DEMO - ONLINE.DE
DEMO
67. JG | A02125
EINZELPREIS 6,00 €
09/10 2015
VO R WÄ R T S - KO M M U N A L ■ DA S S OZ I A L D EM O K R AT I S C H E M AG A Z I N F Ü R KO M M U N A L P O L I T I K
INKLUSION
IN DEN KOMMUNEN
Handicap
mit
Zukunft
Wie gerechte Teilhabe
erreicht werden kann
FOTO: UWE STEINERT
BLICKPUNKT
Flüchtlinge
Sie können alles von uns haben.
Außer durchschnittliche Leistungen.
Personalmanagement? E-Recruiting? Hoheitliche Aufgaben? Können wir alles!
Wen auch immer Sie brauchen: Vivento findet die richtigen Mitarbeiter für Sie. Bundesweit, mit den passenden Qualifikationen, schnell und zuverlässig. Als Marktführer und
Spezialist für den öffentlichen Dienst und mit langjähriger Erfahrung im Personalumbau
unterstützen wir Sie nachhaltig. Begeisterung, Einsatzfreude und Know-how inklusive.
www.vivento.de
VI_2175_Vivento_AZ_Motiv3_225x323_150331_RZ.indd 1
31.03.15 12:19
INHALT
09-10/2015 DEMO
Titel
Inklusion in den Kommunen
4
6
8
10
12
13
14
15
„Die Menschen leben an der Armutsgrenze“ | Gespräch mit Verena Bentele, Behindertenbeauftragte
Eine Wohngemeinschaft für ziemlich beste Freunde | Behinderte und Nichtbehinderte leben gemeinsam
Langer Weg zum Bundesteilhabegesetz | Wichtiges Ziel ist Reform der Eingliederungshilfe
„Das ist eine Lebensaufgabe“ | Engagierte kommunale Behindertenbeauftragte in Berlin und Dortmund
Gemeinsames Lernen von Anfang an | Pionierschule: Die integrierte Gesamtschule in Köln-Holweide
„Kompetenz unter einem Dach gebündelt“ | Das LWL-Beratungshaus unterstützt Schulen und Eltern
Bürokratendeutsch auf dem Prüfstand | Inklusion fordert Kommunalverwaltungen sprachlich heraus
In freier Wildbahn | Raus aus der Werkstatt, rein in den Betrieb – Wie Behinderte in Hamburg in Arbeit kommen
Liebe Leserin, lieber Leser,
FOTOS: DIRK BLEICKER, MAICKE MACKERODT, THOMAS IMO/PHOTOTHEK.NET
„Inklusion“ ist ein sperriges Wort, mit dem die
Teilhabe von Menschen mit Behinderung an
unserem Alltagsleben vorangetrieben werden
soll. Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Verena Bentele hat in unserem Interview
eine viel bessere Beschreibung dessen, was die
2009 erfolgte Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik
Deutschland bedeutet: „Inklusion erhöht den
Lebenskomfort aller, schafft Barrieren ab und
fördert die Fähigkeiten aller.“
Der Eifer bei der Umsetzung der UN-Konvention
ist nicht überall gleich stark, das Interesse nicht
überall gleich groß. Positive und interessante
Beispiele haben wir in diesem Heft aufgegriffen,
um zu informieren und Anregungen zu geben.
Besserer Lebenskomfort fängt bei barrierefreien Zugängen an und hört bei einer leichten
Sprache, die sich Behörden zulegen sollten, noch
lange nicht auf. Städte und Gemeinden, die sich
Inklusion auf die Fahne schreiben, brauchen
aufmerksame Mitarbeiter und das nötige Geld.
Dafür wurden den Kommunen im Koalitionsvertrag fünf Milliarden Euro versprochen. Die
müssen den Städten und Gemeinden auch
gegeben werden. Denn die Kommunen sollen
mit einer guten Infrastruktur für die bessere
Alltagsgestaltung aller sorgen, die Kosten dafür
können sie nicht alleine aufbringen.
Mehr Teilhabegerechtigkeit verlangt auch die
aktuelle Flüchtlingszuwanderung. Nur bei klugem
Zusammenspiel aller kann Integration gelingen.
Der jüngste Bund-Länder-Gipfel war dafür ein
guter Anfang.
Karin Nink, Chefredakteurin
12
16
Blickpunkt
Flüchtlinge
16
17
19
20
Augenblick | Flüchtlinge für den deutschen Winter ausstatten
Letzte Ausfahrt Deutschland | Wie Länder und Kommunen die Aufgabe meistern, Flüchtlinge aufzunehmen
„Das Geld muss in den Kommunen ankommen“ | Kommunale Vertreter zum Bund-Länder-Gipfel
Gemeinsam gegen den Hass | Was Kommunen gegen Drohungen tun können
Report
Kommunale Dienstleistungen
24
26
28
30
32
33
34
Länger selbstständig leben| Das Modellprojekt „Gemeindeschwester plus“ ergänzt ambulante Pflegedienste
Vier gewinnt | Im ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt wurden vier defizitäre Kliniken umstrukturiert
Übergänge kreativ gestalten | Das Gelsenwasser-Bildungsprojekt fördert Kindergarten- und Schulprojekte
Solarkraft statt Bergbau | An der deutsch-französischen Grenze soll ein Photovoltaik-Park entstehen
Alle für alle | Mit dem Städtebündnis „Hohenlohe Plus“ soll das Marketing der Region verbessert werden
Anziehungspunkt Großstadt | SPD diskutierte Anforderungen an soziale Metropolen
Gaskraftwerke brauchen eine Perspektive | Sie werden zugunsten der Kohle aus dem Markt gedrängt
21
22
37
38
SPD-Bundestagsfraktion | Der Mensch im Mittelpunkt
News | SGK-Positionspapier zu Flüchtlingspolitik
Bücher | Wahlen
Das Letzte | Vorschau | Impressum
4 TITEL
DEMO 09-10/2015
„Die Menschen leben
an der Armutsgrenze“
Gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung –
die Wirklichkeit ist davon oft noch weit entfernt. Die Behindertenbeauftragte der
Bundesregierung Verena Bentele, setzt sich dafür ein, dass ein neues Bundesteilhabegesetz entsteht. Es soll die Bezeichnung „echte Reform der Teilhabe“ verdienen.
Inklusion
in den
Kommunen
ZUR PERSON
Verena Bentele wurde 1982 in
Lindau geboren. Sie wohnt in
München.
Von Geburt an blind, besuchte sie von 1988 bis 1994
die Grund- und Hauptschule
für Blinde in Heiligenbronn
im Schwarzwald. Nach dem
Besuch der Realschule in München machte sie im Jahr 2001
Abitur mit dem Schwerpunkt
Wirtschaftslehre an der Blindenstudienanstalt in Marburg
an der Lahn. Bis 2011 studierte sie in München Neuere
Deutsche Literatur, Sprachwissenschaften und Pädagogik.
Sie arbeitet freiberuflich als
Referentin im Bereich Personaltraining und Entwicklung.
Schon früh begann ihre erfolgreiche sportliche Laufbahn.
Von 1995 bis 2011 trainierte
sie im Spitzensport. Sie ist
vier fache Weltmeisterin und
errang im Langlauf Biathlon
zwölfmal Paralympisches Gold.
Seit Januar 2014 ist Bentele
Behindertenbeauftragte der
Bundesregierung. KB
Frau Bentele, Ihr wichtigstes Projekt
ist im Moment das geplante Bundesteilhabegesetz. Sind Sie mit dem
bisherigen Stand des Reformprozesses zufrieden?
Wir haben in der Arbeitsgruppe viele
Themenbereiche angesprochen, etwa
Gesundheitsversorgung von Menschen
mit Behinderung, Arbeit für Menschen
mit Behinderung, die Anrechnung von
Einkommen und Vermögen. Im Moment arbeitet das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales unter Hochdruck
an dem Gesetzentwurf. Andrea Nahles
möchte wirklich etwas für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit
Behinderung tun, und damit auch für
die weitere Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Diese wird ja
auch in diesem Ministerium überwacht.
Wir sind natürlich nun darauf angewiesen, dass im Gesetzentwurf die Inhalte
umgesetzt werden, die Menschen mit
Behinderung wichtig sind.
Zum Beispiel, dass es unabhängige Beratungsangebote gibt oder dass
Menschen mit Behinderung mehr als
2600 Euro behalten können und dass
auch die Partnerinnen und Partner nicht
ihr Einkommen und Vermögen für die
Finanzierung der Leistungen einsetzen
müssen, wenn sie Eingliederungshilfe
empfangen. Ich bin froh darüber, dass
das Thema weit oben auf der politischen
Agenda steht. Aber ich bin erst dann
zufrieden, wenn wir ein Gesetz haben,
dass die Bezeichnung „echte Reform der
Teilhabe“ verdient hat.
Schule ist ein großer Punkt, der die
Kommunen betrifft. Viele Menschen
haben hier noch Barrieren im Kopf.
Wo sehen Sie die größten Konflikte
im gesellschaftlichen Miteinander?
Die größten Konfliktlinien im gesellschaftlichen Miteinander bestehen darin, dass sich Menschen mit und ohne
Behinderung zu wenig kennen und oft
Unsicherheit den Umgang bestimmt.
Viele Menschen ohne Behinderung haben ganz wenige Berührungspunkte mit
Menschen mit Behinderung. Sie stellen
sich vor, wenn ein Kind mit Behinderung
in der Klasse ihres Sohnes oder ihrer
Tochter ist, dann bleiben die anderen
Kinder mehr auf der Strecke, bekommen
zu wenig Aufmerksamkeit.
Dabei liegt in der Inklusion die Chance, gemeinsam zu lernen, ein Schulsystem für alle Kinder zu gestalten. Die
Kinder unterstützen sich gegenseitig.
Gelungene Inklusion heißt für mich,
von Anfang an daran zu denken, dass
alle teilhaben können, lernen können,
gefördert werden. Wir sollten eine Fokussierung auf Stärken haben, nicht auf
die Schwächen und die Einschränkungen
von Kindern.
Das sind große Herausforderungen.
Die kosten natürlich auch. Inklusion
findet vor Ort, in den Kommunen
statt. Was ist zu tun, dass Gerechtigkeit nicht davon abhängt, in welcher Stadt oder auf welchem Dorf
man lebt?
Für mich als Bundesbeauftragte ist wichtig, dass wir bundesweite Standards haben. Die haben wir im Bereich Bildung
sicherlich nicht, auch in vielen anderen
Bereichen nicht. Wir haben immer noch
Bundesländer, die sich da deutlich schwerer tun als andere. Das liegt aber nicht
unbedingt an deren finanziellen Möglichkeiten. Bayern tut sich im Bereich der inklusiven Beschulung extrem schwer und
ist da definitiv eines der Schlusslichter.
Wir haben seit 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention. Es stellt sich von daher
nur noch die Frage, wie wir Inklusion umsetzen, nicht mehr ob. Da Kultuspolitik
Ländersache ist, stehen hier die Länder in
der Verantwortung.
Andrea Nahles führt Verena Bentele (l.) 2014 in das Amt als Beauftragte für die Belange Behinderter ein.
FOTO: GOTTSCHALK / PHOTOTHEK.NET
Interview Karin Nink und Karin Billanitsch
TITEL 5
09-10/2015 DEMO
gerade im Hinblick auf Städte und
Kommunen?
Ganz wichtig ist für mich, dass wir wirklich Sportangebote schaffen, an denen
alle Menschen teilhaben können. Dass
der Sportverein nebenan sich öffnet für
Menschen mit Behinderung. Wichtig ist
aber auch, dass vorhandene Angebote
bekannt sind und genutzt werden. Denn
was bringt ein inklusives Angebot, wenn
Menschen mit Behinderung es nicht annehmen?! Unterschiedliche Menschen
müssen mehr aufeinander zugehen. Und
natürlich hoffen wir, dass die immer höhere Strahlkraft der Paralympics sich auf
den Breitensport auswirkt. Die Breite ist
wichtig, um am Ende auch eine Spitze zu
haben.
Verena Bentele wünscht sich manchmal auch in der Politik klarere und schnellere Ergebnisse – genau wie im Sport.
FOTO: BLEICKER
Finanzielle Fehlanreize lassen das
Arbeiten für behinderte Menschen
weniger attraktiv erscheinen. Menschen, die auf eine Assistenz angewiesen sind, und ihre Ehepartner
dürfen nicht mehr als 2600 Euro
ansparen. Zeichnet sich eine Änderung ab?
Die Verbände für Menschen mit Behinderung, Selbstvertretungsorganisationen, meine Landesbeauftragten und ich
setzen uns für eine Änderung vehement
ein, weil wir eine Lösung brauchen. Wir
haben im Grundgesetz den besonderen
Schutz von Ehe und Familie. Aber wer
einen schwer behinderten Partner hat,
der viel Assistenz braucht und Eingliederungshilfe bezieht, wird bestraft. Heiraten oder eine feste Partnerschaft ist dann
gleichbedeutend mit Armut. Das ist eine
krasse Diskriminierung.
Was ist die Erklärung dafür?
Menschen mit Behinderung sind im
Moment rechtlich in der Sozialhilfe angesiedelt, wir wollen dass rechtlich die
Leistungen im SGB IX verortet werden.
Das derzeitige Recht hat nichts mit Solidarität zu tun, sondern die Menschen leben wirklich immer an der Armutsgrenze,
haben nie Möglichkeiten, sich mal Geld
beiseite zu legen. Dabei wird längst nicht
alles an Hilfsmitteln von der Krankenkasse bezahlt.
Stichwort Flüchtlingskrise: Es kommen immer mehr Menschen, auch
mit Behinderung. Haben Sie sich
schon mit dem Thema befasst?
Wir wissen von vielen Menschen, die nach
Deutschland kommen, manche mit sichtbaren Behinderungen, ganz viele aber
auch mit nicht sichtbaren Behinderungen.
Beispielsweise gibt es ganz viele Menschen mit psychischen Erkrankungen oder
Traumata. Das ist natürlich eine besondere Herausforderung, hier schnell, flexibel
und pragmatisch zu helfen. Gerade bei
Menschen mit Behinderung und Flüchtlingsgeschichte ist es überhaupt nicht
denkbar und auch nicht menschenrechtlich akzeptabel, wenn sie monatelang auf
ihre Unterstützung warten. Unser Land
kann das. Ich bin ein großer Optimist und
ich bin mir sehr sicher, dass wir das mit
vereinten Kräften können und dass wir
auch die Ressourcen dafür haben. Wichtig
wird sein, dass von Anfang an Behinderungen registriert werden und dass eine
entsprechende Gesundheitsversorgung
gewährleistet wird, dass barrierefreie
Unterkünfte gefunden werden und dass
Hilfsmittel zur Verfügung stehen.
Sprung zum Sport: Großereignisse
wie Olympia erregen große Aufmerksamkeit, Breitensport weniger,
erst recht für Sportler mit Behinderung. Wo muss sich etwas ändern,
Wer einen
schwer
behinderten
Partner hat, der
viel Assistenz
braucht und
Eingliederungshilfe bezieht,
wird bestraft.
Verena Bentele
Gerade im Sport ist viel dem Ehrenamt zu verdanken. Was können
aber die Kommunen tun?
Sie können darauf achten, dass ihre Sportanlagen barrierefrei sind, und das auch
kommunizieren. Das hat auch gesellschaftlich einen ganz hohen Stellenwert,
weil wir immer mehr ältere Menschen haben. Wenn Übungsleiter und Trainer ausgebildet werden, sollte darauf geachtet
werden, dass diese auch etwas zu Inkluion lernen. Und wenn neue Dinge geplant
werden, beispielsweise ein neuer TrimmDich-Pfad, Outdoor-Sportaktivitäten oder
Spielplätze, finde ich es wünschenswert,
wenn die Kommunen die Bedürfnisse für
Menschen mit Behinderung gleich mitdenken.
Die Definition von Inklusion: Wie
wäre sie normal erklärt?
Inklusion schränkt niemanden ein. Inklusion erhöht den Lebenskomfort aller, schafft Barrieren ab und fördert die
Fähigkeiten aller.
Bei Ihrer Arbeit als Behindertenbeauftragte können Sie nicht immer
gewinnen, sondern müssen um Kompromisse ringen. Geht Ihnen das
nicht manchmal einfach zu langsam?
Ehrliche Antwort: Natürlich. Ich würde
manchmal ganz gerne die Dinge beschleunigt haben beziehungsweise auch
ein klareres Ergebnis haben. Im Sport gewinnt man oder man gewinnt halt nicht.
Das ist in der Politik oft schwieriger. Aber
ich bin der großen Überzeugung, dass es
auch große Parallelen gibt: Mit viel Ausdauer und Hartnäckigkeit kann man vieles
erreichen – im Sport und in der Politik.
Mehr Information:
www.behindertenbeauftragte.de
6 TITEL
DEMO 09-10/2015
Eine Wohngemeinschaft
für ziemlich beste Freunde
Im brandenburgischen Teltow leben junge Männer mit und ohne Behinderung
auf Basis von „persönlichen Budgets“ selbstbestimmt unter einem Dach. Träger
des beispielhaften Projektes ist der Potsdamer Verein Einzelhilfe Manufaktur e.V.
Autor Harald Lachmann
ich arbeite daran, dass er das bald lässt“,
meint Darius mit bierernstem Blick und
meist gesenkten Augenlidern. Sie rühren aus einer chromosomalen Anomalie,
die die Medizin Q89 nennt. Und dieses
„Daran-Arbeiten“ meint der 22-Jährige
denn auch wörtlich. Gemeinsam schwitzen sie im Fitnessstudio, joggen regelmäßig. Bisheriger Höhepunkt war ein
10-Kilometer-Lauf, an dem sie teilnahmen: Darius in 56 Minuten, Jonathan
zehn Minuten langsamer. Fast klingt
das nach verkehrter Welt, denn Darius
ist der Gehandicapte und Jonathan sein
Konterpart im WG-Gefüge, so wie ihn
jeder Behinderte hier hat. Aber offenkundig stimmt die Chemie. „Das verläuft
sehr sehr freundschaftlich“, versichert
Jonathan, der noch in der Ausbildung
zum Heilerziehungspfleger ist.
Dass sich beide, der Behinderte wie
sein Assistent, „wirklich leiden können“,
sei sehr wichtig, betont Volker Buchheim,
gelernter Sonderpädagoge und Vizechef
des Potsdamer Vereins Einzelhilfe Manu-
FAKTEN
435 000
Menschen mit Behinderung
leben nach Angaben der
Landesregierung in
Brandenburg. Das sind
fast 17 Prozent der
Bevölkerung.
QUELLE: WWW.MASGF.BRANDENBURG.DE
Die Gemeinschaft stimmt ab
„Ich gehe mal eine rauchen“, sagt
Roland. Als er sich erhebt, sieht man,
dass ihm das Laufen so leicht nicht fällt.
Irgendeine Muskelerkrankung, wissen
die anderen. „Darum müsse er sich
auch viel bewegen, damit er mal nicht
im Rollstuhl endet“, so Volker, während
sich Roland auf der Terrasse eine ansteckt. Dass er das draußen tun muss,
darüber sei einst in der Gemeinschaft
abgestimmt worden, verrät Jonathan.
Immerhin beträfe ihn das auch. „Doch
Bürgermeister Thomas Schmidt mit Susanne Stelter (l.) und Ellen Wutschik.
faktur e.V. Der Name sei Programm: Zum
einen wäre eben jeder Einzelne wichtig
und stehe so „mit seinen Bedürfnissen
im Zentrum unserer Arbeit“. Zum anderen assoziiere Manufaktur „etwas Handgemachtes“. Und genau das mache ihre
Arbeit aus. „Denn kein Mensch gleicht
dem anderen“, ergänzt Alexander Kolbe,
studierter Erzieher und einer der erfahrensten Aktivisten des Vereins, der 70 Behinderte individuell betreut.
Den finanziellen Rahmen hierfür liefern
so genannte „Persönliche Budgets“, eine
gesetzliche Regelung, die Gehandicapten
ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll. „Sie bekommen also Geld
vom Sozialamt und kaufen sich dafür Leistung“, so Kolbe. Dennoch wagten sich die
Einzelfallhelfer mit der Ende 2013 gebildeten Inklusions-WG auf Neuland. Denn an
vergleichbaren Projekten gibt es bundesweit kaum eine Handvoll.
Suche nach einer Immobilie
Es begann mit der Suche nach der passenden Immobilie. Um die 20 Vermieter
schrieb Vereinschef Oliver Käding an,
fast immer gab es Absagen. Dass man
dann in Teltow fündig wurde, entbehrt
nicht einer gewissen Logik. Denn in der
26 000-Einwohner-Stadt sichert das
SPD-geführte Rathaus schon lange ein
behindertenfreundliches Klima. Thomas
Schmidt, Bürgermeister von Teltow,
unterstützt das Thema Inklusion in der
Stadt (siehe Interview im Kasten). Allerdings liegt die Stadt bei dem Thema zuweilen mit anderen Behörden im Clinch:
Als vor Jahren das Teltower Rathaus saniert wurde, verhinderten Denkmalpfleger einen barrierefreien Haupteingang.
„Im Zweifel steht für mich der Mensch
über dem Stein“, kommentiert Schmidt.
„Nicht die Häuser machen die Stadt,
sondern die Menschen.“
FOTO: HARALD LACHMANN
G
urken, Käse, Hähnchenflügel, Möhren...
langsam füllt sich der
Wagen im Supermarkt. Während Roland
Tischler (Name geändert) ihn schiebt, packen Darius Franz
und Jonathan Mayer immer mehr dazu.
Manchmal beraten sie sich erst, was preiswerter ist oder besser schmecken könnte.
Dass zwei aus dem Trio behindert sind,
fällt fast nicht auf.
