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Jahrgang XVIII.
Berlin, Juli 1905.
No. 7.
ZU DEN TAFELN.
Tafel 61—64. Das neue Geschäftshaus für die Zivilabteilungen
des Landgerichts I und des Amtsgerichts 1 in Berlin, zweiter
Bauteil. *)
Mit dem Beginn des Jahres 1905 ist die Bauanlage des
Geschäftsgebäudes für die Zivilabteilungen des Landgerichts 1 und des
Amtsgerichts 1 in Berlin C, Neue Friedrichstraße, deren erster Bauteil
im Herbst des Jahres 1900 in Benutzung genommen wurde, fertig gestellt
und dem Verkehr übergeben worden. Während der erste Bauteil im
wesentlichen den Geschäftsbezirk der Zivilabteilungen des Landgerichts
und der Oerichtskasse I aufnahm, umfasst der zweite Bauteil den Geschäfts
bezirk des Amtsgerichts I.
Die Wirkungskreise der Behörden beider Gerichte haben während
der Dauer der Bauzeit eine dauernde Erweiterung erfahren, welche eines
teils die endgiltige Verteilung der einzelnen Geschäftsräume in dem Neu
bau erschwerte, andererseits gleichzeitig mit dem Hauptbau die Aus
führung eines Flügels zwischen den Höfen XI und XII mit 95 nutzbaren
Qeschäftsachsen, dessen Bau ursprünglich für eine spätere Erweiterung
Vorbehalten werden sollte, veranlasste. Schon jetzt bei Übergabe des
zweiten Bauteils füllt der Geschäftsbetrieb der Gerichte auch diesen Flügel
erschöpfend aus. Die Frage, ob die im Jahre 1906 eintretende Neu
ordnung der Berliner und Vorort-Gerichte insbesondere dem späteren
Zivilgerichtstand „Berlin Mitte“ eine wirksame Entlastung bringen wird,
ist um so wichtiger, als eine Vergrößerung des Oerichtsgebäudes auf dem
jetzt zur Verfügung stehenden Gelände ausgeschlossen ist.
Der Gesamt-Flächeninhalt dieses Geländes beträgt rd. 19000 qm,
von denen etwa 12410 qm, also nahezu 7 /io bebaut sind, ein in Ansehung
der notwendigen Abmessungen der den Sitzungsälen Licht spendenden
18,50 m breiten Geschäftshöfe hoher Bruchteil. Die Bebauung besteht
durchgängig aus einem 15 cm über dem Hofpflaster liegenden, also
ebenerdigen sogenannten Untergeschoss, das die Dienstwohnungen, Archive,
Heizungs- und Lüftungskammern u. s. w. aufnimmt, und vier Ober
geschossen, zu denen an einzelnen Stellen (Mittelbauten an der Stadt
bahn und an der Neuen Friedlichstraße, sowie für die ganze Fläche des
sogenannten Erweiterungsflügels) ein ausgebautes Dachobergeschoss
hinzutritt. Die nicht ausgebauten Dachböden sind allenthalben als
Speicher für zurückgelegte Akten (für beide Gerichte zusammen rd.
60000 Fach) hergerichtet.
Nach dem jetzigen Bestände stehen zur Befriedigung des Raum
bedarfs an baulich ausgezeichneten Geschäftsräumen zur Verfügung:
1. im ersten Bauteil dem Landgericht: 1 Plenarsaal, 21 Ver
handlungsäle. 1 Präsidentenzimmer, 12 Direktorenzimmer, 19
Terminzimmer, 48 Oerichtschreibereiräume, eine größere Bücherei,
6 Botenzimmer, 6 offene Wartehallen, dazu für beide Gerichte
der Saal für die jetzt 648 Rechtsanwälte mit seinen Nebenräumen.
2. im zweiten Bauteil dem Amtsgericht: 1 Plenarsaal, 43 end-
giltig und 8 vorläufig eingerichtete Sitzungsäle, 1 Präsidenten
zimmer, 46 Richter- und Terminzimmer, 150 Gerichtschreiberei-
Räume, die Bücherei, 29 Botenzimmer, 16 offene Wartehallen,
7 geschlossene Warteräume, Archive.
Das Gelände des zweiten Bauteils, das etwa 8 /s des gesamten
Bauplatzes beträgt und durch die Linie a b der Grundrisse**) von
dem des ersten Bauteils geschieden wird, wurde ehedem von dem Haupt
gebäude des alten Kadettenhauses eingenommen, dessen architektonisch
wertvollste Reste, ebenso wie der bei dem Abbruch gefundene Grund
stein in die Hauptkadettenanstalt zu Lichterfelde überführt worden sind.
Geringe brauchbare Reste der alten Baulichkeiten, auf deren Besitz der
Militärliskus keinen Wert legte, sind dem Neubau selbst wieder einverleibt
worden: so ist aus den Trümmern in den Höfen VI und VIII je eine
Portalumrahmung zusammengesteflt, so sind die Geländer der Rückseiten
*) Siehe Jahrg. XIII—XV.
