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Volume No. 29, 4. Oktober 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

682 Sitzung am 4. 
Wendung gefunden haben, wie jetzt z. B. 1% Mil 
lionen für den Straßenbau. 
Davon, daß dies geschieht, müssen wir unsere 
Zustimmung für diese Vorlage abhängig machen. Wir 
sind keine Gegner des Wohnungsbaues, wir sind auch 
in diesem Falle keine Gegner des städtischen Woh 
nungsbaues, weil wir uns einer Notlage gegenüber 
sehen. Wir sind aber der Ansicht, daß ans dem Wege 
des städtischen Wohnungsbaues nicht fortgefahren 
werden darf. Herr Kollege Merten hat schon ganz 
richtig darauf hingewiesen, wie die Stadt fortgesetzt 
gemeinnützige Gesellschaften stützen muß und daß 
sie wahrscheinlich in nächster Zeit, die Bauten einer 
gemeinnützigen Gesellschaft einfach wird übernehmen 
müssen, um ihr Geld zu retten. Meine Damen 
und Herren! Es ist meine feste Ueberzeugung, sehen 
Sie sich mal die Berliner Siedlungen an: in 10 
Jahren werden wir wahrscheinlich für unsere Haus 
zinssteuerhypotheken die ganzen Dinger auf dem 
Halse haben. Es ist nicht nötig, daß wir uns noch 
weiter mit städtischen Bauten belasten, die eben von 
der Stadt verwaltet werden müssen. 
Wenn Sie sich in den Bezirksetats umsehen, was 
für Grundstücksverwaltnng ausgegeben wird, wieviel 
Beamte angestellt sind, um die Häuser zu verwalten, 
dann können Sic sich ungefähr ausrechnen, was 
bei einer solchen Siedlung nachher an Verwaltungs 
kosten herauskommen wird, an Verwaltungskosten, 
die: niemals in unserm Haushalt und in unserm 
Stellenplan so richtig in die Erscheinung treten wer 
den, daß man sie im einzelnen nachrechnen kann, 
aber von denen ich glaube, daß sie überaus viel 
höher sein werden als das, was der Private für 
seine Hausverwaltung ausgibt. Deshalb bremsen 
Sie, Herr Kämmerer, bei den städtischen Wohnungs 
bauten! Im Augenblick scheint es keine andere 
Möglichkeit zu geben, als wenigstens dieses zusätzliche 
Wohnungsbauprojekt zu bewilligen. Aber darin hat 
Herr Kollege Merten unzweifelhaft recht: wir müssen 
wieder dazu kommen, daß diejenigen, die dazu be 
rufen sind, die Gewerbetreibenden, das private Bau 
gewerbe, dazu gelangen, die Häuser zu erstellen, und 
daß weder gemeinnützige noch städtische Gesellschaften 
damit betraut werden. Erst dann werden wir wieder 
zu einem vernünftigen und gesunden Zustand im 
Wohnungswesen kommen. Daß darüber noch eine 
ganze Reihe von Jahren ins Land gehen, darüber 
müssen wir uns klar sein. Das Ziel aber muß im 
Auge behalten werden. 
Stadtv. Dr. Steiniger (DN): Meine Damen 
und Herren! Ich hätte gewünscht, heute auf 
das Wort verzichten zu können, aber das Schicksal 
will es nicht. 
Me i n e. Freund e werden sich zu den An 
trägen wie folgt stellen: Sie werden den Antrag 
Nr. 12 der Herren Kommunisten zit dem ihrigen 
machen, in dem gesagt wird: 
,,Die Stadtverordnetenversammlung erblickt in 
der Vorlage des Magistrats keinen ernstlichen Ver 
such, die Wohnungsnot in Berlin planmäßig zu 
beseitigen. 
Sie ersucht, einen neuen Entwurf auszu 
arbeiten, der den jährlichen Neubau ans 40—50 000 
Wohnungen festsetzt." 
Das ist natürlich wahrscheinlich ein frommer Wunsch, 
aber man kann diesen Wunsch ruhig mal äußern. Im 
Zusammenhang damit bitten wir, unsern Vorschlag 
unser Ziffer 7 anzunehmen: planmäßiges Programm 
für die nächsten fünf Jahre und Heranziehung des 
Privatkapitals und des privaten Baugewerbes. 
Meine Freunde werden zweitens den Antrag Nr. 10 
der Herren Dr. Lohmann und Genossen: 
„Wir beantragen Wiederherstellung der Ma 
gistratsvorlage" 
Oktober 1028. 
ablehnen. — Mit dem Rückzug kann ich leider Herrn 
Dr. Lohmann nicht dienen. — 
(Heiterkeit.) 