Derweil werkeln schon Alexander
Kolbe und Volker Buchheim in der großen
Küche eines vierstöckigen Siedlungshauses. Es ist später Nachmittag – Zeit, das
Abendbrot in der Teltower Männer-WG
vorzubereiten. Wieder daheim, räumen
Jonathan und Darius zunächst den Geschirrspüler aus, während sich andere ans
Schnippeln des Gemüses machen. Volker
wirft den Herd an. Die Stimmung ist fröhlich, man scheint sich zu verstehen, ja zu
mögen. Gegessen wird im gemeinsamen
Wohnzimmer im Erdgeschoss. Die Männer schwatzen miteinander, lassen den
Tag Revue passieren, planen schon für
den nächsten. Alles locker, alles stressfrei,
alles gleichberechtigt. Wieder spürt man
kaum, dass hier Behinderte mit Nichtbehinderten unter einem Dach leben.
TITEL 7
09-10/2015 DEMO
FOTOS: HARALD LACHMANN
Kochen in der Gemeinschaftsküche der inklusiven WG: Roland Tischler (Name geändert), Volker Buchheim (Mitte) und Alexander Kolbe
Bereits 2014 etablierte auch die AWO
Potsdam ein Kompetenzzentrum Inklusion (KZI). Dessen junge Chefin Susanne Stelter benennt für ihre Arbeit drei
Schwerpunkte: Man befördere über
neue Strukturen den Wissenstransfer,
also Information und Aufklärung, um
die Distanz zwischen Menschen mit und
ohne Behinderung zu verringern. Man
knüpfe hierzu ein „lernendes Netzwerk“
in der Region. Und man schaltete inzwischen ein Teilhabetelefon, an das sich
jeder wenden kann, der Sorgen oder
Nöte zum Thema hat – und sei es bei der
Suche nach einem barrierefreien Friseur.
Ein erstes Highlight sei dann im März
ein gut besuchter Tag der Inklusion in Teltow gewesen, so Susanne Stelter, die nun
zusammen mit ihrer Koordinatorin Ellen
Wutschik selbst die Gebärdensprache erlernt. Und basierend auf einer großzügigen Hilfe durch die Aktion Mensch kamen
weitere Kooperationspartner ins Boot:
die Stadt und die Wohnungsbaugesellschaft Teltow, der Verein Türklinke e.V.,
die Kontakt- und Informationsstelle für
Selbsthilfegruppen der AWO, das Sozialwerk Potsdam und eben die USE, in deren
Teltower Werkstatt für Behinderte auch
Darius tätig ist.
Der 22-Jährige, der wie jeder in der
WG hier sein eigenes Zimmer – teils sogar
mit Bad – hat, muss nach dem Abendbrot
noch Jeans und Handtücher waschen.
Also geht es runter in den Keller, wo die
Maschine steht. Jonathan assistiert beim
EXPERTEN-TIPP
„Die Akteure sind
meine Hörhilfe“
Im Gespräch mit Thomas
Schmidt (SPD), Bürgermeister
von Teltow und Landesvorsitzender des Arbeiter-SamariterBundes in Brandenburg
Herr Schmidt, wie weit
hat das Thema Inklusion
die Einwohnerschaft einer
märkischen Mittelstadt erreicht?
Es gibt wenige Dinge in einer
Stadt, die momentan so viel
und auch so konträr diskutiert
werden. Oft gilt es dabei erst
einmal zu klären, was Inklusion im Alltag bedeutet. Leider
sind wir hier in den Köpfen
noch ganz am Anfang.
Es gibt Widerstand dagegen?
Eine Mehrheit fragt eben, ob
all der Aufwand für vergleichsweise wenige Mitbürger nötig
sei. Da spielen auch Unwissen
und Unsicherheit hinein. Häufig weiß man gar nicht, wie
man sich verhalten soll, wenn
man mit Blinden spricht oder
Behinderte einen Raum betreten. Und doch sind wir schon
deutlich weiter als vor zehn
Jahren: Da wurde noch vor
allem diskutiert. Handeln wir.
Dieses Kompetenzzentrum
zeigt es deutlich.
Wie unterstützt die Stadt
Inklusion?
Ganz prioritär ist hier netzwerken. Als Stadt bringen wir uns
konstruktiv in alle Diskussionen
mit den freien Trägern ein. Und
wir partizipieren ja auch davon,
werden so oft erst auf Probleme aufmerksam gemacht. Um
Inklusion mit Leben zu erfüllen,
braucht es diese Akteure – ich
sehe sie als meine Hörhilfe. HL
Nachfüllen des Waschmittels, während
Darius selbstbewusst lächelt: „Zu Hause hat mich meine Mutter nie an die
Waschmaschine gelassen.“ Der Rest der
Truppe wartet, bis er zurück ist. Es geht
um Absprachen für die kommenden Tage. Da man hier „kein kleines Heim“ sei,
wie Alexander Kolbe betont, würde den
behinderten Mitbewohnern nichts von
oben vorgegeben. Denn dafür suchten sie
ja diese selbstbestimmte Wohnalternative – so auch Roland, der als Handwerker
arbeitet, schon mal verheiratet war und
nach der Scheidung wieder bei den Eltern
landete: „Irgendwann wollte ich für mich
sein“, erzählt er.
Zuschussgeschäft
Für den Verein sei diese WG dennoch
vorerst noch ein Zuschussgeschäft,
räumt Kolbe ein. Erst ab drei ständigen
Bewohnern rechne sie sich solide. Doch
trotz einiger Bewerber strauchle man
noch permanent vor Behördenschranken. Während ihnen der Landkreis Potsdam-Mittelmark, zu dem Teltow gehört,
diesbezüglich sehr entgegenkomme, täten sich die Sozialämter in Berlin schwer,
Gelder zu genehmigen, wenn die Antragsteller damit nach Brandenburg gehen. „Sonst wären wir schon viel weiter“, bedauert auch Volker Buchheim.
Mehr Informationen:
Teilhabetelefon Kompetenzzentrum Inklusion
Teltow: 03328 / 3369032 (Mo-Fr 14-18 Uhr)
8 TITEL
DEMO 09-10/2015
Langer Weg zum
Bundesteilhabegesetz
Ein Ziel der Kommunen bei der Reform ist, dass weniger
Menschen auf Eingliederungshilfe angewiesen sind
Autor Matthias Münning, Sozialdezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)
Kommunale Aufgabe
Der Bund trägt die Verantwortung für die
Sozialversicherungen. Die Eingliederungshilfe ist demgegenüber nachrangig. In
zwei Bundesländern wird dies direkt als
staatliche Aufgabe ausgeführt, im Saarland und in Sachsen-Anhalt. In neun Bundesländern tragen die Kommunen 100
Prozent. Zählt man die Stadtstaaten mit,
werden die Leistungen und damit auch
die Kosten der Eingliederungshilfe im
Schnitt zu 78 Prozent von den Kommunen
getragen. Ohne die Stadtstaaten sind es
70 Prozent. Leistungen und Kosten sind in
den vergangenen Jahren deutlich stärker
gestiegen als bei den Sozialversicherungen. Mittlerweile werden im Bundesgebiet rund 15 Milliarden Euro aufgewandt
– Tendenz steigend.
Das neue Selbstverständnis der Menschen mit Behinderungen im Sinne der
UN-Konvention sowie der starke Zuwachs
der Hilfen haben dazu geführt, dass die
Reform der Eingliederungshilfe als der
wichtigste Teil des Bundesteilhabegesetzes auf die politische Agenda gekommen
ist. Damit wird auch die Komplexität des
Beratung verbessern
Themas deutlich. Aber ohne neue Ausgaben mehr Teilhabe schaffen, kann das
funktionieren?
Bei genauer Betrachtung überrascht
zunächst, dass die Zahl der Menschen,
die Leistungen der Eingliederungshilfe
bekommen, in den vergangenen Jahren so stark angestiegen ist und noch
stärker ansteigen soll. Die Gründe dafür
sind mehrschichtig. Zum einen werden
Menschen mit Behinderungen in unserer
Gesellschaft immer älter. Die nach dem
Krieg Geborenen kommen nun ins Rentenalter. Die Lebenserwartung von Menschen mit Behinderungen nimmt stärker
zu als die Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig wachsen aber
neue Generationen heran.
Zudem nimmt die Zahl der Kinder mit
entsprechendem Förderbedarf zu. Der
LWL geht zwar von Zahlen aus, wonach
neun von zehn Paaren, bei deren Embryo
ein Down-Syndrom diagnostiziert wurde, abtreiben. Die Zahl der Frühgeburten
steigt aber zugleich seit Jahren an. 80 Pro-
STATISTIK
10,2
Millionen Menschen leben in
Deutschland mit einer amtlich
anerkannten Behinderung.
Im Durchschnitt ist somit gut
jeder achte Einwohner
behindert.
85 %
der Schwerbehinderten haben
durch eine Krankheit die
Behinderung erworben.
7,5 Millionen der amtlich
anerkannten Behinderten
sind schwer behindert.
QUELLE: DESTATIS.DE
Das Bundesteilhabegesetz soll die Chancen
der Menschen verbessern, damit diese die
richtige Unterstützungsleistung erhalten.
Ministerin Andrea Nahles (SPD) will insbesondere die Beratung der Menschen, die
Zugangsverfahren sowie die Abstimmung
zwischen den Leistungsträgern verbessern. Ziel der Kommunen ist es, das Recht
so zu gestalten, dass möglichst wenige
Menschen auf die Sonderleistungen der
Eingliederungshilfe angewiesen sind. Alle
gesellschaftlichen Bereiche müssen sich
um Menschen mit Behinderungen anders
als bislang kümmern und dafür Sorge tragen, dass Menschen mit Behinderungen
ganz normal dazu gehören. Behinderung
ist heute ein allgemeines Risiko. Die Finanzierung der erforderlichen Leistungen kann nicht in immer stärkeren Maße den Kommunen übertragen werden.
Mehr Informationen:
www.demo-online.de: Grafik zur Finanzierung
der Eingliederungshilfe in den Bundesländern
www.gemeinsam-einfach-machen.de
Nach langer Diskussion sind erstmals die Belange von Menschen mit Behinderung in ein Regierungsprogramm aufgenommen worden.
FOTO: MICHAEL GOTTSCHALK /PHOTOTHEK.NET
S
eit mindestens zehn Jahren wird
über die Reform der Eingliederungshilfe diskutiert. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist
sie erstmals in ein Regierungsprogramm
aufgenommen worden. Dieses bleibt bei
der Eingliederungshilfe aber nicht stehen.
Es soll ein Bundesteilhabegesetz geschaffen werden, mit dem das deutsche Recht
im Sinne der Konvention der Vereinten
Nationen über die Rechte von Menschen
mit Behinderungen weiterentwickelt wird.
Das Rollenverständnis von Menschen mit
Behinderungen hat sich gewandelt. Deren
Selbstbestimmung soll voll unterstützt,
die Zusammenarbeit der Leistungsträger
verbessert und die im Sozialgesetzbuch
XII geregelte Eingliederungshilfe zu einem
modernen Teilhaberecht entwickelt werden. Andererseits ist die Neuorganisation
der Teilhabe so zu regeln, dass daraus keine neue Ausgabendynamik entsteht.
zent der Kinder, die vor der 26. Schwangerschaftswoche geboren wurden, sind
laut einer medizinischen Studie aus den
USA aus dem Jahr 2005 behindert.
Ein weiterer Zuwachs von Leistungsempfängern ergibt sich daraus, dass immer mehr Menschen psychisch erkranken,
aus dem Berufsleben ausscheiden und
auf Leistungen angewiesen sind. Wenn
Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung nicht mehr leisten, bleibt nur die
Eingliederungshilfe.
www.pwc.de/wibera
Kommunale
Haushaltskonsolidierung
Stadtwerkekooperationen
Droht Ihrer Stadt oder Gemeinde die Überschuldung? Wir beraten in allen Bereichen
der kommunalen Haushaltskonsolidierung. Nutzt Ihre Kommune die Vorteile des
steuerlichen Querverbunds? WIBERA organisiert die Gründung und Kooperationen von
Stadtwerken. Seit über 80 Jahren sind wir Partner der ÖĈentlichen Hand. Sie onden
unsere Expertenteams dort, wo Sie sie brauchen: an bundesweit 29 Standorten.
Was kann ich für Sie tun?
Dr. Sven-Joachim Otto, Tel.: +49 211 981-2739, sven-joachim.otto@de.pwc.com
© 2015 WIBERA Wirtschaftsberatung Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.
„WIBERA“ bezeichnet in diesem Dokument die WIBERA Wirtschaftsberatung Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Tochtergesellschaft der PricewaterhouseCoopers
Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine
rechtlich selbstständige Gesellschaft.
10 TITEL
DEMO 09-10/2015
Seit 25 Jahren im Einsatz, um gleiche Lebensbedingungen für alle zu schaffen: Gabriele Rühling (m.), Beauftragte für Menschen mit
Behinderung im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, während eines Hoffestes der Vereinigung für Jugendhilfe.
„Das ist eine Lebensaufgabe“
Den kommunalen Behindertenbeauftragten geht die Arbeit
nicht aus, wie ein Blick nach Berlin und Dortmund zeigt
Autor Carl-Friedrich Höck
Tagen im Amt wurde ihr geraten, zwei
Ordner anzulegen: einen mit der Aufschrift „Mobilität“, den anderen mit der
Aufschrift „Arbeit“. In zehn Jahren werde sie sich überflüssig machen, dachte
sie damals. Doch obwohl sich vieles zum
Guten verbessert habe, drehe sich ihr
Alltag noch immer um diese beiden Themen: Mobilität und Zugang zu Arbeit.
Ich dachte, in
zehn Jahren
werde ich
mich als
Behindertenbeauftragte
überflüssig
gemacht haben.
Gabriele Rühling über ihre
Anfänge im Amt zu Beginn
der 1990er Jahre
Kein Kuriosum mehr
Geändert hat sich, dass Behindertenbeauftragte heute nicht mehr als Kuriosum
gelten. Anders als zu Beginn der 1990er
Jahre haben mittlerweile viele Kommunen eine solche Stelle geschaffen. Zum
Beispiel Dortmund: Hier ist die erste
Behindertenbeauftragte, Christiane Vollmer, seit 2007 im Amt. „Ich berate die
Stadtverwaltung und den Rat, wenn es
um behinderungs- oder gleichstellungsrechtliche Fragen geht“, beschreibt sie
ihre Kernaufgaben. „Auch wenn ich von
außen angefragt werde, helfe ich weiter –
etwa von Arbeitgebern oder Trägern von
Bauprojekten, die sich zum Beispiel über
Barrierefreiheit informieren wollen. Und
ich bin Anregungs- und Beschwerdestelle
für Menschen mit Behinderung.“ Gerade
letzteres sei wichtig, weil sie dadurch jeden Tag mitbekomme, welche Probleme
die Betroffenen wirklich bewegen.
Gute Selbsthilfe-Strukturen seien elementar, wenn es darum gehe, die Belange von Menschen mit Behinderung
in die Politik einzubringen, betont Vollmer. In Dortmund seien sie seit über
drei Jahrzehnten stark ausgeprägt. Anders als in Berlin-Köpenick: „In der DDR
waren Selbsthilfe-Treffen nicht gern gesehen, das galt dann schnell als konspirativ“, sagt Gabriele Rühling. Heute ist
es selbstverständlich, dass Vertreter von
Selbsthilfeverbänden aktiv in der Politik
mitmischen: im bezirklichen Behindertenbeirat. Was dort beschlossen wird,
bringen die Fraktionen im Bezirksparlament in der Regel auch als Antrag ein.
„Die Zusammenarbeit mit den Parteien
und der Verwaltung ist sehr gut. Die
Sensibilität für das Thema hat deutlich
zugenommen“, lobt Rühling.
Streiten muss sie sich dennoch manchmal, nämlich dann, wenn es ums Geld
geht. Barrierefreiheit kostet – und das
bremst den Fortschritt. Weder die Volkshochschule noch das Jugendamt sind bisher für Rollstuhlfahrer zugänglich. Und
auch die Schulen sind – von den Sonderschulen abgesehen – nicht barrierefrei.
„Bis zur Rente will ich noch zwei bis drei
Schulen dahin bekommen, dass sich das
ändert“, kündigt Rühling an. Es klingt
nicht danach, als habe sie nach 25 Jahren
im Amt an Elan verloren.
FOTO: UWE STEINERT
Selbsthilfe-Strukturen sind wichtig
F
ünf Jahre vor dem Mauerfall wurde das Leben von Gabriele Rühling und ihrer Familie von einem
auf den anderen Tag komplett auf den
Kopf gestellt. Ihr Mann hatte 1984 einen
schweren Unfall, seitdem ist er querschnittgelähmt. In Ost-Berlin war Politik
für behinderte Menschen noch kein großes Thema, erinnert sich Rühling. „Ich
war eine ganz junge Frau, hatte kleine
Kinder und durch den behinderten Mann
plötzlich einen völlig anderen sozialen Status. Wir kriegten keine rollstuhlgerechte
Wohnung und mein Mann sollte in ein
Pflege- oder Altersheim kommen – der
war gerade einmal 31 Jahre alt!“ Für das
junge Paar kam das überhaupt nicht in
Frage. Also hakte Rühling immer wieder
nach: bei den Bezirkspolitikern in BerlinKöpenick, sogar im Büro des Staatsratsvorsitzenden.
Als sich der Bezirk 1990 neu bildete
und erstmals die Stelle einer Behindertenbeauftragten ausschrieb, bewarb sich
Rühling – und bekam die Stelle, nicht zuletzt wegen ihres Engagements. Heute
ist Rühling – eine 61-jährige, schlanke
Frau mit vitaler Stimme – seit 25 Jahren
im Amt. „Das ist kein Job, sondern eine
Lebensaufgabe“, sagt sie. Die Aufgabe
lautet: gleiche Lebensbedingungen für
alle Menschen schaffen. In ihren ersten
Erfahren hat sie so zum Beispiel, dass viele
Familien mit Migrationshintergrund ratlos
vor dem deutschen Sozialsystem stehen,
wenn ein Angehöriger eine Behinderung
erwirbt oder ein Kind mit Beeinträchtigung geboren wird. „Manche sorgen sich:
Wenn ich das Jugendamt über mein behindertes Kind informiere, dann nehmen
die mir das Kind weg“, sagt Vollmer. Das
sei zum Teil irrational, trotzdem müsse ein
Hilfesystem mit solchen Dingen umgehen.
Deshalb stieß Vollmer gemeinsam mit
der Migrations- und Integrationsagentur
Dortmund eine Diskussion an. Sie initiierte
Netzwerktreffen zwischen verschiedenen
Migranten- und Selbsthilfeverbänden und
der Behindertenhilfe. Und sie unterstützte
die Behindertenhilfe bei der Suche nach
einem Partner, der Schulungen in interkultureller Kompetenz anbietet.
Der Dachverband der Dortmunder Migrantenselbsthilfe VMDO arbeitet nun daran, die Themen Pflege, Gesundheit und
Behinderung für sich zu erschließen. 2013
hat sich außerdem der Verein „BeMig“
gegründet, der speziell Migranten mit
Behinderung fördern will und sich darum
bemüht, Träger der Jugendhilfe zu werden. Vollmer kooperiert mit dem Verein.
n
e
t
f
a
h
c
s
r
e
n
t
r
a
P
le
Konferenz Kommuna
ribik
a
K
r
e
d
d
n
u
a
ik
r
e
m
a
mit Latein
Mit Diskussionsforen zu den Themen:
19. – 20. November 2015,
Kap Europa
Osloer Str. 5, 60327 Frankfurt am Main
Die Konferenz wird im Rahmen
eines Empfangs am Vorabend, den
18.11.2015, im Museum Angewandte
Kunst in Frankfurt eröffnet.
Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt am Main
»
»
»
»
Entwicklungspolitische Bildungsarbeit
Finanzierung von kommunalen Partnerschaften
Bildungsprojekte und Schulpartnerschaften
Partnerschaftsprojekte im Bereich Klimaschutz,
Katastrophenmanagement und Bevölkerungsschutz
» Brücken schlagen zwischen den Generationen
und Einbindung von Jugendlichen in die
Partnerschaftsarbeit
Die Teilnahme ist kostenfrei. Reisekosten werden
nach Bundesreisekostengesetz erstattet.
JETZT ANMELDEN!
Ein Angebot von
In Kooperation mit
Durchgeführt von
Im Auftrag des
QR-Code zur Online-Anmeldung
Weitere Infos unter:
www.service-eine-welt.de
Kontakt:
Telefon: 0228 20 717 313
E-Mail: info@service-eine-welt.de
12 TITEL
DEMO 09-10/2015
Gemeinsames Lernen
von Anfang an
Der integrierten Gesamtschule Köln-Holweide gelingt es,
auch Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen zu fördern
Autorin Maicke Mackerodt
Britta Klostermann (l.) neben ihren Schülerinnen Leonie (13) und Serap (15). Die Mädchen schätzen die Hilfsbereitschaft der Lehrer.
– und kaum eine der breiten Glastüren
geht automatisch auf.
Es gibt keine Pauschalausstattung
Wer genauer hinschaut, entdeckt außerdem: Neben zwei Pflegeräumen gibt es
nicht nur gut ausgestattete Therapieräume für Physiotherapeuten sondern auch
den Anna-Raum, einen Rückzugsort für
die freiwilligen Helfer. In einigen Klassenräumen steht ein Bett, in dem ein behindertes Kind während des Unterrichts gelagert werden kann – wenn es das möchte.
Oder es gibt Tafelkameras für Sehbehinderte und auf manchen Tischgruppen
stehen Mikrofone. „Unser Ansatz ist, die
Kinder kommen zu lassen und dann zu
gucken, was sie brauchen. Es gibt keine
Pauschalausstattung, außer der Bereitschaft, sich auf die Kinder einzulassen“,
weiß Britta Klostermann (35). Die Förderschullehrerin unterrichtet seit fünf Jahren
Deutsch und Englisch und koordiniert das
Angebot des Gemeinsamen Unterrichts.
