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Volume No. 2, 19. Januar 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

Sitzung ant 19. 
gebahnt w i'i r b e. Für eine solche Hilfe würden 
wir besonders dankbar sein. 
Mit christbrüderlichem Gruße 
die evangelischen Charitepfarrer Deichmann und 
Dr. Fenner." 
Sv heißt er wohl. — 
Das spricht Bände. Die Kirchenbesucher kommen 
licht mehr zur Kirche, und nun will man die 
krankensäle dazu benutzen. Da müssen Sie 
uch gestatten, daß Dissidenten und Freidenker in 
iesen Krankensälen sprechen. Ich möchte mal hören, 
Deiches Hallo sich erheben möchte bei den Katho 
den und Evangelischen, wenn das geschehen würde, 
'ir wünschen weder das eine noch das andere. Wir 
vünschen, daß die Kranken ihre Ruhe 
laben. 
(Links: Sehr richtig!) 
3emi sie geistlichen Beistand haben wollen, mögen 
ic in ein anderes Krankenzimmer oder in die Kirche 
efahren werden. Sie mögen dort dem Gottesdienste 
ieiiuohnen. Vielleicht ist dann die beschämende Vit 
alst, die wiederkommt, nicht mehr ganz so klein, 
venn Sie noch ein paar hinfahren. 
Stabil). .Koch (DM): Meine Damen und Herren: Die 
ielen Worte, die der Herr Kollege Adolf Hoffman» 
jemacht hat, lassen sich mit wenigen Worten abtun. 
(Zuruf des Stadtv. Hoffntann.) 
Zunächst danke ich Herrn Hoffmann, daß er aus 
alter Gewohnheit aus einer Zeit, wo er noch Kultus 
minister war, hier eine Ansprache von Geistlichen in 
vollem Wortlaut vorgelesen hat. 
(Stadtv. Hoffmann: Tie aber tief blicken läßt!) 
Meine Damen und Herren! Dann möchte ich Herrn 
Adolf Hoffmann dafür danken, daß er mich erinnert hat 
au das Wort, das er mir seinerzeit 1919 entgegen- 
gerufen hat, als ich das erwähnte Zitat gebrauchte: 
„Die im Irrtum beharren, das sind die Narren". Ich 
habe damals — und nun, Herr Hoffmann, hat die Sache 
eine Fortsetzung, die Sie noch immer nicht begriffen 
haben — darauf erwidert: „In Jesus Sirach, den Sie 
so gut kennen, steht geschrieben: Die Weisen tragen 
ihren Mund im Herzen, aber die Narren tragen ihr 
Herz im Maule!" 
(Stadtv. Fritz Lange: Und die Dentschnatioualen 
in den Hosen!) 
(Große Heiterkeit. — Zuruf des Stadtv. Hoffmann.) 
(Zuruf bei den Komm.: Sie kommen in den Himmel!) 
(Zuruf: Da steht auch: „Selig sind die, die geistig 
arm sind"!) 
Und NUN, meine Damen und Herren, zur Sache. 
Früher hielt Herr Hoffmann eigene Reden, auf die 
cs sich verlohnte, zu antworten- Heute hält er Vor 
lesungen aus Schriften von Geistlichen. 
Aber auf eins muß ich ihm doch erwidern, was 
einer der Vorredner auch schön hervorhob. Es scheint 
Sie von der Sozialdemokratie doch ganz gewaltig zu 
kränken, daß die Deutschnationalen in Neukölln seiner 
zeit dafür gestimmt haben, daß Herr Dr. Schminke zum 
medizinischen Vertreter des Bezirksamts gewählt wor 
den ist. Meine Damen und Herren! Wir Deutschnatio- 
»alen haben uns immer auf den Standpunkt gestellt, 
daß die Aemter beim Magistrat und in den Bezirks 
ämtern, zu denen Qualifikation und Kenntnisse gehören, 
mit beruflich vorgebildeten Personen besetzt werden 
müssen. Hier handelte es sich um die Leitung von 
3 großen Krankenhäusern. Wir hatten die Wahl 
zwischen einem Sozialdemokraten und einem Kommu 
nisten. Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen 
sagen, unsere Neigungen sind weder für die Sozial- 
Jannar 1928. 39 
demokraten noch für die Kommunisten erheblich stark. 
