656 Sitzung am 20.
trachtet werden. Was verlangen wir von der kleinsten
Wohnung? Wir verlangen von ihr, daß ein g e -
n ü g e n d g r o ß e r W o h n r a it in vorhanden ist. Wir
verlangen, daß Stube und K a in in e r V onein -
ander getrennt sind, und wir verlangen außer
Luft und Licht auch Sauberkeit. Wir verlangen das
Bad auch für die k l e i n st e W o h » n u g. Das
ist alles hier gewährleistet.
(Zuruf bei den Kommunisten: Alles für 48 qm!)
Gewiß ist eine solche Wohnung nicht das Ideal von
Wohnnngskultur. Das brauchen uns die Herren von
der Kommnnistischen Fraktion nicht zu sagen.
(Zuruf des Stadtv. Fritz Lauge.)
Auch wir wünschten lieber jedem — auch Ihnen, Herr-
Kollege Lange — ein eigenes Haus >iud einen eigenen
Garten. Aber mit dein Fordern allein ist es
ja nicht g e t a n,
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!/
auch nicht mit Resolutionen, auch nicht mit Beschlüssen,
die Eingaben an Reich und Land vorsehen, sondern zu
nächst muß etwas geschehen, und geschehen muß etwas
mit den Mitteln, die die Stadt augenblicklich in der
Hand hat.
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr wahr!)
(Zurufe bei den Kommunisten.)
Darauf allein kommt es an.
(Stadtv. Fritz Lange: Fabrizieren Sie schon wieder
Wahlpsychose?)
Herr Kollege Lange, tvie lväre es, wenn d i e
KPD. sich diese Gelegenheit zu einem
Volksentscheid nicht entgehen ließe?
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!)
Raffen wir doch die Tausende, die Zehntansende, die
Hunderttansende zusammen, die jetzt in licht- und luft
armen Hinterhäusern in einer Stube mit ihren
Kindern zusammenhocken . . .
(Zurufe bei den Kommunisten. — Zuruf von der
Tribüne: Demagogie!)
— Ich kann ebenso laut schreien wie Sie. —
(Stadtv. Fritz Lange: Besonders, wenn Sie besoffen
sind!)
(Vorsteher Haß: Herr Kollege Lange, ich rufe Sie
für diesen Zwischenruf zur Ordnung!)
(Zuruf bei den Kommunisten: Das kommt bei
Lohmann nie vor!)
(Stadtv. Fritz'Lange: Wahlschwindler!)
(Vorsteher Haß: Herr Kollege Lange, ich rufe Sie
zum zweiten Male zur Ordnung und mache Sie auf
die geschäftsordnungsmäßigen Folgen aufmerksam!)
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Bitte um
mildernde Umstände, er kann nicht anders!)
Ich sage: Führen wir alle diese in das erste fertig
gestellte Haus mit den neuen l ^-Zimmer-Wohnungen,
und lassen wir s i e entscheiden, ob solche Wohnungen
weiter gebaut werden sollen. Ich glaube, mit die Ent
scheidung braucht uns nicht bange zu sein! Und wir
können auch die breitesten Massen der arbeitenden Be
völkerung von Sowjet-Rußland zu einer solchen
Entscheidung einladen.
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!)
Meine Damen und Herren! Die Wohnungen auch
in dieser bescheidenen Form sind jedenfalls ein g e -
wattiger Fortschritt gegenüber de nt,
was bi s h e r a n k l e i n st e n W o h n n n g e n i n
Berlin b e st e h t. Das leugnen heißt
lügen!
(Zuruf des Stadtv. Fritz Lange.)
Sie sind ein so gewaltiger Fortschritt, daß der Ver
treter der Deutschnationalen eben in diesen Wohnungen
bereits einen Luxus gesehen hat, den er nicht zu ver
antworten in der Lage sei. Gerade dieser Gegensatz,
dieser Widerspruch beweist ans das deutlichste, wie recht
die Sozialdemokratie beraten gewesen ist, als sie den
Mittelweg, den die Vorlage einschlägt, zu betreten be-
September 1928.
reit war. Und gerade die Kommunistische Partei sollte
es sich zehnmal überlegen, wessen Geschäfte sie
besorgt, wenn sie eine solche Vorlage ablehnen
würde. Glauben Sie, daß Sie mit Ihrer Ablehnung
erreichen würden, daß die Arbeiterschaft dadurch wirk
lich bessere und noch geräumigere Wohnungen erhalten
würde? Das Privatkapital jedenfalls — dar
über sind wir uns doch wohl einig — wird diese
Wohnungen n i eh t bauen, oder es wird sie bauen
wollen, wenn sie ihm mit städtischem Gelde bezahlt
werden, mit dem! Gelde derselben Leute, deren Miete
dann angeblich verbilligt werden soll.
