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Volume No. 18, 26. April 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

an" 
ti Stadtv. Lüdicke (DN): Meine Damen und Herren! 
’i Meine Freunde haben die Anfrage Nr. 326 an den 
Magistrat gerichtet. Nach meiner Information hat der 
Magistrat sich bereit erklärst die Anfrage zu beant 
worten. Er hat es in der heutigen Sitzung nicht getan. 
9 Jtf) weiß nicht, ob das irgendwelche Absicht isst oder 
:= Ms das bisherige Schweigen des Magistrats bedeuten 
- soll. An sich ist es doch selbstverständlich, daß der 
' Magistrat, wenn eine Anfrage an ihn gerichtet wird, 
e das Wort dazu nimmt und die Anfrage beantwortet. 
Aus der Antwort würden wir dann ersehen, ob eine 
Besprechung stattfinden soll oder nicht. In die Be- 
b sprechung ist man aber schon eingetreten, ohne daß über- 
1 Haupt eine Frage wegen der Besprechung gestellt worden 
ist. Aber der Herr Vorsteher hat ja schon sein 
Berschen anerkannt. 
Vorst.-Stellv. Degner: Meine Damen und Herren! 
Unmittelbar nach Beginn der Rede des Herrn Heinicke 
»nd vor der Rede des Herrn Stadtv. Lüdicke hatte sich 
. der Herr Stadtschulrat bereits zum Wort gemeldet. Zur 
Geschäftsordnung liegen Wortmeldungen nicht mehr 
i vor. Ich erteile dem Herrn Stadtschulrat das Wort. 
Stadtschulrat Nydahl: Meine Damen und Herren! 
' Es ist an sich bedauerlich, daß sich in jedem Jahre die 
Auseinandersetzungen und die Kämpfe um die Er- 
e richtung von Sammelschulen in der Berliner Schul- 
depntation 1—6 und auch hier im Stadtparlament 
° wiederholen. Es ist zu verstehen, daß zur Zeit des 
j Wahlkampfes diese Erörterungen recht häufig etwas un- 
| angenehme Formen annehmen können. Aber solange 
. wir noch kein Reichsschulgesetz haben, haben wir immer 
noch die Verpflichtung, seitens der Verwaltung für 
' Angehörige jeder Glaubensrichtung für die Errichtung 
I besonderer Schularten Sorge zu tragen. Wann das 
Reichsschulgesetz kommen wird, kann vielleicht kaum ein 
' Mitglied dieser Versammlung voraussagen. Aber eine 
gesetzliche Unterlage für die Errichtung von weltlichen 
Schulen kann natürlich erst gegeben werden nach Erlaß 
eines Reichsschulgesetzes. 
(Rechts: Richtig!) 
1 Die Errichtung von Sammelschulen kann lediglich als 
eine Notlösung angesehen werden. 
Ich darf für die. Errichtung der jetzigen Sammcl- 
schnlen ganz kurz historisch die Durchführung der Auf 
gaben skizzieren. Die große Zahl der vorgelegten An 
träge von Erziehungsberechtigten auf Einschulung ihrer 
Kinder in Sammelschulen, wenn auch etwas.verspätet 
vorgelegt, veranlaßten trotzdem die Verwaltung, sofort 
die erforderlichen Borbereitungsmaßnahmen zu er 
greifen. 
(Links: Sehr richtig!) 
Tie gesamten Anträge auf Umschulung in die neu zu 
errichtenden Sammelschulen sind von juristischer Seite 
geprüft und als einwandfrei festgestellt worden. 
(Hört, hört!) 
Daraufhin haben die erforderlichen Beratungen in der 
Porinstanz der Kreisschulräte und dann in der Bezirks- 
schuldeputation stattgefunden. Diese als die allein zu 
ständige örtliche Instanz hat die Errichtung dieser neuen 
ß Sammelschulen beschlossen. Ich bemerke, es handelt 
sich nicht um 7. Die siebente ist nur die Verselbständi 
gung einer bereits bestehenden Filiale einer Sammel 
schule im Bezirk Kreuzberg. Neu errichtet worden sind 
lediglich 6 Sammelschulen. In den Jahren vorher 
hoben wir immer die Erfahrung machen müssen, wenn 
es sich um die Errichtung von Sammelschulen handelte, 
daß bei Errichtung die Zahl der Kinder 30—40% höher 
war als die Zahl der vorher angemeldeten. 
(Sehr richtig! und Hört, hört!) 
(Zurufe: Wieviele waren zurückgezogen, Herr 
Stadtschulrat?) 
