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Volume No. 12, 22. März 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

296 Sitzung am 22. März 1928. 
beweisen, daß sie das von ihnen hineingesteckte Kapi 
tal nicht verzinst bekommen, muß man damit rechnen, 
daß schließlich auch derartige Erhöhungen erfolgen 
werden. 
Meine Damen und Herren! Diese Dinge sind 
sehr gefährlich. Deswegen stehen wir nicht an, zu 
erklären, daß wir gar keine Ursache haben, einen 
lebhafteren Besitzwechsel für die Grundstücke irgend 
wie zu wünschen. 
Was nun die Schätzung der in Auslandsbesitz 
befindlichen Grundstücke anlangt, so hat Herr Dr. 
Michaelis hier eine Zahl vorgelesen, die er wohl 
auch nicht auf seinen Diensteid nehmen würde. Das 
sind Zahlen einer Statistik, die ihm gestern unter 
breitet worden sind, und ich verstehe, daß er selbst 
nicht die Möglichkeit gehabt hat, sie inzwischen nach 
zuprüfen. Ich darf vielleicht feststellen, daß ge 
rade bei den Schätzungen bezüglich des in aus 
ländischer Hand befindlichen Grundbesitzes es sehr 
erhebliche Differenzen gibt. Während z. B. die 
Schätzungen der Industrie- und Handelskammer ans 
einen Auslandsbesitz von 40«% hinausgingen, gibt 
es andere Schätzungen, die ans einen Auslandsbesitz 
von 111/2% an Wohnungen hinauslaufen. Zwischen 
dieser Differenz von 111/2% und 40% liegt irgend 
etwas, was nicht in Ordnung ist. Da kann man 
von einer objektiven Schätzung von 40% nicht reden. 
Man nimmt diese 40%, weil man eine Her 
absetzung der Wertzuwachssteuer erzielen, weil 
man den schwarzen Mann an die Wand malen 
will. Meine Damen und Herren, auf derartige 
Dinge, auf derartige interessante Kniffe fallen wir 
nicht hinein, dazu haben wir doch schon etwas zu 
sehr hinter die Kulissen geguckt. 
Herr Kollege Dr. Michaelis sagte ferner vorhin, 
daß die Ausländer ihren Besitz festhielten, weil die 
Wertzuwachssteuer besteht. Auf der anderen Seite 
sagte er, daß doch der inländische Käufer die Wert 
zuwachssteuer tragen müsse. Ja, wenn der in 
ländische Käufer die Wertzuwachssteuer trägt und 
nicht der Ausländer, der verkauft, dann kann der Aus 
länder, weil er sie tragen muß, den Besitz nicht fest 
halten. Das ist doch wiederum ein Widerspruch! 
Wenn man sich hier hinstellt und sagt irgend etwas, 
Herr Dr. Michaelis, dann tut man doch gut, daß 
man nicht in einem Satze das widerlegt, was man 
im anderen Satze gesagt hat. Ich bin ganz anderer 
Ansicht. Die Ausländer halten ihren Grundbesitz 
in Deutschland fest, nicht nur in Berlin sondern in 
Deutschland, nicht, weil die Wertzuwachssteuerord 
nung besteht, sondern sie halten ihn fest, weil sie 
eine dauernde Erhöhung der Mieten gesehen haben, 
weil die dauernde Erhöhung der Mieten ihnen bis 
her eine immer höhere Verzinsung ihres Kapitals 
gebracht hat. 
(Bei den Kommunisten: Sehr wahr!) 
Das ist der Grund und nicht die Wertzuwachssteuer- 
ordnung, und ich glaube, Herr Kollege Michaelis, 
wenn man rein sachlich und logisch die Dinge sich 
überlegt — ich darf wohl Ihre Worte gebrauchen —, 
so kann man zu gar keinem anderen Resultat 
kommen. 
Sie sind dann noch weiter gegangen und haben — 
das war ja Ihr Beweis für die angebliche Steuer 
erhöhung, die durch die Senkung von Steuern er 
zielt werde — auf die Reinholdsche Steuerreform 
hingewiesen. Run, meine Damen und Herren, zu 
jener Zeit, als Ihr Parteifreund Reinhold Reichs 
sinanzmiuister war, haben wir auch hier über die 
Reinholdsche Steuerreform gesprochen, und ich darf 
wohl daran erinnern, daß der ebenfalls der Demo 
kratischen Partei angehörende Oberbürgermeister Büß 
durchaus nicht Ihre Ansichten über die Reinholdsche 
Steuerreform teilte. Auch hier muß man ein ziem 
lich gutes Gedächtnis haben, Herr Kollege Michaelis. 
