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Sitzung am 20. September 1928.
einer nicht bewilligten Wirtschaftsbeihilfe in den l
Streik getreten. Die Firma ist jetzt dazu überge- i
gangen, mit Hilfe der Polizei durch Einstellung
von Streikbrechern aus der Provinz den Kampf der
Streikenden zu terrorisieren und abzuwürgen.
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt
daher:
Der Magistrat wird ersucht,
1. alle erforderlichen Maßnahmen zur Zurück
ziehung der den Bauabschnitt besetzenden Poli
zei zu ergreifen,
2. zu veranlasse», daß die Streikbrecher von der
Baustelle entfernt werden,
3. bei der Firma vorstellig zu werden, daß eine
die Streikenden befriedigende Regelung der
Löhne umgehend erfolgt."
Im Aeltestenansschuß ist der Dringlichkeit dieses ^An
trages widersprochen worden. Ich frage, ob hier
Widerspruch erfolgt.
(Rechts: Ja!)
Widerspruch erfolgt. Dann kommt der Antrag aus
die Tagesordnung der nächsten Sitzung.
Bevor wir in die Tagesordnung selbst ein
treten, möchte ich diejenigen Vorlagen verlesen, wo
der Aeltestenausschuß Ihnen vorschlägt, sic an einen
Ausschuß zu geben. Es sind dies die Punkte 18
und 19 der Tagesordnung.
Punkt 18 der Tagesordnung betrifft
den Bau für das in Bcrlin-Johannisthal östlich
des Dauerwaldes Königsheide gelegene Gelände
der Charlottenburger Wasser- und Industrie-
werke A.-G., Bezirk Treptow - Drucks. 724 -,
Punkt 19
den Fluchtlinienplan für die Ausweisung einer
Freifläche östlich der Großen Seestraße zwischen
dem Grundstück des Vereins Tcglerhaus und
dem Aronschen Grundstück in Berlin-Wannsce,
Bezirk Zehlendorf Drucks. 725 —.
Der Aeltestenausschuß schlügt Ihnen vor, diese beiden
Vorlagen au einen gemeinsamen Ausschuß zu geben.
Kein Widerspruch dagegen.
Dann schlägt Ihnen der Aeltestenausschuß vor,
Punkt 22 der Tagesordnung,
betr. Abschluß eines Vertrages zwischen der Stadt,
der Hochbahngesellschaft und der Deutschen
Reichsbahngesellschast über den Umbau der
Unterführung der Frankfurter Allee unter der
Ringbahn — Drucks. 716 -,
in den Haushaltsausschuß zu geben. Dagegen wird
kein Widerspruch erhoben.
Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein.
Unter Pitnft 1 kommen zur
Auslegung gemäß § 24 der Gesch.-Ordn. die Vor
schläge des Ausschusses zur Begutachtung der
Vorlagen wegen Anstellung oder Pensionierung
der besoldeten Gemcindebeamteu und Lehrer.
Gegen den Punkt Anstellung Arnberg wird seitens
der Deutschnationalen Fraktion Einspruch eingelegt.
Dieser Punkt kommt dann auf die Tagesordnung der
nächsten Sitzung. Wenn gegen die übrigen Punkte
bis zum Schluß der Versammlung kein Widerspruch
erhoben wird, nehme ich an, daß die Versammlung
zugestimmt hat.
Punkt 2 der Tagesordnung:
Wahl von je 17 Mitgliedern für die Ausschüsse zur
Vorberatung
A. der Vorlagen
a) betr. Ausbau der Schulkincgcmeindeu (Aussch.
Nr. 111) Drucks. 586 ' ;
b) betr. Grundsätze über Tragung der Kosten
für Veränderungen, welche infolge von Bau
ausführungen an Anlagen, auf öffentlichen
Straßen, Plätzen und Brücken erforderlich wer
den (Aussch. Nr. 112) — Drucks. 617 —;
c) betr. Vertrag zwischen der Stadt Berlin und
dem Preußischen Fiskus über den Erwei
terungsbau des Staatsopernhauscs (Aussch.
