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Volume No. 1, 12. Januar 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

8 Sitzung am 12. 
gebaut ist, der das Ausströmen des Gases bei star 
kem Druck verhindern soll. Namentlich im Winter, 
wenn dieser Wassertopf einfriert, hat man keine 
Gewahr, daß bei stärkerem Druck, namentlich bei 
180 mm, also bei der stärksten Druckwelle, das Gas 
trotzdem durchdruckt und die Gefahr größer wird. 
Hier haben die Betriebsräte der städtischen Gesell 
schaften schon damals verlangt, daß Ventile eingebaut 
werden und das; der Wassertopf beseitigt wird, weil 
die Ventile eine bessere Garantie bieten. Diese For 
derung erheben wir heute erneut und verlangen, daß 
der berechtigten Forderung der Betriebsräte hier zum 
Durchbruch verholfen wird. Wir glauben, daß letzten 
Endes die Ursachen der Katastrophe hierin zu suchen 
sind. 
Wir haben bei dieser Gelegenheit als letzten 
Punkt in unserem Dringlichkeitsantrage festgelegt und 
Verlangt, daß nachgeforscht und nachgesehen wird, wo 
Explosivstoffe lagern und diese aus den Häusern ent 
fernt werden. Das ist eine alte Forderung der 
Kommunistischen Partei, die stets und ständig erhoben 
wird, und wir stellen sie erneut, weil wir nicht ein 
sehen können, daß die Bewohner immer wieder in 
neue Beunruhigung und neue Gefahren versetzt 
werden. Man muß auch hier teilweise zugeben, daß 
es eine Vernachlässigung der städtischen Behörde und 
ebenfalls eine Vernachlässigung der Baupolizei ist, die 
es zuläßt, daß derartige Kühlanlagen, wie sie in 
der Landsberger Allee vorhanden sind, durchgeführt 
werden. Es ist unverantwortlich, daß man eine Ge- j 
nehmigung dazu ausspricht, luv die Gefahr klar auf 
der Hand liegt. Unsere Forderung verlangt, daß die 
Beseitigung derartiger Anlagen in den Wohnhäusern 
vorgenommen wird. Aber was sehen wir? Wir 
sehen, daß der Magistrat vier die Baupolizei bis zum 
heutigen Tage nicht vorgegangen sind und versucht 
haben, dies unter allen Umständen abzustellen. Hier 
erheben wir die Forderung, daß es unbedingt Sache 
des Magistrats und der Stadtverordnetenversamm 
lung ist, sich rechtzeitig dafür einzusetzen, daß der 
artige Anlagen nicht in Wohnhäuser gebracht werden, 
um derartige Unglücke zu verhüten. Diese Ammoniak- 
Anlagen, die gebaut worden sind und die in der 
Deutsch-Krouer Straße in viel größerem Maße er 
richtet werden, bilden ebenfalls einen Explosionsherd. 
Nach unserer Meinung dürfen derartige Anlagen in 
Wohnräumen überhaupt nicht untergebracht werden, 
und es muß ebenfalls Aufgabe des Magistrats sein, 
schnellstens einzugreifen und diese Gefahren zu be 
seitigen. 
Ich will nun ganz kurz noch ein paar Worte 
zu den Rettungsmaßnahmen sowohl als auch zu den 
Linderungsmaßnahmen, die getroffen worden sind, 
sagen. Nach unserer Meinung sind sie vollständig un 
zureichend. Wir sehen doch selbst, daß die Aufräu 
mungsarbeiten viel schneller hätten vonstatten gehen 
können, wenn die städtischen Körperschaften ein Inter 
esse daran gehabt hätten, wenn sie die erwerbslosen 
Arbeiter am ersten Tage entsandt hätte und nicht 
am dritten Tage. Das ist natürlich nicht geschehen, 
es ist ebenfalls eine Verantwortungslosigkeit des 
Magistrats, die wir unter allen Umständen feststellen 
und brandmarken müssen. Wir verlangen, daß bei 
ähnlichen Fällen in Zukunft schneller gehandelt wird, 
daß man auf das Leben und die Gesundheit der 
Verunglückten in höherem Maße bedacht ist und 
ihnen Hilfe angedeihen läßt. 
Die 25 000 M>, die der Magistrat zur Verfügung 
gestellt hat, sind nach unserer Meinung unzulänglich, 
wenn damit alles bestritten werden soll, was man 
zum mindesten verlangen kaun. Dann ist eine größere 
Summe notwendig. Bor allen Dingen aber muß 
es als eine Provokation wirken, wenn der preußische 
Januar 1928. 
