene Person aktuell emotional belastet
ist.
• Der Occupation-Report, in dem Informationen über die Top-Kompetenzen,
Neigungen und Passungen zu Beschäftigungssektoren und das Lernstilprofil
zu finden sind.
Zweisprachige Berichte
Ergänzend enthalten beide Berichtsformen eine Selbstauskunft der Person mit
Eckdaten zur Berufsbiografie und den
Sprachkenntnissen. Beide Berichte sind
bilingual (arabisch-deutsch, englischdeutsch) und leicht verständlich formuliert, so dass sie dem Kunden ausgehändigt werden können und dieser seine
Ergebnisse selber studieren kann.
StolperSteine
87
prozent der Unternehmen
benennen sprachliche
Barrieren als eine der größten
Hürden für die Integration von
Flüchtlingen.
40
prozent halten fehlende
Zeugnisse und Nachweise
von Qualifikationen für einen
großen Stolperstein.
Quelle: stuDie Des institutes Für
BeschäFtigung unD employaBility iBe
unD Der hays ag, 2016
Die Angebote im Kompetenzzentrum
werden nach individuellen und mittels
der InCheck-Messung festgestellten Bedarfen der Teilnehmenden zusammengestellt und inhaltlich weiterentwickelt.
Hierzu gehören Gruppenmodule, bestehend aus Sprache sowie Kultur, Alltag
und Beruf, Praxiseinsätze (in der Firmengruppe ABEG und bei externen Arbeitgebern), Einzelcoaching sowie weitere
besondere Angebote (z.B. Frauengruppe,
Infothek). Bei den bisherigen Messungen
konnte festgestellt werden, dass zahlreiche Kunden Unterstützung beim Erlernen
der deutschen Sprache benötigen. Die
Bewältigung des Alltags und der persönliche Druck, eine Arbeit zu finden,
stellen ebenfalls eine große Herausforderung dar. So nutzen die Mitarbeiter die
Erkenntnisse aus den Auswertungen des
Occupation-Reportes zum Thema „Lernstil“, um passende Lehrmethoden zum
Beispiel für den Sprachunterricht auszuwählen. „Infolgedessen haben wir für die
Sprachmodule ein Memory entwickelt,
das je nach Lerntyp eingesetzt werden
kann: Bild und Wort, Artikel und Wort
oder Bild und Bild“, berichtet Sabine
Mohr-Erdsack, sozialpädagogische Fachkraft und Projektkoordinatorin.
Das in InCheck integrierte Berufematching zu 500 Berufsprofilen und die Online-Schnittstelle zu Stellenbörsen werden
von den ABEG-Beratern ebenfalls gern
genutzt, um den Geflüchteten deutlich
zu machen, ob sich ihre Neigungen und
Talente mit den gewünschten Berufen
decken. „Durch das Berufematching eröffnen sich für unsere Kunden oft ungeahnte Möglichkeiten für Aus- und
Weiterbildung bzw. den Berufseinstieg“,
meint Sabine Mohr, Koordinatorin des
Projektes. Und damit letztendlich für eine
gelungene Integration in Arbeit und Gesellschaft.
Weitere Informationen
https://abeg.essen.de
www.ldsupport.de
Foto: Daniel ernst/Fotolia
Individuelle Schulungsangebote
Age“ wird
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1. Zukunftsk
THEMEN u.a.:
Altersgerechtes Wohnen ▪ Quartiersentwicklung ▪ (frühkindliche) Bildung ▪
Integrationskonzepte ▪ familienfreundliche Kommune ▪ neue Wege in der Pflege ▪
vernetzte Nachbarschaften ▪ medizinische Versorgung ▪ Chancen der Digitalisierung
REFERENTEN u.a.:
Dr. Ralf Kleindiek,
Staatssekretär im Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Cornelia Rundt,
Ministerin für Soziales, Gesundheit
und Gleichstellung Niedersachsen
Dr. Jürgen h. C. Gohde,
Kurator im Kuratorium
Deutsche Altershilfe (KDA)
Weitere Informationen unter www.kongress-soziale-infrastrukturen.de
In Kooperation mit
Eine Veranstaltung des
Fotos (v.l.n.r.): Dombrowsky; Tom Figiel, MI Nds; S. Unger
24 RepoRt
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 03-04/2017
Das Bundesteilhabegesetz verbessert die Lebenssituation
von Menschen mit Behinderungen. Doch aus Sicht der
Kommunen müssen die steigenden Kosten gebremst werden
Autor Till Rasch
teil der Gesellschaft sein: Das Bundesteilhabegesetz fördert die Inklusion von Menschen mit Behinderung.
