Sladtrat Lindner: Auch ich bebaute es außer
ordentlich, baß die Schulen durch die Inanspruchnahme
zu Wohnungen in Mitleidenschaft gezogen werben und
daß die Kinder hierdurch gezwungen sind, eng zu
sammengedrängt zu sitzen. Ich gebe Herrn Wille ohne
weiteres recht, daß Geist, Gemüt, Unterricht und Er- 1
ziehung hierunter in gleicher Weise leiden, aber es ist
schon von anderer Seite ausgeführt worden, daß w ir
in einer Zwangslage sind. Die städtischen Körper- .
schäften sind frühzeitig genug — wie ich in früheren
Sitzungen bereits ausgeführt habe — an die Arbeit
herangegangen. Voriges Jahr haben w ir bereits
3000000 zur Verfügung gestellt und haben den Neu
bau von Häusern in eigener Regie, den Neubau von
eigenen städtischen Wohnungen in Angriff genommen,
z. B. in der Geygerstraße und in der Köllnischen Heide. ■
Des weiteren hat unser Hochbauamt, wie ich schon in
der letzten Sitzung sagte, mit allen möglichen Mitteln,
durch Aufrufe, durch Rundschreiben, durch persönliche
Verhandlungen versucht, die Besitzer von leerstehenden
Läden und gewerblichen Räumen zu veranlassen, diese
Häuser zu Wohnungen umzubauen. W ir haben auch
die entsprechenden Ueberteuerungszufchüffe bewilligt j
und haben sogar besondere Prämien ausgesetzt, falls
diese Wohnungen rechtzeitig und recht schnell fertig
gestellt würden. Unserm Hochbauamt kann man nach
der Richtung hin keinen Vorwurf machen; das Hoch
bauamt hat mit 700 einzelnen Hausbesitzern verhandelt
wegen des Umbaues von leerstehenden Läden und ge
werblichen Räumen. Sie werden zugeben, daß dies
eine riesige Aufgabe ist. Da sind Projekte entworfen,
besondere Besichtigungen vorgenommen worden, und
es ist eine gewaltige Fülle von Arbeit gewesen, die
unser Hochbauamt geleistet hat. Ich habe in der letzten
Sitzung die Lage schon auseinandergesetzt, daß wir
leider nach dem Gesetz nicht in der Lage sind, einen
Zwang auszuüben, daß die Hausbesitzer ihre Läden
und gewerblichen Räume zu Wohnungen hergeben.
Die Verordnung betreffend die Maßnahmen gegen den
Wohnungsmangel gibt uns nur das Recht» zu be
stimmen, daß Räume, die bis zum 1. Oktober 1918 zu
Wohnzwecken nicht benutzt waren, zu anderen Zwecken, 1
insbesondere als Fabriklager und Werkstätten, als
Dienst- und Geschäftsräume nicht verwendet werden
dürfen. Der Stichtag der gesetzlichen Verordnung ist
der 1. Oktober 1918. Gesetzlich haben mir natürlich,
falls solche Fälle uns zu Ohren gekommen sind,
energisch eingegriffen. Ferner gibt uns die Verord
nung noch das Recht, daß, falls Räume von einem j
Hausbesitzer unbenutzt stehen gelassen werden, w ir bas j
Recht haben, dem Hausbesitzer einen Mietslustigen
nachzuweisen; und einigt sich der Hausbesitzer nicht, i
lehnt er ab, dann haben w ir das Recht, den Miets- j
vertrag durch Anrufen unseres Mieteinigungsamtes als
geschlossen zu erklären und dem Hausbesitzer diesen
Mietslustigen aufzuoktroyieren. Von dieser gesetzlichen
Handhabe werden w ir in allen Fällen Gebrauch machen.
Ich führte schon aus, daß unser Hochbauamt mit
700 einzelnen Personen verhandelt hat, um diese zu
veranlassen, leerstehende Läden und gewerbliche Räume
zu Wohnungen auszubauen. Zuerst haben sich auch
viel Inhaber solcher Räume geneigter gezeigt, aber
später haben viele Hausbesitzer mit Rücksicht auf den
kommenden Frieden versucht, die Läden baldmöglichst
wieder zu gewerblichen Zwecken zu vermieten, um eine
höhere Miete herauszuschlagen, so daß w ir das Ergebnis
hatten, daß nur etwa 200 solcher Notwohnungen gebaut
werden konnten.
Nun konnten diese Wohnungen nicht im Hand
umdrehen alle auf einmal fertiggestellt werden, und
dadurch ist die Kalamität gekommen. Eine ganze Anzahl
haben mir im ersten Vierteljahr fertiggestellt. Die Zahl,
die ich Ihnen bezüglich des 1. April nannte, von 85
hat sich verbessert auf 96 bis zum 1. April. Ich habe
Ihnen weiter ausgeführt, daß dann am 15. April wieder
eine ganze Anzahl Wohnungen fertiggestellt werden
würde, ebenso am 1. M ai wieder 35 und im Laufe
6
1
des Monats M ai noch weitere 35, also insgesamt!
