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Volume No. 25, 26. Juni 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

590 Sitzung born 26. Juni 1928. 
Er wird dann entdecken, daß allerdings ein Barbier 
seinen Laden aufgeben muß, daß ein kleiner Kaufmann 
verschwindet und eine kleine Kneipe. Das sind dir 
vielen selbständigen Gewerbetreibenden. Die werden 
aber nicht verschwinden, sondern ich kann Ihnen ver 
raten, daß z. B. der Friseur sich bereits in der Neuen 
.Königstraße auf der anderen Seite einen Laden ge 
sichert hat und froh sein wird, daß er durch einen Ab 
stand, den Karstadt zahlt, jetzt in der Lage sein wird, 
ein sehr viel besseres Geschäft zu machen. Denn selbst 
verständlich werden die vielen Besucher von Karstadt, 
wenn sie bemerken, daß sie noch nicht rasiert sind, ehe 
sie in das Haus hineingehen, schnell noch zu diesem 
nebenan befindlichen Friseur gehen. Also ich glaube, 
daß dieser Gewerbetreibende, ebenso wie einige an 
dere, keine Verringerung seiner Existenz erfahren wird. 
Richtig ist allerdings, daß e i n Unternehmen hier 
vernichtet wird, und das ist die Schule in der Keibel- 
straße. Ich muß Ihnen allerdings sagen, daß diese 
Schule in der Keibelstraße mir nicht leid tut. Denn 
eine Schule, die vor 60 Jahren gebaut worden ist, 
entspricht ganz gewiß nicht mehr dem, was wir für 
unsere Volksschüler verlangen. Wenn nun unsere 
Schulverwaltung, die das auch lange eingesehen hat, 
sich mit dem Gedanken getragen hat, ein Nachbargrund 
stück anzukaufen, um durch notdürftiges Flickwerk diese 
Schule noch erhalten zu können, dann aber zugeben 
muß, daß auch dieser Plan 5 bis 600 000 Jl- kosten 
würde — hierbei ist die allgemeine Erfahrung zu be 
rücksichtigen, daß die Ausführung eines solchen Planes 
gewöhnlich nachher etwas mehr kostet, als der Vor 
anschlag lautet —, so glaube ich, lohnt es sich nicht, 
die Summe von % vielleicht % Million hier in dieses 
Unternehmen noch, hineinzustecken. Gewiß, ich gebe zu, 
daß es kein idealer Zustand ist, diese Schule in die 
Räume des Sophien-Lyzeums ,zit verlegen. Aber ich 
brauche Ihnen, Herr Kollege Menz, nicht zu sagen, 
daß die Volksschule, die absolut notwendig ist, dorthin 
kommen muß, wo die Kinder selbst und die Eltern der 
Kinder wohnen. 
(Sehr richtig! bei den Svz.) 
Da die Gegend nun noch stark von Arbeitern bewohnt 
wird, so sind wir der Meinung, daß die Volksschule in 
dieser Gegend erhalten bleiben muß. Demgegenüber 
spielt es keine Rolle, wenn das Lhzeum in eine Außen 
gegend verlegt wird. Das schadet nichts, denn die 
Kinder kommen sowieso aus den verschiedensten Ge 
genden. Immerhin werden Sie zugeben, daß man 
früher beim Bau von Schulen einen anderen Maß 
stab anlegte, es war ein Unterschied, ob es sich itm 
eine sogenannte höhere Schule oder um eine Volks 
schule handelte. Sie können also getrost überzeugt 
sein, daß das Gebäude jdes Svphien-Lhzeums ganz 
gewiß viel besser ist als das der Volksschule in der 
Keibelstraße. Außerdem muß man die Lage im Be 
zirk Mitte in Betracht ziehen. Ich glaube also, daß 
wir immerhin für unser Schulgebäude ein gutes Ge 
schäft bei diesem Umbau machen werden. 
Nun möchte ich die Vorlage daraufhin prüfen, ob 
es wirklich der Fall ist, was behauptet wird, daß wir 
Karstadt Geld schenken. Ich darf etwas voraus er 
klären: Meine Freunde haben in der Finanzdepntation 
in jedem einzelnen Fall erklärt, über die Wertzuwachs 
steuer nicht mit sich handeln zu lassen. 
(Sehr richtig! bei den Soz.) 
Wir haben grundsätzlich in keinem einzigen Falle die 
Wertzuwachssteuer erlassen, — 
(Widerspruch bei den Komm.) 
— es sei denn, daß es sich mal um einen Fall ge 
handelt hat, wo bei alten Witwen oder ähnlichen Fällen 
besondere Billigkcitsgründe vorlagen. Aber die Be 
hauptung, daß wir Karstadt 50 Millionen geschenkt 
hätten, ist aus der Luft gegriffen; ich weiß nicht, woher 
Herr Kollege Menz das hat. Karstadt schuldet uns 
keine 50 Millionen, sondern Karstadt schuldet uns den 
Betrag, der für dieses Grundstück zu zahlen ist, und 
wir haben ihm die Hälfte, rund 270 000 Jl, damals 
durch Mehrheitsbeschluß der Finanzdeputation ge 
stundet. Es war keine Rede davon, die Summe nieder 
zuschlagen, und ich erkläre, wir schlagen auch heute 
keine Wertzuwachssteuer zugunsten von Karstadt nieder. 