M
ehr Teilhabe, mehr Selbstbestimmung, mehr Rücksicht
auf individuelle Lebensplanung: Das Bundesteilhabegesetz soll dafür
sorgen, dass Menschen mit Behinderung
einen Platz in der Mitte der Gesellschaft
bekommen. Am 1. Dezember 2016 hat der
Bundestag das Gesetz beschlossen. Künftig sollen die Wünsche von Menschen mit
Behinderung stärker berücksichtigt werden – beim Arbeiten, beim Wohnen, bei
der Bildung und der Freizeitgestaltung.
Betroffenenverbände, Länder, Kommunen und Sozialpartner haben gemeinsam an einem Entwurf für das Bundesteilhabegesetz gearbeitet. Heraus aus
dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe, hin
zu mehr Selbstbestimmung: So lautet der
Grundgedanke hinter dem Gesetz. Die
Unterstützung soll nicht mehr von den
vorhandenen Angeboten, sondern von
den Bedarfen der Menschen her gedacht
werden.
Menschen mit Behinderung können
künftig mehr mitentscheiden, zum Beispiel bei der Wohnform: alleine, in Wohn-
gemeinschaften oder in Einrichtungen.
Wer in einer Wohnung lebt und Assistenz
benötigt, muss die Assistenzleistungen
nicht mit anderen Betroffenen teilen.
Zu mehr Teilhabe gehört auch die
Verbesserung der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung in der Eingliederungshilfe. Seit Januar 2017 wurden
die Freibeträge für Erwerbseinkommen
auf bis zu 265 Euro monatlich erhöht.
Zudem steigt die Vermögensfreigrenze
für Bezieher von Eingliederungshilfe von
nun 25.000 Euro auf 50.000 Euro im Jahr
2020. In einer Verordnung hat die Bundesregierung klargestellt, dass auch das
Einkommen und Vermögen eines Partners
nicht mehr angerechnet wird.
Das Bundesteilhabegesetz soll die Beschäftigungschancen von Menschen mit
Behinderungen durch mehr Übergänge
in Arbeit spürbar verbessern. Ein „Budget
für Arbeit“ soll es künftig erleichtern, eine
Stelle jenseits von Behindertenwerkstätten zu finden. Arbeitgeber erhalten einen
„Minderleistungsausgleich“, das gab es
bisher nur in wenigen Bundesländern.
Die Städte
fordern,
dass die
Kostenfolgen
des Gesetzes
ermittelt und
Mehrausgaben
in der
Sozialhilfe
ausgeglichen
werden.
Eva Lohse, Präsidentin des
Deutschen Städtetages,
am 16.12.2016
Steigende Kosten
Die eingeführten Verbesserungen sind
allerdings mit steigenden Kosten verbunden. Heute beziehen rund 900.000 Menschen mit Behinderung Leistungen der
Eingliederungshilfe. Das kostet jährlich
mehr als 14 Milliarden Euro. Diese Mittel
kommen überwiegend aus kommunalen
Haushalten, denn in den meisten Bundesländern finanzieren die Kommunen die
Eingliederungshilfe. Künftig sollen mehr
Menschen leistungsberechtigt sein, zugleich stellen die vorgesehenen neuen
Leistungen eine erhebliche Herausforderung für die Kommunen dar. Bis zum Jahr
2010 muss mit vier Milliarden Euro zusätzlichen Ausgaben gerechnet werden.
Auf die steigenden Kosten wiesen die
kommunalen Spitzenverbände schon bei
der Anhörung zum neuen Gesetz hin.
Man muss anerkennen, dass der Bund,
von den heute schon bezifferbaren Mehrkosten über 80 Prozent übernehmen
wird, konkret über 1,6 Milliarden Euro in
den Jahren 2017 bis 2020. Allerdings gibt
es derzeit nicht bezifferbare Mehrkosten
aufgrund neuer unbestimmter Rechtsbegriffe oder unklarer Abgrenzungen zu
anderen Leistungsbereichen.
Der Vorstand der Bundes-SGK hat
schon im Juni 2016 einen Beschluss zur
Reform der Eingliederungshilfe gefasst.
Darin werden die Ziele der Reform und
relevante Teile der konkreten Maßnahmen ausdrücklich begrüßt. Die geplanten
Maßnahmen seien grundsätzlich geeignet, die wünschenswerte Teilhabe behinderter Menschen zu verbessern, heißt es
im Beschluss. Allerdings bezweifelt die
SGK in dem Papier, dass das Gesetz dazu
geeignet ist, die Kostendynamik zu bremsen. Zwar können die Kommunen durch
die Trennung von Fachleistungen und
Leistungen zum Lebensunterhalt entlastet
werden, der Umfang dieser Entlastungen
reicht jedoch voraussichtlich nicht aus, um
die im System liegenden Steigerungen zu
kompensieren.
