Sitzung am 14. Juni 1928. 557
Wer für diese» Antrag ist, bitte ich, eine Hand zn
erheben.
Geschieht.)
Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zu der Wahl. — Es wird bean
tragt, die Wahl unter Punkt 2 der Tagesordnung vor
läufig noch auszusetzen.
Wir fahren dann in der Tagesordnung fort.
Herr Kollege Gabel hat beantragt, die Punkte 54
und 35:
Anträge der Stadtv. Gäbe! und Gen., betr.
n) Aufhebung des Verbotes des „Roten Front
kämpfer-Bundes" — Drucks. 350 —,
b) Unterstützung des iv. Reichstreffens des „Roten
Frontkämpfer-Bundes", Pfingsten 1928 —Druck
sache 383 —
mit dem Punkt 40 der Tagesordnung:
Antrag der Stadtv. Gäbe! und Gen., betr. die Er
schießung eines Arbeiters bei einer Demonstration
am 26. Mai 1928 — Drucks. 480 —.
ut verbinden. Wird dagegen Widerspruch erhoben? —
Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Begründung hat
Herr Kollege Fritz Lange.
Stadtv. Fritz Lange (K): Meine Damen und
Herren! Ans dem vorhergegangenen Antrage haben
Sie ja schon gesehen, wie glänzend Sie es verstehen,
Anträge, die die werktätige Bevölkerung angehen, zu
verschleppen, und man kann wohl behaupten, dasz das
Haus in dieser Beziehung den traurigen Ruhm für sich
verbuchen kann, alle derartigen Anträge solange hinaus
zuzögern, bis sie einigermaßen hinfällig geworden sind,
oder bis es so scheint, als wenn sie hinfällig geworden
sind. An diesen Verschleppungsmanövern' teilen sich
den Ruhm Herr Koch und Herr Lohmann in gleicher
Weise.
Als seinerzeit Herr von Kendell, als er noch Reichs
innenminister war, mit dem Verbot einer der größten
deutschen Arbeiterorganisationen drohte, konnte
die Sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses das
Verdienst für sich buchen, auch in diesem Hause verhin
dert zu haben, daß rechtzeitig über diese Maßnahme des
Herrn von Kendell an dieser Stelle gesprochen
ivnrde.
Nun, Herr von Kendell ist währenddessen nicht mehr
Reichsinnenminister. Das Verbot ist nicht zur Durch
führung gekommen. Aber ich glaube, in nicht allzu
ferner Zeit werden wir Gelegenheit haben, diesen An
trag, den wir hiermit zurückziehen, wieder einzubringen,
und zwar dann, wenn ein sozialdemokratischer Reichs-
innenminister das Verbot durchführen wird, das Herr
von Kendell geplant hat.
(Bravo!)
Meine Damen und Herren! Wir hatten auch recht
zeitig vor Pfingsten den Antrag gestellt, das Reichs
treffen des RFB., das Pfingsten stattgefunden hat, von
Stadt wegen zu unterstützen. Wir haben auch Anträge
gestellt, die sich mit der Verkehrsregelung an diesen
Tagen und mit den zu treffenden polizeilichen Maßnah
men befassen. Sie haben es wiederum verstanden, auch
diesen Antrag zu verschleppen, und cs war vielleicht
ganz gut, daß wir das Pfingsttreffen abgewartet haben,
so daß wir heute über die Dinge sprechen können, die sich
Pfingsten in Berlin abgespielt haben.
Das Reichstreffen war trotz allem ein gewaltiger
Aufmarsch des Proletariats. Das Reichstreffen konnte
auch ohne Unterstützung durch die Stadt zu einer ge
waltigen Demonstration werden.
(Bei den Komm.: Sehr wahr!)
"Es hat dieses Antrages nicht bedurft. Leider hat
aber die Arbeiterschaft wieder einmal Blut hergeben
müssen, weil hier etliche Leute, zn stark mit der Polizei
verbunden, es verstanden haben, einen Antrag zu hin
tertreiben, der fordert, daß die Polizei nicht in Alarm
bereitschaft gelegt wird und daß bei der Verkehrsrege
lung Rücksicht genommen wird auf die Berliner und
auswärtigen Arbeiterdemonstranten.