Die IGS Holweide gilt als Vorreiter
beim Thema Inklusion. Die Pionierschule
hat sogar ihren eigenen Schulcircus Zap-
„Hier werde ich wirklich gefördert.“
Baurecht inklusiv
Rechtliche Grundlage für
inklusives Bauen sind die
Bauordnungen der Länder,
zum Beispiel die niedersächsische Bauordnung von
2012. Darin wird das barrierefreie Bauen von öffentlich
zugänglichen Gebäuden geregelt. Hierzu zählen neben
Schulen und Hochschulen
auch Kitas, Bibliotheken
oder Verwaltungen.
Die Vorgaben für sie sind
in den Technischen Baubestimmungen der DIN
18040-1 festgehalten. Diese
Standards gelten bundesweit, doch die Umsetzung
ist Ländersache. Sie regeln
Rampen oder Türbreiten. UB
Ausführlicher Artikel über
einen Schulneubau in Rotenburg: www.demo-online.de/
schulneubau
Leonie (13) ist in der 8. Klasse. Sie hat
Lernschwierigkeiten, kann aber gut reden
und will Erzieherin werden. Die Schülerin
weiß es zu schätzen, dass die Lehrer ihr
geduldig helfen, Ordnung zu halten. „Probleme werden besprochen und schnell
gelöst“. Und sie stellt fest: „Keiner hat je
zu mir gesagt, dass ich dumm bin, sondern mich gefördert.“ Serap (15) hat eine
Sehbehinderung und genießt es ebenfalls,
dass die Lehrer „sehr hilfsbereit“ sind. Die
modebewusste Schülerin hat alle Bücher
auf einem iPad, ist nicht mehr auf ein Lesegerät angewiesen und kommt seitdem
im Unterricht viel besser zurecht als in der
Grundschule. „Unsere Grundlage ist das
multiprofessionelle Team. Regelschulkollegen und Sonderpädagogen unterrichten
gemeinsam, die Hälfte des Unterrichts ist
doppelt besetzt“, freut sich Klostermann:
Nach dem Schulrechtsänderungsgesetz
wurde es jetzt erstmals möglich, dass
Förderschulkollegen, die über Jahrzehnte
nach Holweide nur abgeordnet wurden,
nun fest zum Kollegium gehören. „Das ist
einfach toll.“
FOTO: MAICKE MACKERODT
E
ine der ersten in Köln war die
Gesamtschule Holweide: Bereits
1985 begann die integrative Gesamtschule (IGS) Kinder mit und ohne
Behinderung oder Lernschwäche gemeinsam zu unterrichten. Von Anfang an gab
es keinen Frontalunterricht, sondern die
Schülerinnen und Schüler bildeten nach
Talenten gemischte Tischgruppen und
wurden individuell gefördert. Das war
möglich, weil die personelle und materielle Ausstattung stimmte. 30 Jahre später ist Inklusion eines der dominierenden
Themen der Schulpolitik – und die IGS
Holweide in Sorge, ob die neu eingeführte Pauschale ausreicht, um das erfolgserprobte Modell fortzuführen.
In der mit Graffitis bunt angemalten
Gesamtschule am grünen Stadtrand von
Köln lernen insgesamt 1850 Schüler in
neun Zügen. Auf den ersten Blick ist nicht
zu erkennen, dass hier auch 200 behinderte Jugendliche und Förderschüler unterrichtet werden. Nur wenige Eingänge
haben eine Rampe für Rollstuhlfahrer, es
gibt nur einen versteckt liegenden Fahrstuhl – ein zweiter wird gerade eingebaut
pelino, der regelmäßig ausverkaufte Vorstellungen gibt. „Hier wurde von Anfang
an auf gemeinsames Lernen gesetzt, auf
Teamarbeit bei Lehrern und Schülern“, erläutert Britta Klostermann. „Wir haben
das bewährte System aus der Anfangszeit
beibehalten.“ Das bedeutet: Jedes Jahr
werden 30 Kinder mit verschiedensten
Behinderungen und ganz unterschiedlichem Förderbedarf aufgenommen, „und
zwar etwas mehr als die prozentuale Verteilung vorschreibt“.
Viele Kinder kommen bereits als Inklusionsexperten nach Köln-Holweide und
bilden feste Teams, weil sie sich aus der
Grundschule kennen. „Wir fördern solche
bestehenden Teams und wollen, dass sie
zusammenbleiben und sich gegenseitig
unterstützen.“ Drei Parallelklassen bilden
ein Team, zwei Klassen davon sind integrativ. Alle drei Klassen werden von einem
festen Lehrerteam unterrichtet.
Zuletzt haben an der IGS Holweide
fünf Schüler Abitur gemacht, die sonderpädagogischen Förderbedarf hatten: „Ein
lernbehindertes Mädchen hatte sogar ein
ziemlich gutes Abitur“, sagt Britta Klostermann. „Diese Durchlässigkeit, die wir
in dem System haben, kommt den Schülern sehr entgegen. Sie können hier jeden
Abschluss machen und bekommen von
uns alle Unterstützung dafür.“ Die Förderschullehrerin unterrichtete auch ein inzwischen verstorbenes Kind im Wachkoma,
das mit seinen Geschwistern ganz in der
Nähe wohnte.
TITEL 13
09-10/2015 DEMO
„Kompetenz unter einem
Dach gebündelt“
kräfte allgemeiner Schulen: Wie muss der
Schülerarbeitsplatz ausgestattet sein, welche baulichen Veränderungen sind nötig?
Manchmal reicht bei solchen Fragen eine
telefonische Beratung. Es kommt aber
auch vor, dass das hochspezialisierte LWLBeratungsteam in die Regelschule geht
und dort in der Schule die vielen Fragen
beantwortet und wertvolle, praktische
Tipps gibt.
Wie das LWL-Beratungshaus in Münster Eltern hilft,
für ihr behindertes Kind die richtige Schulform zu finden
Interview Maike Mackerodt
D
FOTO: LWL
e r Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und die Bezirksregierung Münster haben eine gemeinsame Aufgabe: Inklusion in der
Schule. Seit Mai 2012 kooperieren beide
mit dem LWL-Beratungshaus in Münster.
Ein Gespräch mit Anette Traud vom LWL.
Was ist das Besondere am LWL-Beratungshaus für schulische Inklusion?
Das LWL-Beratungshaus wurde ins Leben gerufen, damit der inklusive Prozess
in Schulen qualitätsvoll gestaltet wird
und z.B. Eltern behinderter Kinder sich
Anette Traud, Referatsleiterin
für LWL-Schulen
aufgrund ihres Wahlrechts – Regel- oder
Förderschule – bewusst entscheiden können. Wir erleben nämlich, dass es da noch
viel Beratungsbedarf gibt. Eltern entscheiden sich etwa für die Förderschule, weil
dort das ganze Equipment vor Ort ist,
wie Therapie und Pflege. Dabei ist es mit
Unterstützung machbar, dass ihre Kinder
vor Ort in eine Regelschule gehen und
lange Transportwege vermieden werden.
Wir fördern damit also auch Inklusion
vor Ort, um im nahen sozialen Umfeld
Freundschaften schließen zu können. Viele Fragen gibt es auch seitens der Lehr-
Alle Fragen werden unter einer
Adresse beantwortet?
Ja, mit Hilfe des LWL-Beratungshauses ist
es möglich, eine unabhängige, alle Bereiche erfassende Beratung unter einer Telefonnummer anzubieten: Das gilt für Mütter und Väter eines behinderten Kindes,
genauso wie für Erzieher oder Lehrkräfte,
die Unterstützung bei sonderpädagogischer Förderung oder Inklusion suchen.
Unser Anspruch: für den gleichberechtigten Zugang gehandicapter junger Menschen zum Bildungssystem Beratungskompetenzen unter einem Dach zu bündeln.
Langfassung des Interviews unter:
demo-online.de/Beratungshaus
Anzeige
Energie
Immobilien
Verkehr
Motivation für die Zukunft
Ob im Bereich Energie, Immobilien oder Öffentlicher Personennahverkehr: Seit einem Jahrhundert prägen die HEAG und ihre Beteiligungen das
Darmstädter Stadtleben. Das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit: Eine
kraftvolle Darmstädter Stadtwirtschaft zum Wohle der Darmstädterinnen
und Darmstädter. Dies ist uns die schönste Motivation für die Zukunft.
HEAG · Im Carree 1 · 64283 Darmstadt · Tel. 06151 709-2000 · E-Mail: info@heag.de · www.heag.de
14 TITEL
DEMO 09-10/2015
Körperbehinderte wie Rollstuhlfahrer
können klar definieren, was Barrierefreiheit heißt: Ein öffentliches Gebäude
benötigt Aufzüge und Rampen. Dass
solche notwendig sind und der Einbau
Geld kostet, wird nicht in Frage gestellt.
Für Menschen mit einer geistigen Behinderung hingegen bedeutet verständliche Sprache Barrierefreiheit. Doch diese
wird ihnen in den seltensten Fällen zur
Verfügung gestellt.
Viele Formulare und Briefe von Ämtern sind kompliziert und für Menschen mit Lernschwierigkeiten schwer zu verstehen.
Bürokratendeutsch
auf dem Prüfstand
Menschen mit Behinderung, aber auch Senioren oder
Flüchtlinge sind auf verständliche Informationen angewiesen
Autor Uwe Roth
D
ie Inklusion fordert Kommunalverwaltungen sprachlich
heraus. Wenn Menschen mit
geistiger Behinderung außerhalb einer
Einrichtung selbstständig werden, wollen sie oft auch Behördengänge ohne
Assistenz bewältigen. Diese Menschen
können zwar überwiegend lesen. Aber
die Information muss leicht verständlich sein. Rathäuser und Landratsämter
müssen ihre Kommunikation mit dem
Bürger um die sogenannte einfache
Sprache erweitern. Aber nur einige
Großstädte sind darauf vorbereitet. Und
die Zielgruppe für die einfache Sprache
wächst rasant: Neben Menschen mit
Lernschwierigkeiten sind auch Bürger
im hohen Alter oder auch Flüchtlinge
mit geringen Deutschkenntnissen auf
einfach zu verstehende Informationen
angewiesen.
Mit dem Bürokratendeutsch hat es
niemand leicht. Wer schlecht lesen kann,
hat erst recht keine Chance, eine Behördenmitteilung zu verstehen oder sich auf
der Internetseite einer Behörde zurechtzufinden. Heimbewohner müssen sich
ums Geld bislang nicht kümmern. Das
zuständige Amt regelt mit der Verwal-
Es gibt eine
Vielzahl von
Behinderungen,
und die
Betroffenen
haben sehr
unterschiedliche
Bedürfnisse an
Information.
Sibylle Kogler
tung ihrer Einrichtung, was ihnen monatlich zusteht. Doch wenn sie in eigene
Wohnungen ziehen – ein Kernziel der
Inklusion – ist das Amt direkt für sie zuständig. Behinderte werden direkte Kunden der Kommunalverwaltung. Und die
UN-Behindertenrechtskonvention sieht
darin ein Grundrecht und gibt diesen
Menschen ein Recht auf verständliche
Information.
Wortungetüm Eingliederungshilfe
Aber die Realität sieht anders aus.
Hartz IV ist bereits ein Begriff, der sich
Langzeitarbeitslosen nicht selbst erklärt.
Das für Behinderte zuständige Bürokratenwort ist es noch weniger: Eingliederungshilfen. In Baden-Württemberg
zum Beispiel sind dafür die Stadt- und
Landkreise zuständig. Wer sich durch
die Webseiten der Behörden klickt, stellt
fest, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten als Webbesucher nicht vorgesehen sind. Kommen sie persönlich ins
Landratsamt, werden sie dort nicht mit
entsprechenden Informationsschildern
erwartet. Am Wortungetüm Eingliederungshilfen scheint kein Weg vorbeizuführen.
Die Stadt Oberhausen ist auf einem guten Weg, solche Barrieren nach und nach
abzubauen. Im Rathaus leitet Sibylle
Kogler das Büro für Chancengleichheit.
Oberbürgermeister Klaus Wehling (SPD)
sei es wichtig gewesen, dass diese Aufgabe in seinem Stabsbereich angesiedelt wird, berichtet sie. Ihre Stelle ist
auf einen interfraktionellen Antrag hin
eingerichtet worden. Seit August gibt es
einen „Wegweiser für Menschen mit Behinderung in Oberhausen“ in „Leichter
Sprache“. Sibylle Kogler hat selbst für die
Übersetzung gesorgt. Mit 150 Seiten ist
es ein umfangreiches Werk geworden,
das in einer Auflage von 2000 Stück
gedruckt wurde und im Internet heruntergeladen werden kann. Sie hat dabei
festgestellt, es gibt eine Vielzahl von
Behinderungen, und die betroffenen
Menschen haben sehr unterschiedliche
Informationsbedürfnisse.
Grundsätzlich sind Sätze in einfacher
Sprache kurz, höchstens ein Nebensatz.
Der Satzbau ist klar strukturiert. Komplizierte Begriffe werden umschrieben.
Reine Füllwörter werden vermieden. Die
Schriftgröße liegt bei 14 Punkt, die Spaltenbreite bei etwa 40 Zeichen.
Dass ihr Oberbürgermeister ihre Aufgabe zur Chefsache erklärt hat, nützt ihr
bei der Zusammenarbeit mit anderen
Führungskräften. Sie lassen in ihren jeweiligen Fachbereichen nachforschen,
an welchen Stellen in der Barrierefreiheit
nachgebessert werden kann. Wie wertvoll ihr Einsatz für die einfache Sprache
ist, zeigt sich angesichts der Flüchtlinge,
die eine Vielzahl von Informationen benötigen, um sich in ihrem neuen Alltag
zurechtzufinden. Mit einigen Grundkenntnissen der deutschen Sprache können sie Texte in einfacher Sprache sehr
viel einfacher verstehen.
Mehr Informationen:
www.leichtesprache.org.
http://oberhausen.de/de/index/leben-in-oberhausen/material_leben_in_oberhausen/wegweiser_fuer_menschen_mit_behinderungstand_11-06-2015.pdf
FOTO: GRABOWSKY/PHOTOTHEK
Oberhausen auf gutem Weg
TITEL 15
09-10/2015 DEMO
In freier Wildbahn
Raus aus der Werkstatt, rein in den Betrieb:
Wie Hamburg Menschen mit Behinderungen ein
selbstständiges Leben ermöglicht
Autorin Susanne Dohrn
FOTO: SUSANNE DOHRN
W
ie ist es in „freier Wildbahn“, wenn man manchmal etwas länger nachdenken muss, bis man alles verstanden hat?
Wenn man körperlich eingeschränkt ist?
„Zuerst war das ziemlich schwer“, sagt
Armand Cori (25). Er gehört zu den ersten Teilnehmern des 2012 gestarteten
Hamburger Modellprojekts „Budget für
Arbeit“. Es hat das Ziel, Menschen mit
Behinderungen in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu vermitteln.
Der Ausdruck „freie Wildbahn“ fällt
im Gespräch mit Franziska Nock-Ajai. Sie
ist Personalreferentin der Klinik Gastronomie Eppendorf (KGE), bei der Armand
Cori beschäftigt ist. Nock-Ajai: „Als ich
2012 von dem Modellprojekt erfuhr,
überlegte ich sofort, wie die KGE mitmachen kann.“
Die KGE versorgt die Patienten der
Hamburger Universitätsklinik mit Speisen und Getränken. Also suchte NockAjai nach Arbeitsabläufen, die sich wiederholen und gut erlernbar sind, so dass
die neuen Mitarbeiter sie allein gut bewältigen können. Allerdings unter einer
Voraussetzung: „Das wird keine Feigenblattnummer. Ich werde nichts Zusätzliches schaffen.“ Inzwischen kommen
8 von 375 Mitarbeitern der KGE vom
„Budget für Arbeit“. Sie arbeiten vorwiegend in den Stationsküchen, räumen die
Spülmaschinen ein und aus und bestücken die Servierwagen.
Mehr Selbstbewusstsein
„Wer hier arbeitet, soll spüren, dass er
gebraucht wird“, das ist Nock-Ajai wichtig. So entstehe ganz nebenbei mehr
Selbstbewusstsein. Gerade Menschen
mit Behinderungen würden oft sehr
behütet aufwachsen. Durch die Arbeit
würden sie lernen, sich abzunabeln. So
wie Armand Cori. „Weil ich ein stark
verkürztes Bein hatte, meinten meine Eltern, ich sollte mir eine andere Arbeit suchen, eine bei der ich nicht so viel stehen
muss.“ Er aber wollte unbedingt in die
Gastronomie und setzte sich durch.
Nach einer komplizierten Operation vor
einem Jahr wurden seine Beinlängen
angeglichen, so dass er nahezu normal
laufen kann. Das hat ihm sogar zu einem
kleinen „Karrieresprung“ verholfen. Er
arbeitet jetzt auch im Kontakt mit Patienten und sagt stolz: „Ich habe gezeigt,
dass ich meine Arbeit gut verstehe und
dass ich mehr leisten kann.“
Als das „Budget für Arbeit“ gegründet wurde, war es das Ziel, in zwei Jahren hundert Menschen mit Behinderung
in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu
integrieren. Das gelang. Inzwischen sind
weitere 25 hinzugekommen. Sie arbeiten als Gärtner, IT-Experte oder OfficeManagerin. Die Arbeitgeber erhalten bis
zu 70 Prozent der Lohnkosten erstattet
und eine ausführliche Beratung.
Damit jedes Unternehmen wirklich
individuell geeignete Mitarbeiter findet,
gibt es Beratungsangebote von Arbeitsmarktexperten sowohl aus Werkstatt als
auch Integrationsfachdienst. Die Mitarbeiter werden in der Einarbeitungsphase
intensiv betreut. Sie können jederzeit in
eine Werkstatt für Behinderte zurückkehren, nutzen die Option aber so gut
wie nie.
Hohe Zufriedenheit
Selbstbewusst: Armand Cori. Er arbeitet bei der Klinik
Gastronomie Eppendorf (KGE).
Die Zufriedenheit der Arbeitgeber ist
hoch. Die Frage „Würden Sie – bei Bedarf – noch einmal über das ‚Hamburger
Budget’ einstellen?“ beantworteten 94,4
Prozent der Befragten mit Ja. In ihrem
Koalitionsvertrag beschlossen SPD und
Grüne in Hamburg deshalb, das Budget
für Arbeit in die Regelfinanzierung zu
übernehmen und weiter auszubauen.
Weitere Informationen:
www.hamburg.de/basfi/budget-fuer-arbeit/
Anzeige
16 BLICKPUNKT
DEMO 09-10/2015
AUGENBLICK
O
hne sie würde Deutschland es nicht
schaffen: die riesige Hilfsbereitschaft freiwilliger Helfer. Beispiel Berlin: Die vielen
Flüchtlingsinitiativen in Moabit, Kreuzberg, Charlottenburg, Zehlendorf oder Spandau sind unter
dem Namen „Berlin_hilft“ im Internet und über soziale Medien vernetzt. Sie koordinieren die Arbeit
der Freiwilligen und aktualisieren die Spendenlisten. Neben Arbeit und Studium packen viele Menschen in den Notunterkünften mit an, organisieren
Spenden, basteln und malen mit Kindern, geben
Deutschunterricht oder helfen im Umgang mit Behörden – alles ehrenamtlich.
Weil die Bereitschaft der Bürger zu spenden ungebrochen groß ist, sortieren die Helfer auch Berge
von Kleidung – im Bild eine Kleiderkammer in der
alten Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau.
Dort leben aktuell rund 1700 Menschen. Viele von
ihnen sind in sommerlicher Kleidung nach Deutschland gekommen – und benötigen warme Pullover,
Jacken und Hosen. „Für die Hilfe unseres Unterstützerkreises sind wir sehr dankbar. Wir als Betreiber
würden es gar nicht schaffen so viele Sachen anzunehmen und zu sortieren“, sagt Susanne Hermenauer von Prisod, dem Betreiber der Unterkunft in
Spandau. Es seien viele Sachen in guter Qualität
dabei, manchmal würden aber auch unbrauchbare Kleidungsstücke abgegeben, sagt Hermenauer.
„Das müssen wir dann auch noch entsorgen.“
Für die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne ist die Unterstützergruppe „Wilhelmstadt hilft“ zuständig.
„Sie ist nach kurzer Zeit sehr gut organisiert“, er-
zählt Susanne Hermenauer. Wichtig sind auch die
Freiwilligen mit Kenntnissen in Arabisch, Kurdisch
oder Farsi. Sie begleiten die Flüchtlinge zu Ämtern
oder bei Besorgungen. Hermenauer: „Die Sozialarbeiter in den Unterkünften haben dafür keine Zeit.“
Ein Helfer der ersten Stunde, Philipp Bertram aus
Berlin, kennt die Nöte der Flüchtlinge. Der 24-jährige Student der Politikwissenschaft und Volkswirtschaftlehre ist Initiator der Gruppe „Moabit hilft“
und ist seit Wochen nicht nur in Moabit, sondern
auch in anderen Notunterkünften im Einsatz. „Wir
versuchen, den Flüchtlingen auf Augenhöhe zu begegnen, ihnen ihre Würde wieder zu geben. Viele
Menschen die kommen, sind traumatisiert, wollen
nur schlafen. Seine Motivation? Es ist schön, so einfach und schnell helfen zu können.“
KB
FOTO: UWE STEINERT
Flüchtlinge für den deutschen Winter ausstatten
BLICKPUNKT 17
09-10/2015 DEMO
Einen langen Weg hinter sich, eine unsichere Zukunft vor sich: Ein Flüchtling vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in Moabit.
Letzte Ausfahrt
Deutschland
Wie Länder und Kommunen mit der großen Aufgabe
umgehen, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen
Autorin Karin Billanitsch
FOTO: MICHAEL GOTTSCHALK /PHOTOTHEK.NET
D
ie Flüchtlinge, die an einem
Mittwoch Mitte September mit
dem Sonderzug IC2944 auf dem
Bahnhof Schönefeld in Berlin einfahren,
haben sichtlich große Strapazen hinter
sich. Die Berliner Feuerwehr hat medizinische Versorgungszelte aufgebaut,
auch Einsatzkräfte der Polizei, Dolmetscher und Mitarbeiter des Landesamts
für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)
erwarten die Ankömmlinge. Helfer bieten etwas zu Essen und Getränke an.
