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Volume No. 31, 16. Oktober 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

i36 toiUimg ant 16. Oktober 1928. 
ausmachen. Daß wir darauf nicht ohne weiteres ein 
gehen können, liegt Wohl bei unseren Etatsverhaltnissen 
aus der Hand. 
(Zurufe bei bett Kommunisten! Das stimmt ja 
gar nicht!) 
Stadtv. Schaller (W): Meine Damen und Herren' 
Wir können dem Antrage der Kommunistischen Partei 
nicht zustimmen. Wir tonnen es wohl verstehen,' daß 
man den alten Leuten die Kohlen ins Haus schickt. Aber 
die Belastung würde — wie Frau Stadtrat Wehl mir 
das soeben vorweggenommen hat — 750 000 M be 
tragen. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Das stimmt ja nicht!) 
Es ist jedenfalls zweifellos, daß bei diesem riesigen Qait- 
tum, welches Sie verteilen wollen, die Stadt eine kolos 
sale Belastung zu tragen hat, die durch den Transport 
sich auf 750 000 Jt betaust. 
Aber ganz abgesehen davon, meine Damen und 
Herren, sind wir dagegen, wie der Antrag es will, daß 
nur die BBG. beliefern soll. Wir haben in Berlin 
3000 Kohlenkleinhändler nnd wir können es nicht ver 
stehen, daß man auf diese Weise diesen Leuten die Kund 
schaft nimmt. Die Kohlenhändler haben sich bereit er 
klärt, zu ganz billigen Sätzen zu liefern, sie haben fast 
gar keinen Verdienst haben wollen. 
(Zimts bei den Kommunisten: Wir haben das ja 
im vorigen Jahre gesehen!) 
— Herr Kollege, das können Sie ja nachher sagen. 
Ich weiß ans Unterlagen ganz genau, daß die Kohlen 
händler zu allem sich bereit gefunden haben. Sie wollen 
aber nicht ihre Kundschaft verlieren, das lehnen sie ent 
schieden ab. 
Wir sind dafür, daß der freie Handel nicht aus 
geschaltet wird und bitten Sie daher, den Antrag ab 
zulehnen. 
Vorst. Haß: Weitere Wortmeldungen liegen nicht 
vor. Wird das Schlußwort gewünscht? 
(Stadtb. Frau Rosenthal: Ja!) 
Frau Kollegin Rosenthal hat ras Schlußwort. 
Stabtb. Frau Rosenthal (K): Ich möchte über die 
Rechnung, die Frau Stadtrat Wehl hier eben mitteilte, 
nicht rechten. Ich weiß ganz genau, ich kann es mir 
wenigstens vorstellen, wie unangenehm es ist, wenn man 
als Vertreter einspringen muß. Aber daß man bei 
300 000 Unterstützungsempfängern 
(Stadträtin Frau Wehl: Ich habe mich versprochen, 
es sind 3 Millionen Zentner!) 
Also 3 Millionen Zentner sind es und nicht 300 000, 
meinetwegen auch 4 Millionen Zentner. B e i 4 Mil 
lionen Zentnern aber ist ein Objekt von 
750 000 ^ eben kein Objekt. Herr Kollege, dann 
stelle ich eben die Rechnung so herum: Wenn Sie 
für 4 Millionen Zentner Kohlen Geld 
ausgeben, dann werdenSieauchdasGeld 
ausgeben können für die Lieferung der 
Kohlen ins Haus. Daß Ihnen von der Wirt 
schaftspartei das unangenehm ist, daß Sie dagegen 
sprechen, das nimmt Ihnen kein Mensch übel. Daß 
Sie glauben, die Interessen der Kohlenkleinhändler 
vertreten zu müssen, das nehme ich Ihnen auch nicht 
übel, aber Sie nehmen es m i r nicht übel, 
wenn ich Ihnen sage, daß Sie die In t e r - 
essendieserLeutenichtvertreten! 
(Stadtv. Schalter: Aber Sie vertreten sie!) 
— Lassen Sie mich doch ausreden. — Sie müssen mir 
schon gestatten, daß ich mit solchen kleinen Hauswirt- 
schastlichen Dingen doch noch nähere Berührung habe 
als Ihre Herren Kollegen. 
