Sitzung am 9.
xaal feine zitronengelben Gardinen anbringen kann,
»a dies unvereinbar mit der Geschmacksrichtung ist, son-
icrn es ist die Arbeit auch derartig minderwertig und
lnsauber ausgeführt, daß leider gesagt werden muß,
>aß dazu im Rathaus Berlin das Geld der Steuer*
ahler zu schade ist.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Mei-
iimg, daß derartig mangelhafte Arbeit und derartig
msaubere Arbeit, wie sie hier bei den Gardinen ge*
iefert wird, nur möglich ist, weil die Dienststellen sich
licht dagegen wehren können, weil sie die Arbeiten ob*
lehnten müssen.
(Zuruf: Sie haben keinen Geschmack!)
- Sehr verehrter Herr Kollege, über den Geschmack
äßt sich streiten. In einem abgetönten Zimmer bringt
nan keine zitronengelben Gardinen an. Es war viel
eicht kein anderer Stoff in der Anschaffungsgesellschaft
wrhanden. —
(Stadtv. Degner: Es kommt etwas neue Farbe,
etwas Stimmung hinein!)
- Das ist Ihre Auffassung. Dann müßten diese Stim-
lmlngsgardinen wenigstens etwas anders gearbeitet
ein und nicht in dieser liederlichen Art und Weise. —
Also, meine Damen und Herren, wir sind nicht
in der Lage, der Bilanz zuzustimmen, solange nicht die
lufgeworfenen Fragen eingehend beantwortet sind.
Stadtv. Dr. Caspars (V) (zur Geschäftsord
nung): Meine Damen und Herren! Wie alle Bilan
zen ist auch die Bilanz der Anschaffungsgesellschaft
im Haushaltsausschuß gewesen. Dort ist auch ein
Mitglied der Wirtschaftspartei anwesend gewesen.
(Rechts: Sehr richtig!)
Ts hat aber nicht den Mund aufgemacht.
(Sehr richtig!)
Oie Bilanz ist glatt passiert, und jetzt werden hier
Behauptungen aufgestellt und Verdächtigungen er
hoben, die hier im Augenblick überhaupt nicht nach
zuprüfen sind. Unter diesen Umständen halten wir
es für erforderlich, daß die Sache an den Hans
haltsausschuß zurückverwiesen wird, damit dort die
Herren Gelegenheit haben, ihre Behauptungen vor
zubringen, und sie ordnungsmäßig nachgeprüft wer
den können.
Stadtv. Kinscher (W) (zur Geschäftsordnung):
Meine Damen und Herren! Ich mache Herrn Dr.
Caspari darauf aufmerksam, daß ich ja selbst Be
richterstatter war. Ich habe im Unterausschuß bean
tragt, die Bilanz nicht zu genehmigen.
(Stadtv. Hake: Na also!)
(Zuruf des Stadtv. Dr. Lohmauu.)
'(Stadtv. Degner: Haben Sie etwas von den
gelben Vorhängen erzählt?)
(Zurufe.)
Vorst. Haß: Ich bitte doch mal zur Abstimmung
um Ruhe.
Wir haben zunächst zu entscheiden über den
Rückverweisungsantrag an den Haushaltsausschuß.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wir erledigen
das heute!)
Wer für Rückverweisung an den Haushaltsausschuß
'st, den bitte ich, eine Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Ich bitte um die Gegenprobe.
' (Geschieht.)
Februar 1928. 161
Das letztere ist die Mehrheit. Die Rückverweisung
ist abgelehnt.
Das Wort hat als Magistratsvettreter Herr
Kollege Schalldach.
Obcrmagistratsrat Schalldach: Meine Damen
und Herren! Herr Kollege Hake hat sich die Sache
sehr leicht gemacht. Er hat hier Verdächtigungen
ausgesprochen und hat sich dabei sogar nicht gescheut,
Unwahrheiten, die nachweisbar sind, vorzubringen.
(Links: Hört, hört!)
Er hat von den Kinderbettstellen mit Matratzen ge
sprochen, die die Anschaffungsgesellschaft geliefert
haben soll, während diese Kinderbettstellen sowohl als
auch die Matratzen gar nicht vom Anschaffungsamt
geliefert worden sind.
(Hört, hört!)
Ihm ist dabei das eigentümliche Unglück passiert,
daß Matratzen für die Anschaffungsgesellfchaft von
seinem Fraktionskollegen im Reichstag, vom Herrn
Reichstagsabgeordneten M o l l a t h , geliefert worden
sind und die bemängelten Preise auch einer Offerte
dieses Lieferanten entsprechen.
(Stürmische Heiterkeit.) . (Glocke.)
(Zuruf.)
Bitte schön, meine Damen und Herren, ich muß auf
die Fragen, die Herr Kollege Hake hier gestellt hat,
antworten. Ich hätte sonst den Namen nicht ge
nannt. Im Ausschuß habe ich ihn bereits erwähnt.
Da Herr Kollege Hake im Ausschuß nicht zugegen
gewesen ist, sondern hier jetzt die Behauptung, die
im Ausschuß widerlegt worden ist, nochmals in der
Öffentlichkeit vorbringt, muß ich das selbstverständ
lich wiederholen,
(Sehr richtig!)
damit cs nicht in die Presse hinausgeht und die
Anschaffungsgesellschaft nicht mit unwahren Behaup
tungen beschuldigt wird.
Ich habe nachgewiesen, daß weder Bettstellen
noch Matratzen von der Anschaffungsgesellschaft zu
dem Preise geliefert worden sind. Die Preispüsung
hat im übrigen stattgefunden, und es ist festgestellt,
daß die Preise durchaus nicht übermäßig sind. Wie
ich schon sagte, hat der Abgeordnete Mollath aus
drücklich versichert, daß für Matratzen aus reinem
Roßhaar der Preis durchaus angemessen ist. Er hat
selbst zu demselben Preise geliefert.
Bei den Kinderbettstellen, die die Firma Schulz
geliefert hat, ist festgestellt worden, daß es sich um
Kinderbettstellen mit doppeltem, verstellbarem Boden
handelt,
(Stadtv. Roth: Wenn er Hosen mit doppeltem
Boden macht, verlangt er auch mehr!)
wo der Preis von 70 M durchaus angemessen und
angebracht ist.
Dann hat Herr Hake von den Gardinen ge
sprochen, die im Rathause irgendwo hängen, die
aber bei der Anschaffungsgesellschaft nicht angefertigt
worden sind. Sie sind vielmehr durch die An*
schaffuugsgesellschaft an einen Handwerker vergeben
worden. Also jedenfalls trifft die mangelhafte Aus
führung, wenn wirklich eine solche vorhanden sein
sollte, keineswegs die Anschaffungsgesellschaft, son
dern den betreffenden Handwerker, der den Auftrag
mangelhaft ausgeführt hat. Ich glaube aber noch
nicht, daß die Gardinen mangelhaft hergestellt sind.
(Stadtv. Hake: Sie müssen sie sich einmal an
sehen !)