Nach der medizinischen Erstversorgung
und einigem Warten werden die Menschen zu den bereitstehenden ShuttleBussen geführt: An diesem Tag geht es
für manche weiter nach Berlin, andere
fahren ins benachbarte Brandenburg,
nach Potsdam. In der neuen Zweigstelle
der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt finden die Asylsuchenden zum ersten Mal seit Tagen einen Ort, an dem sie
sich ausruhen und zum ersten Mal seit
Wochen sicher fühlen können.
Ein Kraftakt des DRK
Flüchtlinge, die nach Deutschland kom-
men, werden zuerst auf die Bundesländer verteilt. Diese sind in der Regel
zuständig für die Erstaufnahme und Registrierung.
In Potsdam wurden fünf ehemalige Regierungsgebäude binnen zwei Tagen für
mehrere Hundert Männer, Frauen und
Kinder bereitgestellt. Der Betreiber, das
Deutsche Rote Kreuz, und mehr als 160
freiwillige Helfer haben die Unterkünfte
im Auftrag des Landes Brandenburg in
einem Kraftakt gesäubert und hergerichtet. Obgleich mit Feldbetten denkbar
einfach ausgestattet, bieten sie ein festes
Dach über dem Kopf, Toiletten auf dem
Gang und Heizung. Dass Unterkünfte
quasi über Nacht bewohnbar gemacht
werden müssen, ist beileibe keine Ausnahme: In Gesprächen mit Betreibern wie
dem DRK, dem Arbeiter-Samariter-Bund
oder der AWO bestätigen alle, dass es immer sehr schnell gehen muss vom ersten
Anruf der Behörde bis zum Eintreffen der
Flüchtlinge. Zum Teil bleiben sogar nur
wenige Stunden, um eine menschenwürdige Unterbringung zu organisieren.
Den Komfort von Zimmern mit vier
Wo heute
schon Mangel
an Wohnungen
herrscht, wird
er sich
verstärken.
Ulrich Maly, Vizepräsident
des Deutschen Städtetags
Wänden haben jene Menschen, die zur
Zeit in Zelten campieren müssen, nicht. Es
gibt Regionen in Deutschland, in denen
tausende Männer, Frauen und Kinder in
Zelten leben müssen. In Berlin zum Beispiel sind es nach Angaben der Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit
und Soziales, Monika Hebbinghaus, aktuell 600 Menschen, die in beheizbaren
Zelten leben. In anderen Bundesländern
sind es oft deutlich mehr. Mittlerweile
sind europaweit Zelte Mangelware. Frank
Nürnberger ist Leiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) Eisenhüttenstadt
und damit zuständig für die Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) in Brandenburg.
Nürnberger packt die Krisensituation, die
er zu bewältigen hat, in nüchterne Zahlen:
„In diesem Jahr kamen im ersten Halbjahr
10 152 Flüchtlinge in Brandenburg an. Bis
Mitte September schätzt er die Zahl auf
weitere 5000, bis zum Jahresende könnten es insgesamt 30 000 werden. Zahlen,
die alle vorangegangenen Prognosen zu
Makulatur werden lassen.
Unkonventionelle Lösungen
Für alle ist ein Schlafplatz zu organisieren, die Asylsuchenden müssen registriert, verpflegt und medizinisch versorgt
werden. Die Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt ist überlastet und die Zelte
dort zudem unbeheizt und damit keine
Option für den Winter. Daher werden
zusätzliche Außenstellen wie in Potsdam geschaffen. Dabei kommen auch
unkonventionelle Lösungen in Frage:
So ist vor kurzem im Hotel Ramada in
Frankfurt/Oder eine weitere Zweigstelle
der ZABH eingerichtet worden. Das Hotel bietet 350 Menschen Platz. Dafür hat
18 BLICKPUNKT
IN ZAHLEN
237 877
anhängige Asylverfahren gab
es zum 1. Halbjahr 2015
in Deutschland.
37%
der insgesamt 114 116
Entscheidungen zum Flüchtlingsschutz im ersten Halbjahr
2015 waren Ablehnungen.
140 000
Wohnungen wurden in
Deutschland von Januar bis
Juni 2015 genehmigt. Das war
ein Plus von 2,6 Prozent zum
Vorjahreszeitraum
QUELLEN: BUNDESAMT FÜR MIGRATION
UND FLÜCHTLINGE; DESTATIS
DRK wurden binnen zwei Stunden weitere Schlafplätze und Verpflegung in einer
Notunterkunft in einer Schule organisiert,
wie die Feuerwehr Arnsberg mitteilte.
„Vorrangiges Ziel war es, Obdachlosigkeit
der Menschen zu verhindern“, heißt es in
einer Mitteilung der Feuerwehr. Ministeriumssprecher Ingo Decker fasst die Situation zusammen: „Im Moment ächzen alle
Beteiligten, weil wir an der Grenze des
Leistbaren sind.“
Schulen und ehemalige Kasernen, Bürogebäude und Kliniken, leer stehende
Supermärkte, Turn- oder Lagerhallen können kurzfristig Flüchtlingen Unterschlupf
bieten. Oder, wie bereits beschrieben,
werden Verträge mit Hotels abgeschlossen. Die Stadt Berlin zum Beispiel gibt
Hostelgutscheine an Flüchtlinge aus. Gut
1300 Flüchtlinge leben nach Angaben der
zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in der Hauptstadt
in Hostels. „Sie sind eine Übergangslösung in Abwesenheit von Notunterkünften“, sagt Sprecherin Monika Hebbinghaus. Doch nicht alle Flüchtlinge mit den
Gutscheinen sind willkommene Gäste.
„Bei freien Hostels gab es Schwierigkeiten“, räumt Hebbinghaus ein.
Auch in Containerdörfern bringen die
Kommunen Flüchtlinge unter, ebenso
werden natürlich normale Wohnungen
gesucht. So bittet etwa der Landkreis
Oberhavel kommunale und private Wohnungsanbieter, Angebote für Flüchtlinge
zu machen. Denn bald werden sicherlich
einige Neuankömmlinge aus dem Sonderzug IC2944 auch in Oberhavel ein-
Eine Notunterkunft des Arbeiter-Samariter-Bundes aus Wohncontainern für Asylsuchernde in Berlin.
treffen. Seit neuestem ruft der Landkreis
sogar Bürger auf, Flüchtlinge als Untermieter aufzunehmen.
Einen anderen Weg geht der Brandenburger Landkreis Prignitz, der die
Flüchtlinge in Wohnungen unterbringt.
Dort stehen laut dem Verband der BBUWohnungsunternehmen 17,8 Prozent der
dort vertretenen Wohnungen leer – im
Vergleich zu Potsdam mit 2,4 Prozent und
Berlin (1,9 Prozent). Karl-Ludwig Böttcher,
der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg warnt in einer Mitteilung, leerstehende Wohnungen
können genutzt werden, „allerdings nur,
wenn die infrastrukturellen und personellen Voraussetzungen für eine gute Integration vorliegen oder geschaffen werden
können.“
„Zur Chefsache erklären“
Vielerorts fehlt es an bezahlbaren Wohnungen, nicht nur für Flüchtlinge. Für den
Deutschen Städtetag ist denn auch „der
Wohnungsmarkt die größte Sorge“, ließ
Ulrich Maly, Vizepräsident des Deutschen
Städtetages verlauten. Denn wenn Flüchtlinge anerkannt seien, könnten sie ihren
Aufenthaltsort in Deutschland frei wählen. Man könne davon ausgehen: „Wo
heute schon Wohnungsmangel herrscht,
wird er sich verstärken.“
Wie der Wohnungsbau angekurbelt
werden kann, darüber hat sich Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD)
mit Spitzenvertretern der Bau- und
Wohnungswirtschaft beraten. In den
nächsten Jahren werden nach Schätzungen der Beteiligten 350 000 bis 400 000
bezahlbare Wohnungen in Deutschland
fehlen. Die Verbände fordern, einige
Standards im Wohnungsbau auszusetzen. Als Beispiel nennen sie etwa die
erhöhten Anforderungen der Energieeinsparverordnung im Neubau, die ab
2016 gelten werden. Bundesministerin
Hendricks verwies jedoch darauf, dass
mit dieser EnEV-Novelle die EU-Gebäuderichtlinie umgesetzt werden solle. Sie
sei auch, so die Ministerin, ein wichtiger
Baustein zur Erreichung der enrgie- und
klimapolitischen Ziele der Bundesregierung. Die Bundesregierung wird zudem
die Mittel für sozialen Wohnungsbau von
2016 bis 2019 um jeweils 500 Milliarden
Euro aufstocken. Der Bundesverband
deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen richtet einen Appell an die
Kommunen, dass „die Wohnungsversorgung von den Bürgermeistern in Städten
und Gemeinden zur Chefsache“ erklärt
wird. Die Kommunen müßten einen
„Wohnungsbaukoordinator benennen,
den die Länder bezahlen.
FOTO: CATHARINA TEWS/PHOTOTHEK
das Land Brandenburg mit den Eigentümern einen Hotelbeherbergungsvertrag
geschlossen.
Doch die Erstaufnahmestelle ist nur
eine Durchgangsstation. „Wir versuchen, jene Menschen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Asyl erhalten,
möglichst schnell auf Landkreise und
kreisfreie Städte zu verteilen,“ erklärt
Ingo Decker, Sprecher des Innenministeriums in Brandenburg. Dafür gibt es
einen Schlüssel, der sich nach der Einwohnerzahl und der Wirtschaftskraft
des Landkreises richtet, erläutert Decker.
Allerdings – und das sei ein Problem –
würden oft auch jene Menschen mit fast
gar keinen Chancen auf ein Bleiberecht
in die Kommunen geschickt, bevor das
Asylverfahren abgeschlossen ist.
Weil die Zuweisungen durch die Länder oft nur sehr kurzfristig angekündigt
werden, ist es ein Kraftakt für die Kommunen, für jeden ein Dach über dem
Kopf zu finden. „Normalerweise versuchen wir, eine Woche im voraus die
Aufnahmeverpflichtung zu melden; jetzt
war es deutlich kürzer, zum Teil sogar ad
hoc“, beschreibt Decker die Situation in
Brandenburg. Deutschlandweit dürfte
es ähnlich aussehen.
In Nordrhein-Westfalen, um ein Beispiel zu nennen, hat die zuständige Bezirksregierung Arnsberg der Stadtverwaltung von Arnsberg am Nachmittag für
den Abend das Eintreffen von 100 Flüchtlingen angekündigt. Durch einen engen
Kontakt der Stadtverwaltung mit der
örtlichen Feuerwehr und dem Betreiber
DEMO 09-10/2015
BLICKPUNKT 19
09-10/2015 DEMO
„Das Geld muss in den
Kommunen ankommen“
Kommunale Vertreter äußern sich zum Flüchtlingsgipfel
Autorin Karin Billanitsch
den Kommunen ankommen“. Als positiv hebt er hervor, dass „das Thema öffentlich geförderter Wohnungsbau mit
berücksichtigt wurde, was unbedingt
nötig sei. „Es ist ein gesamtes Paket, mit
dem wir nicht vollständig zufrieden sind,
aber wir erkennen, dass es in die richtige
Richtung geht.“
Ein Flüchtlingskind an der Grenze zu Deutschland
Dynamische Beteiligung des Bundes
Auf dem Flüchtlingsgipfel hatte der Bund
die Unterstützung der Länder und Kommunen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise für dieses Jahr auf zwei Milliarden Euro verdoppelt. Konkret gibt es bei
der Zahlung der Mittel vom kommenden
Jahr an eine von den Kommunen geforderte dauerhafte Beteiligung: Der Bund
zahlt den Ländern ab 2016 eine monatliche Pauschale pro Flüchtling von 670 Euro. Bund und Länder rechnen in diesem
Jahr sowie auch 2016 mit jeweils 800 000
Flüchtlingen in Deutschland. Der Betrag
ist dynamisiert. Darüber hinaus fördert
der Bund zusätzlich den sozialen Wohnungsbau mit jeweils zusätzlich 500 Millionen Euro von 2016 bis 2019. Das frei
Norbert Bude
Interview mit Städtetags-Vize
Ulrich Maly: www.vorwärts.de/maly-interview
Anzeige
Texte der KommunalAkademie
Handlungshilfen von Praktikern für die Arbeit von kommunalpolitisch Engagierten
Grundlagenwissen und praktische Anleitungen in hilfreichen Arbeitsbüchern
Band 1:
Band 2:
Band 3:
Band 4:
Band 5:
Band 6:
Band 7:
»Auf Augenhöhe«. Integration zum kommunalen Thema machen
Rettet das Quartier! Von der Wohneigentumsanlage zum benachteiligten Stadtquartier
Lokale Zukunftspolitik. Den demografischen Wandel im Bürgerdialog gestalten
Interkommunale Zusammenarbeit. Handreichung für die Kommunalpolitik
Strategische Öffentlichkeitsarbeit für die Kommunalpolitik
Wirkungsorientierte Steuerung. Haushaltskonsolidierung durch innovative und präventive Sozialpolitik
So geht Bürgerbeteiligung. Eine Handreichung für die kommunale Praxis
So geht Bürgerbetei
ligung
Eine Handreichun
g
für die kommunale
Praxis
Je Band 5 Euro Schutzgebühr.
Bezug über:
Jennifer.Heinzen@fes.de
www.fes-kommunalakademie.de
Texte der Kommuna
lAkademie Band
7
FOTO: DPA /PICTURE-ALLIANCE
E
s wurde hart gerungen, doch am
Ende lag beim lang erwarteten
Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt
ein Ergebnis auf dem Tisch, das Norbert
Bude, Vorsitzender der Bundes-SGK,
kurz und prägnant kommentiert: „Ein
richtiger und wichtiger Schritt.“ Es sei
aus kommunaler Sicht sicherlich zu begrüßen, dass man es als gesamtstaatliche Aufgabe betrachtet, die Flüchtlinge,
die zu uns kommen, menschenwürdig
unterzubringen und sie bestmöglich zu
betreuen, sagt Bude weiter und betont:
„Das geschieht ganz überwiegend in
den Kommunen. Deshalb bleibt aber am
Ende die Forderung: Das Geld muss in
Was wir sagen
können ist,
dass es am
Ende keine
Vollkostenerstattung
geben wird.
werdende Betreuungsgeld soll für den
Ausbau von Kitaplätzen verwendet werden. 350 Millionen Euro sind zusätzlich
für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bestimmt. Norbert Bude erläutert,
warum die Kommunen nicht vollständig
zufrieden sind mit dem Ergebnis der Verhandlungen: „Was wir sagen können
ist, dass es am Ende keine Vollkostenerstattung geben wird, die wir letztendlich
brauchen“.
Ulrich Maly, Vizeräsident des Deutschen Städtetags weist darauf hin, dass
nach der Einigung völlig unklar sei, um
wie viel die Kommunen genau entlastet
werden. Das hänge davon ab, in welchem
Umfang die Länder das Geld an die Städte, Kreise und Gemeinden weiter leiten.
„Wir erwarten, dass die Länder die Mittel an die Kommunen entsprechend ihrer
finanziellen Aufwendungen durchleiten
werden. Die Beschlüsse müssen jetzt konsequent durchgesetzt werden. Es darf keinen Aufschub geben“, forderte Maly.
20 BLICKPUNKT
DEMO 09-10/2015
Gemeinsam gegen den Hass
Rechtsextreme versuchen, Vorbehalte gegen Flüchtlinge
für sich zu nutzen. Was Kommunen dagegen tun können
Autor Carl-Friedrich Höck
A
n einem Freitagmittag reicht
es Erich Pipa, der Landrat des
hessischen Main-Kinzig-Kreises geht an die Öffentlichkeit. In einer
Pressekonferenz präsentiert der Sozialdemokrat die Drohbriefe, die ihn erreichen. Am kommenden Sonntag, schreiben die anonymen Briefschreiber, könne
man bei einem Fahrradfest „jemanden in
der Besucherschar platzieren, der Dich
aus dem Weg räumt.“ Der Hintergrund:
Pipa hatte sich für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge im Landkreis eingesetzt.
Transparenz schaffen hilft
Dieser Schritt an die Öffentlichkeit war
richtig, meint Natalie Ofori: „Nur wenn
Transparenz geschaffen wird, kann man
Widerstand organisieren.“ Ofori und
Miriam Camara koordinieren das Projekt „Aktion Schutzschild“ der AmadeuAntonio-Stiftung – eine Fachstelle, die
Kommunen und Initiativen berät, wie
sie Übergriffe auf Flüchtlinge verhindern
können. Jede Kommune muss ihren eigenen Weg finden, wissen sie. Doch einige Grundregeln geben sie allen mit auf
den Weg. Eine lautet: Gegen Hetze von
Rechts sollte man eine breite Gegenbewegung mobilisieren.
Nur stehen viele Kommunalpolitiker
vor einem Problem: Unterkünfte für
Flüchtlinge müssen oft innerhalb weni-
Da, wo es
gelingt, eine
Kultur des
Miteinanders
zu schaffen,
können
rechte Erfolge
eingeschränkt
werden.
Ralf Melzer, Leiter des
Projekts gegen
Rechtsextremismus
der FES
ger Tage bereitgestellt werden. Da bleibt
wenig Zeit, skeptische Bürgerinnen und
Bürger einzubeziehen und die neue Situation im Ort zu erklären. Rechtsextreme nutzen das aus, organisieren Proteste und verbreiten Gräuelmärchen über
Asylsuchende. „Wenn man als Bürgermeister zu einer Informationsveranstaltung zu einer neuen Flüchtlingsunterkunft geht, muss man sich auf eine aufgeladene Stimmung einstellen“, warnt
Miriam Camara. Für solche Fälle rät sie:
Sachlich bleiben! „Man muss mit Informationen dagegen halten, den Bürgern
aber auch das Gefühl vermitteln, dass
man sie und ihre Ängste ernst nimmt.“
Die Botschaft müsse lauten: Wir finden
gemeinsam einen Weg. Das funktioniere
allerdings nur, wenn man auch Grenzen
zieht und rassistische Ressentiments klar
als solche benennt und zurückweist.
Indem man die Situation der Asylbewerber und die Gründe ihrer Flucht
erklärt, könne man Verständnis wecken
und Verantwortungsgefühl hervorrufen,
ergänzt Ofori. Das gelinge noch leichter, wenn die Politiker von Anfang an
auch andere Respektspersonen aus ihrer
Kommune einbinden: Pfarrer oder Vereinsvorsitzende zum Beispiel.
Eine „Kultur des Miteinanders“ fordert
auch Ralf Melzer vom „Projekt gegen
Rechtsextremismus“ der Friedrich-Ebert-
Aus Fremden werden Nachbarn
Und der nächste Schritt, wenn die neuen
Nachbarn eingetroffen sind? Dann sollten Orte der Begegnung geschaffen
werden, rät Camara. Zum Beispiel Willkommensfeste oder gemeinsame Projekte von Kirchen, Schulen oder Sportvereinen. „Die Vorstellung einer diffusen
Masse von Asylbewerben löst oft Gefühle von Angst oder Unsicherheit aus“,
weiß sie. Das ändere sich, wenn man die
konkreten Menschen kennenlerne.
Gänzlich verhindern lässt sich dennoch nicht, dass Einzelne gegen Flüchtlinge hetzen oder sie und ihre Unterstützer bedrohen. Auch deshalb seien starke
Strukturen gegen Rechts wichtig, sagt
der FES-Experte Melzer, damit die Menschen sich nach Drohungen nicht zurückziehen. „Öffentlichkeit kann Schutz
bedeuten.“
Landrat Erich Pipa ist übrigens trotz
der Drohungen zu dem Radlerfest gekommen. Statt von rechten Demonstranten wurde er dort von Bürger mit
solidarischen Transparenten begrüßt.
„Ich werde mich nicht einschüchtern lassen“, verspricht der 67-Jährige.
Weitere Informationen:
www.demo-online.de/gegenrechts
FOTO: DPA /PICTURE-ALLIANCE
Lässt sich nicht einschüchtern: Landrat Erich Pipa (m.) eröffnet trotz der Morddrohungen das Fahrradfest Kinzigtal total.
Stiftung (FES). „Wir wissen aus Studien:
Da, wo es gelingt, zwischen Medien,
Zivilgesellschaft und Politik ein solches
Klima zu schaffen und sich rechten Kräften geschlossen entgegenzustellen, können Erfolge der Rechten eingeschränkt
werden.“ Kommunalpolitiker könnten
solche Bündnisse fördern, etwa indem
sie Gespräche mit lokalen Akteuren suchen, Transparenz schaffen, Räume zur
Verfügung stellen und sich parteiübergreifend auf ein gemeinsames Vorgehen
verständigen. Wie notwendig solche Initiativen sind, zeigt eine FES-Studie aus
dem vergangenen Jahr: Demnach haben
44 Prozent der Deutschen eine negative
Haltung gegenüber Asylsuchenden. „Die
Rechtsextremen kennen das Potenzial
und versuchen, daraus Kapital zu schlagen“, sagt Melzer.
Wichtig sei es, sich frühzeitig vorzubereiten – auch dort, wo bisher noch
keine Asylbewerberunterkünfte geplant
sind. Konzepte für eine sichere Unterbringung der Flüchtlinge und eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft müssten
überall in der Schublade liegen, fordern
auch Camara und Ofori. Das bedeute
nicht nur, Runde Tische zu gründen, sondern auch praktische Fragen zu klären
wie: Welche Security-Unternehmen sind
vertrauenswürdig?
