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daß man dieses Fleisch, welches für die Aermsten
bestimmt ist, welches für die minderbemittelte Be
völkerung bestimmt ist, sv billig wie möglich ver
kauft. Darum müssen wir den Privathandel aus
schalten. Die Sozialdemokratie aber sanktioniert
dieses System, sie wünscht die Beteiligung des Pri
vathandels. Die Sozialdemokratische Fraktion tritt
also dafür ein, daß 175 000 M an den Privathandel
verschenkt werden. Unsere Auffassung ist die, daß
man städtische Verkaufsstellen schaffen muß, daß man
in Berbindung mit der Konsumgenossenschaft diese
Verkaufsstellen ins Leben rufen muß, und aus diesem
Grunde ist unser Antrag absolut berechtigt. Wenn
Sie glauben,- hineinkonstrilieren zu können, daß die
Konsumgenossenschaft das Fleisch nur an ihre Mit
glieder verkaufen kann, so haben Sie selbst im Aus
schuß erklärt, daß man heute leider keine Kon
trolle hat, ob das Fleisch tatsächlich in die Hände der
minderbemittelten Bevölkerung kommt. Sie wiesen
selber im Gegensatz zu Ihren heutigen Ausführungen
im Ausschuß darauf hin, daß Kreise, die man nicht
als minderbemittelt bezeichnen kann, in den Genuß
dieses Fleisches kommen. Gerade die Konsum
genossenschaft ist eine Organisation, die zusammen
gesetzt ist aus den werktätigen Schichten der Berliner
Bevölkerung. Darum muß man dafür eintreten, daß
in Verbindung mit der Berliner Konsumgenossenschaft
dieses Fleisch verkauft wird. Aber der Herr Kollege
Arndt hat gesagt, daß ja früher der private Handel
14 Millionen Mark Gewinn erzielt hat und daß dieser
heute auf 175 000 M reduziert ist. Wir sind der
Auffassung: Beseitigen Sie auch diesen Gewinn für
den privaten Handel und übergeben Sie der Stadt
Berlin den Vertrieb dieses zollfreien Gefrierfleisches,
damit die Bevölkerung zu billigem Gefrierfleisch
gelangen kann.
Meine Damen und Herren! Die Sozialdemo
kratische Fraktion hat erklärt, daß sie dieses System
begrüßt, und in den nächsten Wochen und Monaten
werden wir ja sehen, wie dieses System sich weiter
auswirkt. Wir werden dann sehen, daß man noch
höhere Gewinne erzielt und daß Sie dann nachher
selbst erkennen werden, daß Sie dazu die Ver
anlassung gegeben haben, daß der private Handel
aus Kosten der Aermsten der Bevölkerung sich be
reichert.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Iß mehr
Obst, dann wirst Du gesund!)
Stadtrat Busch: Meine Damen und Herren!
Als wir diese Gesellschaft im Anfang Mai dieses
Jahres gegründet haben, hatten wir unsere guten
Gründe dazu. Nachdem wir aber jetzt ein Viertel
jahr auf ihr Bestehen zurückblicken und die Er
fahrungen abschätzen können, die diese Gesellschaft
gemacht hat, müssen wir sagen, daß dieser Weg der
einzig richtige war.
Meine Damen und Herren! Wir sind nur den
gesetzlichen Vorschriften gefolgt, die der Herr Er
nährungsminister erlassen hat und die uns vor
schreiben, daß wir tunlichst und in erster Linie die
privaten wirtschaftlichen Vereinigungen hierzu zu be
nutzen haben. Das ist geschehen.
Nun regt sich Herr Wisnewski darüber auf,
daß ein Gewinn von etwa 175 000 M> in der bis- '
herigen Zeit des Bestehens der Gesellschaft erzielt ist.
Ja, meine Damen und Herren, Sie müssen aber auch
die Ziffern kennen lernen, die diesem Gewinne gegen
überstehen. Wir haben vom 7. Mai bis 15. Oktober
2 996 000 kg Gefrierfleisch durch diese Gesellschaft
bezogen, was einem Marktwerte von 8 300000 M
entspricht. Auf diesen 3 300 000 Ji liegt also ein
schwebender Gewinn von 175000 J6, d. H. etwa 5 3 A°/o.
