Sitzung am 13. November 1928.
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beit e r s chaf t, die iit diesen: Falle mit ihren eigenen
Interessen zusammengehen, begreift, das; sie
dieser großen Zusammenlegung auch der
sozialen Betriebe neben den wirtschaft
lichen keinen Wider st and entgegensetzt.
Dasselbe, was ich eben sagte, gilt auch von den
Bedingungen, unter denen fortan die
Arbeiterschaft in den Verkehrsbetrie
ben arbeiten w i r d.
Meine Damen und Herren! Wir verlangen und
wir erwarten auch da den Zusammenschluß, auch da die
B e r e i n h e i t l i ch u n g. Und gerade darum darf ich
ein grundsätzliches Wort zu den kommunistischen An
trügen sagen, die im Ausschuß gestellt worden sind und
die jetzt hier im Plenum wiederholt wurden. Wir
Sozialdemokraten bejahen freudig die Existenz der Ge
werkschaften als selbständige Gebilde im wirtschaftlichen
Kampf. Wir freuen uns, wenn wir mit ihnen gemein
sam arbeiten können zum Besten der Arbeiterklasse. Wir
freuen uns, wenn wir ihnen den politischen Boden für
ihre wirtschaftlichen Kampfe ebnen dürfen. Aber, meine
Damen und Herren, wir verwahren uns dagegen,
als Partei der Vormund der Gewerkschaft
sein zu sollen, wir verwahren uns dagegen,
der Gewerkschaft ihre wirtschaftliche
Arbeit abnehmen zu sollen.
(Bei den Soz.°. Sehr wahr! — Lachen bei den
Komm.)
Wir verwahren uns dagegen, daß eine sogenannte
Arbeiterpartei dieses Hauses sich als solch ein Vormund
aufspielt. Wir verwahren uns dagegen um so entschie
dener, als die Gewerkschaften sich diese Vormundschaft
der Kommunistischen Partei selbst auf das energischste
verbitten.
(Bei den Soz.: Sehr wahr!)
(Unruhe und Zurufe bei den Komm. — Glocke.)
Wir lassen uns nicht darüber täuschen, daß diese Art
von Politik in Wirklichkeit gegen die Ge
werkschaften gerichtet ist,
(Sehr richtig!)
daß sie deren Kampf als überflüssig hinstellen möchte
und daß sie dadurch die organisatorische Kraft der Ge
werkschaften zu schwächen gedenkt. Wir wünschen aus
vollstem Herzen eine immer stärkere M acht -
st e l l u n g der Gewerkschaften auch in unsern
städtischen Betrieben trotz aller kommunistischer Quer
treibereien. Wir wünschen, daß es dieser wachsenden
Macht der Gewerkschaften gelingen wird, immer bessere
Arbeitsbedingungen auch in unsern städtischen Be
trieben sich zu erkämpfen. Darum lehnen wir die
kommunistischen Anträge ab, die eine bewußte
S ch lv ä ch u n g dieser Macht und der G e -
Werkschaftsorganisation im Auge haben.
(Gelächter bei den Kom.)
Meine Damen und Herren! Den Deutschnatio
nalen wie den Kommunisten ist es ja auch gar nicht
darum zu tmt, durch Annahme ihrer Anträge die Vor
lage etwa zu retten. Es geht hier genau so, wie es
beim Etat nun Jahr um Jahr gegangen ist. Sowohl
die Kommunisten wie die Deutschnationalen lehnen
im Endeffekt auch diese Vorlage doch ab. Sie würden
sie auch ablehnen, wenn wir älle ihre Anträge an
nehmen würden, denn der Grund zum Neinsagen wird
schließlich doch von ihnen gefunden werden.
(Bei den Soz.: Sehr richtig!)
Meine Damen und Herren! Die Parteien würden
sich ja auch selbst aufgeben, wenn sie es eingestehen
würden, daß diese Vorlage, zu der sie selbst
keinen einzigen B a u st e i n h e r b e i g e -
tragen h a b c n, einen entscheidenden Fortschritt in
der Gestaltung des neuen Berlin, ja den größten Fort
schritt seit der Schaffung dieses'neuen Berlin darstellt.
(Zurufe bei den Komm. — Glocke.)