TITEL 21
09-10/2015 DEMO
Der Mensch im Mittelpunkt
Mit dem Bundesteilhabegesetz zu echter Teilhabe,
Partizipation und Selbstbestimmung
Autorin Kerstin Tack, Sprecherin der AG Inklusion der SPD-Bundestagsfraktion
werden. Die Menschen mit ihren ganz
persönlichen Zielen und Stärken und
nicht die Einrichtungen sollen künftig
im Mittelpunkt stehen, wenn es um die
Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe geht.
Dies gilt selbstverständlich auch für
den Bereich der Arbeit. Wir haben uns
vorgenommen, die Übergänge zwischen den Werkstätten für behinderte
Menschen und dem ersten Arbeitsmarkt
zu flexibilisieren. Hierzu zählt auch die
Schaffung eines unbürokratischen Rückkehrrechtes in die Werkstätten für behinderte Menschen, sofern zuvor ein
Wechsel von einer solchen auf den
ersten Arbeitsmarkt erfolgte. Neben
den Werkstätten benötigen wir weitere
Angebote zur Aufnahme einer Tätigkeit
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zu
prüfen ist, ob das Budget für Arbeit in
Zukunft flächendeckend eingesetzt werden kann.
Eines der wichtigsten
sozialpolitischen Vorhaben
Eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Lamspringe: Die Übergänge zum ersten Arbeitsmarkt sollen flexibilisiert werden.
FOTO: THOMAS IMO/PHOTOTHEK
D
ie gleiche Würde aller Menschen ist Ausgangspunkt und
Ziel unserer Politik. In diesem
Sinne setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion seit jeher dafür ein, die rechtlichen
und materiellen Rahmenbedingungen
so zu gestalten, dass Selbstbestimmung,
soziale Teilhabe und Lebenschancen für
alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen wahrnehmbar sind.
Neben anderen gesellschaftlichen
Gruppen sind es jedoch insbesondere
Menschen mit Behinderungen, denen
bisher nicht das gleiche Maß an Würde
zugestanden wurde wie Menschen ohne
Behinderungen. Vor dem Hintergrund
dieser Erkenntnis sowie ausgehend von
Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes,
das jegliche Benachteiligung aufgrund
einer Behinderung verbietet, verpflichtete sich Deutschland mit der Ratifizierung
der UN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen im Jahr
2009 zur Umsetzung zahlreicher Maßnahmen, die der Herstellung der Gleichberechtigung von Menschen mit und
ohne Behinderungen dienen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention
gilt weltweit als Meilenstein auf dem
Weg hin zu mehr Selbstbestimmung
und sozialer Teilhabe für Menschen mit
Behinderungen. Es ist daher nur folgerichtig, dass der zwischen CDU/CSU und
SPD beschlossene Koalitionsvertrag nahezu zwanzig Handlungsaufträge zur
Verbesserung der Lebenssituation von
Menschen mit Behinderungen enthält.
Einer dieser Handlungsaufträge manifestiert sich in der gemeinsamen Vereinbarung, die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen
durch die Schaffung eines modernen
Bundesteilhabegesetzes noch in dieser
Legislaturperiode zu reformieren.
Wir wollen mehr Selbstbestimmung
und Gleichberechtigung
Die diesbezüglichen Ziele der SPD-Bundestagsfraktion sind klar. Wir wollen,
dass Menschen mit Behinderungen so
selbstbestimmt und gleichberechtigt
wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die Eingliederungshilfe aus der Fürsorge heraus
im Sozialgesetzbuch (SGB IX) verankert
wird. Für die Bedarfsermittlung müssen
bundeseinheitliche Kriterien festgelegt
Eine
Behinderung
darf nicht
länger zur
Armutsfalle
werden.
Kerstin Tack
Gleichzeitig müssen auch Menschen mit
Behinderungen gerecht entlohnt werden. Eine Behinderung darf nicht länger
zur Armutsfalle werden oder dazu führen, dass Menschen mit Behinderungen
weniger Partnerschaften eingehen als
andere Menschen. Notwendig ist daher
eine spürbare Ausweitung der Einkommens- und Vermögensgrenzen. Neben
der Schaffung und Bereitstellung einer
trägerunabhängigen Beratung ist es
darüber hinaus wichtig, die der Eingliederungshilfe vorgelagerten Systeme zu
stärken und vorhandene Schnittstellen
zu beseitigen. Im Hinblick auf die stete Zunahme psychischer Erkrankungen
zählen hierzu insbesondere auch die
Beseitigung krankmachender Arbeitsbedingungen sowie die Verkürzung der
Wartezeiten für Plätze im psychotherapeutischen Bereich.
Wir werden uns auch weiterhin mit
aller Kraft dafür einsetzen, dass die genannten Maßnahmen Eingang in das
Bundesteilhabegesetz finden. Dies ist
der fachliche Auftrag, der uns durch den
Koalitionsvertrag aufgegeben wurde
und den wir erfüllen werden. Das Bundesteilhabegesetz ist und bleibt eines
der wichtigsten sozialpolitischen Vorhaben in dieser Legislaturperiode. An diesem Vorhaben halten wir fest.
V.i.S.d.P.:
Petra Ernstberger, Parlamentarische Geschäftsführerin,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: (030) 227-744 20,
petra.ernstberger@spdfraktion.de
22 NEWS
DEMO 09-10/2015
SGK-Positionspapier
zu Flüchtlingspolitik
Delegiertenversammlung
der Bundes-SGK
Auch die Sitzung des Vorstandes der BundesSGK am 25. September 2015 war geprägt von
der Debatte, wie wir es schaffen, Flüchtlinge
und Asylbegehrende in unseren Städten und
Gemeinden aufzunehmen. Dabei stand die
Bewertung der Beschlüsse der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder und der
Bundeskanzlerin am Tag zuvor im Vordergrund.
Standpunkt
Norbert Bude, Vorsitzender der Bundes-SGK
V
Peter Hamon
Begrüßt wurden die Beiträge des Bundes, sich
künftig mit einer Pauschale dauerhaft und dynamisch an den Kosten der Länder und Kommunen zu beteiligen. In der Debatte und dem
hierzu gefassten Beschluss stand die Forderung
an die Länder, die vom Bund zugesagten finanziellen Mittel zur Entlastung auch an die Kommunen weiterzuleiten, im Mittelpunkt. Ebenso
begrüßte die Bundes-SGK die „jüngsten Aktivitäten auf europäischer Ebene, um die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Stabilisierung der
Transitländer und eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik voranzubringen.“
Neuer stellvertretender
Geschäftsführer gewählt
Darüber hinaus wurde auch die weitere Geschäftsführung der Bundes-SGK komplettiert:
Der Geschäftsführende Vorstand der BundesSGK hat sich in der Sitzung am 25. September
2015 dazu entschlossen, den bisherigen
Referenten Peter Hamon als stellvertretenden
Geschäftsführer zu bestellen. Damit ist die
Geschäftsführung der Bundes-SGK – nach
dem Weggang von Dr. Alexander Götz im
Frühjahr – mit dem am 26. Juni 2015 einstimmig gewählten Dr. Manfred Sternberg als Geschäftsführer und nunmehr Peter Hamon als
stellvertretendem Geschäftsführer komplett.
Mehr Informationen zum Beschluss der
Bundes-SGK unter: https://spdnet.sozi.info/
bund/sgk/sgkint/dl/150925_Positionspapier_
Zuwanderung_Integration_Fluechtlinge.pdf
iele sprechen von einer nicht mehr zu bewältigenden „Flüchtlingsflut“, die uns quasi wie eine Naturkatastrophe heimsucht und gegen die uns nur noch
Dämme helfen werden. In Anbetracht dramatischer Bilder und
wachsender Zahlen bleibt es nicht aus, dass sich viele Sorgen
darüber machen, ob wir das schaffen und alles gut geht. Wir
erfahren aber in diesen Tagen auch sehr viel über die Hilfsbereitschaft der Mitmenschen in unseren Städten, Gemeinden und
Kreisen. Wir erleben Deutschland als ein weltoffenes und tolerantes Land. Wir sehen, mit wieviel Einsatzbereitschaft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich nach neuen Lösungen in einer
Engpasssituation suchen und sie zumeist auch finden. Ohne die
Kommunen wäre die Erstaufnahme von Flüchtlingen und Asylbegehrenden nicht zu lösen. Jetzt müssen Bund und Länder aber
zügig nachsteuern, damit der Handlungsdruck in den Kommunen nicht die Handlungsfähigkeit gefährdet.
Deshalb sind die Beschlüsse vom 24. September wichtige politische Signale. Bund und Länder zeigen, dass sie geschlossen
handeln wollen, um die Asylantragsverfahren zu beschleunigen,
Erstaufnahmeeinrichtungen auszubauen und eine zu frühe Weiterverteilung auf die Kommunen zu verhindern. Der Bund steht
zu seinem Wort, ab 2016 eine dauerhafte und dynamische Beteiligung an den Kosten der Unterbringung und Versorgung der
Flüchtlinge und Asylsuchenden zu übernehmen, indem er eine
Pauschale pro Kopf und für die Dauer des Asylverfahrens von der
Erstregistrierung an übernehmen will.
Wir brauchen jetzt ein Signal der Länder, dass sie die Mittel dazu verwenden, die Kommunen finanziell zu entlasten, indem sie
ihnen eine volle Kostenerstattung gewähren. Denn eins ist klar:
Wenn die Kommunen anfangen müssen, zur Bewältigung der
Aufgaben mit Flüchtlingen und Asylbegehrenden an anderen
Dienstleistungen zu sparen oder die Grundsteuer zu erhöhen,
wird dieses der Anfang einer Gerechtigkeitsdebatte werden, auf
die wir lieber verzichten sollten. Deshalb ist der Appell an die
Länder mehr als nur die übliche Mühsal zwischen den politischen
Ebenen. Wir brauchen spürbare Veränderungen in den Kommunen, die zeigen, dass etwas passiert.
Und dabei stehen wir erst am Anfang, die eigentliche Integration
dieser Zuwanderung steht uns ja noch bevor: der Familiennachzug, die Integration in den Arbeitsmarkt von Sprachkursen bis
zur Qualifikation und schließlich die dauerhafte Unterbringung
in den Wohnquartieren unserer Städte und Gemeinden. Ich bin
davon überzeugt: Wir schaffen das!
Am 22. und 23. April 2016 findet im
Dorint Hotel Sanssouci in Potsdam die
16. ordentliche Delegiertenversammlung
der Bundes-SGK statt. Zu dieser Veranstaltung werden mehr als 500 Delegierte
und Gäste, ehren- und hauptamtliche
Kommunalpolitikerinnen und -politiker
sowie hochrangige Vertreterinnen und
Vertreter aus der Europa-, Bundes- und
Landespolitik erwartet. Der Vorsitzende
der SPD, Vizekanzler Sigmar Gabriel, hat
seine Teilnahme bereits zugesagt. Wir
bitten, diesen Termin fest vorzumerken.
Weitere Informationen ab Dezember 2015
unter: www.bundes-sgk.de
In NRW soll es wieder
eine Sperrklausel geben
Die nordrhein-westfälischen Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und CDU
haben sich auf einen Gesetzentwurf geeinigt, der vorsieht, wieder eine Sperrklausel für Kommunalwahlen einzuführen. Sie soll bei 2,5 Prozent liegen. Bis
1999 hatte es eine Fünf-Prozent-Hürde
gegeben. Diese war jedoch vom Landesverfassungsgericht gekippt worden.
Die Folge: In einigen Räten sind bis zu
13 verschiedene Parteien und Einzelbewerber vertreten. Das führt zu immer
längeren Ratssitzungen und erschwert
die Mehrheitsfindung. Die nun geplante
Verfassungsänderung sei deshalb „ein
schwerwiegender, aber notwendiger
Schritt“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Römer. CFH
Kommunen
verringern ihr Defizit
Die Einnahmen der Gemeinden und
Gemeindeverbände sind im ersten
Halbjahr 2015 stärker angestiegen als
die Ausgaben. Das teilt das Statistische
Bundesamt (Destatis) mit. Hauptursache
hierfür ist das größere Steuereinkommen (plus 5,1 Prozent). Dennoch bleiben
die Kommunen in den roten Zahlen:
Ihr Finanzierungsdefizit betrug in der
ersten Jahreshälfte zusammengerechnet
1,6 Milliarden Euro. Das ist immerhin
eine halbe Milliarde Euro weniger als
das Defizit in der ersten Jahreshälfte
2014. CFH
Weitere Informationen: www.destatis.de
FOTOS: BUNDES-SGK
Treffen des Bundesvorstands
der SGK in Berlin
NEWS 23
09-10/2015 DEMO
Bundesrat billigt
Wohngelderhöhung
Der Bundesrat hat am 25. September
einem Gesetz zur Reform des Wohngeldes zugestimmt. Damit steht fest,
dass das Wohngeld ab Januar 2016 an
die gestiegenen Mieten angepasst und
deutlich erhöht wird: um durchschnittlich 39 Prozent. Mehr als 866 000
Haushalte können von der Reform profitieren. Auch die Kommunen werden
dadurch entlastet: Denn viele Menschen sind ausschließlich wegen hoher
Wohnkosten zu Beziehern von Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“)
geworden, sodass die Kommunen für
die Kosten ihrer Unterkunft aufkommen
müssen. Die Bundes-SGK und der deutsche Städtetag haben deshalb seit Langem auf eine Reform des Wohngeldes
gedrängt. Zuletzt wurde das Wohngeld
im Jahr 2009 erhöht. CFH
VKU drängt auf Reform
der Kreislaufwirtschaft
FOTOS: HUENERFAUTH/PHOTOTHEK /MICHAEL GOTTSCHALK /PHOTOTHEK.NET
Der „Grüne Punkt“ ist im September
25 Jahre alt geworden. Der Verband
kommunaler Unternehmen (VKU) warnt
anlässlich des Jubiläums: Die dualen
Systeme seien dringend reformbedürftig. Das Mehrwegsystem stehe in seiner
jetzigen Form „vor dem Kollaps“, sagt
VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina
Reiche. Kunststoffverpackungen hätten deutlich zugenommen. „Das Ziel
muss eine verbesserte Produkt- und
Verpackungsgestaltung sein, wenn man
dem Ziel einer tatsächlichen Kreislaufwirtschaft näher kommen will.“ Das
Bundesumweltministerium will noch
in diesem Jahr einen Entwurf für ein
Wertstoffgesetz vorlegen. Es soll Anreize für eine an ökologischen Kriterien
orientierte Produktgestaltung setzen
und die gelbe Tonne aufwerten. Auch
plant die Koalition, den Kommunen
mehr Einfluss auf die dualen Systeme zu
ermöglichen – über Details wird noch
diskutiert. Das geplante Gesetz müsse
die kommunalen Unternehmen stärken,
fordert der VKU. CFH
und beruflichen Ziele und damit in ihrer
persönlichen Entwicklung. Die Ziele sollten attraktiv, realistisch und terminiert
sein, damit es den Teilnehmern nach
dem Coaching nachhaltig besser geht.
Die Ergebnisse werden zudem messbar
gemacht.
Respekt ist ein Schlüssel zu
gelungener Kommunikation
Ein kommunalpolitisches Spitzenamt als berufliches Ziel ist attraktiv. Ein Berater oder
Coach kann auf dem Weg dahin Unterstützung leisten.
Coaching für
Bürgermeister
Die SGK in Hessen richtet ein neues Angebot an
Kandidaten und Kandidatinnen für ein Spitzenamt
Autor Michael Siebel
M
an kann einen Menschen
nichts lehren. Man kann ihm
nur helfen, es in sich selbst
zu entdecken.“ Dieser Ausspruch von
Galileo Galilei umschreibt treffend die
Ziele eines werteorientierten Coachings.
Sich coachen lassen – ein Thema, das in
den Führungsetagen öffentlicher und
privater Unternehmen, in Anwaltskanzleien oder Personalberatungen zum guten Ton gehört. Bei Politikerinnen und
Politikern ist der Gang zum Coach indessen eher verpönt. Im politischen Kontext
wird die Notwendigkeit des Coachings
eher als Schwäche verstanden – schließlich ist man Machtmensch.
Mit Coaching Ziele setzen
und erreichen
„Ich bin in ein kommunalpolitisches Spitzenamt gewählt worden und möchte
mich auf meine neue Aufgabe vorbereiten.“ „Ich möchte meine Rolle in der
Kommunalverwaltung neu definieren.“
„In meiner Verwaltung erlebe ich permanenten Konkurrenzdruck. Dem möchte
ich gerne durch Verhaltensänderung
begegnen.“ Mit solchen und ähnlichen
Fragestellungen kommen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker auf
den Coach zu. Dieser unterstützt seine
Klienten im Erreichen ihrer persönlichen
Alles was
Menschen
brauchen
ist in ihnen
angelegt. Es ist
die Aufgabe
des Trainers,
Ressourcen zu
aktivieren.
Von besonderer Bedeutung ist dabei
Wertschätzung. Respekt und Fürsorge
sind der Schlüssel zu gelungener Kommunikation. Alles was Menschen brauchen, ist in ihnen angelegt. Es ist die
Aufgabe des Trainers, Ressourcen zu
aktivieren.
In Hessen hat die SGK seit Anfang des
Jahres ein neues Angebot entwickelt,
mit dem Bürgermeisterkandidaten und
-kandidatinnen begleitet werden. Rechtzeitig vor der Wahl werden die Politikerinnen und Politiker persönlich kontaktiert und ihnen ein Coaching angeboten.
Dabei kann es um die eigene Verortung
im Gemeindesystem gehen (Beziehung
zu den Bürgerinnen und Bürgern, Vorhaben in der Verwaltung, Stärken und
Visionen) aber auch um das eigene berufliche und persönliche Wertesystem.
Natürlich werden Kandidatinnen und
Kandidaten auch auf konkrete Situationen vorbereitet.
Eine Schlüsselveranstaltung ist sicherlich die mittlerweile obligatorische Podiumsdiskussion vor der Wahl, die in der
Regel von sehr vielen Menschen besucht
wird und schon mal eine Stimmung drehen kann. Darüber hinaus geht es auch
immer um die Mitbewerber oder politischen Gegner. Mit unterschiedlichen
Methoden aus der systemischen Arbeit
wird mit den Coachingnehmern lösungsorientiert gearbeitet.
Darüber hinaus werden auch gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf ihrem Weg ins Amt beraten.
Welches sind die ersten Schritte und
Bilder, die ich stellen möchte? Was will
ich verändern und welches sind meine
ersten Termine? Welche persönliche
Note gebe ich meinem Arbeitszimmer
und wie will ich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen?
Die Erfahrungen der SGK Hessen sind
sehr vielversprechend. Kandidatinnen
und Kandidaten gehen mit viel Selbstbewusstsein in den Wahlkampf und mit
großer Arbeitszufriedenheit in ihren Job.
Und immer ist die Leidenschaft dabei.
Mehr Informationen
www.sgk-hessen.de
24 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 09-10/2015
Zuhause ist es am schönsten: Das Projekt „Gemeindeschwester plus“ unterstützt ältere Menschen dabei, gesund und eigenständig zu bleiben.
Länger selbstständig leben
Das Modellprojekt „Gemeindeschwester plus“ ergänzt ambulante Pflegedienste und
soll helfen, die Lebensqualität hochbetagter Menschen zu verbessern
Report
Kommunale
Dienstleistungen
Z
um 1. Juli 2015 startete in Rheinland-Pfalz das Modellprojekt
„Gemeindeschwester plus“. Für
mich ist dies ein persönlicher Erfolg: Mit
dem Amt der Sozialministerin in Rheinland-Pfalz übernahm ich im November
2014 auch den Vorsitz der Arbeits- und
Sozialministerkonferenz (ASMK). Deren
Leitung fiel direkt in die zweite Woche
meiner Amtszeit.
Einer der Anträge befasste sich mit
der „Verbesserung der Qualität in der
Pflege“. Die ASMK stellt darin fest, dass
sich in der Pflege vieles sehr positiv entwickelt habe, dass aber in der Diskussion um Grund- und Behandlungspflege,
um niedrigschwellige Betreuungs- und
Entlastungsangebote oder auch um die
hauswirtschaftliche Versorgung ein Aspekt zunehmend aus dem Blickfeld geraten sei: das „sich um den Menschen
kümmern“.
Der ASMK-Antrag empfiehlt Bund
und Ländern dieses „Kümmern“ wieder
stärker zu beachten.
Es macht mich stolz, dass RheinlandPfalz diesen Beschluss jetzt als erstes
Land umsetzt. Mit dem Projekt „Gemeindeschwester plus“ fördern wir ein
ganz konkretes Angebot für hochbetagte Menschen, die keine Pflege brauchen, aber in ihrem aktuellen Lebensabschnitt gern Unterstützung und Beratung annehmen möchten. Das Projekt
ist Bestandteil der Demografiestrategie
„Zusammenland RLP – Gut für Generationen“, mit dem die Landesregierung
unter anderem dafür eintritt, die Lebensqualität der steigenden Zahl hochaltriger
Menschen im Land zu verbessern.
Erprobungsphase bis Ende 2018
Das Modellprojekt „Gemeindeschwester
plus“ startet nun in neun kommunalen
Gebietskörperschaften an 13 Pflegestützpunkten mit insgesamt 12,5 Stellen.
Diese werden in einem Erprobungszeitraum bis Ende 2018 vom Land Rheinland-Pfalz zu 100 Prozent gefördert. Die
ersten Pflegefachkräfte im Projekt „Ge-
meindeschwester plus“ nehmen ab September 2015 ihre Arbeit auf. Während
der Implementierungsphase bis Ende
2016 wird das Projekt wissenschaftlich
begleitet. Zudem erfolgt eine fachliche
Begleitung des Projektes durch eine
Steuerungsgruppe, zu deren Mitgliedern
die PflegeGesellschaft Rheinland-Pfalz,
die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, der
Landesverband der Ersatzkrankenkassen
in Rheinland-Pfalz/Saarland, die Landesärztekammer, die Landespflegekammer,
der Städtetag, der Landkreistag und
die Landesseniorenvertretung gehören.