Ich kann Ihnen schon sagen, daß den Kohleuklein- 
händleru im Winter, weitn sie so schlecht beliefert 
werden, diese Unterstützungsempfänger gar keine 
angenehmen Kunden sind. Es ist hier durch 
einen Zwischenruf schon darauf hingewiesen worden, 
daß im vergangenen Jahre die Kohlenkleinhändler 
nicht bewiesen haben, daß sie mit Freuden die 
Unterstützungsempfänger beliefert haben. Ich sage von 
dieser Stelle aus, daß ich das von den Kohlenkleiu- 
händlern verstehen konnte. Denn die Kohlenkleinhändler 
mögen die Kohlen, die sie an den Magistrat absetzen, mit 
nicht ganz soviel Verdienst abschlagen können, als sie das 
sonst im freien Handel tun. 
(Zuruf des Stadtv. Schalter.) 
— Lassen Sie mich doch ausreden, Herr Kollege, ich habe 
Sie doch auch ausreden lassen. — Ichweißdasbe - 
stimmt besser als Sie, daß der Kohlen 
klein Händler, überhaupt der Klein 
handel, nicht bekämpft wird von uns 
sondern von den Truste tt, die auf jeden, 
Gebiete bestehen, 
(Bei den Kommunisten: Sehr richtig!) 
die ganz besonders im Kohlenhandel bestehen, und daß 
durch das Kohlenhandelsiuvnopol den Kleinhändler nur 
Prozentual soviel Kohlen im Winter geliefert werden, 
wie sie im Sommer durch große Aufträge bestellen 
können. Weil die Kleinhändler nicht die Finanzleute 
sind, die Sie vielleicht hier vertreten wollen, deshalb 
können sie leider im Winter nicht soviel Kohlen abheben, 
als sie für ihre Verbraucher benötigen. Diese Kohlen 
kleinhäudler sind diejenigen, die nicht abhängen von 
den Bürgerlichen, die Sie, die Wirtschaftspartei, hier 
vertreten, sondern von dem Proletarier, der sich eben 
nur einen Zentner Kohlen im Winter kaufen samt, wenn 
er ihn gerade braucht, der sich nicht 10 oder 20 Zentner 
im voraus kaufen kann. Die Leute, die ihren 
ganzen Wintervorrat schon im Som m e r 
einkaufen, pflegen ihn nämlich tt.i cht bei 
diesen Kohlenkleinhändlern zu be 
stellen, sondern sie pflegen sich schon a » 
größere Geschäfte heranzumachen. Des 
wegen befinden sich die Kohlenkleinhäudler int Winter 
in der unangenehmen Lage, daß sie gar nicht die Bedürf 
nisse befriedigen können, die ihnen auferlegt sind. 
Auch aus diesem Grunde wäre es notwendig, daß 
wir von der Stadt Berlin dafür sorgen, daß unsere 
Unterstützungsempfänger nicht wieder in solch eine 
Kalamität, hineinkommen, sondern daß sie durch unsere 
Brennstosfgesellschaft 
(Zuruf rechts.) 
— jawohl, die wir anerkennen und zu der wir stehen —, 
so mit Kohlen beliefert werden, wie sie sie für ihren 
Bedarf brauchen und daß sie nicht vor den Kvhlenklei» 
Händlern wie Bettler mit ihren Scheinen vom Magistrat 
stehen, von denen sie ganz genau wissen, daß sie nicht 
soviel wert sind wie das Geld, mit dem ein Zentner 
Kohlen im freien Handel bezahlt wird. Unser Unter 
stützungsempfänger braucht sich nicht als Bettler zu 
fühlen und zu warten, ob auch noch einmal ein Zentner 
Kohlen für ihn abfällt. 
Aus diesem Grunde ganz besonders 
ersuchen w i r zum mindesten die Sozial 
demokratie, bei der A bsti mm n u g zu 
diesem Punkte der Tagesordnung dafür 
z n st i m men, däßdieKohlenendli ch u neut - 
geltlich ins Haus geliefert werden. 
(Beisall bei den Kommunisten.) 
Vorst. Hatz: Auch hier wird die Abstimmung ver 
einbarungsgemäß ausgesetzt. 
Wir kommen nun zu Punkt 40 der Tagesordnung: 
Antrag der Stadtv. Gäbet und Gen., betr. Aufhebung 
der Rückzahlungsverpflichtung bei Gewährung von 
Unterstützungen aus allgemeinen Wohlfahrtsmitteln 
— Drucks. 688 —.
	        
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