Sitzung am 19. April 1928. 439
Angehörige einer Kirchengcmeinschaft in einem
Krankenhause sind. Wie soll die Bedürfnisfrage ge-
Herr Stadtrat Schminke bekommt an Gerichts
stelle noch Gelegenheit, die Behauptung zu beweisen,
die er ausgestellt hat, die Geistlichen gingen bloß des
halb in die Krankenhäuser — natürlich sind damit
evangelische und katholische Pfarrer gemeint —, um
auf die Leute einzuwirken, damit sie ihre Erbschaft
noch in letzter Minute der katholischen oder evange
lischen Kirche vermachten. Er ist aufgefordert worden.
Belege dafür zu erbringen. Bis heute hat er diese
Belege noch nicht erbracht. Das dürfte Ihnen be
kannt sein. Aus diesem Grunde wird ihm Gelegen
heit gegeben werden, seine Beweise an anderer Stelle
zu erbringen.
(Zuruf des Stadtv. Roth: Die Kirche hat einen
großen Magen!)
Der Magen der kommunistischen Partei ist
sicherlich nicht kleiner als der der Kirche. Sie nehmen
das Geld sicherlich von ganz anderen Stellen und
aus anderen Quellen im In- und Auslande. Das
macht die katholische Kirche nicht, darauf können Sie
sich verlassen. Bon einer Erpressung, die hier au
den Kranken ausgeübt wird, kann gar keine Rede
sein. Die Fälle haben Sie erst noch zu beweisen.
Genau so hat sich Herr Stadtrat Schminke dazu ver
stiegen, zu behaupten, ein katholischer Geistlicher
hätte versucht, Beamte zu bestechen. Der katholische
Geistliche hat Herrn Schminke sofort einen Brief ge
schrieben und gefragt, ob er diese Behauptung auf
recht erhält. Darauf hat Herr Stadtrat Schminke
geantwortet,, er hätte ja seinen Namen gar nicht
genannt. Gewiß hat er diesen Namen nicht ge
nannt. Er hat aber von katholischen Geistlichen
geredet, mit) an diesem Abeuo war in der Neuköllner
Bezirksversammlung von keinem anderen katholischen
Geistlichen die Rede als von diesem. Deshalb kann
ein anderer nicht gemeint sein als Pfarrer Metzner.
Nun ist ein zweiter Brief an Herrn Stadtrat
Schminke gegangen, in dem er gebeten wurde, wenn
er diesen Namen nicht genannt habe, den Namen des
Geistlichen mitzuteilen, der Beamte zu bestechen ver
sucht hat. Daraufhin ist noch keine Antwort ergangen.
Wir werden Herrn Stadtrat Schminke Gelegenheit
geben, an anderer Stelle zu beweisen, welcher
katholische Geistliche die Beamten zu bestechen versucht
hat. Sv kann man sich nicht in einer Bezirksver
sammlung hinstellen, besonders nicht als Beamtete
Person, und von „Pfaffen" und „diesen Menschen"
reden und mit ähnlichen Ausdrücken arbeiten, wie
mau das hier tut.
(Stadtv. Roth: Natürlich mit Recht!)
Sie können das als kommunistischer Stadtverord
neter, aber ein Stadtrat sollte doch etwas über den
Dingen stehen und sollte nicht mit kommunistischen
Schlagworteu kommen auf den Bänken des Ma
gistrats.
(Stadtv. Noth: In der bürgerlichen Literatur
finden Sie soviel!)
In der Verfassung sind uns diese Grundrechte ge
währleistet, und wir üben diese Grundrechte aus.
(Zwischenruf des Stadtv. Roth.)
(Vorst. Haß: Herr Kollege Roth, ich bitte Sie,
nicht dauernd den Redner zu unterbrechen!)
Herr Stadtrat Schminke stellt sich auf den
Stadtpunkt, und wahrscheinlich auch Sie: Mau muß
die Bedürfnisfrage prüfen. Man muß zuerst einmal
feststellen, ob ein Bedürfnis vorhanden ist in den
Krankenhäusern nach der Seelsorge, nach einem Geist
lichen. Wer soll denn die Bedürfnisfrage prüfen?
Etwa Herr Stadtrat Schminke? Dann wissen wir,
wie sie zu beantworten ist. Wir stehen auf dem
Standpunkte, daß zunächst die Bedürfnisfrage von
den Kranken selbst oder von der Kirche zu prüfen ist.