Dass die jeweiligen Landrätinnen und
Landräte und Oberbürgermeisterinnen
und Oberbürgermeister das Projekt „Gemeindeschwester plus“ zu „ihrer Sache“
machen, wird ebenfalls ganz wesentlich
zu dem Gelingen des Projektes beitragen.
Unser Ziel ist, mit dem Modellprojekt
„Gemeindeschwester plus“ ein Angebot
der Unterstützung und Beratung zu entwickeln, das von den Partnerinnen und
FOTO: UTE GRABOWSKY/PHOTOTHEK.NET
Autorin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie in Rheinland-Pfalz
REPORT 25
09-10/2015 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
FOTO: MSAGD, MARTINA PIPPRICH
Partnern im Gesundheitswesen und in
der Pflege so – auch aufgrund leistungsrechtlicher Vorgaben – nicht erbracht
werden kann. Wir glauben, dass das
Projekt einem erkennbaren Unterstützungsbedarf vieler hochbetagter Menschen Rechnung trägt. Uns ist dabei
ganz wichtig, dass die Pflegefachkräfte
im Projekt „Gemeindeschwester plus“
nicht zu Fragen der Pflege beraten und
auch keine Leistungen erbringen, die bereits heute von ambulanten Pflegediensten oder anderen geeigneten Anbietern
erbracht und von den Pflegekassen finanziert werden. Vielmehr nutzen wir
die Kompetenzen der Pflegefachkräfte
im Projekt „Gemeindeschwester plus“
gezielt zur Prävention und Gesundheitsförderung hochbetagter Menschen. Das
macht dieses Projekt in seiner pflegepolitischen Zielsetzung wirklich einzigartig.
Pflegebedürftigkeit soll möglichst
lange vermieden werden
Die Fachkräfte im Projekt „Gemeindeschwester plus“ besuchen allein lebende Menschen ab 80 Jahren nach deren
vorheriger Zustimmung zu Hause und
beraten sie individuell. So informieren
sie darüber, welche Angebote und sozialen Kontakte zur Stärkung der Selbstständigkeit vor Ort genutzt und welche
präventiven Vorkehrungen getroffen
werden könnten, um Pflegebedürftigkeit möglichst lange zu vermeiden. Ein
weiteres Ziel des Modellprojektes ist,
regionale Netzwerke und soziale Unterstützungssysteme – zum Beispiel von
Kirchen- und Ortsgemeinden, aber auch
von Nachbarschaften zu stärken und
weiterzuentwickeln. Wir gehen davon
aus, dass die Fachkräfte im Projekt „Gemeindeschwester plus“ über ihre vielfältigen Begegnungen feststellen werden,
wo vorhandenes zivilgesellschaftliches
Engagement Unterstützung und Begleitung braucht oder wo bürgerschaftliches
Engagement bereits stark und selbstverantwortlich handelt. Auf der Grundlage
dieser Erfahrungen können die Fachkräfte im Projekt „Gemeindeschwester
plus“ in Kooperation mit den Fachkräften im Pflegestützpunkt die Kommune
bei der Entwicklung sozialräumlicher
Strukturen beraten: Sie können Hinweise geben über die Stärken und Schwä-
chen sozialer Netze, über den Bedarf
an sozialen Treffpunkten und weiteren
Unterstützungsangeboten. Kommunen,
aber auch die Anbieter von Diensten,
Unterstützungsangeboten oder Leistungen können so wichtige Impulse für die
Weiterentwicklung der sozialen Räume
für ein gutes und selbstbestimmtes Leben auch im hohen Alter erhalten.
Die Menschen können länger im
gewohnten Umfeld bleiben
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Über die Arbeit der Fachkräfte im Projekt „Gemeindeschwester plus“ wird
deutlich, dass gerade die Pflege im Sinne
von „community health nursing“ Kompetenzen in präventiver und gesundheitsförderlicher Arbeit für hochbetagte
Menschen hat. Durch das Projekt „Gemeindeschwester plus“ hoffen wir, die
Bedeutung und das Ansehen der Pflege zu stärken und dem Wunsch älterer
Menschen, lang im gewohnten Umfeld
leben zu können, zu begegnen. Gemeinsam wollen wir hochbetagten Menschen
in Rheinland-Pfalz ein Angebot machen,
das ihnen hilft, ihre Selbstständigkeit bei
guter Lebensqualität lange zu erhalten.
Anzeige
Die AMEOS Gruppe zählt zu den bedeutenden Gesundheitsdienstleistern im deutschsprachigen Raum. Die Krankenhäuser, Pflege- und Eingliederungseinrichtungen verbinden
hochwertige medizinische und pflegerische Leistungen mit
Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit.
AMEOS beschäftigt in aktuell 68 Einrichtungen an 38 Standorten mit insgesamt 8.000 Betten und Behandlungsplätzen
rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wir bringen Krankenhäuser voran
AMEOS Gruppe
Bahnhofplatz 14 · CH-8021 Zürich
Tel. +41 (0)87 835 33 66 · Fax +41 (0)87 835 33 29
info@ameos.ch | www.ameos.eu
26 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 09-10/2015
Vier gewinnt
Medizinische Versorgung im ländlichen Raum: In SachsenAnhalt wurden vier defizitäre Kliniken umstrukturiert.
Sie setzen nun unterschiedliche Schwerpunkte
neue Konzept wurde in mehreren Abstimmungsrunden mit Chefärzten und
den Pflegedirektionen diskutiert, hinterfragt und immer wieder angepasst.
Schließlich diskutierte das Projektteam
das Konzept in standortbezogenen
Mitarbeiterforen, auch der Betriebsrat
wurde einbezogen.
Einzelne Verbundpartner und Leistungsträger müssen sich als Teil eines
Verbunds in einer Versorgungsregion
sehen. Die daraus entstehenden Vorteile lassen sich im Rahmen einer patientenzentrierten „Netzwerkmedizin“
noch weiter ausbauen. So können den
Patienten neben den akutstationären
Leistungen auch ambulante Versorgung
und Nachsorge angeboten werden.
Drei Jahre nach der Übernahme der
vier Kliniken in Sachsen-Anhalt hat die
AMEOS-Gruppe das Klinikum in Bernburg zur größten Stroke-Unit SachsenAnhalts ausgebaut. Am Standort Schönebeck gibt es nun ein Linksherzkatheterlabor und in Staßfurt wurde die
Akutgeriatrie ausgebaut. So konnten
die Kliniken medizinisch und auch wirtschaftlich gestärkt werden. Die Versorgung der Patienten wurde damit nicht
nur gesichert, sondern auch verbessert.
Das AMEOS Klinikum Staßfurt, das 2012 durch die AMEOS-Gruppe wiedereröffnet wurde, beschäftigt rund 200 Mitarbeitende.
D
as Klinikum im sachsen-anhaltinischen Staßfurt war aus Kostengründen bereits geschlossen, die Krankenhäuser in Aschersleben, Bernburg und Schönbeck waren
defizitär. Das war 2012, damals übernahm der private Gesundheitsdienstleister AMEOS-Gruppe die vier Kliniken
– mit dem Ziel, alle vier Standorte zu
erhalten. Dazu mussten die Kosten gesenkt werden. Nach einer Sanierung
bekam jede Klinik deshalb einen anderen medizinischen Schwerpunkt.
Das führt zu einem höheren Spezialisierungsgrad der einzelnen Kliniken.
Redundanzen werden ebenso vermieden wie der interne Wettbewerb um
Marktanteile. Die neuen Strukturen bewirken, dass die vier Kliniken nun besser
miteinander verzahnt sind. Beispielhaft
seien hier folgende Ansätze genannt:
ōEinrichtung von Spezialambulanzen
ōStärken der Zusammenarbeit durch
die Einführung von Behandlungspfaden oder -konferenzen für bestimmte
Eingriffe, gemeinsamer Visitenzeiten
und der Schaffung von Aufnahmestationen
ōBildung durchgängiger Behandlungskonzepte mit gemeinsamen Qualitätsrichtlinien und Behandlungsstandards
Über die neue Ausrichtung mussten alle
Beteiligten informiert werden: Patienten,
niedergelassene Ärzte und Rettungsdienste sowie zuweisende Einrichtungen
müssen die neue Aufgabenteilung kennen und die neue, höhere Versorgungsqualität wahrnehmen.
Mitarbeiter wurden informiert und
in die Prozesse eingebunden
Bei großen Umstrukturierungen wie
dieser ist Kommunikation ein entscheidender Punkt: Alle Mitarbeitenden wurden in das Projekt eingebunden, um
ihnen Unsicherheiten zu nehmen. Das
AMEOS-GRUPPE
68
Kliniken betreibt die
AMEOS-Gruppe, die sich
darauf spezialisiert hat,
defizitäte Krankenhäuser zu
übernehmen und zu sanieren.
Ansprechpartner:
Michael Mehner; Leiter Leistungsentwicklung, AMEOS-Gruppe, Kai Swoboda, Regionalgeschäftsführer, AMEOS Ost, Dr. Marina
Martini, Chief Development Officer (CDO),
Mitglied des Vorstandes
Weitere Informationen:
www.ameos.eu
INFO-KASTEN
Die AMEOS-Gruppe betreibt aktuell 68
Kliniken, Pflege- und Eingliederungseinrichtungen an 38 Standorten mit
rund 12 000 Mitarbeitenden und zählt
damit zu den bedeutenden Gesundheitsdienstleistern im deutschsprachigen Raum. Die von AMEOS entwickelten Strategien gaben bereits vielen
Krankenhäusern eine neue Perspektive
für die Versorgung der Menschen in
der Region und die Sicherung von
Arbeitsplätzen. AMEOS erhielt 2014
den 1. Zukunftspreis für Prozess- und
Zufriedenheitsverbesserung im Krankenhaus des Rhein-Main Zukunftskongresses.
FOTO: AMEOS GRUPPE
Versorgungsregion statt
Konkurrenzkampf
Autoren Michael Mehner, Kai Swoboda, Dr. Marina Martini
Die RAG Montan Immobilien bündelt ein vielseitiges Know-how
rund um Immobilien und Flächen. Seit fast 40 Jahren verwaltet
das Unternehmen Liegenschaften des RAG-Konzerns und entwickelt industriell vorgenutzte Areale zu gefragten Standorten.
Dazu gehören Gewerbe- und Industrieflächen, Standorte für
Photovoltaik- und Windkraftanlagen, moderne Wohngebiete,
Einzelhandel-, Grün-, Freizeit- sowie Naherholungsflächen. Mit
den vier Geschäftsfeldern Entwicklung, Erneuerbare Energien,
Umwelt sowie Management unterstützt RAG Montan Immobilien erfolgreich den Strukturwandel im Ruhrgebiet und Saarland.
RAG Montan Immobilien GmbH
Im Welterbe 1-8, 45141 Essen
info@rag-montan-immobilien.de
www.rag-montan-immobilien.de
Die Zukunft ist unser Revier.
28 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 09-10/2015
die einzelnen Szenen mit einem TabletPC auf. Anschließend bearbeiten alle
Vorschulkinder die Szenen mit einem
Filmbearbeitungsprogramm, so dass
daraus ein ganzer Film entsteht. Neben Kreativität, sozialen Kompetenzen,
Teamfähigkeit und Organisation lernen
die Kinder dabei auch den Umgang mit
digitalen Anwendungen.
Anträge sowie weitere Informationen
finden Interessierte unter
www.vonkleinaufbildung.de
„WILLKOMMEN BEI UNS“
200 000 Euro für Integration
von Flüchtlingskindern
Übergänge kreativ gestalten
Das Gelsenwasser-Bildungsprojekt fördert Kindergartenund Schulprojekte, die verschiedene Lernphasen verknüpfen
Autorin Jennifer Kownatzki, Gelsenwasser AG
V
on klein auf“ heißt das Gelsenwasser-Bildungsprojekt. Es soll
dazu beitragen, dass in Kindergärten und Schulen zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, die Lehren
und Lernen unterstützen. Besonders
im Fokus stehen dabei die Übergänge
zwischen verschiedenen Bildungsabschnitten der Kinder und Jugendlichen.
Diese positiv zu gestalten ist ein Schwerpunkt im Projekt: die Vorbereitung auf
die Grundschule, der Wechsel auf eine
weiterführende Schule, die Vorbereitung
auf die Berufswahl oder das Abitur.
Zwei Millionen Euro Fördergelder
fließen in das Projekt
Alle Einrichtungen des Elementarbereichs sowie Grundschulen und allgemeinbildende weiterführende Schulen
bis zur Sekundarstufe I können Projektanträge stellen. Teilnahmeberechtigt
sind 75 Kommunen aus dem Versorgungsgebiet der Gelsenwasser sowie
zahlreicher Tochtergesellschaften. Zwei
Mit dem
Projekt ‚von
klein auf‘
wollen wir
unseren Beitrag
leisten, ohne
die Inhalte zu
bestimmen.
Henning R. Deters
Vorstandsvorsitzender der
Gelsenwasser AG
Millionen Euro stehen insgesamt zur
Verfügung, Kindergartenprojekte werden mit bis zu 500 Euro, Schulprojekte
mit bis zu 2 000 Euro gefördert.
Dreimal im Jahr setzt sich eine unabhängige Jury mit den eingereichten
Projektanträgen auseinander und entscheidet über die Förderung. In der Jury
arbeitet Gelsenwasser mit der Organisation „Die Bildungsgenossenschaft –
Beste Chancen für alle eG“, Vertretern
des Städte- und Gemeindebundes NRW,
der Landeselternkonferenz NRW, der
Kosmos-Bildung Münsterlandschule Tilbeck sowie der Städtischen Realschule
Wesel-Mitte zusammen. 1 179 Vorhaben
bewähren sich bereits in der Praxis.
Digitale Früherziehung:
eine Kita dreht Filme mit dem Tablet
Ein gelungenes Beispiel ist die Aktion
„Medienerziehung im Vorschulbereich“
der Kita St. Gerburgis in Nottuln. Während eine Kita-Gruppe ein Theaterstück
einstudiert, nimmt eine andere Gruppe
Um den Einrichtungen schnell unter
die Arme zu greifen, hat Gelsenwasser
das Projekt „WILLKOMMEN BEI UNS“
eingerichtet. 200.000 Euro stehen
hierfür zur Verfügung.
Weitere Informationen sowie einen
Projektantrag findet man auf der
Homepage www.vonkleinaufbildung.
de unter „WILLKOMMEN BEI UNS“.
An der Offenen Ganztagsschule an
der Otto-Willmannschule in Voerde
sollen die Flüchtlingskinder über verschiedene Aktionen integriert und an
die deutsche Sprache herangeführt
werden, alles auf spielerische Art und
Weise. So wird gesungen, gemalt und
gebastelt und später soll sogar noch
ein Theaterstück einstudiert werden.
Die Mittel werden für Sprachspiele
und Lehrmaterial sowie für Bastelmaterialien benötigt.
FOTOS: GELSENWASSER AG
Gelungenes Beispiel: In Nottuln drehen Vorschulkinder Filme und lernen dabei den Umgang mit digitalen Anwendungen.
Die täglichen Bilder von Menschen,
die Dramatisches in ihren Herkunftsländern sowie auf der langen Flucht
erlebt haben, lösen Betroffenheit und
Nachdenklichkeit aus. „Wir empfinden es als große Leistung, wie die
Städten und Gemeinden aus unserem
Konzessionsgebiet mit ihren Mitarbeitern und Freiwilligen diese Menschen
willkommen heißen und aufnehmen“,
sagt Henning R. Deters, Vorstandsvorsitzender der Gelsenwasser AG. Auch
Kindergärten und Schulen stehen seit
den Flüchtlingsströmen vor neuen Herausforderungen. „Wir möchten helfen,
diese zu bewältigen.“ so Deters weiter.
30 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 09-10/2015
An der deutsch-französischen Grenze soll ein 24 Hektar
großer Photovoltaik-Park entstehen
Autor Till Rasch
I
n der grenznahen lothringischen
Stadt Forbach hat das Sulzbacher
Unternehmen montanSOLAR die
Projektgesellschaft „Parc Solaire Terril
Wendel SAS“ gegründet. „Dies war notwendig, damit wir unsere Aktivitäten
nach Frankreich ausdehnen können“,
informiert Rudolf Krumm, Repräsentant
der RAG Montan Immobilien und Geschäftsführer der montanSOLAR. „Für
den Bau von Photovoltaik-Anlagen gibt
es in Frankreich Ausschreibungen der
französischen Strom-Regulierungsbehörde (Commiossion de la Régulation de
l´Enerdie, CRE). Wir haben uns in diesem
Jahr mit der Errichtung eines zwölf Megawatt peak (MWp) großen Solar-Parks
beworben.“
3 600 Haushalte könnten
mit Strom versorgt werden
Der geplante Solar-Park soll auf dem
Plateau der 80 Meter hohen Halde Terril
de Wendel, auf den Gemarkungen der
Städte Forbach und Petite-Rosselle, errichtet werden. Für die Fläche, die von
dem Etablissement Public Foncier de
Lorraine (EPFL) verwaltet wird, besteht
bereits Baurecht. Auf insgesamt 24 Hektar sollen dafür rund 44 000 Solar-Module aufgestellt werden. Bei einem Jahresverbrauch von 3 500 Kilowattstunden
können rund 3 600 Haushalte mit Sonnenstrom versorgt werden.
„Bei der Umsetzung des Projektes ist
es uns wichtig, die wirtschaftliche Nutzung der Halde so zu gestalten, dass die
bereits bestehende und noch geplante
touristische Nutzung nicht beeinträchtigt wird“, betont Krumm. Bereits heute ist die Halde Terril Wendel zentraler
Punkt und Scharnier zwischen dem Musée de la Mine in Petite-Rosselle und der
Carrière Centrale bis hin zum Carreau
Simon in Forbach (prägnante Orte im
Landschaftsraum „Ensemble ForbachNord“ mit industrieller Historie).
Falls die montanSOLAR den Zuschlag
zum Bau der Anlage bekommt, wird sie
im Bereich Speichermedien für Photovoltaik-Anlagen ein grenzüberschreitendes
Forschungs- und Entwicklungsprojekt
starten. Hierzu wird das Unternehmen
eine Kooperation zwischen der Hochschule für Technik und Wirtschaft des
Saarlandes (HTW) und der Université de
Lorraine finanziell unterstützen.
Auch die Bürgermeister der Städte
Forbach und Petite-Rosselle, Laurent
Kalinowski und Gérard Mittelberger,
bekräftigen: „Wir würden uns über eine
positive Entscheidung für unseren deutschen Partner sehr freuen. Mit der montanSOLAR hätten wir einen kompetenten Projektentwickler an unserer Seite,
der bereits ein umfassendes Know-how
für den Bau von Solarparks auf ehemaligen Bergbauflächen mitbringt“.
Das Unternehmen ist eine Beteiligungsgesellschaft der RAG Montan Immobilien. „Auch nach Ende des aktiven
Bergbaus an der Saar 2012 steht die
RAG zu ihrer Verantwortung gegenüber
dem Saarland und seinen Menschen“
verspricht die GmbH in einer Stellungnahme. Sie bleibt vor Ort – und gestaltet den Wandel von der Nutzung fossiler zu regenerativer Energien aktiv mit.
Für den Bau von Solarparks hat die RAG
Montan Immobilien GmbH mit dem
Die bereits
bestehende und
noch geplante
touristische
Nutzung
wird nicht
beeinträchtigt.
Rudolf Krumm,
Geschäftsführer der
montanSOLAR
In der Grenzregion
wandeln sich die Strukturen
Um die Zusammenarbeit bei der Folgenutzung von Bergbaubrachen in der
deutsch-französischen Grenzregion zu
intensivieren, unterzeichneten die RAG
Montan Immobilien und die EPFL bereits
2012 einen grenzüberschreitenden Kooperationsvertrag. Als wesentliche Flächeneigentümer und Projektentwickler
stehen RAG Montan Immobilien und
Etablissement Public Foncier de Lorraine vor den gleichen Herausforderungen:
Dies- und jenseits der Grenze macht sich
der Rückzug des Bergbaus durch strukturelle Veränderungen bemerkbar. Sowohl RAG Montan Immobilien als auch
EPFL müssen für Bergbaubrachen neue
und nachhaltige Folgenutzungen entwickeln und umsetzen.
Weitere Informationen:
www.montansolar.de
Am Fuße der Halde Reden, auf dem Gebiet des ehemaligen Absinkweihers Brönnchesthal, entstand das bislang größte Einzelprojekt der
montanSOLAR. Auf insgesamt 15 Hektar Fläche erzeugt die Anlage eine Leistung von 7,8 Megawatt peak (MWp).
FOTO: RAG MONTAN
Solarkraft statt Bergbau
Photovoltaikspezialisten Wircon GmbH
und weiteren Partnern gemeinsam die
montanSOLAR GmbH gegründet. Die
Gesellschaft entwickelt, errichtet und
vertreibt Photovoltaik-Anlagen, insbesondere auf ehemaligen Bergbauflächen
des Saarlandes. So wurden in den letzten Jahren insgesamt neun PhotovoltaikAnlagen mit rund 29 Megawatt Leistung
auf den ehemaligen Grubenstandorten
in Reden, Sulzbach, Velsen, Völklingen,
Dechen, Ludweiler und Wellesweiler installiert. Weitere Anlagen befinden sich
noch in der Planung.
Schwäbisch Hall ist Wirtschaftsstadt
mit den Gewerbegebieten Solpark, Hessental, Sulzdorf und dem Gewerbepark
Schwäbisch Hall-West. Profitieren Sie vom guten Branchenmix, dem Packaging
Valley Schwäbisch Hall, den innovativen Unternehmen, dem Adolf-Würth-Airport
und dem Haus der Wirtschaft im Solpark. Kennen Sie unsere Angebote zur Existenzgründung?
