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Volume No. 2, 19. Januar 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

:24 Sitzung am 19. 
es in Wirklichkeit. Vielleicht haben Sie sich selbst 
davon überzeugt. 
Meine Domen und Herren! Es ist geradezu er 
staunlich, wenn man in dieses Hans hinaufgeht. Die 
Fensterbretter im Trepp enslur haben sich nach der 
linken Seite hin um mindestens 3—4 cm durch 
gebogen. Alles das ist nicht erst seit heute und gestern, 
sondern seit Jahr und Tag der Fall, und immer ist 
diesbezüglich nichts geschehen. Hier gibt es meiner 
Meinung nach keinen Ausweg. Die Hauser müssen 
»abgerissen werden. Es ist gar nichts anderes denk 
bar, als hier von Grund ans neue Häuser herzu 
stellen.. 
Heute wird darüber in der Berliner Presse be 
richtet — Und das ist meiner Meinung nach das 
Wichtigste, denn sonst wäre man vielleicht noch nicht 
dazu übergegangen —, das; die Häuser Nr. 17 und 
18 gesperrt sind. Gestern in der Mittagstünde bin 
ich selbst auf dein Hofe dieser Häuser gewesen und 
habe mir die Geschichte angesehen. Ich weiß nicht, 
ob der Berliner Polizeipräsident früher oder später 
dort gewesen ist. Jedenfalls ist er aber da gewesen, 
und in der 3. Etage ist es ihm fast passiert, daß ein 
etwa 40 Pfd. schweres Stück Decke — so wird es 
wenigstens in den Zeitungen berichtet — ihm auf 
den Kopf gefallen wäre. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Das hätte 
Fischer sein müssen!) 
Eine Frau, deren Kind in unmittelbarer Nähe war, 
hat in dieser kolossalen Erregung dem Herrn Polizei 
präsidenten Zörgiebel und Baurat Fischer dann zu 
gerufen: „Ich hätte Sie mit meinen eigenen Händen 
erwürgt, wenn mein Kind von diesem Stück er 
schlagen worden wäre!" Ich glaube, die Aeußerung 
dieser Frau hat es mit zustande gebracht, daß nun 
der Herr Polizeipräsident zu dem Baurat Fischer 
sagte: Hier muß geräumt werden, das geht nicht 
mehr so weiter, hier muß eingeschritten werden; mit 
diesen Zuständen muß Schluß gemacht werden. — 
Ich glaube, das ist der Knalleffekt bei der 
ganzen Geschichte. Wäre das nicht passiert, dann 
hätte man nichts veranlaßt, trotzdem dort alles auf 
Steifen steht. Die Hinterfront ist schon in der 
Längsseite durch Eisenträger abgefangen. Außerdem 
sind Querträger von Stützen auf Zementklötze an 
gefertigt und auch dazwischen mehrere Schrauben 
eingesetzt. Wenn eines schönen Tages die Schrauben 
nachlassen, dann liegt die Geschichte zu Boden. 
Es gibt also hier durchaus keinerlei Ausrede. 
Es steht außer allem Zweifel, daß an diesen Häusern 
nichts zu retten ist und daß man nicht noch länger 
Berliner Bürger in diesen Häusern wohnen lassen 
kann. Ich bitte Sie, unserm Antrag Ihre Zu 
stimmung zu geben, weil dadurch die Gewähr ge 
geben ist, daß unmittelbar für die bisher dort 
wohnenden Bürger wirklich etwas getan wird. 
. Vorst. Haß: Zur Begründung des dritten An 
trages hat Herr Kollege. Dr, Kawerau das Wort. 
Stadtv. Dr. Kawerau (S): Meine Damen und 
Herren! Nach den Worten des Herrn Vorredners 
kann ich mich kurz fassen. Die Angriffe, die gegen 
die Banpolizei vorgebracht worden sind, scheinen tat 
sächlich begründet zu sein, und es darf hervorge 
hoben werden, daß der Bezirk Charlottenburg seit 
Jahren auf diese Dinge aufmerksam gemacht hat, 
daß der Bezirk Charlvttenburg längst Maßregeln 
getroffen hat, um der drohenden Gefahr vorzu 
beugen, daß es ja aber ohne einen Eingriff 
der Baupolizei nicht möglich gewesen ist, etwas 
Entscheidendes zu tun. Denn die. Leute müssen doch 
erst durch ein baupolizeiliches Verbot die Möglich- 
. Januar 1928. 
feit bekommen, aus ihren Mietverträgen herauszu 
kommen. Wenn sie so ausziehen, müßten sie ja 
die Miete weiter bezahlen. Deswegen war es 
dringend Zeit, daß endlich einmal dieses baupoli 
zeiliche Räumungsgebot ergangen ist. 
