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Volume No. 13, 27. März 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

326 Sitzung am 27. März 1928. 
wurden ist, dann wird erst das eigentliche Problem 
deutlich werden, die Frage der Auslese der ge 
eigneten Kinder für die w i s s e n s ch a f t - 
l i ch e Fortbildung. Wir sind uns bewußt, daß 
die Planwirtschaft, die durchgeführt worden ist und 
von der wir an dieser Stelle noch einmal hervor 
heben müssen, daß hier ein großes Werl begonnen 
worden ist, wir sind uns bewußt, daß sie nur ein 
Anfang ist, daß es zunächst nur ein Beschnei 
den von wilden Schößlingen ist, daß die 
eigentliche positive Aufgabe erst k o m in t, wenn 
dieses Problem mit aller Deutlichkeit hervorgetreten 
sein wird. 
Genau so liegt es bei der Denkschrift und bei 
dem Platte zur Ausgestaltung der Volksschule. Was 
hier von der Schulverwaltung vorgeschlagen worden 
ist, ist zunächst ein Ding, das gut und böse werden 
kann, z u n ä ch st ein neutrales, und e s 
kommt darauf n tt, wie die Dinge fort 
gesetzt werden. Es kommt darauf an, was 
daraus später gemacht werden wird, ob die Dinge 
wirklich in dem Sinne pädagogisch sich auswirken 
werden, wie wir hoffen. Aber wir geben an dieser 
Stelle dem Vertrauen zur Schulverwal - 
tung Ausdruck, daß die Schulverwaltung nach 
diesen vorbereitenden Maßnahmen dann später auch 
die positive Aufgabe lösen wird, die dahinter steht, 
die uns von Jahr zu Jahr näher rückt und einmal 
energisch angefaßt werden muß. 
Wir sehen auch, daß der weitere Ausbau der 
Waldschulen und Landschulheime immer, dringender 
gefordert wird sowohl ans hygienischen und Vvlks- 
wohlfahrtsinteressen als aber auch aus pädagogischen 
Interessen. Das eigentliche Gemeinschafts 
leben der Kinder entwickelt sich 
nirgends so stark und so lebendig wie 
in solchen Tagesschulen am Rande der 
G r o ß st a d t. Es sind bis jetzt erst bescheidene An 
sätze vorhanden. Die Stadt Berlin muß daran 
gehen, ganz planmäßig rings um Berlin herum ein 
Netz solcher Tageswaldschulen zu schaffen, das vor 
allen Dingen zur Verfügung steht für d i e Kinder, 
die in der eigentlichen Steinhölle, im Zentrum, 
wohnen, wo sie nicht Licht und nicht Luft haben, 
wo sie von der Natur abgesperrt sind. 
Meine Damen und Herren! Es wird am Schluß 
noch einmal notwendig sein, darauf hinzuweisen, 
was die Berichterstattern! schon erwähnt hat, daß es 
unerträglich für die Stadt Berlin ist, wenn sie 
dauernd vom Provinzialschulkollegium bevormundet 
wird. Wir haben es eben wieder erlebt in der Frage 
der Dienstanweisung für die Stadtturnräte, wie 
das Provinzialschulkollegium, wo ein Paragraphen 
kult ersten Ranges herrscht, die eigentliche freie 
Entwicklung des Schulwesens zu hemmen sucht, weil 
es immer in dem Standpunkte besangen ist: Wie 
werden am besten die staatlichen Aufsichtsrechte ge 
wahrt und wie wird das städtische Schulwesen ant 
besten gegängelt? Es ist die höchste Zeit, daß der 
Stadt endlich selber das S ch ulanf 
ficht § r e ch t übertrage n w i r d. Erst dann 
ivird Bcrliit in der Lage sein, das Schulwesen zu 
entwickeln, wie wir es fordern. Wir erwarten und 
haben die Hoffnung, daß die Energie der Berliner 
Bürgerschaft, in diesem Falle vertreten durch ihre 
Schulverwaltung, es erreichen wird, daß von Jahr 
zu Jahr der Weg gegangen wird zu dies e m 
klaren und deutlichen Ziele, ein wirf- 
l i ch soziales und p ä d a g v g i s ch e s S ch n l - 
wesen für Berlin aufzubauen. . 
Stadtv. Mcnz (K): Meine Damen und Herren! 
Wir können in dieses Loblied, das von der Bericht 
erstatterin und von dem Herrn Kollegen Kaweran 
über das Berliner Schulwesen angestimmt toorbenl 
ist, nicht einstimmen. 