Wir werden drittens bitten, unsern Antrag Ziffer 4 
anzunehmen, ev. Antrag Ziffer 5 der Volkspartei. 
Zur Begründung werde ich nachher nichts mehr zu 
sagen nötig haben, nachdem Herr Kollege Dr. 
Caspari das Nötige schon gesagt hat. Wir werden 
viertens bitten, den Antrag Ziffer 0, den wir selbst 
gestellt haben, in erster Linie anzunehmen, daß im 
Rahmen der Vorlage 0 Millionen für dieses Jahr 
bewilligt werden. Verwandt damit ist der Antrag 
der demokratischen Herren unter Ziffer 9. Die Bin 
düng über das Etatsjahr hinaus möchten wir aber 
nicht. Wir werden ferner den Antrag 1 der Herren 
Kommunisten Gäbet, Letz und Genossen ablehnen. 
Wir werden den Antrag unter Ziffer 8 annehmen, 
obwohl uns die Form nicht durchschlagend genug er 
scheint für die Erreichung des Zweckes. — Ich werde 
darüber noch einige Worte sagen. — Den Antrag 
Ziffer 2 wollen meine Freunde annehmen ans grund 
sätzlichen Erwägungen, auf die ich noch komme. 
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege 
Lohmann — wenn ich ein paar Worte zur Begrün 
dung sagen darf — hat u. a. ausgeführt: „die Be 
völkerung sieht, daß nach den Fehlschlagen 
e t w a s geschehen soll, n n d daß es g e - 
s ch e h e n soll unter sozialistischer 
Führung." Dazu habe ich die Frage zu stellen: 
Kennen wir denn bisher eine andere Führung? 
Wenn das nicht der Fall ist, dann wirft Herr Kollege 
Lohmann dadurch, daß er einen Gegensatz kon 
struiert, doch der bisherigen sozialistischen Führung 
vor, daß sie nur mit Fehlschlügen gearbeitet hat. 
Wenn er dann selbst bescheiden sagt, daß „etwas" 
geschehen soll, so kennzeichnet das Wort schon, daß er 
selber nichts Fundamentales in der Sache sieht. 
In der Tat-, wenn jetzt 2000 von 100 000 Woh 
nungen gebaut werden, dann sind das glücklich 2«/n! 
Ich bin im übrigen in der Lage, ihm für die Ver 
gangenheit nicht folgen zu müssen. Ich brauche gar 
nicht zuzugestehen, daß die Führung — diesmal die 
sozialdemokratische — anerkanntermaßen schlecht ge 
arbeitet habe. Ich kann es zunächst ziffernmäßig 
nicht anerkennen und möchte Sie doch bitten, meine 
Damen und Herren, sich die Ziffern für Berlin 
einmal gegenwärtig zu halten. Wir haben folgende 
Reinzugangsziffern für die letzten Jahre. Unter 
reinem Zugang versteht man bekanntlich das, was 
übrig bleibt, wenn man von der gesamten Neuher 
stellung den Abgang der Altwohnungen, die nicht 
mehr brauchbar find, abzieht. Nach dem „Statistischen 
Handbuch" haben wir folgende Ziffern: Für das 
Jahr 1925 9308, für das Jahr 1926 14 748, für 
das Jahr 1927 19 805. Das sind doch an sich ganz 
respektable Ziffern, wenn man auch natürlich Herrn 
Dr. Lohmann zugeben kann, daß sie nicht auf 
sozialistische Führung notwendig zurückzuführen sind, 
weil ja die Hauszinssteuermittel da waren. Aber ich 
würde als Fraktionsführer doch Anstand genommen 
haben, meiner eigenen Regierung derartiges vorzu 
werfen. Das Regieren muß doch sehr schwer fein — 
mit oder ohne Panzerkreuzer. Meine Damen und 
Herren, daß auch diese Ziffern in Berlin gegenüber 
den Zuzngszifsern verschwinden, das ist notorisch, 
aber beim gegenwärtigen Rechtsznstand ja nicht zu 
vermeiden; darüber nachher noch einige Worte. 
Hat nun etwa der Herr Kollege Dr. Lohmann 
bezüglich der K l e in st w o hn un g e n recht mit der 
Behauptung, daß bisher sozusagen nichts geschehen 
fei und nun einmal etwas geschehen solle? Ich bin 
auch da liebevoll seinen Gedanken nachgegangen. Er 
behauptet, es sei „mit der Schaffung von andert- 
halben Zimmern" — das richtet sich gegen Sie, 
meine Herren Kommunisten — „ein gewaltiger
	        
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