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Volume No. 12, 22. März 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

292 Sitzung am 22. März 1928. 
beseitigen sollen. Mit einer einzigen Ausnahme sind die 
Anträge, auf die im einzelnen einzugehen hier zu weit 
führen würde, von der Mehrheit des Ausschusses ab 
gelehnt worden. Die Mehrheit war nicht immer die 
selbe, aber im großen und ganzen stimmte sie geschlossen^ 
Auch von der KPD. sind Anträge gestellt worden, 
die die Sätze der Steuerordnung des Entwurfs noch zu 
verschärfen bezweckten. Auch diese Anträge sind, und 
zwar mit sehr großer Mehrheit, abgelehnt worden. 
Ich bin schließlich noch von dem Herrn Obersteuer 
direktor Mackensen gebeten worden, Ihnen vorzu 
schlagen, einen Beschluß zu § 25 Abs. 1 des Entwurfs, 
den heute morgen der Ausschuß angenommen hat, dahin 
zu ergänzen, daß hinzugesetzt wird: „... zum Zwecke des 
Abrisses und der Wiederbebauüng im Sinne des Ab 
satzes 3." Es ist dies ein Antrag, der ohne jede sachliche 
Bedeutung ist, der lediglich klarstellen soll, um was es 
sich handelt. 
Ich glaube im Sinne des Ausschusses zu handeln, 
der sich im übrigen mit großer Mehrheit auf den Stand 
punkt jenes Beschlusses gestellt hat, der auf einen Antrag 
von Herrn Dr. Steiniger zurückzuführen ist, wenn ich 
Ihnen empfehle, auch den Zusatz zu beschließen, lind 
würde für meine Person, da der Magistrat in diesem 
Stadium der Beratung keinen Antrag stellen kann, mir 
erlauben, den Antrag dazu zu stellen, und bitte Sie als 
Berichterstatter, im übrigen allen Beschlüssen Ihres 
Ausschusses beizustimmen. 
Vorst. Haß: Die Beratung ist eröffnet. Das Wort 
hat Herr Dr. Michaelis. 
Stadtv. Dr. Michaelis (D): Meine Damen und 
Herren! Die neue W e r t z u w a ch s st e u e r hat in 
der Oeffentlichkeit sehr viel Staub aufgewirbelt. Seit 
Monaten beschäftigt man sich damit, und zwar nicht 
bloß die engeren, am Grundstücksverkauf direkt be 
teiligten Kreise, sondern auch von den Vertretern der 
Wissenschaft, der Wirtschaft und sogar der Staats- und 
Reichsbehörden ist an dieser Vorlage des Magistrats 
eine sehr lebhafte uyd eindringende Kritik geltend ge 
macht worden. Noch in den letzten Stunden, gestern 
abend, hat die Berliner Industrie- und Handelskammer 
ihre warnende Stimme gegen wesentliche Bestim 
mungen der Magistratsvorlage erhoben. 
(Dauernde Unruhe durch Gespräche.) 
— Ich weiß nicht, ob man sich hier überhaupt verständ 
lich machen kann. — 
(Glocke.) 
Im Steuerausschuß dieses Hauses wurden nicht 
weniger als 14 Abänderungsanträge gestellt, die aber 
sämtlich, wie schon der Herr Berichterstatter gesagt hat, 
bis aus eine Ausnahme abgelehnt worden sind, und 
zwar immer wieder von derselben Mehrheit, von den 
Herren Vertretern der Kommunistischen und Sozial 
demokratischen Partei sowie des Zentrums. 
Es würde zuweit führen, diese Abänderungsanträge 
in diesem Stadium noch einmal im einzelnen zu be 
sprechen. Ich will Ihre Geduld so wenig wie möglich in 
Anspruch nehmen. Aber ich muß doch das Wichtigste 
wenigstens sagen. 
Meine Damen und Herren! Gegen die Wert 
zuwachssteuer, wie sie uns der Magistrat vorgelegt hat 
und wie sie nun auch im wesentlichen verabschiedet 
worden ist vom Steuerausschnß, werden grundsätzlich 
z w e i B e d e n k e n erhoben, einmal, daß die S t e u e r 
zu hoch und dann, daß das Gesetz zu u n ü ber - 
sichtlich ist. 