Aber nur ein schwebender Gewinn, meine Herren,
denn dieser Gewinn ist gewissermaßen ein Reserve-
. Oktober 1928.
fonds, um überhaupt den Preis ständig zu regulieren
.(Stadtv: Merten: Sehr richtig!)
Ich kann natürlich nur regulieren, wenn ic
Reserven habe, ich kann aber niemals reguliere»
wenn ich nur 21000 M Gesellschaftskapital habe. De
ist also ein Sicherheitsfonds im besten Sinne de
Wortes, und ich glaube nicht, daß er einmal verteil
werden wird oder später in der Bilanz erscheine
wird. Warten Sie erst einmal ab, bis das erst
Jahr der Gesellschaft um ist, und dann werden iti
uns darüber zu unterhalten haben, was noch da ist
Sie dürfen nicht vergessen, daß diese Gesellschas
enorme Abschlüsse direkt mit den Packern macht, da
sie aus 6 Wochen manchmal vorkauft und daß bor
ganz erhebliche Risiken in den Schwankungen de
Preise liegen. Für solche Schwankungen muß sj
Risikofaktoren haben, und wenn sie diese 175 000 i
wirklich als schwebenden Gelvinn hinter sich hat, st
freuen wir uns darüber. Aber kritisieren Sie h
bitte nicht im voraus, sondern erkennen Sie das eil«
Tüchtigkeit der Direktion an.
Meine Herrschaften! Ich möchte mich nur ait
diese wenigen Bemerkungen beschränken. Es ist st
alles von den Herrn Vorrednern nach jeder Richtu»|
hin beleuchtet worden. Ich bitte Sie also, dies
Gefrierfleischgesellschaft in ihrer Konstruktion zu ge
nehmigen.
Vorst.-Stellv. Meyer: Weitere Wortmeldungei
liegen nicht mehr vor. Die Aussprache ist ge
schlossen.
Es liegt gegenüber dem Ausschußantrage de
Antrag der Kommunistischen Fraktion vor:
„Die Stadtverordnetenversammlung beschließt
Der Magistrat wird ersucht, im Einvernehme!
mit der Konsumgenossenschaft Berlin den Verlern
des zollfreien Gefrierfleisches zu übernehmen."
Ich bitte diejenigen Mitglieder der Bersamm
lung, die diesem Antrage zustimmen wollen, di
Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Das ist die Minderheit. Der Antrag ist ab
gelehnt.
Ich bitte dann diejenigen Mitglieder der liier
sammlung, die dem Ausschußantrage zustimme!
wollen, eine Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Das ist die Mehrheit. Der Ausschußantrag i
angenommen.
Wir kommen dann zu Punkt 9 der Tage
ordnung:
II. Beratung der Vorlage, betr. grundsätzliche Zu
stimmnng zu dem Bauprogramm für die Städti
scheu Elektrizitätswerke bis zum Jahre 1932 tin
Bewilligung einer 1. Rate von 12 Million«
Reichsmark für das neue Bauprogramm für 1921
aus Anleihemitteln — Drucks. 694, 778 b im
806 —.
Berichterstatter ist Herr Stadtv. Friedrich Lang!
(Stadtv. Schalldach: Herr Lange ist nicht da. Er
verzichtet!)
Der Herr Berichterstatter verzichtet.
In der Aussprache hat das Wort Herr Stad!»
' Dethleffsen.
Stadtv. Dethleffsen (DM): Meine Damen u»
Herren! Meine politischen Freunde haben sich e»!
schlossen, in Uebereinstimmung mit ihren Vertreter
im Haushaltsausschuß der Magistratsvorlage zuz:
stimmen. Leicht ist ihnen dieser Entschluß nicht fl(
worden. Die Bewilligung eines Banprogramm!
dessen Durchführung die Aufnahme von Anleihen i
Höhe von mehr als 300 Millionen erfordert, bei
trägt sich schlecht nicht nur mit der gegenwärtig«
gespannten Finanzlage der Stadt, sondern auch ms