Ministerpräsident einfach 500 Jl stiftet, um damit 
eine Linderung der Not vorzunehmen. 
(Bei den Kommunisten: Hört, hört!) 
Mau muß es brandmarken, daß es gerat» 
ein sozialdemokratischer Ministerpräsident ist, der sich 
dazu herabläßt, um die Not zii lindern, 500 M zu 
stiften. Von jedem, ganz gleich, ob von den Ver 
unglückten oder von der Berliner Bevölkerung, wirk 
das als eine Provokation sondergleichen empfunden 
Diese soll sich die Bevölkerung Berlins nicht länger 
gefallen lassen, sondern dieselbe zurückweisen und 
darauf die gebührende Antwort geben, die unbedingt 
notwendig ist. 
Nun zu dem andern Unglück, das dem in der 
Landsberger Allee gleichlaufend ist, das zum min 
desten, wenn es auch nicht so schwer wie das in de, 
Landsberger Allee ist, allen Anlast gibt, zu verlangen 
daß rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden uni 
daß eine bessere Kontrolle geschaffen wird. Diese- 
Unglück zeigt wiederum, daß man in unverantwort 
licher Weise einfach mit Explosivstoffen in Wohn- 
räumen arbeitet, trotzdem dies verboten ist, und 
daß die Behörden nicht den richtigen Mut haben 
hier wirklich zuzufassen, wie es unbedingt notwendig 
ist. Auch wir sagen, daß das ein Versagen der Be 
Hörden ist. Es muß doch festgestellt werden, das 
die Behörden, wenn auch nicht alle, aber zum Tel 
Kenntnis davon hatten, daß mit Explosivstoffe, 
in dieser Villa in Dahlem gearbeitet wurde 
Es ist nicht eingeschritten worden, und man ha 
nichts versucht, mit die Explosivstoffe zu beseitige» 
Daher erklären wir, daß es notwendig ist, unsere, 
Forderung, die wir als Dringlichkeitsantrag einge 
bracht haben, zuzustimmen und für die schnellst 
Durchführung der bestimmten Forderung zu sorge» 
Ich will noch ein Wort zu den Verschleierungs 
maßnahmen selbst sagen. Die Verschleierungsmaß 
nahme.n werden natürlich in großzügiger Weise be 
trieben. So versucht man natürlich wiederum, de, 
Arbeitern die Schuld in die Schuhe zu schiebe» 
die bei der Anlage der neuen Gasleitung nicht bi 
genügende Sorgfalt bewahrt haben sollen, und das 
sie allein nur diejenigen sind, die zur Verantwortn», 
gezogen werden müssen. Wir stehen jedoch auf einen 
anderen Standpunkt und haben bei jeder Gelegenheit 
ganz gleich, ob bei der städtischen Gasanstalt, o 
bei der Reichsbahn oder sonst bei einer andere 
Gesellschaft, hervorgehoben, daß diese Zwangsabban 
maßnahmen, wie sie im Reichsmaßstabe und bei bei 
städtischen Gesellschaften getroffen wurden, letzlei 
Endes die Grundwurzel zu allen Unfällen und zi 
allen Explosionen sind, daß durch die bedeute« 
geminderten Arbeitskräfte, auf denen noch der Dr», 
eines bestimmten Arbeitspensums lastet, auf die Kon 
trolle nicht die Sorgfalt verwendet werden fmtn 
die unbedingt notwendig ist. Daß hier ebenfalls bi 
Polizei nachlässig gehandelt hat, ist ganz klar ct 
sichtlich. Wir haben nämlich in der Dienstanweisu» 
der städtischen Gasanstalt im Anfang eine Polizei 
Verordnung, die in Nr. 1 besagt: 
„Vor jedem Gebäude, in welchem sich ein 
Gasleitung von mehr als 25 Ausströmungen bi 
findet, ist die Hauptgasleitung mit einem Bei 
schlich zu versehen, durch welchen bei entstehende 
Feuersgefahr das Gas leicht und sicher abgespeci 
werden kann. Die Stelle, an welcher der Vet 
schlich liegt, ist äußerlich zu bezeichnen." 
Die Verordnung der Polizei legt also die V» 
pflichtung fest, hinter der Stirnwand am Hause selb 
einen Absperrschieber anzubringen, und trotzdem wir 
von den städtischen Gaswerken es abgelehnt, obglei, 
die Arbeiter das wiederholt verlangt haben und ob
	        
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