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ti Stadtv. Lüdicke (DN): Meine Damen und Herren!
’i Meine Freunde haben die Anfrage Nr. 326 an den
Magistrat gerichtet. Nach meiner Information hat der
Magistrat sich bereit erklärst die Anfrage zu beant
worten. Er hat es in der heutigen Sitzung nicht getan.
9 Jtf) weiß nicht, ob das irgendwelche Absicht isst oder
:= Ms das bisherige Schweigen des Magistrats bedeuten
- soll. An sich ist es doch selbstverständlich, daß der
' Magistrat, wenn eine Anfrage an ihn gerichtet wird,
e das Wort dazu nimmt und die Anfrage beantwortet.
Aus der Antwort würden wir dann ersehen, ob eine
Besprechung stattfinden soll oder nicht. In die Be-
b sprechung ist man aber schon eingetreten, ohne daß über-
1 Haupt eine Frage wegen der Besprechung gestellt worden
ist. Aber der Herr Vorsteher hat ja schon sein
Berschen anerkannt.
Vorst.-Stellv. Degner: Meine Damen und Herren!
Unmittelbar nach Beginn der Rede des Herrn Heinicke
»nd vor der Rede des Herrn Stadtv. Lüdicke hatte sich
. der Herr Stadtschulrat bereits zum Wort gemeldet. Zur
Geschäftsordnung liegen Wortmeldungen nicht mehr
i vor. Ich erteile dem Herrn Stadtschulrat das Wort.
Stadtschulrat Nydahl: Meine Damen und Herren!
' Es ist an sich bedauerlich, daß sich in jedem Jahre die
Auseinandersetzungen und die Kämpfe um die Er-
e richtung von Sammelschulen in der Berliner Schul-
depntation 1—6 und auch hier im Stadtparlament
° wiederholen. Es ist zu verstehen, daß zur Zeit des
j Wahlkampfes diese Erörterungen recht häufig etwas un-
| angenehme Formen annehmen können. Aber solange
. wir noch kein Reichsschulgesetz haben, haben wir immer
noch die Verpflichtung, seitens der Verwaltung für
' Angehörige jeder Glaubensrichtung für die Errichtung
I besonderer Schularten Sorge zu tragen. Wann das
Reichsschulgesetz kommen wird, kann vielleicht kaum ein
' Mitglied dieser Versammlung voraussagen. Aber eine
gesetzliche Unterlage für die Errichtung von weltlichen
Schulen kann natürlich erst gegeben werden nach Erlaß
eines Reichsschulgesetzes.
(Rechts: Richtig!)
1 Die Errichtung von Sammelschulen kann lediglich als
eine Notlösung angesehen werden.
Ich darf für die. Errichtung der jetzigen Sammcl-
schnlen ganz kurz historisch die Durchführung der Auf
gaben skizzieren. Die große Zahl der vorgelegten An
träge von Erziehungsberechtigten auf Einschulung ihrer
Kinder in Sammelschulen, wenn auch etwas.verspätet
vorgelegt, veranlaßten trotzdem die Verwaltung, sofort
die erforderlichen Borbereitungsmaßnahmen zu er
greifen.
(Links: Sehr richtig!)
Tie gesamten Anträge auf Umschulung in die neu zu
errichtenden Sammelschulen sind von juristischer Seite
geprüft und als einwandfrei festgestellt worden.
(Hört, hört!)
Daraufhin haben die erforderlichen Beratungen in der
Porinstanz der Kreisschulräte und dann in der Bezirks-
schuldeputation stattgefunden. Diese als die allein zu
ständige örtliche Instanz hat die Errichtung dieser neuen
ß Sammelschulen beschlossen. Ich bemerke, es handelt
sich nicht um 7. Die siebente ist nur die Verselbständi
gung einer bereits bestehenden Filiale einer Sammel
schule im Bezirk Kreuzberg. Neu errichtet worden sind
lediglich 6 Sammelschulen. In den Jahren vorher
hoben wir immer die Erfahrung machen müssen, wenn
es sich um die Errichtung von Sammelschulen handelte,
daß bei Errichtung die Zahl der Kinder 30—40% höher
war als die Zahl der vorher angemeldeten.
(Sehr richtig! und Hört, hört!)
(Zurufe: Wieviele waren zurückgezogen, Herr
Stadtschulrat?)
