Path:
Volume No. 10, 8. März 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

240 Sitzung ant S. 
Heldebrandt erwidern, das; ja wir nicht allein diesem 
kommunistischen Antrage zugestimmt haben und das; 
er wohl überhaupt nicht durchgegangen wäre, wenn 
nicht auch andere Parteien denselben Standpunkt 
eingenommen hätten. 
Wir stimmen im wesentlichen dem Beschlusse de* 
Ausschusses zu, bor allen Dingen in dem Punkte, 
das; wir, nachdem man dazu übergegangen ist, den 
Ausländern das gleiche Schulgeld zu bewilligen wie 
den Einheimischen, den Berlinern, auch keinen Unter 
schied mehr zwischen den Auswärtigen und den Ein 
heimischen machen können. Es handelt sich ja zum 
größten Teil um Kinder bon Eltern, die in den 
Vororten wohnen, die ihre Kinder in Berliner 
Schulen schicken müssen, während die Eltern selber 
in Berliner Betrieben und Anstalten arbeiten. Sie 
haben das erhöhte Fahrgeld zu zahlen, sie haben er 
höhtes Schulgeld zu tragen und genießen auch nicht 
die Vorzüge der Staffelung. Das ist ganz abwegig. 
Wenn sich die Verhältnisse z. B. so gestaltet haben, 
das; Kinder ans Röntgenthal oder ans Schildow 
oder aus Gemeinden, die nur gerade an der Peri 
pherie von Berlin liegen deren Eltern selbst in 
Berlin tätigt sind, aber aus Wohnungsnot in 
diesen Dörfern wohnen müssen — die Berliner 
Schulen besuchen, dürfen sie von den Wohl 
taten der Staffelung und der Ermäßigung nicht 
ausgeschlossen werben. In einem Punkte aller 
dings sind wir anderer Meinung gewesen als der 
Ausschuß, und das betrifft die Frage der Lcistungs- 
tlausel. Wir sehen diese Einschränkung gerade im 
Interesse der Kinder selbst als notwendig an. Irgend 
etwas müssen wir hier einführen, um die Schule vor 
ungeeigneten Elementen zu schützen. Schlechte 
Leistungen sind ja meistens — sehr häufig, will ich 
sagen, verbunden mit mangelndem Fleiß. Mangeln 
der Fleiß geht sehr häufig Hand in Hand mit 
schlechter Führung. Infolgedessen haben wir im Aus 
schuß noch einen Antrag eingebracht, der dahin ging, 
das; auch in Fällen, wo die Führung dauernd zur 
Unzufriedenheit Anlaß gibt, die Möglichkeit geboten 
werden soll, die Schulgelderleichterung bzw. den 
Schnlgelderlas; wieder zu nehmen. Gerade der Um 
stand, das; heute sehr viele Schüler und Schülerinnen 
die höhere Schule besuchen, die eigentlich nicht hin- 
eingehören, daß viele Schüler auf der Strecke bleiben, 
wenn sie in Quarta oder Untertertia ange 
kommen sind gerade dieser Umstand nötigt uns, 
wenigstens irgendeine Grenze noch beizubehalten, wo 
nach es uns möglich sein muß, ungeeignetes Schüler 
material von der Schule wieder zu entfernen, gerade 
mit Rücksicht auf die Kinder selber. Eine vorzeitig 
abgebrochene Schulbildung auf der höheren Anstalt 
ist wertlos, viel wertloser und unbrauchbarer als 
eine abgeschlossene Volksschulbildung. Für den Beruf 
ist das auch viel besser, wenn das Kind eine abge 
schlossene Volksschulbildung genießt, als wenn es so 
halb auf der Strecke der höheren Schule liegen ge 
blieben ist. 
Der Anreiz, eine höhere Schule zu besuchen, ist 
ja heute ein außerordentlich großer: Lernmittelfrei 
heit, Schulgeldfreiheit. Dazu kommen noch jetzt die 
Wirtschaftsbeihilfen usw. Die Eltern riskieren in 
keiner Weise etwas, wenn sie ihr Kind in die höhere 
Schule schicken. Oft spielt dabei ein gewisser Ehrgeiz 
mit, oft sind es andere Gründe, die sie veranlassen, 
das Kind in die höhere Schule zu schicken. Irgend 
wie muß nach unserer Meinung ein Grund gefunden 
werden, um ungeeignete Elemente von der höheren 
Schule wieder fernzuhalten. 
