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Wir haben schon damals erklärt, daß sich hier in
getarnter Form eine neue Institution des neudeutschen
Imperialismus ausmacht. Wir haben schon bei der
ersten Borlage nachgewiesen, wie gerade mit der Ver
kehrsfliegerschule schon derartige Dinge angekurbelt wer
den, indem man hier solche Institutionen schasst, und
auch die Formulierung im § 3 „die der Förderung
der Luftfahrt mittelbar oder unmittelbar dienen" hat
unserer Ausfassung nach eine ähnliche Bedeutung.
Weiterhin hatte man bei der ersten Begründung
seitens des Magistrats und auch eines Teiles der Mit
glieder der Stadtverordnetenversammlung angeführt,
man müsse zu dem Flughafen Tempelhvf einen soge
nannten Nvtlandeflughafen haben, der evtl. bei einem
verstärkten Flugverkehr später einmal gänzlich für die
Zwecke des Flugverkehrs der Deutschen Lufthansa zur
Perfügung gestellt werden könnte. Da sagt der 5 3
weiter, daß, falls das Bedürfnis bestehen sollte, den
Flugplatz Britz zu allgemeinen Lustverkehrszwecken her
anzuziehen, die Benutzung dieses Flugplatzes für regel
mäßigen Flugverkehr nicht in Frage kommt. Also auch
hier zeigt sich gegenüber dem damals vorherrschenden
Standpunkt, den eine Reihe durchaus namhafter sach
verständiger Flugzeugführer in diesem Ausschuß ver
trat, daß dieses Gelände zu einem zweiten Flugplatz
nicht verwendet werden kann, sondern daß dieses Ge
lände lediglich den Zwecken der Deutschen Versuchs
anstalt dienen still.
Weiter sagt man dann im § 4, daß die Stadt, falls
sie nach Ablauf von 30 Jahren auf Grund des Kün
digungsrechtes das Gelände wieder zurückhaben will,
dann die errichteten Baulichkeiten und sonstigen An
lagen ganz oder teilweise übernehmen muß und dafür
eine angemessene Entschädigung zu zahlen hat.
Noch krasser erscheint uns die Formulierung, daß
nach Ablauf von 99 Jahren die Stadt ebenfalls eine
Entschädigung zu zahlen hat, und zwar nicht nach dem
eigentlichen Werte sondern nach dem Schätzungswerte
der Zweckbestimmung für die Deutsche Versuchsanstalt.
Hier zeigt es sich also, daß man selbst noch für die Zeit
nach 100 Jahren solche Verschlechterungen eingeführt
hat, die der Stadt ungeheure Lasten auch für die spätere
Zeit auferlegen, abgesehen von den Bedingungen, die im
S <i jetzt schon der Stadt Berlin gestellt werden. Da heißt
cs u. a., daß die Stadt Berlin für die gesamte Anlage
der Wasserleitung, der Gasleitung und der Kanali-
sationsleitnng sowie für die Elektrizität usw. zu sorgen
hat, so daß also neben diesen Dingen hier der Stadt
Berlin eine ganze Reihe von beträchtlichen Ausgaben
entsteht.
Weiter ist im § 8 die Verpflichtung der Stadt Ber
lin vorgesehen, bis zum 31. Dezember 1929 auf eigene
Kosten das gesamte Gelände zu planieren, die Ansamung
und Drainierung vorzunehmen und es in den Zustand
zu versetzen, wie es die D. V. L. verlangt.
Wir sind der Auffassung, daß, nachdem eine Mehr
heit der Stadtverordnetenversammlung mit Einschluß
der SPD. für dieses Projekt sicher zu sein scheint, daß
das Reichsverkehrsministerium noch weitergehende For
derungen stellen wird, je nach dem. wie die Mehrheit
der Stadtverordnetenversammlung hier dem Teutschen
Reiche entgegenkommt.
Darüber hinaus hat die Stadt die Verpflichtung zur
Verlegung der Hochspannungsleitung des Golpawerkes.
Hier sind wir ebenfalls der Meinung, daß der Vor
anschlag des Magistrats wahrscheinlich noch zu niedrig
sein wird, zumal in dem jetzt vorliegenden Nachtrag noch
gesagt wird, daß diese Hochspannungsleitung noch weiter
von dem Platz verlegt werden muß und daß hier viel
leicht — ich glaube, darüber besteht noch nicht Klarheit
—, wahrscheinlich sogar, mit einer unterirdischen Leitung
gerechnet werden muß, die dann bei weitem höhere
'. Juni 1928.
