210 Sitzung ant 29. November 1928.
er zu uns kam — ich muß diese Vorgeschichte schon
ermähnen —, erklärt, daß er mit 300 000 Ml die Oper
durchführen würde. Heute sind es 2 200 000 Ml. Nun
haben wir zwar, nachdem Herr Tietjen Generalinten
dant ist, die Arbeitsgemeinschaft. Was tut er? Er
arbeitet in der Tat im Interesse des Staates. Und das
ist das, warum ich dies erwähnen muß, um wieder auf
die Vorlage zurückzukommen. Diese Vorlage ist nichts
weiter als das Machwerk des Generalintendanten
Tietjen im Sinne der Staatsoper und nicht im Sinne
der Städtischen Oper. Generalintendant Tietjen ist heute
Prokurist von 2 Firmen, nämlich des Staates und der
Stadt. In der Geschäftswelt gibt es ja bekanntlich so
etwas nicht. Da muß so etwas herauskommen wie diese
Vorlage.
Also, meine Damen itiib Herren, wir lehnen die
Vorlage aus drei Gründen ab. Erstens einmal, weil
wir auf dem Standpunkt stehen, daß die Stadt Berlin
keine Ursache hat, der finanzielle Träger einer solchen
Studio-Oper zu sein, zweitens, weil wir überhaupt
nicht glauben, daß die Erhaltung dieser Kunstform mög
lich ist und daß wir nicht etwa Einrichtungen schaffen
dürfen, die auch diese Kunstform noch erhalten,
drittens, weil wir die Oper aus politischen Gründen,
wie ich sie ausgeführt habe, ablehnen. Wir sind der
Meinung, daß die Stadtverordnetenversammlung und
der Magistrat die Pflicht haben, wenn sie überhaupt ein
städtisches Theater'unterhalten, es dann als ein Volks
theater bezw. als eine Volksoper auszugestalten. Wenn
sie es nicht tun, dann können wir es nicht verant
worten, daß Arbeitergelder für die Städtische Oper
ausgegeben werden.
(Beifall bei den Kommunisten.)
Oberbürgermeister Bötz: Meine Damen und
Herren! Ein wesentlicher Teil der Ausführungen der
Frau Kollegin Hoffmann-Gwinncr darf nicht von mir
unwidersprochen bleiben.
Frau Hoffmann-Gwinner hat gesagt, der Staat
zwingt die Stadt, ihre Orchestermitglieder zu Beamten
zu machen, um auf diesem Wege zu verhindern, daß die
Gehälter der Orchestermitglieder angemessen gesteigert
werden. Ich darf hier feststellen, daß der Staat nicht
den geringsten Versuch gemacht hat, in dieser Sache
überhaupt einen Einfluß auszuüben,
(Zuruf bei den Dem.: Hört, hört!)
daß der Vorschlag, die Orchestermitglieder zu Beamten
zu machen, von mir persönlich ausgegangen ist, und
zwar deshalb, weil ich damals glaubte, es läge das im
Wunsche und im Sinne der Orchestermitglieder, die
ausdrücklich den Anspruch erhoben hatten, die Regelung
der Witwengehälter und Waisenversorgung so zu er
halten, daß sie in gleicher Art dastehen könnten wie
die Orchestermitglieder von anderen großen Städten,
die ebenfalls zu Beamten gemacht wären.
Bei dieser Gelegenheit, Frau Hoffmann-Gwinner,
hat uns sowohl der Intendant wie der Generalmusik
direktor durchaus bewiesen, daß sie doch ein sehr starkes
Interesse für ihre Orchestermitglieder haben. Die
beiden Herren sind nämlich damals bei mir gewesen und
haben sich für die Orchestermitglieder eingesetzt. Sie
haben auf die Nöte hingewiesen, die aus der un
genügenden Bezahlung der Orchestermitglieder er
wachsen, und sie haben gerade aus dem Grunde gebeten,
es möchten Wege gefunden werden, um die Wünsche der
Orchestermitglieder zu befriedigen.
Die beiden Herren haben sich also in vollem Um
fange für die Interessen der Orchestermitglieder ein
gesetzt und haben gar nicht daran gedacht, sie
zurückzustellen.
