Sitzung am 13. November 1928. 839
Wir werden versuchen, Fehler wettzumachen. Wir
erneuern den Antrag und bitten um 2 Unparteiische.
Sie können sie herholen, woher Sie wollen. Uns inter
essiert nur, daß sie unparteiisch, rein wirtschaftlich
eingestellt sind und etwas können. Wollen Sie das nicht,
dann waschen wir unsere Hände in Unschuld, wie so
häufig.
Also, meine Damen und Herren, wir werden, um
zum Schluß zu kommen, die Vorlage annehmen.
(Links: Hört, hört!)
Ja zum größten Erstaunen des Herrn Dr. Lohmann
werden wir die Vorlage annehmen. Wir tun das in
der festen Zuversicht, daß die Politik, die w i r seit
geraumer Zeit hier vertreten haben, nunmehr dieses
Instrument für ganz Groß-Berlin nutzbar machen
wird, in gleichmäßig gerechter Weise, d. H. nicht so, daß
in Britz jede Straße genau so viele Straßenbahnen
kriegt wie die Leipziger Straße in Berlin, aber so,
daß Britz genau so gut an den Segnungen des Verkehrs
teilnehmen kann, wie die Leipziger Straße usw.
Das bezieht sich auf Straßenbahn, auf Omnibus
und auf Untergrundbahn. Wir haben dabei freilich immer
wieder zu unterstreichen, meine Damen und Herren,
daß S i e hier einen sehr bedenklichen Weg schon ge
gangen sind und nach einer Denkschrift weiter gehen
wollen. Sie wollen dieses ganze Institut nicht mehr
als ein wirtschaftlich rentables Unternehmen aufziehen.
Sie kommen damit notwendig zu einem Zuschußuntcr-
nehmen, wenn es hart auf hart geht. Bisher haben
wir reiche Einnahmen für Berlin aus dem Verkehr
gezogen. Wenn erst die Wohnungsnot vorbei und
unsere arbeitende und werktätige Bevölkerring nicht
mehr so an die Schwelle gefesselt ist, dann würde ich
es nach wie vor für richtig halten, daß die Hundert-
taufende von Fremden, die Berlin jeden Tag bevölkern,
ruhig ihren Obolus zu den Verkehrsunternehmungen
beitragen. D i e Sache sollte rentabel
bleiben. Den Willen haben Sie grundsätzlich ver
lassen; das haben Sie ausgesprochen. Es steht schon in
einer Denkschrift, daß der Rentabilitätsgedanke auf
gegeben sei. Wir weisen wiederholt darauf hin, daß
das äußerst gefährlich ist. Aber wenn Sie es wollen
— in Gottes Namen, wir können es auch so mitmachen,
bis die Sache zu Ende ist. Jedenfalls halten wir an
der Politik fest, daß die gesamten Vororte gleichmäßig
gerecht behandelt werden wie die Binnenstadt, nachdem
wir Groß-Berlin einmal haben. Dem entsprechend
werden wir unsere Bauanträge stellen.
Und nun kann Herr Dr. Lohmann sich darauf
besinnen, welche schöne Rede er das' nächste Mal bei
nüchterner Betrachtung der Dinge halten will.
(Beifall bei den Deutschnationalen.)
Stadtv. Deter (K): Als im Jahre 1923 die
Sozialdemokratische Fraktion der Entkommunalisierung ,
der Straßenbahn zustimmte, begab sie sich von jener 1
Zeit ab auf den Weg, daß man nicht mehr kommunale
Betriebe sondern sogenannte gemischtwirtschaftliche
Betriebe schafft. Auch die heutige Vorlage, zu der
Herr Lohmann das letzte Glied der Kette geschweißt
haben soll, sieht ja ebenfalls die (Schaffung einer
Aktiengesellschaft vor. Ich muß aber zunächst einmal
feststellen, daß nicht erst in dieser Legislaturperiode
sondern schon in der vorangehenden die Kommunistische
Fraktion als erste die Vereinheitlichung der Berliner
Verkehrsnnternehmungeu gefordert hat.
(Sehr wahr! bei den Komm.)
Die Forderung der Vereinheitlichung der Verkehrs-
nnternehmilngen stand auch im Jahre 1926 als einer
der ersten Anträge mit auf der Tagesordnung. Wir
haben schon damals aufgezeigt, daß die Vereinheit
lichung des Berliner Verkehrs eine dringende und
zwingende Notwendigkeit ist, die bei dem ständigen
Wachstum des Verkehrs immer mehr an Bedeutung
gewinnt. Sind doch allein im Jahre 1927 von den drei
Berliner Verkehrsunternehmungen 1220 Millionen
Fahrgäste befördert worden. Wir sind aber der
Meinung, daß nicht nur die Vereinheitlichung der drei
Berliner Verkehrsbetriebe eine zwingende Notwendig
keit ist, sondern, wie wir auch im Ausschusse schon zum
Ausdruck gebracht haben, neben der Kommunalisierung
von Straßenbahn, Hochbahn und Omnibus muß un
bedingt die Kommunalisierung des Kraftdroschenver-
kehrs erfolgen.