Die Einführung des neuen Gesetzes
wird mit einem Evaluationsprozess begleitet. Daraus muss dann gegebenenfalls
eine gesetzliche Nachjustierung oder eine
zusätzliche Finanzbeteiligung des Bundes
folgen.
Weitere Informationen
http://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/
Inklusion/bundesteilhabegesetz.html
Foto: Herby (Herbert) Me/Fotolia
Weniger Fürsorge,
mehr Selbstbestimmung
Zudem wurde das Arbeitsförderungsgeld,
eine Zusatzleistung zum Arbeitsentgelt,
für die rund 300.000 Beschäftigten in
Werkstätten von 26 Euro monatlich auf
52 Euro verdoppelt.
»WIR IN DEN KOMMUNEN«
12. DEMO-Kommunalkongress
Berlin | 16.– 17. November 2017
Gemeindezentrum Schöneberg | Hauptstraße 125A | 10827 Berlin-Schöneberg
Zu folgenden Schwerpunkten werden moderierte
Podiumsdiskussionen stattfinden:
POLITIK IN DER KOMMUNE
· Hauptamt und Ehrenamt Hand in Hand
· Akzeptanz – wie Kommunalpolitik begeistern kann
· Wachsender Populismus – was tun vor Ort?
KOMMUNALE STEUERUNG
· Verwaltungsmodernisierung und eGovernment
· Kommunalfinanzen im Fokus
· Flüchtlingsmanagement in der Praxis
STANDORT KOMMUNE
· Stadtwerke – die Energiewende gestalten
· Kommunale Wirtschaftsförderung
· Vernetzte Mobilität in Stadt und Land
Infos und Anmeldung unter: www.demo-kommunalkongress.de
Jetzt
!
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26 RepoRt
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 03-04/2017
Weiter Weg zur Inklusion
Gemeinsamer Unterricht von Kindern mit und ohne
Behinderung findet schon seit Jahrzehnten an zahlreichen
Schulen statt. Doch wirkliche Inklusion verlangt mehr
Autorin Ilka Hoffmann, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,
Leiterin des Organisationsbereiches Schule
I
nklusion im Schulbereich bedeutet
die diskriminierungsfreie Teilhabe
aller Kinder und Jugendlichen an
den allgemeinen Bildungsangeboten.
Inklusion schließt demzufolge Kinder und
Jugendliche mit Behinderungen ebenso
ein wie Kinder aus verschiedenen sozialen Milieus, mit verschiedenen Herkunftssprachen und -kulturen.
Gespaltene Gesellschaft
Inklusive Bildung widerspricht allerdings
weitgehend den sozial segregierenden
Strukturen des deutschen Schulsystems
und auch der Gesamtgesellschaft. Gerade
in Großstädten zeigt sich, wie gespalten
die Gesellschaft ist. Es gibt arme Stadtgebiete mit einem hohen Anteil an Arbeitslosen, Migrantinnen und Migranten
und Menschen mit sehr geringem Einkommen. Daneben existieren bürgerliche
Stadtteile mit einer bildungs- und aufstiegsorientierten Bevölkerung. Je nachdem, wo eine Schule liegt, wird sie von
den bildungsorientierten Eltern nachgefragt oder nicht. Die pädagogischen und
sozialen Herausforderungen der Schulen
sind in der Folge sehr unterschiedlich. Insofern lässt sich die schulische Inklusion
nur teilweise von der Sozial- und Wohnungsmarktpolitik trennen. Schulen in
armen Stadtgebieten mit hohen sozialen
Herausforderungen brauchen andere und
mehr Ressourcen als Schulen in gutbürgerlichen oder ländlichen Gebieten.
Eine Grundvoraussetzung der inklusiven Bildung, die ja immer auch den professionellen Umgang mit heterogenen
Lerngruppen bedeutet, ist das Vorhandensein multiprofessioneller Teams aus
allgemeinschulischen Lehrkräften, Lehrkräften für Sonderpädagogik, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern, Lehrkräften
für Deutsch als Zweitsprache, eventuell
medizinischem Personal und Lehrkräften
für Herkunftssprachen. Die Schulen selbst
brauchen Zeit für die Kooperations- und
Planungsarbeit, da die Inklusion einen
tiefgreifenden Prozess der Unterrichtsund Schulentwicklung bedeutet. Dies ist
unter den vorherrschenden Bedingungen
einer sehr hohen Unterrichtsverpflichtung, zentralen Abschlussprüfungen und
einem System der Leistungsbeurteilung,
das sich auf homogene Lerngruppen bezieht, nur schwer umsetzbar.
