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Heldebrandt erwidern, das; ja wir nicht allein diesem
kommunistischen Antrage zugestimmt haben und das;
er wohl überhaupt nicht durchgegangen wäre, wenn
nicht auch andere Parteien denselben Standpunkt
eingenommen hätten.
Wir stimmen im wesentlichen dem Beschlusse de*
Ausschusses zu, bor allen Dingen in dem Punkte,
das; wir, nachdem man dazu übergegangen ist, den
Ausländern das gleiche Schulgeld zu bewilligen wie
den Einheimischen, den Berlinern, auch keinen Unter
schied mehr zwischen den Auswärtigen und den Ein
heimischen machen können. Es handelt sich ja zum
größten Teil um Kinder bon Eltern, die in den
Vororten wohnen, die ihre Kinder in Berliner
Schulen schicken müssen, während die Eltern selber
in Berliner Betrieben und Anstalten arbeiten. Sie
haben das erhöhte Fahrgeld zu zahlen, sie haben er
höhtes Schulgeld zu tragen und genießen auch nicht
die Vorzüge der Staffelung. Das ist ganz abwegig.
Wenn sich die Verhältnisse z. B. so gestaltet haben,
das; Kinder ans Röntgenthal oder ans Schildow
oder aus Gemeinden, die nur gerade an der Peri
pherie von Berlin liegen deren Eltern selbst in
Berlin tätigt sind, aber aus Wohnungsnot in
diesen Dörfern wohnen müssen — die Berliner
Schulen besuchen, dürfen sie von den Wohl
taten der Staffelung und der Ermäßigung nicht
ausgeschlossen werben. In einem Punkte aller
dings sind wir anderer Meinung gewesen als der
Ausschuß, und das betrifft die Frage der Lcistungs-
tlausel. Wir sehen diese Einschränkung gerade im
Interesse der Kinder selbst als notwendig an. Irgend
etwas müssen wir hier einführen, um die Schule vor
ungeeigneten Elementen zu schützen. Schlechte
Leistungen sind ja meistens — sehr häufig, will ich
sagen, verbunden mit mangelndem Fleiß. Mangeln
der Fleiß geht sehr häufig Hand in Hand mit
schlechter Führung. Infolgedessen haben wir im Aus
schuß noch einen Antrag eingebracht, der dahin ging,
das; auch in Fällen, wo die Führung dauernd zur
Unzufriedenheit Anlaß gibt, die Möglichkeit geboten
werden soll, die Schulgelderleichterung bzw. den
Schnlgelderlas; wieder zu nehmen. Gerade der Um
stand, das; heute sehr viele Schüler und Schülerinnen
die höhere Schule besuchen, die eigentlich nicht hin-
eingehören, daß viele Schüler auf der Strecke bleiben,
wenn sie in Quarta oder Untertertia ange
kommen sind gerade dieser Umstand nötigt uns,
wenigstens irgendeine Grenze noch beizubehalten, wo
nach es uns möglich sein muß, ungeeignetes Schüler
material von der Schule wieder zu entfernen, gerade
mit Rücksicht auf die Kinder selber. Eine vorzeitig
abgebrochene Schulbildung auf der höheren Anstalt
ist wertlos, viel wertloser und unbrauchbarer als
eine abgeschlossene Volksschulbildung. Für den Beruf
ist das auch viel besser, wenn das Kind eine abge
schlossene Volksschulbildung genießt, als wenn es so
halb auf der Strecke der höheren Schule liegen ge
blieben ist.
Der Anreiz, eine höhere Schule zu besuchen, ist
ja heute ein außerordentlich großer: Lernmittelfrei
heit, Schulgeldfreiheit. Dazu kommen noch jetzt die
Wirtschaftsbeihilfen usw. Die Eltern riskieren in
keiner Weise etwas, wenn sie ihr Kind in die höhere
Schule schicken. Oft spielt dabei ein gewisser Ehrgeiz
mit, oft sind es andere Gründe, die sie veranlassen,
das Kind in die höhere Schule zu schicken. Irgend
wie muß nach unserer Meinung ein Grund gefunden
werden, um ungeeignete Elemente von der höheren
Schule wieder fernzuhalten.