Aber das, was Herr Menz eine Verschleierung nannte, 
was aber tatsächlich eine Aufrechnung ist, wollen wir 
allerdings machen. Ich habe noch nicht gewußt, daß 
es eine Verschleierung ist, wenn Herr A. Herrn B. 
10 S schuldet und wenn Herr B. aus einem anderen 
Geschäfte von A. 10 Jl zu fordern hat, und wenn dann 
beide Forderungen gegeneinander ausgerechnet werden. 
Das ist etwas, was nach der Struktur des Bürger 
lichen Gesetzbuches ohne weiteres erfolgen muß, wenn 
eine Partei den Wunsch hat; es bedarf gar nicht der 
Zustimmung der anderen Partei, sondern wenn einer, 
der die Gegenforderung hat, die Aufrechnung erklärt, 
so ist nach unseren gesetzlichen Bestimmungen der Er 
folg der, daß beide Forderungen getilgt werden. Nun 
fragt es sich, welche Forderung haben wir an Karstadt 
und welche Forderung hat Karstadt an uns. Wenn 
ich die Frage beantworten soll, dann muß ich aller 
dings ans Einzelheiten der Vorlage eingehen. 
(Sehr richtig! rechts.) 
Wir bekommen von Karstadt Straßenland, und zwar 
genau 1999 qm, sagen wir rund 2000 qm. Davon 
liegen in der Neuen Königstraße 1250 qm und in der 
Keibel- und Wadzeckstraße 750 qm. In der Magistrats 
vorlage ist gesagt, daß in der Neuen Königstraße der 
Quadratmeter mit 300 Jl gewertet wird. Ich bin 
überzeugt, wenn wir hier zur Enteignung schreite» 
würden, würden wir einen Preis bekommen, der 
mindestens das doppelte dessen ist, was der Magistrat 
hier eingesetzt hat. Ich darf Sie veilleicht auf die 
Preise hinweisen, die wir selbst in einer Straße, die 
ungefähr ähnlich ist, angelegt haben, als es sich darum 
handelte, das Land für die Untergrundbahnlinie nach 
der Frankfurter Allee hinein, die wir beschlossen hatten, 
frei zu machen. Da haben wir seinerzeit den Beschluß 
gefaßt, die Grundstücke zwischen dem Alexanderplatz 
und der Kurzen Straße zu enteignen. Wir haben die 
Enteignung nur teilweise durchgeführt und haben 
dabei für die Quadratrute rund 25 000 Jl in der Regel 
zahlen müssen. Ich darf Ihnen des ferneren sagen, 
daß der Magistrat oder die städtischen Verkehrsinstitute 
jetzt haben niederlegen lassen das bekannte Gebäude 
mit den 99 Schafsköpfen, in dem Jürgens sein Ge 
schäft hatte. Da haben wir über 40 000 Jl für die 
Quadratrute gezahlt. Wenn Sie das durch 14 divi 
dieren, so werden Sie finden, daß jedenfalls eine vier 
stellige Ziffer für den Quadratmeter herauskommt. 
Deswegen ist es meines Erachtens sehr wenig ge 
rechnet, wenn ich — ich habe das im Ausschusse bereits 
gesagt — für den Quadratmeter in der Neuen König- 
straße 500 Jl zugrunde lege. Das würde bei 1250 qm 
625 000 Jl bedeuten und die übrigen 750 qm will ich 
mit rund 100 Jl einsetzen; es ist etwas niedriger noch, 
als die amtlichen Tabellen ans der Zeit vor dem Kriege 
ergeben. Wenn Sie dafür noch 75 000 J(, zuzählen, so 
bekommen Sie als Wert des Straßenlandes 700 000 Jl. 
Demgegenüber möchte ich das setzen, was wir 
geben. Wenn Sie sich allerdings auf den Standpunkt 
stellen, daß tvir für die schlechte Schule, die wir da 
haben, eine neue Schule in der guten Gegend, nach 
neue» modernen Grundsätzen aufgebaut bekommen 
müssen, dann ist das Geschäft überhaupt nicht zu 
machen. Ich stehe allerdings bei einem reellen Ge 
schäftsmann, wie die Stadt Berlin es sein muß. auf 
dem Standpunkte, daß ich nicht das bezahlt verlangen 
kann, was man nicht gibt, wenn man es selbst erwerben 
will, sondern das, was man selber liefert. Und ich 
kann sagen, wir liefern ein altes Schulgebäude von 
2343 qm Grundfläche. Wenn ich den Quadratmeter
	        
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