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Sitzung um 13. Dezember 1928.
Vernünftige Arbeitersiedlungen mit ausreichendem
Wohnraum zu erschwinglichen Mieten, das würde
die beste Wohnungsausstellung und Bauausstellung
für die Stadt Berlin sein.
(Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.)
Stobt». Wachsen (W): Meine Damen und
Herren! Den Antrag der Deutschnationalen Fraktion
kann ich sehr gut verstehen. Es ist doch auch im
Haushaltsausschuß am Donnerstag voriger Woche
wie auch am heutigen Vormittag festgestellt worden,
daß diese ganze Vorlage in sehr vielen Punkten recht
ungeklärt ist. Es handelt sich doch letzten Endes nicht
nur allein um die Bewilligung dieser 8y 2 Millionen
Mark, sondern auch um die Verteilung der Ausgaben
usw.
Wenn man sich die Vorlage auch weiter an
sieht und feststellt, daß es dort heißt, zwischen 'der
Siedlung Heerstraße und (Sichtarnst soll eine Muster
siedlung hergestellt werden, dann muß man sich
doch sagen, daß die Herren, die dieses ganze Projekt
entworfen haben, wohl etwas sehr kurzsichtig ge
wesen sind, denn wenn man den ganzen Grunewald
durch diese bereits bestehende und die neue Muster
siedlung abriegelt, wie soll daun für eine spätere
.größere Ausstellung, sagen wir mal für eine Welt
ausstellung Platz geschaffen werden, wo doch der
Grunewald sicher dazu gebraucht wird, ebenso das
Havelgelände?
Meine Damen und Herren! Wir verschließen uns
keineswegs der Tatsache, daß die Wirtschaft als solche
durch diese Ausstellung belebt werden kann und
belebt werden wird. Aber wenn diese Wirtschaft
durch Erhöhung der Steuern andererseits wieder
belastet wird, da wir, wie ja der Herr Kämmerer
selbst zugegeben hat, heute schon ein 15-Millionen-
Defizit haben und diese 8ch Millionen auch wieder
aus Etatsmitteln bestritten werden sollen, dann muß
sich der Steuerzahler doch wohl selbst sagen, daß das
etwas nahe an. eine Katastrophenpolitik zurzeit, in
finanzieller Beziehung, heranreicht.
Dies, meine Damen und Herren, waren die Ur
sachen, die mich veranlaßt haben, heute vormittag
gegen die Vorlage zu stimmen bzw. dagegen zu
sprechen. Dann ist weiter in Betracht zu ziehen:
Wer wird, wenn die Wirtschaft auch belebt wird,
der Nutznießer sein und wer wird wieder derjenige
sein, der durch die Erhöhung der Steuern diese
Mittel auf der anderen Seite wieder aufbringen
wird?
Wir können Uns, meine Damen und Herren,
der Tatsache nicht verschließen, daß die Wirtschaft
nicht diejenige ist, die den Vorteil haben wird und
andererseits die Kosten tragen muss, sondern es
werden ja wieder die gemeinnützigen Gesellschaften
sein, die die Ausführung bekommen. Andererseits
wird der Arbeitnehmer beteiligt sein, dem ich es von
ganzem Herzen wünsche, daß endlich mal das Stem
peln aufhört. Aber der gewerbliche Mittelstand wird
von dieser ganzen Ausstellung recht herzlich wenig
haben, da ja, wie bekannt, diese Gesellschaften ihre
eigenen Arbeitnehmer und eigenen Betriebe haben.
Infolgedessen wird der Steuerzahler, der Mittel
ständler, keinen Nutzen davon haben. Aber nichts
destoweniger, wie ich schon sagte, verschließen wir
uns der Ansicht nicht, daß eine Belebung der Wirt
schaft einsetzen wird. Wir haben hier einen Antrag
eingebracht, den ich ja schon vor der Besprechung
hätte einreichen können, diese 8y 2 Millionen auf vier
Etatsjahre zu verteilen. Die drei Jahre, wie sie
seitens der Demokratischen und der Sozialdemokra
tischen Fraktion gefordert werden, genügen uns
keineswegs.
Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz
die Erklärung abgeben, daß, wenn Sie sich bereit
finden könnten, diese 8y 2 Millionen auf vier Etats
jähre zu verteilen, wir dieser Vorlage zustimmen
würden. Letzten Endes müssen wir nach außen'hin
unsern Wählern irgendwelche Gründe angeben können,
warum wir dafür gestimmt haben,, da es ja sonst
unsere Wähler nicht verstehen würden, daß wir bei
dieser katastrophalen Finanzlage der Stadt Berlin
den Etat noch um weitere 8y 2 Millionen Mark be
lasten.
Wir bitten also aus diesen Gründen, unsern
Antrag anzunehmen. Dann werben wir uns auch
bereit finden, für die Vorlage zu stimmen.
Stabtrat Czeminski: Meine Damen und Herren!
Nur einige kurze Bemerkungen. Die Vorlage, die
heute die Versammlung beschäftigt, ist eine der
größten, die die Stadt Berlin in den letzten Jahren
verabschiedet hat.
Diese Vorlage ist keine Parteifrnge.
(Sehr richtig!)
Aus diesem Grunde kommt es dem Magistrat auch
nicht darauf au, daß eine knappe Mehrheit die
Vorlage verabschiedet, sondern der Magistrat, glaubt,
daß die beiden städtischen Körperschaften, die ge
samte Stadtverordnetenversammlung einschließlich
des Magistrats, diese Vorlage zusammen verabschie
den müssen. Es handelt sich hier um eine so be
deutende Vorlage für die Berliner und für die
deutsche Wirtschaft, die man nicht nach ein paar
Stimmen abwägen kann.
(Sehr richtig!)
So schwer es uns auch fällt, zuzustimmen, daß
die Vorlage nochmals an den Ausschuß zurückver
wiesen werden soll, müssen wir uns damit abfinden.
Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit darauf hin
weisen, daß jeder Tag, den wir versäumen, uns vor
schwere weitere Opfer stellt. Wir haben bis zur Er
öffnung der Ausstellung noch ein Jahr und vier
Monate Zeit, so daß jeder Tag genutzt werden Muß.
Im Zusammenhang dazu möchte ich erklären, daß
der Herr Kollege Lüdicke in der vorletzten
Sitzung den Vorwurf gegen den Magistrat' erhoben
hat, daß der Magistrat ihn nicht gut behandelt habe,
weil er ihn mit der Vorlage überrascht hat. Meine
Damen und Herren, das ist kein Affront gegen die
Stadtverordnetenversammlung, sondern die Vorlage
ist ein Produkt sehr langer und eingehender Be
ratungen mit dem „Verein Bauausstellung". Und,
Herr Kollege Lüdicke, wenn Sie sich bei Ihren»
Parteifreund Herrn Kimbel um Auskunft bemühen
würden, dann würde er Ihnen bestätigen, daß der
Aufsichtsrat der Berliner Mossegesellschaft "in um
zähligen und langen Sitzungen dieses Vertragswert
endlich mit dem „Verein Bauausftelluüg" fertig
gebracht hat. Nachdem es fertig war, ist es Ihnen
in schleunigstem Tempo zugeleitet worden,
(Stadtv. Lüdicke: Zu schleunig!)
weil eben kein Tag dabei zu verlieren ist.
Ich möchte dann noch einige Bemerkungen des
Kollegen von Jecklin richtigstellen. Herr Kollege
von Jecklin hat hier Ausführungen gemacht, die
darin gipfelten, daß er den Voranschlag nicht für
ganz stichhaltig hält. Wir haben uns im Ausschuß
sehr eingehend darüber unterhalten. Ich möcht
heute nicht noch einmal das wiederholen, was ich dort
bereits gesagt habe. Aber für Herrn von Jecklin
möchte ich nur einige Zahlen nennen: Die „Prkssa
hat (i Millionen Besucher gehabt, die „Gesölei" hat
über 5 Millionen Besucher gehabt.
(Zuruf des Stadtv. von Jecklin.)
Ja, Herr Kollege, wir kommen ja dann -zu der Be
rechnung. Während der zehntägigen Automobilaus