(Sehr richtig!)
Wir können darin gar keine soziale Maßregel er
blicken, wenn wir die höhere Schule mit Elementen
füllen, die nicht hmeingchören, und diesen Elementen
März 1928.
noch Erleichterungen bieten. Es bedeutet u. Ü. bet I
Schnlgelderlas; geradezu eine Prämie aus Faulheit I
oder schlechtes Betragen. Wir sind durchaus dafür I
und freuen uns, wenn begabte Kinder ans unbeinit-I
testen Familien höhere Schulen besuchen, um sich bas I
Rüstzeug für ihren Beruf zu erwerben, können aber I
wirklich keine soziale Maßregel darin sehen, die I
höheren Schulen mit solchen Kindern zu füllen, die I
nicht hineingehören, und ihnen noch dazu das Schul I
geld zu erlassen.
Wenn wir auch nach dem Ausgange der Aus-1
schußberatungen davon überzeugt find, daß unser I
weitergehender Antrag betr. einer Führungsklausel I
hier in diesem Hanse keine Aussicht auf Annahme I
hat, so halten wir es doch aus prinzipiellen Grün
den für geboten, auch hier diesen Antrag wieder zur I
Abstimmung bringen zu lassen. Wir beantragen
deshalb zu Punkt 3 der Vorlage Drucks. 137 hin
zuzufügen:
„Bei andauernd schlechter Führung und bei
schweren Verstößen gegen die Schulz acht kann die
Schulgeldermäßigung bzw. der Schulgelderlns;
wieder entzogen werden."
Stadtv. Frau Klockow (V): Aus den Aus-1
schußbeschlüsseu vom 13. Februar d. Js. würden sich
immerhin so bedeutende Minnsauswirkungen er
geben, das; meine Freunde angesichts der Finanz
lage der Stadt zurzeit diesen Beschlüssen nicht zu
stimmen können, weil sie, so wünschenswert es auch
für die Eltern wäre, entlastet zn werden, nicht diese
Wirkung für die Stadt haben.
Aus demselben Grunde sind wir auch der Mei
nung, das; in bezug aus die Höhe des Schulgeldes
für auswärtige Kinder der Magistratsvorlage zu
zustimmen ist, weil doch die in Berlin wohnenden
Ausländer die Steuern in Berlin zahlen, während
die Auswärtswohnenden dies nicht tun.
In bezug auf die Leistungsklausel sind schließlich
unsere Freunde unbedingt der Meinung, der Ma
gistratsvorlage zuzustimmen, und zwar vor allen
Dingen ans pädagogischen Gründen. Hat ein Kind
dauernd schlechte Leistungen aus Mangel an Fleiß,
so soll die Schulgeldfreiheit bzw. die Schulgeld
ermäßigung lieber verwendet werden für strebsame
und fleißige Kinder. Hat ein Kind dauernd schlechte
Leistungen wegen Mangel an Begabung, dann paßt
das Kind eben in eine andere Schule und muß
mit einer Schule, die geringere Anforderungen stellt,
vorlieb nehmen.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das gilt
aber für alle Kinder!)
Anzunehmen, das; die Kinder dieser Schule aus
andern als pädagogischen Gründen so behandelt wür
den, erscheint mir nach meiner Erfahrung ausge
schlossen. Diese Behauptung würde sogar eine Art
von Beleidigung für die ganze Lehrerschaft sein.
Meine Freunde werden jedenfalls für die
Wiederherstellung der Magistratsvorlage stimmen.
(Bei der Deutschen Volkspartei: Sehr gilt!
Bravo!)
Stadtv. Menz (K): Meine Damen und Herren!
Wenn wir dem Ausschußantrage zustimmen und Al>-
änderungsantrüge gestellt haben, so ist das nicht ge
schehen, wie der Herr Kollege Hildebrandt vorhin
bemerkte, aus Agitationsgründen heraus sondern im
Interesse der werktätigen Bevölkerung. Es ist natür
lich sehr leicht, zu sagen: das sind Agitationsgründe.
Herr Kollege Hildebrandt hat sich die Sache noch
leichter gemacht, indem er die Zustimmung der an
deren Parteien in diesem Falle auch als Agitation
bezeichnete.