Schwäbisch Hall ist attraktiver Wohnort
mit hoher Wohn- und Lebensqualität, schönen Wohnbauplätzen, interessanten
Wohnungen und Häusern in der Nähe Ihres Arbeitsplatzes, die perfekt auf die
Bedürfnisse von Familien, Jugendlichen und Kindern zugeschnitten sind. Leben
und Arbeiten lässt sich hier vortrefflich miteinander verbinden.
Schwäbisch Hall ist optimaler Arbeitsort
mit hervorragenden Perspektiven durch das vielfältige Arbeitsplatzangebot der
zahlreichen Weltmarktführer, Hidden Champions, Finanz- und Dienstleistungsunternehmen sowie dem Gesundheitswesen. Auszubildende sind herzlich willkommen.
Schwäbisch Hall ist Bildungsstadt
mit einem breiten Spektrum an Bildungseinrichtungen. Informieren Sie sich über
die flexiblen Möglichkeiten im Haus der Bildung sowie über die ManagementStudiengänge am Campus Schwäbisch Hall der Hochschule Heilbronn.
Schwäbisch Hall ist Freizeitstadt
mit einer Vielzahl an Freizeiteinrichtungen und Angeboten für Wellness, Sport,
Erholung und Gesundheit. In unserer Stadt ist attraktives Wohnen in einer
schönen Landschaft Wirklichkeit. Das Szeneangebot ist riesig und unsere besondere Altstadtkulisse hat Flair!
Stadt Schwäbisch Hall
Am Markt 7/8
74523 Schwäbisch Hall
www.schwaebischhall.de
factum | adp . Neuenstein
Schwäbisch Hall ist Kulturstadt
mit einem sehr vielfältigen Angebot an kulturellen Veranstaltungen und Museen.
Kunsthalle Würth, Johanniterkirche mit ihren„Alten Meistern in der Sammlung
Würth“, Präsentation der Schutzmantelmadonna von Hans Holbein d. J. und die
Freilichtspiele, die in diesem Jahr ihr 90. Jubiläum feiern, sind die regionalen
Leuchttürme.
32 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 09-10/2015
Alle für alle
Mit dem Städtebündnis „Hohenlohe
Plus“ soll das Marketing der Region
verbessert werden
Autor Herman-Josef Pelgrim, Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall
Der Raum ist
klein genug,
um Identität
zu stiften und
groß genug,
um Kraft zu
entfalten.
Hermann-Josef Pelgrim
Anzeige
Sie planen Investitionen
in Infrastruktur- oder IT-Projekte?
Wir machen Sie fit
für Ihre Ziele.
Wir bieten Ihnen im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen eine
kostenfreie Beratung zu geplanten Investitionsvorhaben sowie zu allgemeinen
Fragen im Vorfeld eines Projektes an und prüfen mit Ihnen gemeinsam, ob eine
Öffentlich-Private Partnerschaft eine wirtschaftliche Realisierungsvariante ist.
Kompetent. Kostenfrei. Kurzfristig.
www.partnerschaften-deutschland.de/ib
Vereinbaren Sie mit unseren Beratern
eine kostenfreie Investitionsberatung
für Ihr Projekt
+49 30 257679 -0
Die beteiligten (Ober-)Bürgermeister bei der Präsentation des Standort-Magazins zu Hohenlohe Plus
(von links: Stefan Neumann, Künzelsau, Udo Glatthaar, Bad Mergentheim, Hermann-Josef Pelgrim,
Schwäbisch Hall, Rudolf Michl, Crailsheim, Thilo Michler, Öhringen)
Würth-Gruppe oder auch die Bausparkasse Schwäbisch Hall) agieren von hier
aus und machen Hohenlohe zur „Region der Weltmarktführer“. Doch die Bekanntheit der Raumschaft hat eher den
Charakter eines „Hidden Champion“.
Städtebündnis bleibt erweiterbar
Im Januar 2014 haben die Städte Bad
Mergentheim, Crailsheim, Künzelsau,
Öhringen und Schwäbisch Hall ein Städtebündnis „Hohenlohe Plus“ begründet.
Vertreten sind hierin die fünf Mittelzentren Hohenlohes, die als Motoren für die
Entwicklung wirken sollen. Die Firmierung als Hohenlohe Plus lässt bewusst
Spielraum für Erweiterungen. Zum einen
hinsichtlich der Anzahl der Partner (weitere Städte, Landkreise, Institutionen,
Unternehmen). Zum anderen drückt sich
darin aus, dass Hohenlohe im heutigen
Sinne keine fest definierten Grenzen hat
und durchaus auch Partner außerhalb
der ohnehin schwierig zu fassenden territorialen Abgrenzung mitarbeiten können (und sollen). Die Zusammenarbeit
beruht auf Freiwilligkeit und möglichst
wenig festgeschriebenen Regeln. Das
Bündnis vertraut somit darauf, dass alle
Beteiligten im Konsens die gemeinsamen Ziele verfolgen. Es finden regelmäßige Treffen statt, bei denen jede Stadt
Themen zur Tagesordnung anmelden
kann. Die Sprecherfunktion wechselt
halbjährlich unter den Städten.
Die fünf Städte haben natürlich bereits zuvor Standortwerbung betrieben,
doch erst gemeinsam erreicht man als
Region mit rund 350 000 Einwohnern
die Schlagkraft einer mittleren Großstadt, was man im Wettbewerb um
Fachkräfte nutzen kann. Es galt also,
die Kräfte zu bündeln, um eine kritische
Größe zu erreichen. Es wurde uns die
Frage gestellt, warum uns das Stand-
ortmarketing unserer Raumordnungsregion Heilbronn-Franken nicht genüge.
Immerhin ist diese die flächenmäßig
größte Region Baden-Württembergs
mit etwa 885 000 Einwohnern und der
höchsten wirtschaftlichen Dynamik im
ohnehin starken Südwesten. Über diese
Frage haben wir uns in den letzten Jahren viele Gedanken gemacht: Die Region
Heilbronn-Franken hat zwar für uns ihren Wert, sie ist aber zu groß und wohl
auch nicht homogen genug, um eine gemeinsame Identität zu entwickeln und
spezifische Themenfelder aufzugreifen,
die für den produktiven ländlichen Teil
relevant sind.
Gute Kommunikation ist die Basis
Mit Hohenlohe Plus haben wir einen
Raum gefunden, der klein genug ist,
um Identität zu stiften und groß genug,
um Kraft zu entfalten. Unser Städtenetzwerk versteht sich als Ergänzung
zu Heilbronn-Franken und ist langfristig
angelegt. Messbare Erfolge werden sich
erst über einen längeren Zeitraum zeigen. Erreicht haben wir mit dem Bündnis aber schon eine deutlich verbesserte
Kommunikation untereinander, die auch
die Basis für künftige Aktivitäten ist.
Wir wollen die Aufmerksamkeit auf
Hohenlohe Plus mit Mitteln lenken, die
nicht spektakulär klingen, aber dennoch
einen Paradigmenwechsel beinhalten.
Denn die bereits umgesetzte Standortbroschüre, die ebenfalls bereits platzierte Internetseite www.hohenloheplus.de
und künftige Aktivitäten basieren allesamt darauf, nicht die einzelnen Städte
zu präsentieren, sondern die fünf Städte
mit ihrem jeweiligen Umland so darzustellen, als handele es sich um eine Stadt.
Weitere Informationen
www.hohenloheplus.de
FOTO: STADT SCHWÄBISCH-HALL
I
m nordöstlichen Baden-Württemberg liegt Hohenlohe – eine bemerkenswerte Natur- und Kulturlandschaft, die heute die Landkreise Schwäbisch Hall, den Hohenlohekreis und den
südlichen Bereich des Main-Tauber-Kreises um die Stadt Bad Mergentheim umfasst. Dynamik und Kraft der regionalen
Wirtschaft sind hoch: So stieg die Zahl
der Beschäftigten zwischen 1990 und
heute um rund 40 Prozent, das BIP je
Einwohner liegt inzwischen höher als
im Schnitt Baden-Württembergs. Viele
oftmals noch familiengeführte erfolgreiche Unternehmen (am bekanntesten die
REPORT 33
09-10/2015 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Anziehungspunkt Großstadt
SPD diskutierte Anforderungen an soziale Metropolen
Autor Klaus Mindrup
FOTO: SENATSK ANZLEI HAMBURG
U
nter diesem Titel diskutierten
Olaf Scholz, Dr. Jan Stöß, Prof.
Dr. Engelbert Lüdke-Daldrup
und die beiden Bundestagsabgeordneten Michael Groß und Klaus Mindrup die
Anforderungen an soziale, lebenswerte
Metropolen der Zukunft. Als symbolträchtigen Ort, für die Fraktion vor Ort
der SPD-Bundestagsfraktion am 10. September 2015, hatte man den genossenschaftlich organisierten Gewerbehof in
der Saarbrücker Straße in Berlin-Prenzlauer Berg gewählt. Der Gewerbehof sei
ein gelungenes Beispiel für demokratisches Wirtschaften und soziale Verantwortung, welches sich aus vorauschauender Liegenschaftsvergabe entwickelt
hat, erklärte Klaus Mindrup.
Die Liegenschaftspolitik der öffentlichen Hand stand dann auch im Fokus
der Diskussion. Die ungebrochene Attraktivität der Großstädte und Metropolenregionen stellt diese vor spezifische
Herausforderungen. Der stetige Zustrom
neuer Einwohner erfordert eine auf sozialen Ausgleich und Durchmischung
angelegte Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik.
Eine gute Infrastruktur ist die Basis
Erläuterte das Hamburger
Modell: Olaf Scholz
Anhand der Beispiele von Hamburg und
Berlin wurden die notwendigen und vorhandenen Modelle des Wohnungsbaus
diskutiert. Die für eine soziale Stadt
notwendige soziale und technische Infrastruktur dürfe darüber aber nicht vergessen werden, waren sich die Diskutanten einig. Vielmehr sei sie essentieller
Bestandteil für eine gelungene Stadtentwicklung.
Eine besondere Rolle kommt dem Wohnungsbau zu. Olaf Scholz erläuterte das
Hamburger Modell. Bei jedem neuen
Bauvorhaben werde unter seiner Regierung darauf geachtet, dass neben
Eigentumswohnungen auch Sozialwohnungen und Mietwohnungen entstehen. Ohne seine Wahl vor fünf Jahren
würde es heute in der Hafen City keine
bezahlbaren Wohnungen geben. Staatssekretär Prof. Dr. Engelbert Lüdke-Daldrup erläuterte die Berliner Entwicklung
und forderte dringend Änderungen des
Baurechts, um auch zukünftig gemischte
Quartiere mit einer angemessenen Verdichtung in den Städten bauen zu können.
Einig waren sich alle Teilnehmer,
dass neben dem Neubau der Schutz
der Bestandsmieter in den Altbauten zu
sichern ist. Dabei kommt den kommunalen Wohnungsbauunternehmen und
den Genossenschaften eine besondere
Bedeutung zu.
Weitere Informationen
www.spd-bundestagsfraktion.de/themen/
bauen-und-stadtentwicklung
Anzeige
Reines Wasser kommt
aus tiefen Quellen.
Oder von REMONDIS
REMONDIS Aqua ist einer der führenden deutschen Anbieter
für kommunales und industrielles Wassermanagement.
Wir sind seit 25 Jahren weltweit aktiv – unter anderem in
Polen, der Türkei, Spanien oder Indien. Mehr als 10 Millionen
Menschen sowie zahlreiche Industrieunternehmen vertrauen
auf unsere nachhaltigen Lösungen für die Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung.
REMONDIS Aqua GmbH & Co. KG // Brunnenstr. 138 // 44536 Lünen
Deutschland // T +49 2306 106 - 692 // F +49 2306 106 - 699
info@remondis-aqua.de // remondis-aqua.de
34 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 09-10/2015
Gaskraftwerke brauchen
eine Perspektive
Sie werden zugunsten der Kohle aus dem
Markt gedrängt – die Folge verfehlter Politik
Autor Dr. Constantin H. Alsheimer, Vorstand der Mainova AG
A
us Gründen des Klimaschutzes
hat sich Deutschland das Ziel
gesetzt, den CO2-Ausstoß seiner Elektrizitätswirtschaft stark abzusenken. Bis 2050 soll die Stromerzeugung
mittels fossil befeuerter Kraftwerke erheblich reduziert werden. 80 Prozent
seines Bruttostromverbrauchs will unser
Land dann mittels regenerativer Quellen
decken.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die
Politik mit der Förderung der erneuerbaren Energien einen Umbau des Kraftwerksparks eingeleitet. Blickt man auf
den Anteil des Stroms aus regenerativen
Quellen an der Gesamterzeugung, so
lässt sich festhalten, dass dieser Umbau
schon ein gutes Stück vorangekommen
ist. Im Jahr 2014 entfielen bereits 25,8
Prozent der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien.
Schaut man allerdings auf die Entwicklung des CO2-Ausstoßes, dann zeigt
sich ein anderes Bild. In den zurückliegenden Jahren sind die Kohlendioxidemissionen der Elektrizitätswirtschaft
trotz des Ausbaus der erneuerbaren
Energien kontinuierlich angestiegen.
Der CO2-Emissionsfaktor des deutschen
Strommixes erhöhte sich von 2010 bis
2013 um rund vier Prozent. Für das Jahr
2014 lässt sich zwar ein Rückgang des
CO2-Ausstoßes konstatieren, aber dieser
ist im Wesentlichen auf eine verminderte Stromnachfrage infolge eines extrem
milden Winters zurückzuführen.
Bei der Suche nach den Gründen für
diese Entwicklung sticht ein Punkt besonders ins Auge: Seit 2011 ist der Anteil
der Gaskraftwerke an der Stromproduktion stark rückläufig. Betrug er 2010
noch 14,1 Prozent, so waren es 2014 nur
noch 9,6 Prozent. Ausgerechnet auf jenen fossilen Brennstoff also, mit dem
sich am klimaschonendsten Strom erzeugen lässt, entfällt ein immer kleiner
werdender Teil des deutschen Strommixes.
Selbst eines der modernsten
Kraftwerke kommt nicht zum Zug
Am Beispiel des Gemeinschaftskraftwerks Irsching (GKI) lässt sich dieser
Prozess festmachen. Das nahe Ingolstadt gelegene Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk zählt zu den weltweit
modernsten Kraftwerken überhaupt.
Aufgrund seines hohen Wirkungsgrades
und wegen der Verwendung des klimaschonenden Energieträgers Erdgas fallen
pro erzeugter Kilowattstunde Strom nur
338 g CO2 an. Zum Vergleich: Deutsche
In den
allermeisten
Stunden des
Jahres würde
die Stromproduktion
mit einem
Gaskraftwerk
nicht einmal
die variablen
Kosten decken.
Constantin H. Alsheimer,
Vorstand der Mainova AG
Stein- und Braunkohlekraftwerke emittieren in etwa das Zwei- bis Dreifache
an Kohlendioxid pro Kilowattstunde
Strom. Doch am Markt kommt das GKI
inzwischen gar nicht mehr zum Zug.
Schuld daran ist die Art und Weise, wie
die Energiewende im Stromsektor umgesetzt wird. Durch den subventionierten Ausbau der erneuerbaren Energien
ist der Preis für die Megawattstunde
Strom am sogenannten Energy-onlyMarkt in den zurückliegenden Jahren
so tief gesunken, dass er für die meiste
Zeit deutlich unter den entsprechenden
Grenzkosten eines Gaskraftwerks liegt.
In den allermeisten Stunden des Jahres
würde die Stromproduktion mit einem
Gaskraftwerk also nicht einmal die variablen Kosten decken, sondern nur
zusätzliche Verluste produzieren. Und
deshalb stehen die meisten Gaskraftwerke in Deutschland immer öfter still
und ihre Betreiber tragen sich mit dem
Gedanken, sie einzumotten oder sie gar
endgültig außer Betrieb zu nehmen.
Mit alten, emissionsintensiven Braunkohlekraftwerken lässt sich dagegen
nach wie vor Geld verdienen. Ihre Grenzkosten liegen immer noch unter dem Niveau des Börsenstrompreises. Deshalb
lohnt sich ihr Einsatz, auch wenn sie
FOTO: MAINOVA
Gaskraftwerke produzieren deutlich weniger CO2 als alte Braunkohlekraftwerke. Dennoch wird ihnen nach und nach die Geschäftsgrundlage entzogen.
36 REPORT
Gaskraftwerke sind hochflexibel –
ideal als Ergänzung zu Erneuerbaren
Das Schicksal der Gaskraftwerke ist aber
nicht nur unter dem Aspekt des Klimaschutzes ein Problem, sondern auch unter
dem Blickwinkel der Versorgungszuverlässigkeit. Denn mit dem fortschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energien
bedarf es künftig vor allem hochflexibler
Kraftwerke, die immer dann einspringen,
wenn die Sonne gerade nicht scheint
und der Wind nicht weht. Gaskraftwerke
mit ihren kurzen Startzeiten und hohen
Lastgradienten sind dafür ideal geeignet.
Die herrschenden Rahmenbedingungen
setzen aber keine Anreize für den Unterhalt, geschweige denn den Neubau von
Gaskraftwerken. Für die Versorgungszuverlässigkeit ist das gegenwärtig noch
kein Problem, weil derzeit bei der Strom-
IMPRESSUM
Network Media GmbH, Bülowstraße 66, 10783 Berlin
Tel. (030) 740 73 16-00, Fax (030) 740 73 16-75
E-Mail: info@nwmd.de
Projektleitung: Henning Witzel, Tel. (030) 740 73 16-36
Redaktion: Gero Fischer, Birgit Güll
Anzeigen: Nicole Stelzner
(Leiterin Unternehmensentwicklung/Verkauf)
Layout: Heidemarie Lehmann
Litho: metagate Berlin, Litfaß-Platz 1, 10178 Berlin,
Tel. (030) 283 06 -200
Druck: J.D. Küster Nachf. + Pressedruck GmbH & Co. KG,
Industriestraße 20, 33689 Bielefeld
erzeugung deutschlandweit noch Überkapazitäten bestehen. In den nächsten
Jahren werden aber etliche Kraftwerke
stillgelegt. Mitte der 2020er Jahre könnte
sich deshalb deutschlandweit eine Kapazitätslücke auftun, wenn nicht rechtzeitig
gegengesteuert wird.
Die kommunale Energiewirtschaft hat
vor diesem Hintergrund dafür plädiert,
mit dem dezentralen Leistungsmarkt einen institutionellen Rahmen zu schaffen,
der rechtzeitig Anreize für den Unterhalt
und den Neubau hochflexibler konventioneller Kraftwerke setzt. Dieser dezentrale Leistungsmarkt soll den Energy-onlyMarkt nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Während beim Energy-only-Markt nur
bereitgestellte Strommengen vergütet werden, würden beim dezentralen
Leistungsmarkt die Kraftwerksbetreiber
dafür bezahlt, dass sie Versorgungssicherheit in Engpasssituationen durch
die Vorhaltung von Kraftwerkskapazität
gewährleisten. Über den Umfang dieser
Vorhaltung würden letztlich die Kunden
bestimmen, indem sie mit ihren Energieversorgern Versorgungssicherheitsverträge abschließen. Auf diese Weise ließe
sich ein effizienter, dauerhaft tragfähiger
energiepolitischer Ordnungsrahmen für
die weitere Entwicklung der konventionellen Stromerzeugung hin zur Bereitstellung von Back-up-Kapazitäten schaffen.
Den Gaskraftwerken würde mit dem
dezentralen Leistungsmarkt endlich eine
verlässliche Perspektive gegeben.
Die Politik lehnt die Einführung eines
Kapazitätsmarkts jedoch ab. Stattdessen
sehen die Pläne der Bundesregierung
für ein neues Strommarktdesign lediglich eine sogenannte Kapazitätsreserve
vor, in der Kraftwerke zusammengefasst
werden, die nicht mehr am Energy-onlyMarkt teilnehmen. Ursprünglich sollte die
Auswahl dieser Kraftwerke transparent,
technologieoffen und wettbewerblich
organisiert werden. Für kurze Zeit war
überdies ein sogenannter Klimabeitrag
für emissionsintensive konventionelle
Kraftwerke im Gespräch, der vor allem
die emissionsintensiven Braunkohlekraftwerke betroffen hätte. Beide Maßnahmen hätten die schwierige Lage der Gaskraftwerke zumindest etwas verbessern
können und wären zugleich ein wirksamer Beitrag für mehr Klimaschutz und
Versorgungszuverlässigkeit gewesen.
Nach massivem Druck rückte die Bundesregierung vom Klimabeitrag aber wieder ab und plant nun, die Kapazitätsreserve teilweise in ein Auffangbecken für
alte Braunkohlekraftwerke umzuwandeln.
Für die Gaskraftwerke ist das ein Rückschritt. Und dem Projekt Energiewende
Mit dem fortschreitenden
Ausbau der
erneuerbaren
Energien
bedarf es
künftig vor
allem hochflexibler
Kraftwerke.
Constantin H. Alsheimer
droht in einem sensiblen Bereich abermals
eine strukturelle Fehlentwicklung, wenn
ausgerechnet schwerfällige Braunkohlekraftwerke mit ihren langen Anfahrzeiten
eine Notfallreserve bilden. Das rasche
Hoch- und Herunterfahren dieser Anlagen ist nur eingeschränkt möglich und hat
zur Folge, dass ihr geringer Wirkungsgrad
noch einmal sinkt und die ohnehin schon
hohen CO2-Emissionen pro erzeugter Kilowattstunde noch höher steigen.
Hinzu kommen rechtliche Bedenken:
Die konkrete Ausgestaltung der Kapazitätsreserve steht noch aus, aber schon
jetzt zeichnet sich ab, dass die teilsweise
Festlegung auf Braunkohle beihilferechtlich zumindest fragwürdig ist.
Die Bundesregierung muss jetzt
die richtigen Impulse setzen
Es wäre angesichts dieser Umstände
besser, die Bundesregierung würde die
Kapazitätsreserve von vorneherein transparent, technologie- und wechseloffen
sowie wettbewerblich organisieren. Die
Kapazitätsreserve sollte dabei so ausgestaltet werden, dass sie bruchlos in einen
echten dezentralen Leistungsmarkt überführt werden kann, sobald sich die Hinweise verdichten sollten, dass sich künftig
tatsächlich eine Kapazitätslücke auftut.