Hinzu kommt, dass auch das hierarchisch gegliederte Sekundarschulsystem
der Inklusion widerspricht. Da die gleichberechtigte und gleichwertige Teilhabe
Nicht
Bankentürme,
sondern
Schulen
müssten
Deutschlands
Kathedralen
werden.
Gerade in
sozialen
Brennpunkten
müssten sie
gestärkt
werden.
Sigmar Gabriel, Mai 2016
Anzeige
Ausschreibung
„DEMO-Kommunalfuchs 2017“
Bereits zum zwölften Mal werden die DEMO-Kommunalfüchse
für herausragende kommunalpolitische Leistungen verliehen.
Die Auszeichnungen werden im Rahmen der Abendveranstaltung
des DEMO-Kommunalkongresses am 16. November 2017 im
Wasserwerk Berlin verliehen.
Kandidatenvorschläge oder Eigenbewerbungen mit einer
kurzen Projektbeschreibung (bitte max. zwei DIN A4-Seiten)
sowie eventuell weitere relevante Unterlagen bitte bis zum
4. Oktober 2017 an
DEMO – Demokratische Gemeinde
DEMO Kommunalfuchs
Network Media GmbH
Bülowstraße 66
10783 Berlin
Mail: witzel@demo-online.de
DEMO
Kommunalfuchs
Jetzt !
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r
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Gesucht werden
Beispiele für
herausragendes
kommunal
politisches Wirken,
eine vorbildliche
kommunalpolitische
Strategie oder
besonderes
Engagement in der
Kommunalpolitik.
RepoRt 27
03-04/2017 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
aller Menschen an der Gesellschaft ein
Grundmerkmal der Demokratie ist, ist
ein gegliedertes Schulsystem, das zu
einer Koppelung zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg führt, im Kern
undemokratisch. Insofern trägt die Inklusion auch zur Demokratisierung des
deutschen Schulsystems bei. Auch deshalb ist Inklusion ein Prozess, der noch
viele Jahre des Umdenkens und Umstrukturierens mit sich bringen wird.
Foto: Guido Grochowski/Fotolia
Viele Schulen sind nicht barrierefrei
Gemeinsamer Unterricht von Kindern mit
und ohne Behinderung findet zwar schon
seit Jahrzehnten an zahlreichen Schulen
statt. Trotz dieser langen Geschichte des
gemeinsamen Unterrichtes und der aus
der UN-Behindertenrechtskonvention
abzuleitenden Verpflichtung, die Schulen
inklusiv umzugestalten, sind viele Schulen
aber noch immer nicht barrierefrei. Auch
die schlechte Raumakustik behindert
nicht nur das Lernen von Schülerinnen
und Schülern mit Sinnesschädigungen,
sondern erschwert allen Schülern die
Konzentration auf das Unterrichtsgeschehen. Hinzu kommt der Mangel an Räu-
men zur Differenzierung sowie gegebenenfalls zur Betreuung pflegebedürftiger
Schüler. Die Schulträger sollten deshalb
bei jeder Schulsanierung und jedem
Schulneubau die Belange der physischen,
akustischen und optischen Barrierefreiheit mit bedenken.
Eine weitere Notwendigkeit für das
Gelingen der schulischen Inklusion ist
eine gute Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule. Gerade Kinder und
Jugendliche, die in psychosozial belastenden Verhältnissen aufwachsen, stellen
die Schulgemeinschaft oftmals vor große
Herausforderungen. In allen Schulformen
nennen Lehrkräfte Kinder und Jugendliche mit herausforderndem Verhalten als
einen der größten Belastungsfaktoren im
Beruf. Leider fehlt es in diesem Bereich
jedoch an einem verlässlichen schulpsychologischen Unterstützungssystem sowie an schulbezogenen Angeboten der
Jugendhilfe. Zudem gehen mögliche
Synergieeffekte oft durch die mangelnde Kooperation zwischen den einzelnen
Akteuren verloren. Hier können, wie das
beispielsweise in Frankfurt am Main geschehen ist, engagierte Kommunen dazu
Der Besuch von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Unterstützungsbedarf in
allgemeinen Schulen soll gefördert und strukturell abgesichert werden.
ZÄSUR
26.03.2009
Seit diesem tag ist die UNBehindertenrechtskonvention
in Deutschland in Kraft.
beitragen, Zentren für Erziehungshilfe zu
entwickeln, an denen Fachkräfte der Jugendhilfe und Lehrkräfte für Sonderpädagogik den Schulen für Beratung und
Unterstützung zur Verfügung stehen.