(Sehr richtig!) 
Wir können darin gar keine soziale Maßregel er 
blicken, wenn wir die höhere Schule mit Elementen 
füllen, die nicht hmeingchören, und diesen Elementen 
März 1928. 
noch Erleichterungen bieten. Es bedeutet u. Ü. bet I 
Schnlgelderlas; geradezu eine Prämie aus Faulheit I 
oder schlechtes Betragen. Wir sind durchaus dafür I 
und freuen uns, wenn begabte Kinder ans unbeinit-I 
testen Familien höhere Schulen besuchen, um sich bas I 
Rüstzeug für ihren Beruf zu erwerben, können aber I 
wirklich keine soziale Maßregel darin sehen, die I 
höheren Schulen mit solchen Kindern zu füllen, die I 
nicht hineingehören, und ihnen noch dazu das Schul I 
geld zu erlassen. 
Wenn wir auch nach dem Ausgange der Aus-1 
schußberatungen davon überzeugt find, daß unser I 
weitergehender Antrag betr. einer Führungsklausel I 
hier in diesem Hanse keine Aussicht auf Annahme I 
hat, so halten wir es doch aus prinzipiellen Grün 
den für geboten, auch hier diesen Antrag wieder zur I 
Abstimmung bringen zu lassen. Wir beantragen 
deshalb zu Punkt 3 der Vorlage Drucks. 137 hin 
zuzufügen: 
„Bei andauernd schlechter Führung und bei 
schweren Verstößen gegen die Schulz acht kann die 
Schulgeldermäßigung bzw. der Schulgelderlns; 
wieder entzogen werden." 
Stadtv. Frau Klockow (V): Aus den Aus-1 
schußbeschlüsseu vom 13. Februar d. Js. würden sich 
immerhin so bedeutende Minnsauswirkungen er 
geben, das; meine Freunde angesichts der Finanz 
lage der Stadt zurzeit diesen Beschlüssen nicht zu 
stimmen können, weil sie, so wünschenswert es auch 
für die Eltern wäre, entlastet zn werden, nicht diese 
Wirkung für die Stadt haben. 
Aus demselben Grunde sind wir auch der Mei 
nung, das; in bezug aus die Höhe des Schulgeldes 
für auswärtige Kinder der Magistratsvorlage zu 
zustimmen ist, weil doch die in Berlin wohnenden 
Ausländer die Steuern in Berlin zahlen, während 
die Auswärtswohnenden dies nicht tun. 
In bezug auf die Leistungsklausel sind schließlich 
unsere Freunde unbedingt der Meinung, der Ma 
gistratsvorlage zuzustimmen, und zwar vor allen 
Dingen ans pädagogischen Gründen. Hat ein Kind 
dauernd schlechte Leistungen aus Mangel an Fleiß, 
so soll die Schulgeldfreiheit bzw. die Schulgeld 
ermäßigung lieber verwendet werden für strebsame 
und fleißige Kinder. Hat ein Kind dauernd schlechte 
Leistungen wegen Mangel an Begabung, dann paßt 
das Kind eben in eine andere Schule und muß 
mit einer Schule, die geringere Anforderungen stellt, 
vorlieb nehmen. 
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das gilt 
aber für alle Kinder!) 
Anzunehmen, das; die Kinder dieser Schule aus 
andern als pädagogischen Gründen so behandelt wür 
den, erscheint mir nach meiner Erfahrung ausge 
schlossen. Diese Behauptung würde sogar eine Art 
von Beleidigung für die ganze Lehrerschaft sein. 
Meine Freunde werden jedenfalls für die 
Wiederherstellung der Magistratsvorlage stimmen. 
(Bei der Deutschen Volkspartei: Sehr gilt! 
Bravo!) 
Stadtv. Menz (K): Meine Damen und Herren! 
Wenn wir dem Ausschußantrage zustimmen und Al>- 
änderungsantrüge gestellt haben, so ist das nicht ge 
schehen, wie der Herr Kollege Hildebrandt vorhin 
bemerkte, aus Agitationsgründen heraus sondern im 
Interesse der werktätigen Bevölkerung. Es ist natür 
lich sehr leicht, zu sagen: das sind Agitationsgründe. 
Herr Kollege Hildebrandt hat sich die Sache noch 
leichter gemacht, indem er die Zustimmung der an 
deren Parteien in diesem Falle auch als Agitation 
bezeichnete.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.