**) Grundrisse tolgen.
der Haupttreppen der Halle des Amtsgerichts aus den Geländern der
Haupttreppen des alten Kadettenhauses gebildet, die Treppen der Neben
vorhalle 4 haben Geländer aus dem Treppenhause des ehemaligen
Gouverneur-Wohngebäudes.
Die Durchbildung des zweiten Bauteiles im Einzelnen schliesst sich
derjenigen des ersten Bauteiles eng an.
Die Sitzung- und Verhandlungzimmer des zweiten Bauteiles liegen
im ersten und zweiten Stockwerk allgemein gegen die großen Höfe, da
die Lage an der Neuen Friedrichstraße oder der Stadtbahnseite als zu
geräuschvoll angesehen werden musste. Die Ausstattung des Äusseren
und Inneren konnte bei dem ungewöhnlichen Umfange des Gebäudes und
dem Mangel an besonders bedeutsamen Sälen nur einfach sein,
ln den Geschäftsräumen wurde jede Achse von ihren Nachbarachsen in
Heizung, Lüftung und Zugänglichkeit tunlichst derart unabhängig
gemacht, dass, wenn nötig, an jeder Stelle zwischen zwei Achsen eine
Trennwand eingesetzt werden kann. Jede Achse wurde im Roh
bau vom Flure aus mit einer Türöffnung versehen, die nachträglich,
wo sie nicht erfordert blieb, vermauert wnrde. Die einzelnen Qebäude-
flügel sind daher ursprünglich als hohle Speicher ausgeführt, in welche
massive durchgehende Trennwände nur dort eingefügt wurden, wo
Versteifungen, Sammlungen von Ab- und Zuluftröhren u. s. w. das
verlangten. In jeder Pfeilerachse liegen Träger, welche die Aussenwände
versteifen und zur Aufnahme der Last der Decken und einer Zwischen
wand in jedem Geschosse bestimmt sind. Diese Wände wurden im
zweiten Bauteil nach einer für den Sonderfall erfundenen leichten Bau
weise ausgeführt. Durch alle Teile des Hauses ist, soweit irgend
angängig, eine gleichmäßige Achsweite von 3,12 m von Fenstermitte
zu Fenstermitte durchgeführt. Jede dieser Achsen ist in den Geschäfts
räumen mit einer in ihrer Spannweite ungeteilten Koenen’schen Vouten-
platte überdeckt. InfoIge*der nach dem während der Bauzeit veränderten
Raumprogramme wesentlich stärkeren Inanspruchnahme für Wohn- und
Amtszwecke ist auch für das Untergeschoss im Gegensatz zu demjenigen
des ersten Bauteils, das auf Qurtbögen massiv gewölbt war, durchweg
die Voutenplatte auf Trägern zur Anwendung gebracht worden.
Die Flurtüren des zweiten Bauteiles haben seitliche Werkstein
gewände-Pfosten bis zu einer Höhe von 1,80 m, die mit dem gemauerten
und geputzten Türsturze in eine gemeinsame, in den Putz geschnittene
und durch lebhafte Farbe abgehobene Umrahmung zusammengefasst
worden sind. Diese Umrahmung bildet an den Türen der gewöhnlichen
Geschäftsräume eine einfache schmale Zone und steigert sich an den
zu den Sitzungsälen führenden und in den Umgängen der großen Haupt
halle liegenden Türen zu größerer Ausdehnung und Vielfarbigkeit. Die
Türen selbst entsprechen bis auf Kleinigkeiten in Form und Arbeit, der
Art der Zierbeschläge und Anstrichsbehandlung denen des ersten Bauteils.
Ebenso die Ausstattung der gewöhnlichen Amtsräume, Richter- und Termin
zimmer und die Konstruktion und Ausbildung der in Stampfbeton zwischen
Eisenkonstruktionen ausgeführten, meist freitragend spiralförmig an
steigenden Treppen. An den Türen der Sitzungsälc und der großen Halle,
die durch blaue Lasurfarbe ausgezeichnet sind, sind die Zierbeschläge aus
Bronzeguss, auf den übrigen lasierten Türen aus schwarzgebranntem
Schmiedeeisen.
Die Decken der baulich ausgezeichneten Sitzungsäle sind in ein
fachen Techniken ausgebildet, welche Zierputzbehandlungen mit Arbeiten
des Stukkateurs vereinigt. Sie sind teilweise in geglättetem Gipsputz
geschnitten, gebohrt, gekratzt, teilweise in rauhen und glatten Flächen
behandlungen mit und ohne Leistenteilungen ausgeführt und in glatten
Farbtönen, rein flächig, unter Ausschluss jeder eigentlichen „Maler"-Arbeit
(Schablone) ausgetönt. Die gleiche Art der Behandlung gilt den Ober
teilen der Wände. Die unteren Wandteile sind mit Holzvertäfelungen in
Kiefernholz mit pitch-pine-Füllungen, in Lasurbehandlung von kräftigen
Grundfarben und teilweise aufgesetzter emailleartiger Bemalung bekleidet.
Oberhalb der Holztäfelungen werden die Wände auf etwa 1 m Höhe
durch einen Tapetenfries geschützt. Die Tapeten sind nach besonderen
Zeichnungen in Steinwalzendruckverfahren hergestellt worden. Die Fuß-