Nr. 113) — Drucks. 671 —;
d) betr. Bereitstellung von Mitteln für die Er
weiterung des Rieselfeldes Carol nrnhöhe
(Aussch. Nr. 114) — Drucks. 678 ; ~
B. der Anträge
a) der Stadtv. Merten u. Partei fr.,
b) der Stadtv. Gäbet u. Gen.,
betr. die Beschaffung von Wohnungen für
Schnitterfamilien (Aussch. Nr. 115) —
Drucks. 718, 719 —;
c) der Stadtv. Kinscher it. Kollegen, betr.
Streichung bzw. Ermäßigung der Kosten für
neuanzulegende Hausanschlüsse der „Bewag"
(Aussch. Nr. 116) - Drucks. 286—.
Die von den Fraktionen vorgeschlagenen Mit
glieder werden hiermit bestätigt.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Anfrage der Stadtv. Merten u. Partcifr. und
Anfrage der Stadtv. Kinscher u. Kollegen, betr.
den Tarif für Kraftdroschken — Drucks. 722 ii
723 —.
Die erste Anfrage wird Herr Kollege Merten
begründen. Ich erteile ihm das Wort.
Stadtv. Merten (D): Meine Damen und Herren
Unsere Anfrage ist nötig geworden wegen der Vor
würfe, die in der Presse, in Protestversammlungen
und manchen Zuschriften, die wohl allen Fraktionen
des Hauses zugegangen sind, wegen der Behandlung
der Tariffrage durch den Magistrat erhoben werden
Ich mache mir die Vorwürfe zunächst nicht zu eigen
ich glaube vielmehr, daß die Ausführungen des Herrn
Vertreters vom Magistrat manche Klärung bringen
werden. Aber über eins müssen wir uns klar sein
Das Dr o sch ken g c w er b e in Berti.n ist
nicht ans Rose n gebettet und die Berliner
Kraftdroschken machen im allgemeinen einen viel
schlechteren Eindruck als die in anderen Großstädten
Wenn diese ungünstige Lage des Gewerbes ihren
Grund darin hat, daß die Tarife bisher nicht ge
nügten und daß ein neu vorgelegter und beschlossener
Tarif auch noch nicht alle Forderungen erfüllt, dann
haben wir zwar in erster Linie das Jnteress
des fahrenden Publikums, daneben abe
auch das Interesse des Gewerbes wahrz»
nehmen, das durch eine Tarifgestaltnng, wie sie nicht
in seinem Interesse liegt, außerordentlich geschädigt
wird.
Ich lasse die Frage, ob der Nahtarif möglichst
niedrig und der Ferntarif höher gestaltet werden
kann und muß, zunächst offen. Ich werde mich dazu
erst äußern, nachdem der Herr Magistratsvertreter
geantwortet hat. Ich möchte aber den Schwerpunkt
meiner Aufrage darauf legen:
W i e ist e s mö g l i ch, daß Verhandln»
g e » s i ch v o ui M a i bis z u m S e p t e m b e
h i ii z i e h e n k ö n n e n, ohne z u einem greif
b a r e n Ergebnis z n k o m in c n?
W i e ist es möglich, daß ein vom
Polizeipräsidenten vorgelegter T a r i
w o ch e ii - u n d ui onatelang im Schoße de
M a g i st r a t s b e h a n d e l t wird ii n d b i
heute wenn ich recht unterrichtet bi
noch keine Einigung erzielt ist V
An sich ist es schon ein bedenkliches und eigen
artiges Zeichen der Zeit, daß, wenn ein Polize
zeiprästdent, der doch wahrhaftig nicht zu den real
tionären Elementen im Valerlande gehört, einen
Tarif gutheißt, denselben Tarif, den das Verkehrs