Weitere Informationen
www.gew.de/inklusion
www.vorwaerts.de/inklusion-debatte
Anzeige
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28 RepoRt
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 03-04/2017
Fördergelder der
Fernsehlotterie
Interview mit Christian Kipper
Die Deutsche Fernsehlotterie
unterstützt soziale Projekte. In
welchen Bereichen?
Im Grunde genommen decken wir
das ganze Spektrum ab: Altenhilfe,
Gesundheitshilfe, Hilfe für Menschen mit Behinderung, Suchteinrichtungen. Sie werden mit
den Geldern der Fernsehlotterie
gefördert, die unsere Stiftung, das
Deutsche Hilfswerk, auszahlt.
Der demografische Wandel: eine Herausforderung, die Alt und Jung gemeinsam meistern müssen.
Generation Miteinander?
Der demografische Wandel bringt Herausforderungen mit
sich, die so unterschiedlich sind wie die Kommunen selbst
Autorin Birgit Güll
W
Christian Kipper, Geschäftsführer
Deutsche Fernsehlotterie und Stiftung
Deutsches Hilfswerk
Sie unterstützen die Kommunen dabei, den demografischen Wandel zu gestalten.
Wie können Sie konkret helfen?
Die Fernsehlotterie ist seit ihrem
Bestehen im Bereich der Altenhilfe engagiert. Der demografische
Wandel stellt uns vor neue Herausforderungen. Der Anspruch älterer
Menschen an ihr Lebensumfeld ist
heute ein anderer als früher. Wir
müssen neu lernen: Was passiert
vor Ort? Wie verändert sich Arbeit?
Wie verändern sich Ansprüche vor
Ort? Deshalb kooperieren wir mit
der „Demografiewerkstatt Kommunen“. Wir wollen auf Ballhöhe
bleiben, um Bedarfe zu erkennen
und attraktiver Partner von Wohlfahrtsverbänden und freien Trägern zu bleiben.
BG
ar vor wenigen Jahren noch
von einer schrumpfenden
Gesellschaft die Rede, haben Zuwanderer und Geflüchtete das Bild
verändert: Die Bevölkerungsentwicklung
bleibt stabil. Doch die Migration kann
nicht alle demografischen Probleme
lösen. Entvölkerte Landstriche stehen
wachsenden Ballungsräumen gegenüber. Und: „Den Erwerbstätigen wird
künftig eine wachsende Zahl älterer
Menschen gegenüberstehen“, sagte
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
auf dem Demografiegipfel, der im März
in Berlin stattfand. Sie wirbt für das
Miteinander der Generationen.
„Demografiewerkstatt Kommune“
Häufig sind es die Jungen, die in die
größeren Städte ziehen. In ländlichen
Regionen bricht die soziale Infrastruktur
weg: Es mangelt an Ärzten, an Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Orten.
Matthias von Schwanenflügel, Abteilungsleiter Demografischer Wandel im
Bundesfamilienministerium, erklärt, dass
einige Kommunen Gebäude zurückbauen müssten – weil sie leer stehen
oder zu groß geworden sind, Schulen
zum Beispiel. Manche Städte dagegen
müssen zusätzlichen Wohnraum schaffen. „Die Kommunen stehen vor sehr
Ländliche
Räume haben
häufig genauso
ernst zu
nehmende
Probleme wie
unsere
Großstädte. Sie
sind für den
Betrachter von
außen vielleicht
nicht so
offensichtlich.
Barbara Hendricks (SPD),
Bundesbauministerin, beim
Demografiegipfel in Berlin
unterschiedlichen Herausforderungen“,
sagt von Schwanenflügel.
Das Bundesfamilienministerium hat
deshalb die „Demografiewerkstatt Kommunen“ (DWK) ins Leben gerufen. Städte, Kreise und Gemeinden werden dabei
unterstützt, ihr jeweils vordringliches
Problem zu lösen – vom Ärztemangel
bis zur Familienfreundlichkeit. Die entwickelten Lösungswege können anderen
Kommunen als Best-Practice-Beispiele
dienen. Unterstützt wird die DWK von
der Deutschen Fernsehlotterie. „Als
Partner der öffentlichen Hand will die
Soziallotterie dazu beitragen, gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern“, sagt Christian Kipper, Geschäftsführer der Deutschen Fernsehlotterie.
Sie hat 2016 allein mit rund sechs Millionen Euro Quartiers-Projekte unterstützt,
die lebenswerte Sozialräume schaffen.