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— Warten Sie ruhig ab. Die Zahlen nenne ich, ich stehe
Rede und Antwort auf jede Frage. — Ich sagte, früher
hatten wir immer einen solchen starken Andrang, daß
wir saunt in der Lage waren, mit den in Aussicht ge
nommenen Räumen auskommen zu können. Ich gestehe
ganz offen, daß in diesem Falle die Zahlen nicht so aus
gefallen sind,
(Rechts: Hört, hört! Na also!)
daß nach dieser Richtung hin für die Verwaltung
Schwierigkeiten erwachsen könnten. Es könnte nach den
vorgelegten Meldungen angenommen werden, daß wir
mit einer Schülerzahl von 1900 zu rechnen haben
würden. Ich habe mir von Woche zu Woche die Zahlen
vortragen lassen, es handelt sich um einige hundert
weniger, das hat sich herausgestellt. Es sind etwas
mehr als 1600 Kinder. Trotzdem muß diese Zahl als
völlig hinreichend zur Errichtung dieser 6 Sammel
schulen angesehen werden. Darüber kann kein Zweifel
bestehen. Ich will mich nicht darüber auslasten, ob
von irgendeiner Seite, ob von Freunden der Sammel
schule oder von Gegnern in irgendeiner Weise die Maß
nahmen der Verwaltung für die Durchführung der Um
schulung usw. in irgendeiner Form sabotiert worden
find. Die zuständigen Schulräte haben alle an sie ge
langten Anträge geprüft und die erforderlichen Maß
nahmen getroffen. Hinsichtlich der Zuteilung — ich
denke, man will auf die Verhältnisse Sonnenburger
Straße anspielen — hat mir der zuständige Schulrat
mitgeteilt, daß sämtliche Ueberweisungen von anderen
Schulen immer nur unter seiner Billigung stattgefunden
haben und daß von einer Ueberführung von Klassen
von ändern bestehenden weltlichen Schulen überhaupt
nicht die Rede sein kann. Es kann bei den 612 Kindern
sich nur um die 36 Kinder handeln, die infolge der
weiten Wege von den andern Sammelfchulen den neuen
Sammelschulen zugeteilt worden sind.
(Bei den Soz.: Das ist eine Selbstverständlichkeit!)
Im übrigen darf ich bemerken, daß das Bezirksamt nicht
das Recht hat, etwa frei werdende Räume für andere
Zwecke, z. B. für Bürozwecke, zu verwenden. Die Schul
verwaltung würde dazu niemals ihre Zustimmung
geben.
Die Durchführung der vorbereitenden Maßnahmen
war so zeitig erfolgt, daß noch zu Ostern die Anträge
der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden konnten. Die
Verhandlungen auf Grund einer Beschwerde des Reichs
verbandes evangelischer Eltern und Volksbündler im
Ministerium haben das Ergebnis gehabt, daß das Mini
sterium die Maßnahmen der Schulverwaltung gebilligt
hat und auch ausdrücklich die bedauerliche Tatsache er-'
klärt, daß die gesetzlichen Unterlagen fehlen. Es hat
zum Schluß dringend darauf hingewiesen, und alle an
wesenden Vertreter haben dem zugestimmt, daß in
Zukunft bei Errichtung von Sammelfchulen so zeitig
die vorbereitenden Maßnahmen getroffen werden
können, daß nicht in einer etwas überstürzten Form
die gesamten Arbeiten vorgenommen werden.
Meine Damen und Herren! Wenn die Schul
verwaltung nach dem Einreichen der vielen Anträge
sofort die Arbeiten in Angriff genommen hat, so kann
ntan ihr daraus zunächst keine Vorwürfe machen. Hätte
sie Anträge unberücksichtigt gelassen, dann wäre es noch
viel schlimmer geworden. Im übrigen teilte der Mi
nister an den genannten Verband mit:
„In voller Uebereinstimmung mit Ihren Aus
führungen bestätige ich, daß ein Antragsverfahren
auf Einrichtung weltlicher Schulen ausgeschlossen ist,
solange das zur Ausführung des Artikels 146 Absatz 2
RV. vorgesehene Reichsgesetz nicht erlassen ist. So
wenig es bis dahin in Preußen „weltliche Schulen"
im Sinne der Reichsverfassung gibt, so wenig gibt es
ein Antragsverfahren auf Einrichtung solcher Schulen,
dessen Regelung im einzelnen erst der ein Reichs-
Sitzung am 26. April 1928.