Nachdem alle Katastrophenhoffnungen und alle
Katastrophenwünsche zunichte geworden sind, bescheidet
man sich nun damit, die einzelnen Akte der ausbauen
den Arbeit im neuen Berlin mit nörgelnden Glossen
zu begleiten. — Jawohl, wir haben Neues geschaffen,
wir haben Großes geschaffen. Und diese Vorlage, die
wir letzt vor uns haben, geschaffen und getragen von
der Mehrheit dieses Hauses, stellt das Gr ö ß t e dar,
was bisher in dem einheitlichen Berlin
geschaffen wurde. Wir schaffen jetzt das dritt
größte Wirts chastsunter nehmen in
Deutschland überhaupt, lediglich aus Mitteln und
aus dem Willen kommunaler Körperschaften heraus,
wir schaffen das größte kommunale Unter
nehmen nicht nur Europas, sondern
der ganzen Welt, ein kommunales Unternehmen,
das lediglich abhängig ist von dem Willen derjenigen
Parteien und Körperschaften, die es selbst errichtet
haben. Ein städtisches und zwei große private Unter
nehmungen gehen der Form nach nun ineinander über.
Meine Damen und Herren! Nach unserer Ueber
zeugung soll der kommunale Betrieb sich dadurch vom
privaten unterscheiden, daß er eine erhöhte Ver
antwortung und ein erhöhtes Verant
wort u n g s b e w u ß t s e i n s o w o h l g e g e n ü b e r
der K o n s u m e n t e n s ch a f t trägt wie auch
gegenüber der Arbeiterschaft. Beides
dokumentiert die neue Form, die wir diesem Betriebe
zu geben gedenken, beides sollen auch die Personen
dokumentieren, die künftig au leitender Stelle dieses
Betriebes stehen werden. Wir freuen uns, daß auch
für diesen Gedanken eine Mehrheit in diesem Hause
besteht.
Und, meine Damen und Herren, damit zum
Schluß. Ich habe soviel von Mehrheit und von Mehr
heiten in diesen Zusammenhängen sprechen müssen. W i r
wären froh, wenn uns die Berliner Be
völkerung die alleinige Verantwor
tung für dieses große Projekt auf die
Schultern gelegt hätte,
(Bei den Soz.: Sehr richtig!)
wir würden diese Vorlage heute genau so verantworten
und vertreten, wenn die Entscheidung allein b e i
u n s läge.
(Sehr richtig!)
Wir tragen die Verantwortung also erst recht gern im
Verein mit andern Fraktionen dieses Hauses,
(Stadtv. Krille: Sehr wahr!)
und wir bedauern die Parteien, die glauben, daß ihre
agitatorischen Bedürfnisse ihnen die Zustimmung zu
einem solchen Projekt nicht gestatten, weil es von
Sozialdemokraten vorbereitet wurde
und von Sozialdemokraten vertreten
in i r d.
(Lebhafter Beifall bei den Soz.)
Stadtv. Dr. Steiniger (DN): Meine Damen und
Herren! Es ist immer ein Genuß, aber nicht immer
ganz leicht, dem Schwung des verehrten Kollegen Dr.
Lohmann zu folgen. Er holt Argumente für seine
Stellung aus aller Welt. Schon deshalb kann ich ihm
nicht folgen. Ich weiß z. B. nicht, ob dieses Unter
nehmen das größte Unternehmen der ganzen Welt ist.
(Zuruf links: Kommunale Unternehmen!)
Vielleicht hat er recht, ich lerne gerne von ihm. Also
er holt seine Argumente aus der ganzen Welt. Er
holt sie auch, wenn Sie wollen, aus der vierten
Dimension. Und dabei passieren ihm dann gewöhnlich
ein paar Schwupper.
(Lachen.)
Das ist in Anbetracht der Persönlichkeit verzeihlich.
Das Gedächtnis ist in dieser Zeit am wenigsten
entwickelt. Wenn er sich z. B. mit besonderem Stolz in
die Brust warf und von den Leistungen der Sozial
demokratie sprach, so ist natürlich der Wunsch der
Vater des Gedankens. Er müßte sich aber doch ent
sinnen, daß er im Jahre 1923 mit seinen ganzen