Das Projekt DWK läuft noch bis Ende
2020. Bisher sind acht Kommunen beteiligt und es werden weitere gesucht,
die an der Lösung konkreter demografischer Probleme arbeiten wollen. Damit
die Lebensverhältnisse gut bleiben – für
Alt und Jung, auf dem Land und in der
Stadt.
Weitere Informationen
www.demografiewerkstatt-kommunen.de
Fotos: Deutsche Fernsehlotterie, mirco1/pixelio.De
2016 haben Sie eine Gesamtsumme von 90 Millionen Euro
ausgeschüttet. Wer kann eine
Förderung beantragen?
Voraussetzung ist die Gemeinnützigkeit des Trägers. Neben den
großen Wohlfahrtsverbänden können sich auch freie Träger um Fördermittel bewerben. Sie können
bei uns Anträge stellen, wenn sie
die Gemeinnützigkeit besitzen und
in der Gesundheitshilfe bzw. im
sozialen Bereich agieren.
Bücher / Wahlen / Termine 29
03-04/2017 DEMO
Grundlagen für den Neuling
Praxistipps und Informationen für Aufsichtsräte in spe
Zu einem kommunalen Mandat
kommt nicht selten eine Aufgabe im
Aufsichtsrat eines Beteiligungsunternehmens hinzu. Wie sie angegangen
werden kann, dazu liefert dieses
kleine Buch hilfreiche, grundlegende
Hinweise für den Einstieg. Es beschränkt sich nicht auf juristisches
oder wirtschaftliches Grundwissen,
sondern setzt praktisch an. Ein Fall
aus der Praxis leitet jedes Kapitel
ein, Lösungsansätze werden kurz
skizziert. Schon bei der Entscheidungsfindung und der Vorbereitung
hilft es, etwa indem die Autoren erläutern, was von einem Aufsichtsrat
erwartet wird und wie man zwischen
der Verwaltungs- und der Unternehmenssphäre wechseln kann. Es klärt
über mögliche Interessenkonflikte auf
und wie damit umgegangen werden
kann. Auch weiterführende Literaturhinweise gibt es – was nötig ist,
will man tiefer in die Thematik einsteigen. Für alle, die sich mit wenig
Zeitaufwand schlau machen wollen,
was es bedeutet, ein Mandat anzunehmen, ist das Buch nützlich. KB
autoren: michael Plazek, Ferdinand
Schuster, Jana Teich
Plötzlich aufsichtsrat – was nun?
Das Taschenbuch für aufsichtsräte in
öffentlichen Unternehmen.
Hrsg.: Institut für den öffentlichen Sektor,
Berlin, 2016; 130 Seiten; 10,00 Euro,
de-publicgovernance@kpmg.com
Wahlen
Die Landratswahl im RheingauTaunus-Kreis am 5. Februar hat
Kilian Frank gewonnen. Der
parteilose Kandidat, der von der
SPD unterstützt wurde, konnte
mit 58,7 Prozent bereits im ersten
Wahlgang einen deutlichen Sieg
einfahren. Frank wird das Amt von
Burkhard Albers übernehmen.
Der Sozialdemokrat amtiert nicht
nur seit zwölf Jahren als Landrat,
sondern war bis Dezember vergangenen Jahres auch Vorsitzender
der SGK Hessen.
Keine Spannung kam am selben Tag in Metzingen (BadenWürttemberg) auf: Amtsinhaber
Ulrich Fiedler (parteilos) bleibt
Oberbürgermeister. 93,6 Prozent
der Wähler stimmten für ihn. Wiedergewählt wurde am 5. März
auch Clemens Körner (CDU) als
Landrat im Rhein-Pfalz-Kreis – mit
68,9 Prozent.
SPD-Erfolge gab es am 5. März aus
Hessen zu vermelden: Christian
Geselle wurde mit 56,6 Prozent
zum Oberbürgermeister von Kassel
gewählt, Thorsten Stolz mit 57,9
Prozent zum Landrat im Main-Kinzig-Kreis. (Mehr dazu auf Seite 19.)
Weniger erfreulich aus sozialdemokratischer Sicht verlief die
OB-Wahl in Darmstadt. Der grüne
Amtsinhaber Jochen Partsch, der
von der CDU unterstützt wurde,
setzte sich mit 50,4 Prozent durch.
Der SPD-Kandidat Michael Siebel
verpasste mit 16,7 Prozent die
Stichwahl.
