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Volume No. 10, 8. März 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

Sitzung am 8. 9 
1928. 
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lies) nur solche in Frage, bereit Eltern ober Angehörige 
Ichou brei Jahre hier in Deutschland anwesend sind 
jober solche, in bereit Heimatsstaaten unsere deutschen 
Müder auch diesen Schutz des Julaudschulgeldes genießen. 
1 Der Ausschuß schlägt Ihnen also vor, die unter 
schiedliche Behandlung der ausländischen, auswärtigen und 
einheimischen Kinder fallen zu lassen und sie gleich 
Izu behandeln. 
Zweitens glaubte der Magistrat auf die Leistungs- 
Iklausel nicht verzichten zu sollen aus pädagogischen Grün- 
Iben. Den» es kaun doch immerhin vorkommen, daß 
Minder das Unterrichtsziel fortgesetzt nicht erreichen, in- 
Isolgedessen mitgeschleppt werden, und, wenn sie die Ber- 
Igiinstiguiig der Schulgeldfreiheit genießen, dadurch den 
länderen begabten Kindern den Platz wegnehmen. 
Ter Ausschuß aber hat sich ans den Standpunkt 
Igestellt, daß nach dieser Richtung hin die Leistn ugs- 
Iflausei fallen gelassen werden soll, weil es immerhin 
Imöglich ist, daß Kinder besser situierter Eltern sich die 
Inötige Nachhilfe dazu herbeischaffen und dann das Ziel 
»leichter erreichen als jene Kinder, deren Eltern nicht 
Iso gestellt sind. 
Ter Ausschuß schlägt Ihnen also vor, diese Lei- 
Istimgsklausel fallen zu lassen. 
Ferner wurde die Schulgeldstaffelung etwas anders 
I geregelt, und .zwar nach dein Antrage der Kommn- 
Imstischen Partei, wonach bis 3000 M Einkommen für 
bas erste Kind überhaupt kein Schulgeld gezahlt werden 
Isoll, dann von 3000—4000 M die Hälfte und bis 
15000 M s/ 4 des Schulgeldes für das erste Kind. Ueber 
15000 J6 wäre der volle Satz zu zahlen und dann 
I für die weiteren Kinder die übliche Staffelung. 
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag wurde 
I angenommen, und der Ausschuß schlägt Ihnen deshalb 
zur Beschlußfassung vor, für das erste Kind bei Ein 
kommen bis 3000 J6 keilt Schulgeld zu erheben, bis 
14000 M die Halste und bis 5000 M s/ 4 des Satzes. 
Erst bei Einkommen über 5000 M ist der volle Satz 
| zu zahlen. 
Tie Magistratsvorlage sah eine Erhöhung des Schul 
geldes nach den staatlichen Grundsätzen vor, und zwar 
! von 180 auf 200 M für die höheren Lehranstalten 
und 72 M für die Mittelschulen. Das Defizit aus den 
vorgeschlagenen Bestimmiiugen, nach denen den Erzie 
hungsberechtigten die Vergünstigungen gewährt werden, 
als wenn die Erziehungsberechtigten Beamte wären, be 
trägt, wie ich schon erwähnte, ca. 1 Million. Durch 
die Erhöhung aus 200 M, also aus die staatlichen Sätze, 
würde dieses Defizit gedeckt werden. 
Vorst. Haß: Die Beratung ist eröffnet: Ich 
verlese zunächst die Anträge, die hierzu gestellt sind. 
Zunächst ein Antrag Merten, Hildebrandt und 
Parteifreunde: 
„Wir beantragen 
Wiederherstellung der Magistratsvorlage mit fol 
gender Fassung des Punktes 1: 
daß jegliche Differenzierung zwischen auslän 
dischen, auswärtigen und einheimischen Schülern 
bei der Erhebung des Schulgeldes an höheren 
Lehranstalten und Mittelschulen fallen gelassen 
wird." 
Taun soll Punkt 2 der Magistratsvorlage falle». 
Ein Antrag Czemiuski und Gen.: 
„Wir beantragen Wiederherstellung der Magistrats- 
Vorlage bis auf die Punkte 2 und 3. An Stelle 
des Punktes 1 tritt der Ausschußbeschluß a)." 
Das Wort hat Herr Kollege Dr. Kawerau. 
Stadtv. Dr. Kawerau (S): Meine Damen und 
Herren! Es ist für den Kulturpolitiker nicht leicht, einen 
solchen Antrag zu vertreten, wie wir ihn heute stellen 
müssen auf Wiederherstellung der Magistratsvorlage, ge 
rade in den finanziell schweren Bestimmungen. Aber 
sowohl die äußerste Rechte des Hauses als auch die 
äußerste Linke des Hauses wissen es genau, daß der 
Magistrat der vorliegenden Fassung des Ausschusses nicht 
zustimmen wird. Wir können im Augenblick auf 
die Million nicht verzichten. Infolgedessen beantragen 
wir Wiederherstellung der Magistratsvorlage in bezug 
aus die Erhöhung, in bezug auf die Staffelung. 