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das wissen I 
wir!) 
Wir sind ganz entgegengesetzter Meinung. Berlin! 
hat absolut keinen Grund, auf sein Schulwesen stolz! 
zu sein. Man hat den Eindruck, daß diese Aus-! 
führungen dazu dienen sollen, die Zustimmung zuJ 
Streichung von 3 Millionen für Schulhausneubauten! 
etwas zu bemänteln und sich so der Oeffentlichkeii! 
gegenüber zu rechtfertigen. Diesen Eindruck machen! 
die Lvbeshymuen, die man angestimmt hat. ! 
Meine Damen und Herren! Wie ist es möglich,! 
daß in Berlin noch Sch ul Häuser existieren, von dem»! 
der Herr Schularzt selbst sagt, es dürfte darin nicht! 
mehr unterrichtet werden, bei denen die Baupolizei! 
droht und wo die Gasanlagen derartig sind, bastl 
Vergiftungen stattfinden können! Bis heute ist ttockI 
nicht Abhilfe geschafft worden. Man sucht immer! 
noch nach Räumen für anderweitige Unterbringung. I 
Unter den Umständen hat Berlin gar keinen Grund,I 
stolz auf sein Schulwesen zu sein. Ich glaube, ml 
dem kleinsten Dorfe in Ostpreußen, das ja auch I 
früher nicht vorbildlich war, finden Sie nicht solche I 
Schulhäuser, wie sie heute noch in Berlin vor ! 
kommen. Das hindert aber den Magistrat nicht,! 
einfach 3 Millionen für Schulhausneubauten zu! 
streichen. Das hindert die Sozialdemokratische Par I 
tei nicht, einfach dieser Streichung zuzustimmen und 
eine kleine Salbe aufzulegen mit der .Hoffnung, 
daß durch Nachforderung die Geschichte beseitigt 
werden kann. Herr Kollege Kawerau sagt: Die 
bittere Notwendigkeit gebietet uns, zuzustimmen. 
Wir sind überzeugt davon, daß die Sozialdeme-1 
Erotische Partei nach einem halben Jahre kommen 
und sagen wird: Die Notwendigkeit ist da, wir 
können eben nicht Abhilfe schaffen. 
Meine Damen und Herren! Dann hat die Be 
richtet statterin betont, daß Mittel eingesetzt sind, 
die besonders das soziale Verständnis der Schulver 
waltung beweisen. Wenn Berlin bis heute noch 
nicht soweit gekommen ist, allen Volksschülern und 
-schülerinnen die in der Verfassung gewährleistete 
Lehr- und Lernmittelfreiheit zu geben, wie es 
manche kleine Stadt in Sachsen, Thüringen und auch 
in Preußen schon tut, dann braucht Berlin nicht stolz 
auf sein Schulwesen zu sein. Dann braucht es 
nicht stolz zu sein auf sein soziales Verständnis. 
Die kleinen Erhöhungen der Mittel haben uns nur 
immer gezeigt, daß sie niemals ausreichend waren, 
daß immer Bittgänge gemacht werden müssen zu den 
Wohlfahrtsämtern, damit endlich die Kinder die 
freien Lernmittel erhalten. Es ist ja auch bezeich 
nend für die Sozialdemokratische Partei, die selber 
seinerzeit in ihrem Schnlprogramm mit aller Bra 
vour diese Forderung vertreten hat, heute einfach 
von dieser Forderung Abstand nimmt. Ja, Sie 
vertraten sie. Herr Kollege Kawerau ist ein großer 
Optimist, er glaubt durch die Staffelung des Schul 
geldes einmal dahin zu kommen, daß überhaupt eine 
Befreiung der Kinder vom Schulgeld erreicht wird. 
Diesen Optimismus, teilen mir auf keinen Fall. 
Meine Damen und Herren! Wir haben eine 
Reihe von Anträgen gestellt, die noch sehr dürftig 
sind. Wir dürfen aber ganz bestimmt erwarten, daß 
die Anträge, die nur ein ganz Geringes anflveiseii, 
zum mindesten heute von der Versammlung ange 
nommen werden, nachdem sie der Haushaltsausschuß 
in seiner Mehrheit abgelehnt hat. 
Wir verlangen z. B., daß für die Volksschulen 
jetzt «'Nähmaschinen angeschafft werden. Die Summe 
ist so gering, daß man nicht damit kommen sollte: 
Das kostet etwas. Die Summe ist geringer als die
	        
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