Ich muß auch sagen, daß die Ausführungen der
Frau Kollegin Hoffmann-Gwinner über den General
musikdirektor Walter im übrigen doch sehr der sachlichen
Grundlage entbehren. Frau Kollegin Hoffmann-
Gwinner, Sie wissen offenbar, daß im Aufsichtsrat der I
Stadtoper die Frage der Reise des Herrn Generalmusik- I
direktors Walter und auch die Reise der Stars zur I
Erörterung gekommen sind. Sie müßten aber auch I
wissen, Frau Kollegin Hoffmann-Gwinner, daß diese I
Reisen im nächsten Jahr so eingerichtet sind, daß Herr I
Walter sowohl als auch die betreffenden Stars zu der I
Zeit in Berlin sind, wo wir sie brauchen, daß sogar die I
Season von London unserer Season zuliebe verschÄett I
worden ist. Sie ist in den April und Mai gelegt worden, I
während sie bisher im Mai und Juni lag. Das ist I
doch gewiß ein Erfolg, den unsere Oper oder den Berlin I
errungen hat, den man mit gutem Recht uns zugute I
schreiben kann.
Dann muß ich weiter hier dem Herrn General- I
Musikdirektor Walter das Zeugnis ausstellen, daß er I
sich mit Aufbietung seiner ganzen Kraft und Ans- I
opferung seiner Gesundheit für unsere Oper einsetzt. I
(Stadtv. Merten: Bravo!)
Der Mann arbeitet bei Tag und Nacht und ist in der I
ganzen Zeit dieser Saison nach jener Aussprache im I
Aufsichtsrat, die ich vorhin bereits erwähnte, noch nicht I
von Berlin abwesend gewesen. Er leistet etwas, was I
Sie bei jeder einzelnen Aufführung sehen können, was I
ohnegleichen ist, was der Stadt Berlin und ihrem I
Operntum einen Ruf in der ganzen Welt — nicht nur 1
in Berlin selbst, nicht nur in Deutschland, sondern über »
unsere Grenzen hinaus — verschafft hat, was wesentlich I
dazu beigetragen hat, daß Berlin den Ruf als große I
Musikstadt wiedererlangt hat, den sie vor dem Kriege I
hatte, auch daß vielleicht diesem Ruf noch manches gute I
hinzugesetzt wird.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich natür- I
lich mit Frau Kollegin Hoffmann-Gwinner nicht über I
die Frage auseinandersetzen, ob die Stadtoper zu I
politisieren ist, d. h. in das parteipolitische Fahrwasser I
hinüber,zuführen ist und was dabei herauskommen kann. I
Ich kann auch beim besten Willen nicht über die Frage I
sprechen, ob cs heute noch Opernmusik gibt, die auf die I
Dauer gehalten werden kann, ob also eine Oper über- I
Haupt noch Daseinsberechtigung hat. Dazu kann ich I
allerdings darauf hinweisen, daß es ein Zeichen großer I
Lebenskraft mindestens für Berlin ist, daß wir in I
Berlin zurzeit 3 Opern haben und daß diese 3 Opern I
sehr gut besucht sind. *
(Stadtv. Fritz Lange: Bei dem Zuschuß!)
— Bei dem Zuschuß. Herr Kollege Lange, ich komme I
gleich auf die Zuschüsse zu sprechen. —
Wenn Sie die Zuschüsse in Betracht ziehen, bann A
wollen Sie sie bitte vergleichen mit den Zuschüssen, die y
vor dem Kriege und vor dem Vorhandensein der Stadt §
oper bei der Staatsoper zu leisten waren. Die Zu-1
schlisse waren damals im Verhältnis bedeutend höher,!
als sie jetzt bei der Stadtoper vorhanden sind. Und I
dann wollen Sie freundlichst mal den Haushalt der
Stadtoper daraufhin untersuchen, worauf die höhere»
Zuschüsse zurückzuführen sind, nämlich in der «Hauptsache
darauf, daß die Bezüge aller Angehörigen der Stadt
oper, und zwar in erster Reihe die geringer besoldeten,
wesentlich erhöht worden sind; sie find den heutigen
Zeitverhältnissen angepaßt worden. Das ist doch
zweifellos kein Gebiet, auf dem Sie etwa dem 'Magistrat
oder dem Aufsichtsrat der Oper Vorwürfe machen»
wollen. Denn daß wir die Angehörigen unserer Oper
so bezahlen, wie es den heutigen Lebensverhältnisse»
entspricht, das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Im
übrigen sind die Zuschüsse für die Oper auch dadurch
ganz wesentlich gestiegen, daß wir die Zahl der Volks-
vorstellttngen von Jahr zu Jahr vermehrt haben. Wir
haben im «Haushaltsentwurf für 1929 400 000 Ml ein-,
gestellt für Volksvorstcllnngen und sind von 24 Vor
stellungen auf 40 Vorstellungen hinaufgegangen. Das
ist — das will ich nicht behaupten — keineswegs eine
Glanzleistung; wir müßten noch eine viel größere An-