Und schließlich sollte die Politik auch
nicht davor zurückschrecken, einen erneuten Anlauf zur Deckelung der Braunkohleverstromung zu unternehmen.
Für die Gaskraftwerke könnten diese
Maßnahmen zumindest ein Silberstreif
am Horizont darstellen. Für den Klimaschutz und die Versorgungszuverlässigkeit wären es auf alle Fälle wichtige
Impulse.
Weitere Informationen
www.mainova.de
Dr. Constantin H. Alsheimer, Vorsitzender der Mainova AG, fordert die Bundesregierung zum Einlenken auf.
FOTO: MAINOVA
pro Kilowattstunde Strom rund dreimal
so viel CO2 in die Atmosphäre abgeben
wie ein modernes Gaskraftwerk. In den
zurückliegenden Jahren hat die Bruttostromerzeugung aus Braunkohle weiter
zugenommen. Von 2009 bis 2013 stieg
sie hierzulande von rund 146 Milliarden
Kilowattstunden auf rund 161 Milliarden
Kilowattstunden an. Schuld an dieser
Entwicklung ist auch der darniederliegende EU-Emissionshandel. Das niedrige
Preisniveau für CO2-Emissionsrechte begünstigt die Verstromung der emissionsintensiven Braunkohle.
Es ist das große Paradoxon der Energiewende: Klimaschonende Stromerzeugung mittels hocheffizienter Gaskraftwerke wie das in Irsching wird aus dem
Markt gedrängt, während alte, CO2-intensive Braunkohlekraftwerke profitabel
sind und deshalb rund um die Uhr laufen.
Es ist aber auch das große Paradoxon der
Energiepolitik: In den Jahren nach 2000
drängte die Politik insbesondere die kommunalen Energieversorger, in moderne
Gaskraftwerke zu investieren. Kurze Zeit
später ließ die Politik dann zu, dass sich
die Rahmenbedingungen so veränderten,
dass den Gaskraftwerken nach und nach
die Geschäftsgrundlage entzogen wurde.
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 09-10/2015
„Um EFFIZIENZ muss ich
mich nicht kümmern.”
DAFÜR GIBT‘S SYSTEMLÖSUNGEN VOM PROFI
Nutzen auch Sie das breit gefächerte Know-how eines erfahrenen Ver- und Entsorgers, um Technik und Prozesse effizienter zu
gestalten – verpackt in praxiserprobte Dienstleistungspakete für zentrale Auff gaben in den Bereichen Wasser, Abwasser, Energie
und Kaufmännische Services. Sie erhalten alle Leistungen aus einer Hand, abgestimmt auf Ihren individuellen Bedarf. Nähere
Infos & Kontakt unter www.gelsenwasser-plus.de
BÜCHER / WAHLEN 37
09-10/2015 DEMO
Mit den Bürgern im Kontakt
Wahlen
Ein Ratgeber für die Pressearbeit der Kommunen
In Nordrhein-Westfalen wurden am
13. und 27. September zahlreiche
Oberbürgermeister, Bürgermeister
und Landräte neu gewählt. Die
SPD-Kandidaten konnten sieben von
elf Oberbürgermeisterwahlen für
sich entscheiden. In den 23 Städten
mit mehr als 50 000 Einwohnern, in
denen Bürgermeister direkt gewählt
wurden, siegte zehnmal der Kandidat oder die Kandidatin der SPD.
Angetreten sind SPD-Kandidaten
auch in acht von elf Landkreisen.
Drei von ihnen wurden zum Landrat
gewählt. Insgesamt stellt die SPD
in NRW damit nun 15 Oberbürgermeister (einen mehr als bisher), 22
Bürgermeister (sechs weniger als
vor den Wahlen) und acht Landräte
(zwei mehr). Die jeweiligen Wahlsieger sind:
Mit dem Siegeszug des Internets
und der sozialen Medien hat sich
auch die kommunale Pressearbeit
gewandelt. Gerd Treffer, Pressesprecher von Ingolstadt, gibt in
seinem Handbuch „Kommunale
Pressearbeit“ einen aktuellen Überblick über die Anforderungen, die
heute an die Presseverantwortlichen
gestellt werden. Nach einem eher
theoretisch gehaltenen Einstieg
über Geschichte, Funktion und
Stellung der Pressesprecher (nach
außen muss er als loyaler Diener
erscheinen, nach innen Mitsprache
und Zusammenarbeit einfordern)
geht Treffer auf die verschiedenen
Aspekte des Arbeitsalltags ein: Wie
arbeiten lokale und überregionale
Medien? Wie organisiert man eine
gute Zusammenarbeit mit den Journalisten? Welche Auskunftspflichten
hat eine Kommune, und wie wehrt
man sich gegen verleumderische
Berichte? Und vor allem: Wie schafft
man es, konstant einen direkten
Kontakt zu den Bürgerinnen und
Bürgern zu pflegen? Zahlreiche Beispiele aus der Praxis der Pressestelle
Ingolstadt dienen als Inspiration.
Leider fallen viele Kapitel recht
knapp aus und beschränken sich auf
wenige, allgemeine Bemerkungen.
Besonders im Teil zu den sozialen
Medien ist das ärgerlich: Auf diesem
Gebiet fehlt vielen Pressestellen
noch Routine und Sicherheit. Daher
wäre ein Leitfaden, der über Fragen
wie „Was ist Facebook?“ hinausgeht, wünschenswert gewesen.
Gerd Treffer:
Kommunale Pressearbeit
Kommunal- und Schulverlag, 2015,
208 Seiten, 29,80 Euro,
ISBN 978-3-8293-1202-8
Inklusion als Chance
Ein Handbuch unterstützt Kommunen bei der Umsetzung
Mit der 2009 in Deutschland in
Kraft getretenen UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit
Behinderung hat die InklusionsDebatte in den Kommunen neuen
Schwung erfahren. Eine inklusive
Gesellschaft zu schaffen ist nun ein
verpflichtender Auftrag. Den Kommunen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu – hierüber sind sich die
Autoren des Sammelbandes einig.
Zunächst wird der Begriff Inklusion
definiert (als Verbot von Diskriminierung in allen Lebensbereichen)
und geklärt, welche Aufgaben sich
für die Kommunen daraus ergeben.
Die Autoren verstehen ein inklusives Gemeinwesen als Chance für
die Kommunen: Sie zu erreichen
erfordert ressortübergreifendes
Planen und eine enge Vernetzung
mit zivilgesellschaftlichen Gruppen.
Inklusion wird als Handlungsprinzip
und Prozess begriffen. Gefragt seien neue Strukturen und eine breite
öffentliche Debatte. Gelingt der
Prozess, könne er als Blaupause die-
nen, um auch andere Formen von
Benachteiligung und Diskriminierung abzubauen. Praxisbeispiele aus
dem In- und Ausland veranschaulichen verschiedene kommunale
Ansätze. Ein umfangreicher Anhang,
in dem die UN-Konvention und konkrete Empfehlungen des Deutschen
Vereins für öffentliche und private
Fürsorge abgedruckt sind, runden
das Buch ab.
Jürgen Hartig und Dirk Willem
Kroneberg (Hrsg.):
Inklusion – Chance und
Herausforderung für Kommunen.
Verlag des Deutschen Vereins für öffentliche
und private Fürsorge, 2014, 171 Seiten,
19,80 Euro, ISBN 978-3-7841-2712-5
Bochum:
Thomas Eiskirch (SPD)
Bonn:
Ashok-Alexander Sridharan (CDU)
Essen:
Thomas Kufen (CDU)
Herne:
Frank Dudda (SPD)
Krefeld:
Frank Meyer (SPD)
Leverkusen:
Uwe Richrath (SPD)
Mühlheim an der Ruhr:
Ulrich Scholten (SPD)
Münster:
Markus Lewe (CDU)
Oberhausen:
Daniel Schranz (CDU)
Solingen:
Tim Kurzbach (SPD)
Wuppertal:
Andreas Mucke (SPD)
Ahlen:
Alexander Berger (CDU)
Bad Salzuflen:
Roland Thomas (SPD)
Bocholt:
Peter Nebelo (SPD)
Castrop-Rauxel:
Rajko Karavanja (SPD)
Düren:
Paul Larue (CDU)
Euskirchen:
Uwe Friedl (CDU)
Frechen:
Susanne Stupp (CDU)
Grevenbroich:
Klaus Krützen (SPD)
Gütersloh:
Henning Schulz (CDU)
Hattingen:
Dirk Glaser (Einzelbewerber)
Hürth:
Dirk Breuer (CDU)
Ibbenbüren:
Marc Schrameyer (SPD)
Iserlohn:
Peter Paul Ahrens (SPD)
Kerpen:
Dieter Spürck (CDU)
Lünen:
Jürgen Kleine-Frauns (WG GFL)
Menden:
Martin Wächter (CDU)
Minden:
Michael Jäcke (SPD)
Neuss:
Reiner Breuer (SPD)
Pulheim:
Frank Keppeler (CDU)
Rheine:
Peter Lüttmann (CDU)
Unna:
Werner Kolter (SPD)
Viersen:
Sabine Anemüller (SPD)
Witten:
Sonja Leidemann (Einzelbewerberin)
Kreis Coesfeld:
Christian Schulze Pellengahr (CDU)
Kreis Düren:
Wolfgang Spelthahn (CDU)
Ennepe-Ruhr-Kreis:
Olaf Schade (SPD)
Kreis Euskirchen:
Günter Rosenke (Einzelbewerber)
Kreis Herford:
Jürgen Müller (SPD)
Kreis Kleve:
Wolfgang Spreen (CDU)
Kreis Lippe:
Axel Lehmann (SPD)
Oberbergischer Kreis:
Jochen Hagt (CDU)
Rhein-Kreis Neuss:
Hans-Jürgen Petrauschke (CDU)
Kreis Steinfurt:
Klaus Effing (CDU)
Kreis Viersen:
Andreas Coenen (CDU)
Gewählt wurde auch außerhalb von
Nordrhein-Westfalen:
Landkreis Offenbach:
Oliver Quilling (CDU)
Mannheim:
Peter Kurz (SPD)
Dresden:
Dirk Hilbert (FDP)
Hanau:
Claus Kaminsky (SPD)
Landkreis Waldeck-Frankenberg:
Reinhard Kubat (SPD)
38 DAS LETZTE
DEMO 09-10/2015
Ein Fußabstreifer schreibt Stadtgeschichte, weil er
während der Bürgermeisterwahl in Greifswald verrutschte
Autorin Karin Billanitsch
Jahrelang verstaubt auf dem Boden, nun im Museum in Greifswald: die Fußmatte
I
m Pommerschen Landesmuseum
in Greifwald kann man einen vergnüglichen Nachmittag verbringen, 14 000 Jahre Landesgeschichte
haben ihre Spuren hinterlassen. Auch
die „bemerkenswerten oder liebenswürdigen“ Besonderheiten der Region – von den ersten menschlichen
Spuren in der Altsteinzeit bis zum
Vorabend des Ersten Weltkrieges –
will das Museum erfahrbar machen,
liest der Besucher der Internetseite.
Ja, nicht nur das: Bis zum heutigen
Tag werden Dinge, die Geschichte
schreiben, ausgestellt. Seit neuestem
ist das Haus um ein ebenso bemer-
kenswertes wie liebenswürdiges Exponat reicher: um eine, ehrlich gesagt, etwas verschlissene Fußmatte.
Doch der Reihe nach: Der Fußabstreifer hat es in die Schlagzeilen und
ins Depot des Museums geschafft,
weil er eigentlich daran schuld sein
soll, dass der CDU-Kandidat für die
Oberbürgermeisterwahl, Jörg Hochheim, nicht ins Amt wiedergewählt
wurde. Eigentlich haben natürlich
die Bürgerinnen und Bürger gewählt,
nämlich Stefan Fassbinder von den
Grünen. Für die CDU hat es zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung
nicht gereicht. Ganze 15 Stimmen
DEMO 11/12 2015
erscheint am 10. Dezember 2015
mit folgenden Themen:
Die Titelgeschichte befasst sich mit dem Dauerbrenner-Thema Flüchtlinge. Viele der Asylsuchenden, die zu uns kommen, werden dauerhaft
bleiben. Entscheidend für ihre Integration vor Ort
wird sein, wie schnell sie die Sprache lernen, Arbeit
und einen Ort zum Leben finden. Im Report geht es
um das Thema Breitband auf dem Land.
gaben am Ende den Ausschlag. Mit
einer solchen Wende hat man bei den
Christdemokraten nicht gerechnet.
Was den Verdacht nährte, dass
manche Bürgerinnen und Bürger
vielleicht nicht wählen konnten, und
hier kommt die Fußmatte ins Spiel:
Sie sollte eigentlich den Eingang zum
Wahllokal offen halten. Doch weil
der Fußabstreifer verrutschte, fiel
die Tür ins Schloss. Fast 90 Minuten
war das Abstimmungslokal nur über
einen zweiten Seiteneingang erreichbar. Haben also viele potenzielle
CDU-Wähler entmutigt aufgegeben,
weil sie nur durch die Seitentür reinkamen? Niemand weiß das, auch
Jörg Hochheim nicht, aber der will es
nun wissen und hat die Wahl angefochten. Deshalb konnte sein erfolgreicher Konkurrent von den Grünen
sein Amt auch Monate nach der
Wahl nicht antreten.
Und nun? Auf Facebook haben
Unterstützer der Fußmatte („Kann
diese Fußmatte mehr Fans haben als
die CDU Vorpommern-Greifswald?“)
bislang vergeblich versucht, Wähler
zu finden, die nicht wählen konnten.
Einstweilen führt Jürgen Hochwald das Amt, bis entschieden wird,
ob es bei der Stichwahl einen neuen
Wahlgang geben wird. Es sieht ganz
danach aus, dass die Greifswalder –
zumindest im betroffenen Wahlbezirk – neu stimmen müssen. Wer die
Wahl hat...
Impressum
Demokratische Gemeinde,
Fachorgan der Sozialdemokratischen
Gemeinschaft für Kommunalpolitik
(Bundes-SGK)
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin
Postfach 61 03 22, 10925 Berlin
Telefon: (030) 255 94 - 200
Telefax: (030) 255 94 - 290
E-Mail:
redaktion@demo-online.de
Internet: www.demo-online.de
Herausgeber:
Norbert Bude, Vorsitzender der Bundes-SGK
Redaktion: Karin Nink (Chefredakteurin),
Karin Billanitsch (Leitende Redakteurin),
Carl-Friedrich Höck (Redakteur)
Telefon: (030) 255 94 - 230
Produktionsleitung: Dagmar Günther
Layout/Sekretariat: Heidemarie Lehmann
Telefon: (030) 255 94 - 200
Verlag: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH,
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin, Postfach
61 03 22, 10925 Berlin
Telefon: (030) 255 94 - 100
Telefax: (030) 255 94 - 192
Geschäftsführung:
Hans-Gerd Conrad, Karin Nink
Anzeigen/Vertrieb: Network Media GmbH,
Gewerbehof Bülowbogen,Hof D, Eingang D1,
Bülowstraße 66, 10783 Berlin
Telefon: (030) 740 73 16 - 00
Telefax: (030) 740 73 16 - 20
Anzeigen: Nicole Stelzner
(Leiterin Unternehmensentwicklung/Verkauf),
Henning Witzel (Verkauf/Projektleitung)
Telefon: (030) 740 73 16 - 36
Gültige Anzeigen-Preisliste: Nr. 32 vom
1. April 2015
Vertrieb: Stefanie Martin
Telefon: (030) 740 73 16 - 61
Die DEMO erscheint mit sechs regulären
Ausgaben im Jahr und zusätzlich mit vier DEMO
Sonderheften/Impulse
Abonnementverwaltung:
IPS Datenservice GmbH,
Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim
Telefon: (02225) 70 85 - 366
Telefax: (02225) 70 85 - 399
E-Mail:
abo-vorwaerts@ips-d.de
Einzelverkaufspreis: 6 €
Jahres-Abonnement: 60 € (inkl. Versand
und 7 % MwSt.); für Schüler und Studenten
(Nachweis erforderlich) 40 €
Jahres-Abonnement (Ausland): 60 €
zzgl. Versandkosten
Die Abonnements verlängern sich jeweils
um ein Jahr, sofern nicht spätestens drei Monate
vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.
Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages
und im Falle höherer Gewalt besteht kein
Anspruch auf Leistung, Schadenersatz oder
auf Minderung des Bezugspreises.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte
und Fotos wird keine Haftung übernommen.
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Quellenangabe. Die Zeitung und alle in ihr
enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind
urheberrechtlich geschützt.
Druck: J.D. Küster Nachf. + Pressedruck GmbH
& Co. KG, Industriestraße 20, 33689 Bielefeld,
Telefon: (05205) 14 700
Telefax: (05205) 14 704
E-Mail:
kontakt@kuester-pressedruck.de
Zugleich Versandanschrift für
Beilagen und Beihefter mit Zusatz
„Warenannahme“.
In dieser Ausgabe finden Sie die Beilage
„Kommune heute“.
FOTOS: GOTTSCHALK /PHOTOTHEK /DPA /PICTURE ALLIANCE
Wahlhindernis Fußmatte
»STARKE KOMMUNEN FÜR DIE AUFGABEN VON MORGEN«
KOMMUNEN FÜR DIE AUFGABEN VON MORGEN
10.STARKE
DEMO-KOMMUNALKONGRESS
Der Kongress für sozialdemokratische Kommunalpolitik.
OMMUNALKONGRESS
U.a. mit Prof. Dr. Gesine Schwan (HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform), Bilkay Öney (Ministerin für Integration des
Der Kongress für sozialdemokratische Kommunalpolitik.
Landes Baden-Württemberg), Norbert Bude (Vorsitzender der Bundes-SGK), Bernhard Daldrup MdB (Kommunalpolitischer
Sprecher
Michael Ebling (Oberbürgermeister
der Landeshauptstadt
Mainz),
Jagau
U.a.der
mitSPD-Bundestagsfraktion),
Prof. Dr. Gesine Schwan (HUMBOLDT-VIADRINA
Governance Platform),
Bilkay Öney (Ministerin
fürHauke
Integration
des Landes Baden(Regionspräsident
derBernhard
Region Hannover),
Dr. Matthias
Kollatz-Ahnen
(Senator
für Finanzen der Bundeshauptstadt
Berlin),
Württemberg),
Daldrup MdB
(Kommunalpolitscher
Sprecher
der SPD-Bundestagsfraktion),
Hauke Jagau
(Regionspräsident
Prof. Dr.
Lenk (Direktor
des Instituts
für Öffentliche
Finanzen
und Public
Management der
Universität
derThomas
Region Hannover),
Dr. Matthias
Kollatz-Ahnen
(Senator
für Finanzen
der Bundeshauptstadt
Berlin),
Prof. Dr.Leipzig),
Thomas Lenk
(Direktor
des Instituts
für Öffentliche
Finanzen
und Public Management der Universität Leipzig), Carsten Schneider MdB (Stellv. Vorsitzender
Carsten
Schneider
MdB (Stellv.
Vorsitzender
der SPD-Bundestagsfraktion)
der SPD-Bundestagsfraktion)
KOMMUNE LOKAL
KOMMUNE
· Sparen undLOKAL
Investieren – Elemente intelligenter Haushaltsführung
· Interkommunale
Kooperationen
· Sparen
und Investieren
– Elemente intelligenter Haushaltsführung
· Zukunftsfeld: Rekommunalisierung – Kommune als Unternehmerin
· Interkommunale Kooperationen
· KOMMUNE
Zukunftsfeld: NATIONAL
Rekommunalisierung – Kommune als Unternehmerin
· Sichere Kommune – Präventiv gegen Kriminalität
· Zukunftsfeld: Demografischer Wandel – Zukunft der Pflege
· Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen
LD E N!
J E T Z T AN M E
er 2015
29.–30. Oktotebl Berlin
Ellington Ho
w w w.demo -k
ommunalkon
KOMMUNE NATIONAL
· Sichere Kommune – Präventiv gegen Kriminalität
· KOMMUNE
Zukunftsfeld:INTERNATIONAL
Demografischer Wandel – Zukunft der Pflege
· Zukunftsfeld: Flüchtlinge / Integration
· Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen
· Europa fördert Kommunen
· Internationale Städtepartnerschaften
KOMMUNE INTERNATIONAL
·
·
·
Zukunftsfeld: Flüchtlinge / Integration
Europa fördert Kommunen
Internationale Städtepartnerschaften
Der DEMOKommunalkongress
wird CO2 -neutral
durchgeführt.
Der DEMOKommunalkongress
wird CO2 -neutral
durchgeführt.
gress.de
WAS STRECKT DIE
FLÜGEL IN DEN HIMMEL
MACHT SEINE
BESITZER STOLZ?
Der Gemeinschaftswindpark Kandrich.
Mehr als 300 stolze Bürger haben sich hier neben der
Rheinhessischen Energie- und Wasserversorgung aus
Ingelheim und der Thüga Erneuerbare Energien Gesellschaft aus München mit Kapital engagiert. Und das aus
gutem Grund: Mit etwa 54 Millionen Kilowattstunden
Strom versorgen die 6 Anlagen knapp 15.000 Haushalte
mit Energie – und zeigen so, wie kommunale Projektentwicklung mit Einbindung und Unterstützung der
Bürger realisierbar ist.
Dies ist nur eine der vielen Lösungen, die aus der Zusammenarbeit der 100 Unternehmen der Thüga-Gruppe
entstehen und die Energiewende in den kommunalen
Lebensräumen vorantreiben. Für ein entscheidendes Plus
für Mensch, Natur und Umwelt. Für das große Plus für alle.
Erfahren Sie mehr über
www.energie-und-wende.de