Knapp geschlagen geben musste sich auch der Sozialdemokrat
Friedrich Zeller in der Oberbürgermeisterwahl der bayerischen Stadt
Memmingen. Mit 48,5 Prozent
reichte es nicht für einen Wahlsieg
gegen Manfred Schilder (CSU,
51,5 Prozent). Die Wahl war aufgrund eines tragischen Todesfalles
notwendig geworden. Der bisherige OB Markus Kennerknecht
(SPD) war am 28. Dezember 2016,
nur wenige Wochen nach seinem
Amtsantritt, verstorben.
Endstation (vorerst) Sachsen
Erfahrungsbericht aus einem Asylbewerberheim
Die Journalistin Jasna Zajcek hat
mehrere Monate als Deutschlehrerin
in einer Asylbewerberunterkunft bei
Bautzen unterrichtet. Sie spricht arabisch, hat lange in Syrien gelebt. Sie
kann sich aber auch unerkannt auf
eine Anwohner-Versammlung begeben. Gute Voraussetzungen also, um
sowohl die Geflüchteten als auch die
Sachsen kennenzulernen.
Ihr Erfahrungsbericht zeichnet ein
zwiegespaltenes Bild von den Einheimischen. Im direkten Gespräch trifft
die Autorin zwar auf viele herzliche
Menschen. Doch Verschwörungstheorien und Ausländerhass sind
in der sächsischen Provinz weit
verbreitet. Und manch ein windiger
Geschäftsmann versucht, sich an
den staatlich geförderten Integrationsmaßnahmen zu bereichern.
Aber auch Zajceks Schilderung der
Geflüchteten macht nachdenklich.
Der überwiegende Teil von ihnen
zeigt wenig Begeisterung für den
Deutschunterricht. Einige – nicht alle! – verstehen laut Zajcek gar nicht,
warum sie freiwillig Deutsch lernen
sollen, sie wollten doch ohnehin in
arabisch geprägte Kieze in Berlin
oder Hamburg weiterziehen. Viele
sind falschen Versprechungen von
Termine
Fachtagung „Stadt und handel – allianz
für innenstädte“
19.04.2017, Rheinstetten
www.lyyti.fi/reg/Stadt-und-Handel-Rheinstetten
Zukunftstag altenpflege 2017
25.04.2017, Nürnberg
www.zukunftstag-altenpflege.de
Schleppern aufgesessen, erwarten
schnell eine Wohnung, einen Job
oder „staatliches Gehalt“. Das deutsche Ausbildungssystem ist ihnen
fremd, westliche Werte sind es teils
auch. Und so fragt sich die Autorin
zunehmend, ob – und wenn ja, wie
– die Integration all dieser Menschen
gelingen kann. Dabei scheint auch
sie selbst nicht durchweg frei von
Vorurteilen zu sein. Doch als man das
Buch schon resigniert zuklappen will,
wecken kleine Geschichten wieder
Hoffnung. Von Syrern, die beschließen, in Bautzen heimisch zu werden.
Oder von einem Heimleiter, der sich
mit Herzblut für Integration einsetzt
und damit erfolgreich ist. CFH
Jasna Zajcek
Kaltland. Unter Syrern und Deutschen
Droemer Verlag, 2017, 256 Seiten, 19,99
Euro, ISBN 978-3-426-27718-8
Praxiswerkstatt
„energiewende in der Kommune“
26.04.2017, Wittenberge
www.klimaschutz.de/de/praxiswerkstattwittenberge
1. Kommunaler abwassertag
26.04.2017, Berlin
https://vku-akademie.de/veranstaltungen/
Deutscher Städtetag:
Konferenz Tourismus
26.04.2017 – 27.04.2017, Köln
www.staedtetag.de/veranstaltungen/
Forum regionale Tourismusentwicklung
03.05.2017, Berlin
landkreistag.de/termine-25/
4. Kommunaler iT-Sicherheitskongress
08.05.2017 – 09.05.2017, Berlin
kits.landkreistag.de
Zweiter Bundeskongress
„Grün in der Stadt“
08.05.2017 – 09.05.2017, Essen
www.gruen-in-der-stadt.de
Tagung
„mehr Biolebensmittel in Kommunen”
09.05.2017, München
www.muenchen.de/bio-in-kommunen
Difu-Seminar „europäisches Beihilferecht
in der kommunalen Praxis“
11.05.2017, Berlin
https://difu.de/veranstaltungen
DStGB-Konferenz „Bürgernahe Sicherheit
für Städte und Gemeinden“
17.05.2017, Berlin
dstgb.de/dstgb/Homepage/Veranstaltungen/
messe Polis convention
17.05.2017 – 18.05.2017, Düsseldorf
www.polis-convention.com
Deutscher Fachkongress für kommunales
energiemanagement
22.05.2017 – 23.05.2017, Aachen
https://difu.de/node/11009
hauptversammlung des
Deutschen Städtetages 2017
30.05.2017 – 01.06.2017, Nürnberg
www.städtetag.de/veranstaltungen
2. Bundeskongress der kommunalen
abfallwirtschaft und Stadtreinigung 2017
30.05.2017 – 31.05.2017, Berlin
www.abfallkongress.de
11. Bundeskongress
nationale Stadtentwicklungspolitik
12.06.2017 – 14.06.2017, Hamburg
www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de
15. Kommunalpolitische
Sommerakademie
23.06.2017 – 25.06.2017, Bonn
www.fes.de/de/veranstaltung/veranstaltung/
detail/208517/
12. DemO-Kommunalkongress
16.11.2017 – 17.11.2017, Berlin
www.demo-kommunalkongress.de
30 TiTel
DEMO 03-04/2017
Marx kommt groß raus
Autor Carl-Friedrich Höck
die Stadt vereinnahmen, um einem
Idol ihrer kommunistischen Partei zu
huldigen, das Geschenk sei sozusagen
ein trojanisches Pferd.
