Path:
Volume No. 28, 20. September 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

656 Sitzung am 20. 
trachtet werden. Was verlangen wir von der kleinsten 
Wohnung? Wir verlangen von ihr, daß ein g e - 
n ü g e n d g r o ß e r W o h n r a it in vorhanden ist. Wir 
verlangen, daß Stube und K a in in e r V onein - 
ander getrennt sind, und wir verlangen außer 
Luft und Licht auch Sauberkeit. Wir verlangen das 
Bad auch für die k l e i n st e W o h » n u g. Das 
ist alles hier gewährleistet. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Alles für 48 qm!) 
Gewiß ist eine solche Wohnung nicht das Ideal von 
Wohnnngskultur. Das brauchen uns die Herren von 
der Kommnnistischen Fraktion nicht zu sagen. 
(Zuruf des Stadtv. Fritz Lauge.) 
Auch wir wünschten lieber jedem — auch Ihnen, Herr- 
Kollege Lange — ein eigenes Haus >iud einen eigenen 
Garten. Aber mit dein Fordern allein ist es 
ja nicht g e t a n, 
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!/ 
auch nicht mit Resolutionen, auch nicht mit Beschlüssen, 
die Eingaben an Reich und Land vorsehen, sondern zu 
nächst muß etwas geschehen, und geschehen muß etwas 
mit den Mitteln, die die Stadt augenblicklich in der 
Hand hat. 
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr wahr!) 
(Zurufe bei den Kommunisten.) 
Darauf allein kommt es an. 
(Stadtv. Fritz Lange: Fabrizieren Sie schon wieder 
Wahlpsychose?) 
Herr Kollege Lange, tvie lväre es, wenn d i e 
KPD. sich diese Gelegenheit zu einem 
Volksentscheid nicht entgehen ließe? 
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!) 
Raffen wir doch die Tausende, die Zehntansende, die 
Hunderttansende zusammen, die jetzt in licht- und luft 
armen Hinterhäusern in einer Stube mit ihren 
Kindern zusammenhocken . . . 
(Zurufe bei den Kommunisten. — Zuruf von der 
Tribüne: Demagogie!) 
— Ich kann ebenso laut schreien wie Sie. — 
(Stadtv. Fritz Lange: Besonders, wenn Sie besoffen 
sind!) 
(Vorsteher Haß: Herr Kollege Lange, ich rufe Sie 
für diesen Zwischenruf zur Ordnung!) 
(Zuruf bei den Kommunisten: Das kommt bei 
Lohmann nie vor!) 
(Stadtv. Fritz'Lange: Wahlschwindler!) 
(Vorsteher Haß: Herr Kollege Lange, ich rufe Sie 
zum zweiten Male zur Ordnung und mache Sie auf 
die geschäftsordnungsmäßigen Folgen aufmerksam!) 
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Bitte um 
mildernde Umstände, er kann nicht anders!) 
Ich sage: Führen wir alle diese in das erste fertig 
gestellte Haus mit den neuen l ^-Zimmer-Wohnungen, 
und lassen wir s i e entscheiden, ob solche Wohnungen 
weiter gebaut werden sollen. Ich glaube, mit die Ent 
scheidung braucht uns nicht bange zu sein! Und wir 
können auch die breitesten Massen der arbeitenden Be 
völkerung von Sowjet-Rußland zu einer solchen 
Entscheidung einladen. 
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!) 
Meine Damen und Herren! Die Wohnungen auch 
in dieser bescheidenen Form sind jedenfalls ein g e - 
wattiger Fortschritt gegenüber de nt, 
was bi s h e r a n k l e i n st e n W o h n n n g e n i n 
Berlin b e st e h t. Das leugnen heißt 
lügen! 
(Zuruf des Stadtv. Fritz Lange.) 
Sie sind ein so gewaltiger Fortschritt, daß der Ver 
treter der Deutschnationalen eben in diesen Wohnungen 
bereits einen Luxus gesehen hat, den er nicht zu ver 
antworten in der Lage sei. Gerade dieser Gegensatz, 
dieser Widerspruch beweist ans das deutlichste, wie recht 
die Sozialdemokratie beraten gewesen ist, als sie den 
Mittelweg, den die Vorlage einschlägt, zu betreten be- 
September 1928. 
reit war. Und gerade die Kommunistische Partei sollte 
es sich zehnmal überlegen, wessen Geschäfte sie 
besorgt, wenn sie eine solche Vorlage ablehnen 
würde. Glauben Sie, daß Sie mit Ihrer Ablehnung 
erreichen würden, daß die Arbeiterschaft dadurch wirk 
lich bessere und noch geräumigere Wohnungen erhalten 
würde? Das Privatkapital jedenfalls — dar 
über sind wir uns doch wohl einig — wird diese 
Wohnungen n i eh t bauen, oder es wird sie bauen 
wollen, wenn sie ihm mit städtischem Gelde bezahlt 
werden, mit dem! Gelde derselben Leute, deren Miete 
dann angeblich verbilligt werden soll. 