Meine Damen und Herren! Wer die Dinge genau 
sieht, wird aber zugeben müssen, daß die Vorlage, wie 
sie vorliegt nach unseren Anträgen, eine bedeutende Ver 
besserung bringt gerade in sozialer Beziehung, gerade 
zugunsten der minderbemittelten Schichl- 
t cn. Ich darf darauf verweisen, daß ich im Namen 
meiner Parteifreunde schon am 28. Oktober 1926 den 
Standpunkt vertreten habe, daß künftig bei der Staffe 
lung nicht nur berücksichtigt werden soll, ob 1, 2, 3 
oben 4 Kinder die hö h e r e S chu l e be s n ch en sondern 
überhaupt das Vorhandensein von 1, 2, 3 Kin 
dern, daß auf dieZahl der Kinder, ganz gleichgültig, 
ob sie die höhere Schule besuchen oder nicht, bei der 
Abstufung des Schulgeldes Rücksicht genommen wird. 
Dieser Forderung ist durch die Magistratsvotlage Rech» 
nung getragen worden. Es wird also praktisch die untere 
Grenze der Staffel künftig 2750 J(> sein, weil ja für 
ein Kind 250 M abgerechnet wird. Bei zwei Kindern 
wird die untere Grenze 3000 M fein. Insofern also 
kommt auch die Magistratsvorlage sehr nahe heran au 
die im Ausschuß gefaßten Beschlüsse. 
Meine Damen und Herren! Ter Kampf im Aus 
schuß drehte sich aber vor allen Dingen um drei Punkte, 
um die Frage der Leistungsklausel, um die Frage der 
Auswärtigen und um die Forderung einer gewissen be 
weglichen Grenzzone. 
Ter Magistrat glaubte auf die Lei st 11 n g s - 
klausel nicht verzichten zu dürfen. Meine Damen 
und Herren, ich möchte sagen wie jeder, der aus der 
Praxis die Tinge kennt, daß die Bindung der 
Schüler an solche wirtschaftlichen Druck 
mittel nahe herankommt an eine Art Er 
pressung. Wer die Dittae aus der Nähe kennt, weiß, 
wie Kinder aus armen Verhältnissen zittern und in 
Sorge find, wenn sie durch ihre Leistungen unter Um 
ständen die wirtschaftliche Lage der Eltern gefährden. 
Die Sache liegt doch tatsächlich so: dieses Druckmittel 
ist u n m 0 r a l i s ch. Denn will die Schule einen 
Schüler behalten, dann kamt sie es doch tun unter 
Interpretation des Wortes „dauernd schlechte Leistun 
gen". Sie erklärt einfach: Es liegen nicht dauernd 
schlechte Leistungen vor, sie wären bisweilen etwas besser. 
— Tann kann sie also die Sache so drehen, wie es ihr 
paßt. Will sie aber einem Schüler übel — 
und der Fall kommt vor —, dann kann sie ge 
radezu, wie ich schon sagte, einen erpresse 
rischen Druck ausüben. Die Vorschrift zur Be 
seitigung ungeeigneter Schüler, die wir haben, genügt 
vollstänidg, und bei reichen Kindern verfängt dies $ roh 
mittel nicht, auch wenn sic andauernd schlechte Leistungen 
zeitigen. Da kann mau dieses Druckmittel nicht an 
wenden, da zieht die Drohung nicht. Also liegt zweierlei 
Maß vor, es wird zweierlei Recht geschaffen, und deshalb 
bekämpfen wir die Leistungsklausel aus moralischen 
Gründen. 
Meine Damen und Herren! Was die Frage der 
auswärtigen Schüler betrifft, so scheint es mir 
nicht erträglich, daß es verschiedenes Recht gibt. Ich 
begreife, daß der kommunalpolitische Rechner sagt: Hier 
im Kreise Teltow z. B. beträgt die Schullast pro Kops 
8 Ji, in Berlin 22—23 M. Warum sollen die Nachbar 
kreise nicht mit herangezogen werden? Wenn man sich 
die tatsächlichen Verhältnisse ansieht, läßt es sich aber 
nicht verantworten, die Auswärtigen anders zu behan 
deln. Erstens werden die Ausländer behandelt wie 
die Einheimischen. Man kaun die Auswärti- 
g e n nicht schlechter stellen als die A u s -
	        
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