Die Dinge liegen doch so: Das Reich, dessen Finanz- 
minister Herr Reinhold war, hatte ja den Vorzug, 
das primäre Gesetzgebnngsrecht zu haben, und es hcii 
dieses Recht benutzt, indem es alle die Aufgaben an 
die Gemeinden abschob, indem es auch bei dem 
Finanzausgleich die Anteile der Länder und Ge 
meinden verkürzte und dadurch natürlich einen 
höheren Eingang für die Reichsfinanzen erzielte. Das 
sind doch alles Dinge, die so stadtbekannt sind, daß 
man sie nicht verdrehen sollte. 
Weiterhin ist von den nationalen Gründen ge 
sprochen worden, die doch dafür sprächen, daß bet 
Hausbesitz wieder in deutsche Hand überführt würde. 
Darf ich einmal fragen: Wo waren die nationalen 
. Gründe, als jene Hausbesitzer, um sich in den Besitz 
von Auslandsdevisen zu setzen, in den Jahren der 
Inflation damals ihre Häuser verkauften? Da haben 
Sie keine nationalen Gründe gekannt. Aber wenn 
die besitzende Klasse wieder einmal ein Geschäft 
machen will, dann sind nationale Gründe will 
kommen. 
Meine Damen und Herren! Jedenfalls möchte ich 
feststellen, daß wir unter allen Umständen gewillt 
sind, hier dafür zu sorgen, daß die Wertzuwachssteuer 
nicht verkürzt wird. Wir werden deshalb auch gegen 
die Ermäßigung, gegen den Gemeindebeschluß, 
stimmen. 
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. 
Michaelis hat dann hier zum Schluß gewissermaßen 
noch eine Drohung ausgesprochen, und zwar sehr ver 
klausuliert, wegen der Verabschiedung des Etats. 
Meine Damen und Herren, wir wären sehr erfreut, 
wenn einmal Schluß damit gemacht würde, wenn die 
Sozialdemokratische Partei einmal Schluß machen 
würde mit ihrer Koalitionspolitik mit Ihnen. Wenn 
wir wirklich dem Berliner Etat eine andere Richtung 
geben wollen, eine Richtung des Angriffes auf das 
Bürgertum, dann würde die Kommunistische Partei 
sehr wohl bereit sein, den Etat auch mitzumachen. 
Wir würden nicht versagen. Wir werden aber so 
lange nicht mitmachen, solange der Berliner Etat 
Ihre Interessen verteidigt. Wir werden mitmachen, 
wenn der Berliner Etat eine Gestalt annehmen sollte, 
die es ermöglicht, die Interessen der arbeitenden 
Massen Berlins in diesem Etat wirklich zur Geltung 
kommen zu lassen. Ich glaube, das muß gesagt 
werden gegenüber den Drohungen des Herrn Dr. 
Michaelis, der es so hinstellen möchte, als wenn ohne 
die Herren von der Demokratischen Partei hier in 
diesem Hause gar nichts zu machen wäre. Ich 
wünschte, daß endlich einmal der Tag kommen würde, 
daß die Arbeiterschaft Berlins einsieht, daß die 
Koalitionspolitik, die hier von der Großen Koalition 
getrieben wird, ihre Interessen genau so schädigt 
wie die Koalitionspolitik in Preußen und die frühere 
Koalitionspolitik im Reich. 
(Bei den Kommunisten: Bravo!) 
Vorst. Hatz: Ich möchte nun die eingegangenen 
Anträge bekanntgeben. 
Die Herren Lüdicke, Dethleffsen und die übrigen 
Mitglieder der Deutschnationalen Fraktion beantragen 
Annahme des Magistratsantrages auf Erlaß eines Ge 
meindebeschlusses über eine allgemeine Ermäßigung 
der Wertzuwachssteuer auf die Dauer eines Jahres nach 
dem Beschluß, der auf Seite 151 der Drucksachen ab 
gedruckt ist. 
Dazu haben die Herren Merten, Schwarz und 
Parteifreunde den Antrag auf namentliche Abstimmung 
gestellt. Ich werde nachher die Unterstützungsfrage 
stellen. 
Dann hat die Deutschnationale Fraktion die An 
träge aus dem Ausschuß wieder eingebracht zum Ent 
wurf einer neuen Berliner Wertzuwachssteuer, also
	        
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