Ich möchte bemerken, daß schon vor mehreren 
Tagen das Bezirksamt Charlottenburg die Miet 
parteien befragt hat, ob sie ausziehen wollten. Merk 
würdigerweise haben nicht alle Parteien den Wunsch 
geäußert, auszuziehen, sondern nur ein gewisser Teil, 
und es ist bereits von Charlottenburg mit anderen 
Bezirken und mit dem Zentralwohnungsnachweis in 
Verbindung getreten worden, um für die Ausziehen 
den neue Wohnungen zu beschaffen. Da gilt es, 
daß die Bezirke hier einander hilfreich zur Seite 
stehen, denn es wird nicht möglich sein, in Char- 
lotteuburg selbst sofort alle Parteien unterzubringen. 
Es kann aber auch hier gesagt werden, daß 
im Bezirk Charlottenbnrg mit größter Beschleuni 
gung die im Gange befindlichen Neubauten vor 
wärts getrieben werden, daß schon vielleicht in drei 
Wochen neue Wohnungen zur Verfügung stehen wer 
den, um weitere Mietparteien unterbringen zu 
können. 
Wir haben den Antrag eingebracht, daß der 
Magistrat sofort pekuniär eingreifen müsse, um den 
Bewohnern beim Umzuge behilflich zu sein, um 
den Ladenbesitzern, die schwer geschädigt sind, unter 
Umständen Darlehen gewähren zu können, um mit 
größter Beschleunigung wirklich positive Hilfe leisten 
zu können. 
Meine Damen und Herren! Wir haben weiter 
hin den Antrag eingebracht, daß der Magistrat uns 
eine Vorlage bringen möge, um die ganze Frage 
im Zusammenhange zu erledigen. Wir können nicht 
allein Hebbelstraße 17 betrachten. Der ganze Hän 
se r b l o ck bedarf einer Neuordnung. Es wird sehr 
die Frage sein, ob es sich überhaupt lohnt, ans 
diesem Morast neue Häuser zu errichten oder ob 
man nicht vielleicht unnütz viel Geld hineinsteckt, ob 
es nicht, wie wir es längst in Charlottenburg ver 
langt haben, zweckmäßiger wäre, hier einen Grün 
platz anzulegen, ob es überhaupt sinnvoll ist, auf 
solch einem Boden zu bauen. 
, Ich möchte auch hier noch einfügen, daß es 
das Eingreifen des Bezirksamtes Charlottenburg ge 
wesen ist, das diese in der Oeffentlichkeit so be 
sprochene Gasgeschichte veranlaßt hat. Auf Ein 
greifen vom Bezirksamt ist die Gasgesellschaft dar 
auf aufmerksam gemacht worden, sie möchte hier 
nachprüfen, und die Nachprüfung hat das Ergebnis 
gehabt, daß man abgesperrt hat. Das ist gewiß 
für die Bewohner sehr unangenehm gewesen, aber 
ich glaube, man wird der Gasgesellschaft nachsagen 
müssen, bei einigem Verantwortungsbewußtsein 
mußte gesperrt werden. Man konnte gar nicht 
wissen, wie die Dinge sich gestalten würden, ob nicht 
in den Ritzep sich vielleicht Gasmengen halten 
könnten, ob nicht durch die Entzündung eines Streich 
holzes leicht eine Explosion entstehen könnte, nach 
dem das alles gelockert lvar und nachdem man gar 
nicht mehr imstande war, sich ein genaues Bild über 
die Situation zu machen. 
Zum Schluß möchte ich noch hervorheben, daß 
es doch angebracht sein wird, daß man das sehr 
merkwürdige Verhalten des Oberbaurats Fischer ein 
mal etwas unter" die Lupe nimmt. Es ist 
s ch l e ch t e r d i n g s tt i ch t verständlich, daß 
m a n in i t ei n e r s o I ch e n Langmut diese u 
Zuständen gegenübersteht, während man 
sonst gar nicht rigoros genug sein kann seitens der 
Baupolizei mit Plackereien in Fällen, wo längst nicht 
derartige Gefahren auf dem Spiele stehe». Es ist 
sehr zu begreifen, daß die Erregung der Bewohner
	        
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