Daß diese Steuer zu hoch ist, geht schon daraus 
hervor, daß die bisherigen Bestimmungen über die 
30%ipe grundsätzliche Wertzuwachsabgabe noch dadurch 
verschärft worden sind, daß auch der Altgrund 
besitz, der bisher frei war, mit mindestens 10% des 
Wertzuwachses gleichfalls von drr Steuer betroffen 
werden soll. Es ist selbstverständlich ganz gleichgültig, 
wenn man heute sagt, daß diese Steuer auf Altbesih 
wegen der veränderten Preisverhältnisse nur in wenige,, 
Fällen praktisch werden würde. Die Dinge können sich 
natürlich vollständig ändern. Ich glaube nicht, daß man 
grundsätzlich eine neue Steuererschwerung und Er 
höhung in einem Augenblick bringen soll, in dem all, 
Welt nach einem Abbau der Steuern ruft und schreit 
Was weiter die Unklarheit der Steuerhöhe 
betrifft, so hat der Herr Vertreter der Steuerbehörde 
selbst zugeben müssen, daß sich normale Staatsbürger 
mit gesundem Menschenverstand allein in die Steuer- 
Bestimmungen überhaupt nicht hineinfinden und in 
ihnen zurecht finden können, sondern daß man zu diesem 
Zweck einerseits einen Rechtsanwalt fragen, andererseits 
sich bei der Steuerbehörde erkundigen müsse. Wir haben 
aber gestern in der Handelskammer von drei Notaren, 
die sich fast ausschließlich mit Grundstücksgeschäften be 
schäftigen, gehört, daß auch sie in keiner Weise in der 
Lage sind, vorauszusagen, wie hoch nun schließlich die 
Wertzuwachssteucr im einzelnen sein würde. 
Nun hat man uns allerdings gesagt, daß es sich 
eben hier um eine Materie handelt, die nicht so ganz 
einfach sei. Zugegeben. Aber, meine Damen und 
Herren, ein Gesetz, aus dem kein normaler Mensch klug 
werden kann, das ist ein Dokument steuerlicher 
Impotenz. Wenn es sich so verhält, dann muß man 
sich fragen, ob man um dieses Ortsgesetz, das nach 
meiner Meinung in keiner Weise ausgekocht ist, das so 
viel böses Blut gemacht hat, nicht in irgendeiner Weise 
herum kann. Es hat ja damit gar keine große Eile, 
(Bei den Komm.: Doch, doch!) 
denn das jetzt bestehende Gesetz ist ja schließlich auch 
nicht viel schlechter als das, was an seine Stelle treten 
soll. Es ist ja, wie schon ausgeführt wurde, zum Teil 
sogar milder. 
Worauf es noch ankommt und was immer im 
Vordergrund der Diskussion gestanden hat, das war ja 
doch der berechtigte Wunsch, den Auslandsgrnnd- 
besitz aus den Jnflationskäufen soviel als 
möglich zu verdrängen. Dieser Auslandsbesitz, meine 
Damen und Herren, ist heute in einer beängstigende» 
Höhe noch vorhanden. 
Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hin 
gewiesen, daß ich heute im Steuerausschuß einige 
Zahlen gegeben habe, die sich nicht etwa auf irgend 
welche private Schätzungen sondern auf das neueste 
Statistische Jahrbuch von Groß-Berlin beziehen, und 
nach diesen Zahlen sind heute noch 9774 Wohngrnnd- 
stücke im Alleineigentum von Ausländern. Außerdem 
sind von den Häusern, die von einer G. m. b. H. ab 
hängig sind, noch 500 im ausländischen Besitz, so das; 
also 11000 Häuser in Berlin noch heute in aus 
ländischem Besitze sind. Aber mit dieser Zahl allein — 
das macht Vo—‘/? sämtlicher bewohnter Grundstücke 
aus — ist die Sache nicht erledigt, sondern es handelt 
sich hier größtenteils um Grundstücke sehr großen Um 
fanges mit sehr zahlreichen Wohnungen, und es ist viel 
leicht nicht zu hoch geschätzt, wenn matt sagt, daß die 
Zahl der Wohnungen, die noch im ausländischen Besitz 
sind, etwa 2 /ö sämtlicher Berliner W o h 
n u n g e n ausmachen. 
(Stadtv. Merten: Hört, hört!) 
Ich will nur einige Beispiele anführen: Es beträgt der 
Prozentsatz der Ausländer im Verwaltungs 
bezirk Mitte 21%, im Verwaltungsbezirk Tier- 
gart e n 28%, tut Verwaltungsbezirk Prenzlauer 
Berg 35% nnd im Bezirk F r i e d r i ch s h a i n 29"«. 
(Stadtv. Merten: Hört, hört!) 
Meine Damen und Herren! Schon diese Bezirke 
allein sagen Ihnen, daß die Behauptung, es handele sich 
bei dem ausländischen Besitz im wesentlichen um Ge 
schäftshäuser. in gar keinem Falle zutrifft. Im Bezirk 
Prenzlauer Berg ist natürlich überhaupt nicht davon
	        
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