Ein Bedürfnis ist jedesmal vorhanden, wenn gläubige
prüft werden?
(Zuruf: Das ist der Wunsch des einzelnen!)
— Ja, der Wunsch des einzelnen. — Herr Stadt
rat Schminke hat den Pfarrer von Neukölln ge
beten, ihm nachzuweisen, welche Kranken wünschen,
daß er das Krankenhaus betreten soll. Erst ver
bietet man ihm das Betreten des Krankenhauses und
sagt: Dü darfst nur kommen, wenn du gerufen
wirst. Dann sagt man: Teile uns einmal mit, welche
von den jetzt im Krankenhaus Befindlichen das Be
dürfnis nach einem Geistlichen haben. Außerdem
kann ja das Bedürfnis wechseln. Es ist leicht mög
lich, daß heute z. B. sich nicht ein einziger Katholik
im städtischen Krankenhause befindet, es darf aber
ein größeres Unglück passieren bei der Eisenbahn
oder in der Stadt und es werden plötzlich 10, 20 oder
30 Katholiken ins Krankenhaus eingeliefert.
(Zuruf bei den Kommunisten: Da reichen die
Pfarrer nicht aus!)
Will daun Herr Stadtrat Schminke auch erst wieder
eine Rundfrage unter den Verunglückten erlassen und
prüfen, ob sie das Bedürfnis nach einem Geistlichen
haben? Ich glaube, es ist geradezu lächerlich, wenn
man so arbeiten will. Wo es sich um Kranke oder
oder Tote handelt, da ist nicht erst die Bedürfnis
frage festzustellen.
(Zwischenruf des Stadtv. Roth.)
Es handelt sich auch um Tote in den Kranken
häusern, denn die Krankheit führt bei soundso vielen
Menschen zum Tode, das wissen Sie auch. Ihnen
scheint ja die Angelegenheit mit den Kranken und
Toten höchst lächetlich zu sein. Ich bebaute, daß man
über diese Tatsache nicht mit ernsteren Leuten dis
kutieren kaun als mit Ihnen.
Ich stehe auf dem Standpunkte, die Bedürfuis-
friMe ist geklärt, ein Bedürfnis ist vorhanden, wenn
auch nur ein einziger, der zu der einen oder
anderen Religionsgemeinschaft gehört, in einem
Krankenhause sich befindet. Der Geistliche hat die
Pflicht, dorthin zu gehen. Die Sache ist auch schon
durch Gerichtsurteil geklärt. Sie sagen ja, die
Zeitungen von uns sind Ihnen zugestellt worden,
die sich in der letzten Zeit mit dieser Frage besaßt
haben. Meine Damen und Herren, es haben sich die
verschiedensten Juristen und Aerzte geäußert. Die
Aerzte haben sich dahin geäußert, ob es den Kranken
— wie Frau Hoffmann-Gwiuner sagt — bei ihrem
Gesundheitszustände schadet, und die Juristen, die sich
ganz eingehend mit der Reichsverfassuug und dem be
stehenden Recht befaßt haben, haben ebenfalls ihren
Standpunkt dargelegt, wieweit der Leiter eines
Krankenhauses berechtigt ist, den Geistlichen von
einem Krankenhause fernzuhalten. Meine Damen
und Herren, daran kommen Sie nicht vorbei. Ich
wundere mich nur, daß diese Zwischenrufe, Herr
Kollege Gärtner, gerade bei den Sozialdemokraten
so starken Widerhall finden. Ich kaun es verstehen,
wenn die Kommunisten in ganz rücksichtsloser und
geradezu brutaler Weise vorgehen und nicht bas' ge
ringste Empfinden und Verständnis für religiöse
Handlungen haben. Aber daß Sie auf der sozial
demokratischen Seite, gerade in Ihren Kreisen, wo
man sogar einen Bund der religiösen Sozialisten hat,
in den' Kreisen, wo man sich mit diesem Problem
etwas ernsthafter befaßt als in der Stadtverordnetem
„ Versammlung, daß Sie in dasselbe Horn tuten wie
die Kommunisten, wundert mich doch sehr. Ich
glaube, wenn Sie uns immer plausibel machen
wollen, daß man mit Ihnen zusammenarbeiten kaun.,
dann sage ich Ihnen: Wir können auf vielen Ge
bieten, so in sozialer, wirtschaftlicher und politischer
Beziehung zusammenarbeiten, aber hier, Herr Kollege