Nun, meine Damen und Herren, noch einige Worte
zu der D e ck n n g s f r a g e. Vorweg ein Wort zu de»,
Antrage, der das seit Jahren von den Kommunisten
geforderte Projekt einer W o h n n n g s l u x u s st e n e r
uns heute erneut auf den Tisch legt. Die Führer der
Kommunistischen Fraktion und ihre Steuersachver
ständigen, die mit uns zusammen in der Steuerdeputa-
tivn und in ihren Unterausschüssen gearbeitet habe»,
müssen wissen — und ich bitte, daß Sie hier auftreten
und mich der Lüge zeihen, wenn es nicht wahr ist —,
daß 12 Millionen aus einer Wohnungsluxusstener in
Berlin nicht Hera u s z u h o l e n sind. Sie hätten
also demjenigen, der diesen Antrag fabriziert hat, jeden
falls als Sachverständige sagen müssen: „Dann setze
statt der 12 Millionen eine Zahl ein, die wir auch als
Steuersachverständige innerhalb der Kommunistischen
Fraktion zu vertreten in der Lage sind." — Das scheint
nicht der Fall gewesen zu sein. Es scheint hier
zwischen den Steuerfachverständigen
und dem Antragsfabrikanten eine g e -
wisse Differenz be st au d e n zu haben. Ich
glaube jedenfalls, das feststellen zu können, daß ans
diesem Wege eine Deckung für umfangreichere Woh
nungsbauten in Berlin nicht erreichbar ist. Ich bin
aber gern bereit, ans das vielleicht neu entrollte Mate
rial des Kollegen aus der Kommunistischen Fraktion
nachher in der Debatte näher einzugehen.
Das Entscheidende schien und scheint auch noch heute
bei der Frage der Deckung das zu sein, ob wir diese
Wohnnngsvorlage als Einzelnes behandeln dürfen und
sollen oder ob wir sie im Rahmen eines sogenannte»
Nachtragsetats zu verabschieden haben. Gerade
die Parteien der Rechten haben im Ausschuß und auch
hier noch den größten Wert auf diese Frage gelegt.
Meine Damen und Herren! Ein Kollege von der
Deutschnationalen Fraktion oder von der Deutsche» ,
Vvlkspartei erklärte heute morgen im Haushaltsaus
schuß: „Auch die kleinste Vorlage, auch die kleinste Aus
gabe, die nicht aus Vorbehaltsmitteln gedeckt wäre,
müßte im Rahmen eines Nachtragsetats dem Parlament
zugehen." Ich meine, die Erfüllung dieses Postulats
wäre außerordentlich einfach. Wir haben hier eine Vor
lage, den Wohnungsbau. Wir haben heute abend noch
eilte zweite Vorlage, die den Straßenbau betrifft, und
wir haben eine dritte Vorlage des Magistrats, die Vor
behaltsmittel zu erhöhen. Wenn wir diese drei Vor
lagen gemeinsam nehmen und daneben die Erklärung
des Magistrats halten, daß er 18 Millionen ans er
höhten Steuereinnahmen in diesem Jahre herauszu
holen gedenkt, d a n n hab e n w i r eine n N a ch -
t r a g s e t a t.
(Stadtv. von Jecklin: Nein, das ist kein Nach
tragsetat!)
Man kann über diese Vorlagen das Wort „Nach
tragsetat" setzen und rechts und links anordnen, was
bisher oben und unten gestanden hat.
(Stadtv. von Jecklin: Das Wort „Etat" macht es
allein nicht!)
Aber, Herr Kollege von Jecklin, das Wort »macht es
d o ch! Nach Ihren Aeußerungen heute morgen han
delte es sich nur um das Wort „Etat".