Wir können sogar nicht einmal sagen, wer uns ferner 
steht, die Kommunisten oder die Sozialdemokraten. Da 
nun aber einer von beiden gewählt werden mußte, 
haben wir nach einem Vorgänge, der sich in einem 
andern Bezirk auch einmal zugetragen hat, den Fach 
mann gewählt, den die Kommunisten stellten, statt eines 
Krankenkassenbeamten, den die Sozialdemokraten als 
Fachmann zur Leitung der 3 Krankenhäuser präsen 
tierten. Also überlassen Sie das uns; es war das für 
uns nur eine Frage des Geschmacks. 
(Stadtv. Mühlmann: Wie Bileams Esel zwischen 
beiden Heuhaufen!) 
— Reden S i e doch nicht von Bileams Esel, Herr 
Lange. — 
(Stadtv. Fritz Lange: War ja der „dove" 
Mühlmann!) 
(Große Heiterkeit.) 
Was endlich die Behauptungen von mir, betr. den 
Bezirk Mitte, anbelangt, so halte ich das aufrecht, was 
ich gesagt habe, da mir von glaubwürdiger Seite die 
Vorgänge so geschildert worden sind. Darum, meine 
Damen und Herren, handelt es sich ja überhaupt nicht. 
Sie sind in allen Ihren Reden von der Hauptsache 
abgewichen, um die es sich für uns handelt. Für uns 
handelt es sich um eine Weltanschauungsfrage. Für 
uns handelt es sich darum, — — 
(Bei den Komm.: Um Geldverhältnisse!) 
(Stadtv. Fritz Lange: Diese Dreckbriefe wollen Sie 
Weltanschauung nennen? Diesen Unflat nennen 
Sie Weltanschauung?) 
— Meine Damen und Herren! Wir haben gar kein 
Interesse daran, festzustellen, ans welcher Quelle diese 
sogenannten Dreckbriefe stammen. — 
(Stadtv. Fritz Lange: Ans Ihrer Quelle!) 
Für uns handelt es sich darum: Hier stehen die beiden 
Weltanschauungen gegenüber, und die Welt ist schon 
über ganz andere Bewegungen, die gegen das Christen 
tum gerichtet waren, zur Tagesordnung übergegangen 
als über diese kirchenstürmerische Bewegung unserer 
Zeit, — undanderSpitzederBewegnngen, 
über die die Weltgeschichte hinwegge 
gangen ist, haben denn doch seinerzeit 
andere Geister gestanden als Sie es s i tt d. 
Stadtv. Fritz Lange (K): Meine Damen und 
Herren! Ich möchte zum Schluß nur folgendes sagen: 
Es wurde hier zwischengerufen, daß diese Karten und 
Briefe, die ich hier verlesen habe, scheinbar von uns be 
stellt worden wären. 
(Stadtv. Koch: Wer hat denn das gesagt?) 
(Zurufe rechts.) 
— Das ist hier behauptet worden. — 
(Stadtv. Koch: Von mir?) 
Es ist mir in Zwischenrufen zugerufen worden. Es 
wurde mir nachher auch darauf gesagt, es wäre merk 
würdig, die Briefe seien alle in ein und demselben Stil 
geschrieben. 
Nun, ich kann Ihnen versichern, die Briefe, die 
geschrieben werden, sind alle in einem Stil geschrieben 
und sie sind alle von einem Geiste und von einem 
Fleische. Das ist nämlich der christlich-nationale Geist, 
wenn er wild wird. Ich erinnere nur daran, wie Ihre 
Herren Offiziere, als sie uns Rosa Luxemburg er 
schlagen hatten, noch vor Gericht von der „Judensan" 
gesprochen haben und von dein „roten Schwein", das sie 
j in den Kanal geschmissen haben. Ich erinnere nur 
I daran, wie jene sauberen christlich-nationalen Feme-
	        
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