(Sehr wahr! bei den Komm.)
Also die Kommunalisierung ist die Hauptsache bei
der Vereinheitlichung. Weiter muß die Kommunali'-
sierung der Personenschiffahrt erfolgen, die nicht nur
im Sommer als Ausslugsverkehr wichtig ist und die bei
der ständig wachsenden Bevölkerungszahl Berlins
immer mehr an Bedeutung gewinnt, und das Netz der
Stadt- und Ringbahn muß ebenfalls in diese Einheit
gebracht werden. Erst dann könnte man von einer
großen Einheitlichkeit im Berliner Nahverkehr reden.
Wir müssen also schon feststellen, daß es ein Erfolg der
Kommunistischen Fraktion ist, wenn nach ihren Forde
rungen, die sie drei Jahre laug hier in der Stadtver
ordnetenversammlung erhoben hat, heute wenigstens
der Gedanke der Vereinheitlichung dieser drei Verkehrs
betriebe einigermaßen zum Durchbruch gekommen ist.
(Sehr richtig! bei den Komm.)
Wir müssen schon sagen, daß die Behauptung der
Sozialdemokraten, die die Schaffung der Aktiengesell
schaft über den Klee hinaus loben und erklären, daß die
A.-G. das Ideal ist, doch auf recht tönernen Füßen steht.
Wir haben neben der Vereinheitlichung der Ver
kehrsbetriebe auch die Vereinheitlichung der sogenann
ten Tochtergesellschaften gefordert. Wir haben schon
im Ausschuß darauf verwiesen, daß es unbedingt er
forderlich ist, daß die Schnellbahn-Reklamegesellschaft,
die Hochbahn, Omnibusgesellschaft, die Wagenbauwerke
und wie die Tochtergesellschaften alle heißen ebenfalls
mit zusammengefaßt werden.
Warum will man nun nicht die direkte Kommu
nalisierung, die von allen Parteien, mit Ausnahme
der Dentschnationalen, im Ausschuß als die beste
Lösung erklärt wurde? Man sagt, daran hindert uns
die Amerika-Anleihe der Hochbahn. Herr Lohmann
wagte hier die kühne Behauptung, daß die Kommu
nisten 8 Millionen nutzlos hinauswerfen wollen, ohne
daß sie etwas dafür haben, nur um ihrem Prinzip zum
Durchbruch zu verhelfen. Nun ja, meine Damen und
Herren, wir sind schon der Auffassung, daß die Kommu
nalisierung eine Frage ist, in der es bei der Kommu
nistischen/Fraktion keine Kompromisse gibt,
(Sehr richtig! bei den Komm.)
weder als A.-G., G. m. b. H. oder als Dachgesellschaft.
Hier werden die 8 Mill. nicht nutzlos hinausgeworfen,
sondern wir erhalten durch die Kommunalisierung be
stimmt die Möglichkeit, die Gestaltung und Bedienung
des Berliner Verkehrs entscheidend zu beeinflussen.
Der Verlust, der bei Ablösung der amerikanischen An
leihe eintreten würde, ist relativ gering gegenüber dem
großen Vorteil, der sich ans der direkten städtischen
Verwaltung ergeben würde. Die Erfahrungen, die wir
mit allen Betriebsgesellschaften im Lause der Jahre
gemacht haben, zeigen doch mit aller Deutlichkeit, daß
eine stärkere Kontrolle der städtischen Gesellschaften un
bedingt kommen muß. Ist es nicht im Ausschüsse von
allen Fraktionen unterstrichen worden, als der Redner
der Kommunistischen Fraktion darauf hinwies, daß das
Finanzgebaren der städtischen Gesellschaften keine
genügende Kontrolle bietet und daß die Politik der
Direktoren dieser Gesellschaften nicht so entscheidend
beeinflußt wird, wie es die Mehrheit der Stadtver
ordnetenversammlung verlangt? Es wird ja behauptet,^
daß das Gesicht der Mehrheit der Stadtverordneten
versammlung gewahrt werden soll. Gerade die Zustand'
im Berliner Verkehrsgewerbe sind dazu angetan, die
Verkehrsbetriebe unter direkte städtische Verwaltung