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— Warten Sie ruhig ab. Die Zahlen nenne ich, ich stehe 
Rede und Antwort auf jede Frage. — Ich sagte, früher 
hatten wir immer einen solchen starken Andrang, daß 
wir saunt in der Lage waren, mit den in Aussicht ge 
nommenen Räumen auskommen zu können. Ich gestehe 
ganz offen, daß in diesem Falle die Zahlen nicht so aus 
gefallen sind, 
(Rechts: Hört, hört! Na also!) 
daß nach dieser Richtung hin für die Verwaltung 
Schwierigkeiten erwachsen könnten. Es könnte nach den 
vorgelegten Meldungen angenommen werden, daß wir 
mit einer Schülerzahl von 1900 zu rechnen haben 
würden. Ich habe mir von Woche zu Woche die Zahlen 
vortragen lassen, es handelt sich um einige hundert 
weniger, das hat sich herausgestellt. Es sind etwas 
mehr als 1600 Kinder. Trotzdem muß diese Zahl als 
völlig hinreichend zur Errichtung dieser 6 Sammel 
schulen angesehen werden. Darüber kann kein Zweifel 
bestehen. Ich will mich nicht darüber auslasten, ob 
von irgendeiner Seite, ob von Freunden der Sammel 
schule oder von Gegnern in irgendeiner Weise die Maß 
nahmen der Verwaltung für die Durchführung der Um 
schulung usw. in irgendeiner Form sabotiert worden 
find. Die zuständigen Schulräte haben alle an sie ge 
langten Anträge geprüft und die erforderlichen Maß 
nahmen getroffen. Hinsichtlich der Zuteilung — ich 
denke, man will auf die Verhältnisse Sonnenburger 
Straße anspielen — hat mir der zuständige Schulrat 
mitgeteilt, daß sämtliche Ueberweisungen von anderen 
Schulen immer nur unter seiner Billigung stattgefunden 
haben und daß von einer Ueberführung von Klassen 
von ändern bestehenden weltlichen Schulen überhaupt 
nicht die Rede sein kann. Es kann bei den 612 Kindern 
sich nur um die 36 Kinder handeln, die infolge der 
weiten Wege von den andern Sammelfchulen den neuen 
Sammelschulen zugeteilt worden sind. 
(Bei den Soz.: Das ist eine Selbstverständlichkeit!) 
Im übrigen darf ich bemerken, daß das Bezirksamt nicht 
das Recht hat, etwa frei werdende Räume für andere 
Zwecke, z. B. für Bürozwecke, zu verwenden. Die Schul 
verwaltung würde dazu niemals ihre Zustimmung 
geben. 
Die Durchführung der vorbereitenden Maßnahmen 
war so zeitig erfolgt, daß noch zu Ostern die Anträge 
der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden konnten. Die 
Verhandlungen auf Grund einer Beschwerde des Reichs 
verbandes evangelischer Eltern und Volksbündler im 
Ministerium haben das Ergebnis gehabt, daß das Mini 
sterium die Maßnahmen der Schulverwaltung gebilligt 
hat und auch ausdrücklich die bedauerliche Tatsache er-' 
klärt, daß die gesetzlichen Unterlagen fehlen. Es hat 
zum Schluß dringend darauf hingewiesen, und alle an 
wesenden Vertreter haben dem zugestimmt, daß in 
Zukunft bei Errichtung von Sammelfchulen so zeitig 
die vorbereitenden Maßnahmen getroffen werden 
können, daß nicht in einer etwas überstürzten Form 
die gesamten Arbeiten vorgenommen werden. 
Meine Damen und Herren! Wenn die Schul 
verwaltung nach dem Einreichen der vielen Anträge 
sofort die Arbeiten in Angriff genommen hat, so kann 
ntan ihr daraus zunächst keine Vorwürfe machen. Hätte 
sie Anträge unberücksichtigt gelassen, dann wäre es noch 
viel schlimmer geworden. Im übrigen teilte der Mi 
nister an den genannten Verband mit: 
„In voller Uebereinstimmung mit Ihren Aus 
führungen bestätige ich, daß ein Antragsverfahren 
auf Einrichtung weltlicher Schulen ausgeschlossen ist, 
solange das zur Ausführung des Artikels 146 Absatz 2 
RV. vorgesehene Reichsgesetz nicht erlassen ist. So 
wenig es bis dahin in Preußen „weltliche Schulen" 
im Sinne der Reichsverfassung gibt, so wenig gibt es 
ein Antragsverfahren auf Einrichtung solcher Schulen, 
dessen Regelung im einzelnen erst der ein Reichs- 
Sitzung am 26. April 1928.
	        
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