Nun, meine Damen und Herren, noch einige Worte 
zu der D e ck n n g s f r a g e. Vorweg ein Wort zu de», 
Antrage, der das seit Jahren von den Kommunisten 
geforderte Projekt einer W o h n n n g s l u x u s st e n e r 
uns heute erneut auf den Tisch legt. Die Führer der 
Kommunistischen Fraktion und ihre Steuersachver 
ständigen, die mit uns zusammen in der Steuerdeputa- 
tivn und in ihren Unterausschüssen gearbeitet habe», 
müssen wissen — und ich bitte, daß Sie hier auftreten 
und mich der Lüge zeihen, wenn es nicht wahr ist —, 
daß 12 Millionen aus einer Wohnungsluxusstener in 
Berlin nicht Hera u s z u h o l e n sind. Sie hätten 
also demjenigen, der diesen Antrag fabriziert hat, jeden 
falls als Sachverständige sagen müssen: „Dann setze 
statt der 12 Millionen eine Zahl ein, die wir auch als 
Steuersachverständige innerhalb der Kommunistischen 
Fraktion zu vertreten in der Lage sind." — Das scheint 
nicht der Fall gewesen zu sein. Es scheint hier 
zwischen den Steuerfachverständigen 
und dem Antragsfabrikanten eine g e - 
wisse Differenz be st au d e n zu haben. Ich 
glaube jedenfalls, das feststellen zu können, daß ans 
diesem Wege eine Deckung für umfangreichere Woh 
nungsbauten in Berlin nicht erreichbar ist. Ich bin 
aber gern bereit, ans das vielleicht neu entrollte Mate 
rial des Kollegen aus der Kommunistischen Fraktion 
nachher in der Debatte näher einzugehen. 
Das Entscheidende schien und scheint auch noch heute 
bei der Frage der Deckung das zu sein, ob wir diese 
Wohnnngsvorlage als Einzelnes behandeln dürfen und 
sollen oder ob wir sie im Rahmen eines sogenannte» 
Nachtragsetats zu verabschieden haben. Gerade 
die Parteien der Rechten haben im Ausschuß und auch 
hier noch den größten Wert auf diese Frage gelegt. 
Meine Damen und Herren! Ein Kollege von der 
Deutschnationalen Fraktion oder von der Deutsche» , 
Vvlkspartei erklärte heute morgen im Haushaltsaus 
schuß: „Auch die kleinste Vorlage, auch die kleinste Aus 
gabe, die nicht aus Vorbehaltsmitteln gedeckt wäre, 
müßte im Rahmen eines Nachtragsetats dem Parlament 
zugehen." Ich meine, die Erfüllung dieses Postulats 
wäre außerordentlich einfach. Wir haben hier eine Vor 
lage, den Wohnungsbau. Wir haben heute abend noch 
eilte zweite Vorlage, die den Straßenbau betrifft, und 
wir haben eine dritte Vorlage des Magistrats, die Vor 
behaltsmittel zu erhöhen. Wenn wir diese drei Vor 
lagen gemeinsam nehmen und daneben die Erklärung 
des Magistrats halten, daß er 18 Millionen ans er 
höhten Steuereinnahmen in diesem Jahre herauszu 
holen gedenkt, d a n n hab e n w i r eine n N a ch - 
t r a g s e t a t. 
(Stadtv. von Jecklin: Nein, das ist kein Nach 
tragsetat!) 
Man kann über diese Vorlagen das Wort „Nach 
tragsetat" setzen und rechts und links anordnen, was 
bisher oben und unten gestanden hat. 
(Stadtv. von Jecklin: Das Wort „Etat" macht es 
allein nicht!) 
Aber, Herr Kollege von Jecklin, das Wort »macht es 
d o ch! Nach Ihren Aeußerungen heute morgen han 
delte es sich nur um das Wort „Etat".
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.