70 Wohnungen, und im Juni nochmals 40. Hierauil
gründet sicy meine feste Gewißheit, die mich sagen lie ffl
daß bis zum 1. Ju li die Schulen wieder frei würden.!
Herr Stadtverordneter Wille hat nun angeführt: Die!
Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!
Ja, Herr Stadtverordneter Wille, in den früheren Zeiten!
waren w ir natürlich in einer viel schwierigeren Situation.«
Da hatten w ir als Stadt kein Verfügungsrecht, denn«
die Schulen waren von der Militärverwaltung mit Be-ß
schlag belegt, und die Militärverwaltung gab sie trotz!
unseres Drängens nicht heraus. W ir waren garnicht?
in der Lage, die Schulen trotz unseres guten W illens!
dem Schulbetrieb wieder zuzuführen. Jetzt ist es d iel
Stadt selbst, die die Schulen in Benutzung hat, und fie l
selbst, die Stadtverordneten, haben mitzureden hier im |
Plenum und in der Wohnungskommission, und ich glaube, 1
Sie werden sich nicht gefallen lassen, daß nach dem!
1. Ju li die Schulen noch weiter von der Stadt in Be-W
nutzung genommen werden. (Rufe: Na, na!) S ie l
Bedenken, die in der Versammlung des Lehrervereins j
geäußert worden sind, hoffe ich zerstreut zu haben. 1
Nun kann mir eingewendet werden: Ja, was machst 8
du, wenn am 1. Ju li wieder Leute vorhanden sind, d ie l
keine Wohnung haben ? Darauf kann ich Ihnen antworten, §
daß w ir auch da schon Vorsorge getroffen haben, und 8
auch hierauf habe ich in der letzen Sitzung bereits 1
hingewiesen. Es handelt sich um die Häuser Elsenstr. 75 1
und Reinholdstr. 2, die hier in der Oeffentlichkeit in I
| die Debatte gezogen worden sind. Es ist in der Oeffent- 8
lichkeit und in der Presse der Vorwurf erhoben worden, 1
w ir hätten schneller an die Vollendung dieser Bauten, I
die bekanntlich während jdes Krieges liegen geblieben I
sind, herangehen sollen. Meine Herren, die Schuld hieran I
trifft nicht die Stadtverwaltung, sondern — ich muß es 1
aussprechen — den Wohnungsverband. W ir sind für I
die Bewilligung von Ueberteuerungszufchüffen als Stadt I
nicht zuständig, sondern der Wohnungsverband, der im fl
Oktober für ganz Groß-Berlin gegründet worden ist, I
und der Bau konnte nur fertiggestellt werden durch 1
Genehmigung von Ueberteuerungszufchüffen. W ir haben I
sofort beim Wohnungsverband beantragt, daß uns für I
die Häuser Ueberteuerungszufchüffe bewilligt würden I
und haben auf die dringende Notlage in Neukölln hin- I
gewiesen. Der Wohnungsverband hat die Sachen in 1
I einer sehr langsamen Weise bearbeitet, die öffentlich f l
gerügt werden muß. Zuerst hat der Wohnungsverband 1
direkt abgelehnt, die Ueberteuerungszufchüffe für diese 1
Wohnungen zu geben und zwar mit der Begründung, §
daß die Häuser nicht modern genug gebaut seien. W ir
haben einen heißen Kampf geführt und haben schließlich
durchgesetzt, daß die Zuschüsse bewilligt wurden und
haben erreicht, daß die Bauten sofort in Angriff genommen
werden konnten, und darauf gründet sich die Hoffnung,
ja die Gewißheit, möchte ich sagen, diese Wohnungen —
es handelt sich in der Elsenstraße um 68 und in der
Reinholdstr. um 11 Wohnungen — zum 1. Ju li fertig
zustellen. Dadurch haben w ir wieder eine Reserve für
den 1. Juli. Und für den 1 Oktober haben w ir begründete
Aussicht, daß die Häuser in der Geygerstraße und ist
der Köllnischen Heide fertig werden. Somit habe ich
da auch mieoer Vorsorge getroffen, und deshalb glaube
ich, daß ich Ihnen hier tatsächlich die Zusage machen
kann, daß die Schulen, wie es dringend wünschenswert
ist, am 1. Juli frei werden.
Die Stätten der Lust und der Zerstreuung, auf die
hier hingewiesen worden ist, können w ir ja leider nicht
in Anspruch nehmen, da uns dafür die gesetzliche Grund
lage fehlt.
Auf die Vorwürfe, die Herr Vogel gegen das Hoch
bauamt gerichtet hat, habe ich schon hingewiesen und
habe gesagt, daß das Hochbauamt sich wirklich alle
Mühe gibt und außerordentliche Arbeit geleistet hat.
Ueber den Fall, den Herr Volk mitgeteilt hat, ist
m ir nichts mitgeteilt worden. Jcki möchte ihn bitten,
mir die näheren Angaben dazu zu machen und
sofort recherchieren. Meine Herren, ich habe die