Hölzerne Antwort auf Kritik
Diese Skulptur steht schon: Büste von Karl Marx im Garten des Karl-Marx-Hauses in Trier.
A
uftritte von Politikern, die
aus dem Ausland nach
Deutschland kommen, werden hierzulande ganz unterschiedlich bewertet. Als Barack Obama im
Jahr 2008 vor der Berliner Siegessäule sprach, waren Hunderttausende
Menschen begeistert. Weniger beliebt sind Wahlkampfreden des türkischen Präsidenten Erdoğan und seiner
Minister für die türkische Verfassungsreform. In Köln und Gaggenau untersagten die kommunalen Behörden
die Veranstaltungen. Das sei keine
Zensur, betonten Kommunalvertreter,
den Städte könnten die Auftritte nur
versammlungsrechtlich verbieten, etwa wenn die Sicherheit gefährdet sei.
Wie aber verhält es sich, wenn der
auftretende Politiker längst verblichen
ist? Und überdies gebürtiger Deutscher? So wie der große Karl Marx,
dessen geplantes Erscheinen in diesen
Tagen die Bürger der Stadt Trier umtreibt. Wobei groß wörtlich gemeint
ist: Eine 6,30 Meter hohe Statue will
die Kommunistische Partei Chinas der
Stadt schenken. Anlass für das Präsent
ist der 200ste Geburtstag des gebürtigen Trierers.
Die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist deshalb gewiss nicht gefährdet. Dennoch sind nicht alle Trierer
begeistert. Zu groß, zu links und dann
auch noch „Made in China“, bemängeln die Kritiker. Die Chinesen würden
DEMO 05-06/2017
erscheint am 12. Mai 2017
mit folgenden Themen:
In der kommenden Ausgabe der DEMO steht der
Kommunalpolitiker im Fokus. Wie können die Rahmen
bedingungen für ehrenamtliche Kommunalpolitiker
verbessert werden? Nachwuchs für Politik begeistern, eine
Haltung gegen Rechts finden – das sind einige der Themen.
Der Report dreht sich um das Thema kommunale Infra
struktur.
Ob genau das die Stadtoberen auf
ihre Idee brachte? Jedenfalls reagierte
die Stadt originell auf die Einwände,
der Koloss sei zu gigantisch für den
beschaulichen Simeonstiftplatz in
Trier: Kurzerhand wurde aus Holz ein
Dummy der Statue in Originalgröße
errichtet und zwei Tage lang am geplanten Standort aufgestellt. Und siehe da: Neben einer gut zwölf Meter
hohen Hauswand „passt sie gut auf
diesen Platz“, stellte Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) zufrieden
fest. Offenbar überzeugte das auch
die große Mehrheit im Stadtrat: Mitte März beschloss das Parlament, die
Marx-Plastik aus China anzunehmen.
Abseits aller ästhetischen Aspekte bleibt noch die Grundsatzfrage:
Wird hier ein Theoretiker der Arbeiterbewegung gewürdigt oder
ein strammer Kommunist unkritisch
verherrlicht? Der Oberbürgermeister
antwortet: „Das Marx-Jubiläumsjahr
2018 dient gerade dazu, ihn zu hinterfragen.“ Unter diesen Umständen
bleibt zu hoffen, dass man Recep
Tayyip Erdoğan in Deutschland besser kein Denkmal baut. Auf kritisches
Hinterfragen reagiert der bekanntlich
oft dünnhäutig.
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China will der Stadt Trier eine Karl-Marx-Statue schenken.
Nicht alle sind von dem Präsent begeistert
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