Am Pfingstsonnabend ist durch die Anordnungen
eines Offiziers ein junger 20 jähriger Arbeiter in Char
lottenburg erschossen worden. Es sind Frauen, Kinder
und andere Teilnehmer an der Demonstration schwer
und weniger schwer verletzt worden.
(Pfuirufe bei den Komm.)
Es ist in den Berliner Straßen Blut geflossen, weil ein
Offizier einem Omnibusschaffner Anweisung gegeben
hat, in die Demonstration hineinzufahren, weil der
Verkehr auf dem Kaiserdamm und in der Bismarck
straße nach der Manier bekannter Leute hier iu Berlin
geregelt werden sollte.
Nun, was sich dort zugetragen hat, ist ja für Berlin
nichts Neues. Ich verweise nur darauf, daß wir bereits
iu früheren Zeiten des öfteren auf den Polizeiskandal
in Berlin aufmerksam gemacht haben. Die Entwicklung
der Berliner Polizei unter Führung des Sozialdemo
kraten Zörgiebel sieht bereits so aus, wie sie in Chicago
höchste Triumphe feiert.
(Bei den Komm.: Sehr wahr!)
Ich verweise daraus, daß, als seinerzeit die Lichterfelder
Strolche des Herrn Hitler unsere Brüder und Arbeits-
genossen überfallen hatten, als wir hier in dieser Ver
sammlung über diese Dinge gesprochen haben, der sehr
ehrenwerte Herr Faltz die Stirn hatte, hier Dinge zn.
produzieren und sich mit diesen Fällen solidarisch zu er
klären, die sich damals zugetragen haben. Unsere An
träge, die Abhilfe forderten, sind von der äußersten
Rechten bis einschließlich der gesamten Sozialdemokratie
niedergestimmt worden. Es wurde seinerzeit ein An
trag hier angenommen, der nichts anderes bedeutet, als
Gummiknüppelfreiheit für die Polizei gegen die Ar
beiterschaft, wenn hier gesagt wurde: „Wir ermäch
tigen die Polizei", „Wir fordern die Polizei auf", „Wir
haben uns mit dem Polizeipräsidium in Verbindung
gesetzt" usw. Die Früchte dieses Antrages, die Früchte
d'eser Einstellung der Mehrheit dieses Hauses hat die
Arbeiterschaft nachher auszukosten, die muß sie mit
ihrem Blut bezahlen.
Als seinerzeit von irgendwelchen wildgewordenen
Beamten in der Fruchtstraße der Arbeiter Radelfahr
über den Hausen geschossen wurde und wir den Unter
stützungsantrag hier gestellt hatten, hatten wir abermals
Gelegenheit, über den Polizeiskandal in Berlin zu spre
chen, und abermals hatten wir die gesamte Mehrheit
dieses Hauses, von den Sozialdemokraten bis zu den
Völkischen, geschlossen gegen uns.
Nun ist der Arbeiter O w e g e erschossen worden.
Ein Beamter, der an dieser Schießerei beteiligt war, soll
betrunken gewesen sein. Es haben sich währenddessen
auch noch andere Dinge abgespielt. Als nämlich dieser
Arbeiter beerdigt wurde, wagte es wieder eine Kama
rilla von republikanischen Offizieren, in den Leichen
zug hineinzuschlagen, die Trauerdemonstration ausein
anderzuprügeln und nach dem Muster des berühmten
Herrn von Jagow Jagd auf Kranzschleifen zu machen.
(Bei den Komm.: Sehr wahr!)
Diese Entwicklung geht bereits über Herrn von
Jagow hinaus. Der beste Beweis für das wilde Toben
der Polizei in Berlin war ja, daß der Herr Vizedemon
strant, Vizepolizeipräsident Bernhard Weiß, die Gummi-
' knüppel seiner eigenen Garde zu spüren bekommen hat.
(Zuruf bei den Komm.: Zörgiebel muß auch noch
etwas kriegen!)
Wir verweisen darauf, daß einen Tag später in der
Münzstraße ebenfalls Arbeiter erschossen worden sind,
als sie von einem Sportverein kamen. Mögen sie etwas
angeheitert gewesen sein, mögen sie in der Nacht musi
ziert haben. Wir billigen das nicht. Wir glauben aber
noch lange nicht, daß für die Angetrunkenen, die in