Kosten verursachen wird. Jnsgesanst kostet die Stadt
das Projekt 3 % Millionen, wenn man hinzurechnet,
daß noch ungefähr 143 000 qm Gelände gekauft werden
müssen und daß ja nun, nachdem diese zu allem bereite
Mehrheit da ist — das ist ja immer der springende Punkt
bei dieser Geschichte —, wahrscheinlich die Besitzer nist
ihren Forderungen nicht hintanhalten, sondern ver
suchen werden, von der Stadt zu bekommen, was nur
möglich ist.
Wir stellen fest, daß die Kosten, die sich für dieses
Gelände ergeben, ungefähr 314 Millionen betragen und
daß die Stadt Berlin bei ihren augenblicklichen finan
ziellen Schwierigkeiten unserer Auffassung nach andere
wichtigere Aufgaben hat als hier dem Deutschen Reiche
Gelder und Mittel zur Verfügung zu stellen für diese
imperialistischen Zwecke. Wenn das Deutsche Reich schon
glaubt, eine solche Versuchsanstalt notwendig zu
haben, dann soll es in allererster Linie eine
solche Versuchsanstalt in eigene Regie über- |
nehmen und nicht so, wie es jetzt ist und wie J
wir damals auf Grund der Satzungen nachgewiesen .
haben, daß die Privatindustrie ausschlaggebend beteiligt '
ist. Wenn das Deutsche Reich so großes Interesse an der
Versuchsanstalt hat, daun soll es nicht die Lasten der j
Stadt auferlegen sondern soll dann auch selbst die Kosten
für diese Dinge tragen.
Die Stellungnahme des Reichsverkehrsministeri
ums, das in einer ultimativen Form unbedingt klare P
Entscheidung bis zum 7. Juni abends verlangt, hat ja i
bei einer Reihe von Fraktionen, die erst ebenfalls noch \
Bedenken hatten, erwirkt, daß auch diese Fraktionen 1
zustimmen. |
Uns wundert nur die Stellungnahme der Deutsch- !
nationalen Fraktion, die bei der Wahl Plakate geklebt !
hat mit einem Flugzeuge „Dem Siege entgegen!" — es j
ist allerdings anders gekommen — und jetzt im Ausschuß ,
nicht einmal für diesen Flugplatz gestimmt hat, trotzdem ^
sie doch bisher dafür war. Das ist eine Haltung, die uns
einigermaßen in Erstaunen gesetzt hat. Sie fordert die
Wiederherstellung der Magistratsvorlage Nr. 175, wenn
ich nicht irre, die das Gelände östlich von der Buckower
Chaussee dafür vorsieht, und mm, da man das andere
Gelände bekommen kann — also dem Siege ent
gegen —, kneift man.
Stadtv. Trcffert (Z): Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Das Zentrum wird der Magistratsvorlagc
zustimmen. Aber ich halte es für notwendig, zur Be
gründung einige Worte zu sagen.
Die Zentrumsfraktion hat sich seinerzeit für das ur
sprünglich in Aussicht genommene Gelände in Britz ein
gesetzt. Es war damals die Auswahl zwischen Staaken,
Johannisthal und Britz. Wir hielten das Britzer Ge
lände für das geignetste. Die gemachten Einwendungen
wurden sowohl von Sachverständigen als auch durch Be
sichtigungen und unsere Gegenargumente widerlegt. Aber
die Mehrheit stimmte seinerzeit gegen das Projekt, und es
fiel bekanntlich unter den Tisch. Die Folgen waren vor
auszusehen: Abwanderung der Deutschen Verkehrs-
Fliegerschule, also der D. V. F. und der Deutschen Ver
suchsanstalt für Luftschiffahrt, der D.V.L. Die Deutsche
Verkehrsfliegerschule ist bereits am 7. Mai durch Ver
trag mit der Stadt Brannschweig »nwidernflich nach
Braunschweig verlegt worden. Berlin hat also hier in
diesem einen Falle schon das Nachsehen, lind wenn
wir uns heute bezüglich der Deutschen Versnchsanstali
Nicht entscheiden, dann wandert diese ebenfalls ab, und
zwar nach Stuttgart. Das wäre m. E. der zweite Schild
bürgerstreich, der von Berlin begangen werden könnte.
Diese zweite Abwanderung müssen wir unter allen Um
ständen zu verhindern suchen.
Ich hatte damals eine Resolution eingebracht, die
auch Annahme fand, daß der Magistrat ersucht wird,