Path:
Volume No. 4, 26. Januar 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

96 Sitzung am 26. 
ungefähr 2 /s geben und 1/3 hat der Bezirk aus Vor- 
bchaltsmitteln zu geben, dornt fragen wir, wozu 
denn eigentlich die Vorbehaltsmittel der Bezirke da 
find. Uns ist immer gesagt worden: die Vorbehalts- 
mittel sind für außerordentliche Ausgaben da. Die 
Errichtung des Jugendhauses aber halten wir nicht 
für eine außerordentliche Ausgabe, sondern für eine 
etatsmäßige Ausgabe, die dann auch gedeckt werden 
muß. 
Wir bitten also aus diesen Gründen, unserm 
Vorschlage zuzustimmen und die Ausschußberatung 
für diesen Punkt anzunehmen. 
Vorst. Haß: Frau Kollegin Rosenthal hat den 
Antrag gestellt, den Punkt 29 einem Ausschuß zu 
überweisen. Wer für Ansschußüberweisung ist, bitte ich, 
eilte Hand zu erheben. 
(Geschieht.) 
Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Aus- 
schnßberatung ist abgelehnt. 
Ich schließe die erste Beratung. Ich eröffne 
die zweite Beratung. Keine Wortmeldung. Ich 
schließe sie. 
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Vor 
lage des Magistrats zustimmen will, bitte ich, eine 
Hand zu erheben. 
(Geschieht.) 
Das ist mit Mehrheit beschlossen. 
Wir kommen nun zu Punkt 17 der Tages 
ordnung: 
1. und II. Beratung der Vorlage, betr. Bewilligung 
von 9000 3tJl aus Vorbehaltsmittcln 1927 als 
Anteil der Stadt zu den Unterhaltskosteu des 
Grützmachersportplatzcs an der Chausseestratzc 
— Drucks. 865 —. 
Das Wort hat Herr Kollege Qualitz. 
(Zuruf: Nicht da!) 
Dann nehmen wir unterdessen Punkt 20 heran. 
I. und II. Beratung der Vorlage, betr. Gewährung 
eines einmaligen Zuschusses von 10 000 ffiJl 
an die Heimstätte Dronthcimcr Str. 39 — 
Drucks. 53 —. 
Das Wort hat Frau Hoffmann-Gwinner. 
Stadtv. Frau Hoffmann-Gwinner (K): Meine 
Tarnen und Herren! Wir können nicht anders sagen, 
als daß bas Heim sauber, hygienisch einwandfrei und oen 
modernen Anforderungen, soweit wir sie äußerlich be 
trachten, entspricht. Auch können wir wohl sagen, daß 
die Leitung den Anforderungen durchaus entspricht, 
die ein Heim stellt. Aber lwir müssen doch 
bei dieser Gelegenheit bei solchen Privateinrichtungen 
einmal fragen: Mit welchem Rechte dürfen sich solche 
Heime als Privateinrichtungen ausgeben? Sie haben 
in der Form von Unterstützungen eine derartige finanzielle 
Grundlage, daß man tatsächlich von einer privaten Ein 
richtung nicht mehr sprechen kann. Sie bekommen ihre 
Gelder entweder aus den Kommunen, vom Staate oder 
vom Reich. Deshalb ist dieses Heim auch mehr wie 
jedes andere Heim zu der Uebernahme durch die Stadt 
reif. Wir haben deswegen auch den Antrag gestellt, daß 
die Vorlage abgelehnt wird und daß versucht Ivird, 
dieses Heim von der Stadt zu übernehmen. 
Das Heim ist seinerzeit ans einer Stiftung ent 
standen. Diese Stiftung ist in der Inflationszeit ausge 
braucht worden oder verloren gegangen. Es sind nur noch 
ein paar hundert Mark Stiftungsgelder da, die jetzt oort 
liegen. Im übrigen zahlt Berlin für jede einzelne 
Wöchnerin, die dort untergebracht wird, genau den Satz, 
der „angeblich" ausreichend ist für den Unterhalt einer 
Wöchnerin mit ihrem Kinde für 6 Wochen. Außerdem 
Januar 1928. 
hat das Heim Privatkiuder und Privatkranke, die so viel 
zahlen, daß einige andere Kranke dort mit durchgeholte» 
werden können. 
Drittens sind dort Hausschwangere, die doch in ix» 
Hauptsache die Arbeit leisten. Wenn man auch nicht 
sagen will, daß es volle Arbeitskräfte sind, so doch 
mindestens zu drei Viertel, so daß also auch für Arbeits 
kräfte dieses Heim wenig Geld zu zahlen hat. 
Viertens kommt hinzu, daß diejenigen Mütter, die 
über 6 Wochen hinaus dort bleiben, vom Wohlfahrts 
amt unterstützt werden, d. H., daß das Wohlfahrts 
amt dem Heim die Unterhaltungskosten zahlt. 
Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was 
hat es noch für einen Sinn, hier von einer private» 
Einrichtung zu sprechen, wenn die Stadt Berlin der 
finanzielle Träger dieses Hauses ist? Seine Neuanschaf 
fungen hat das Heim lediglich erstanden durch Wohl- 
tätigkeitsfeste und Wohltätigkeitsbazare. 
(Hört, hört!) 
Wir müssen endlich dahin kommen, solche unehrliche 
Bettelei abzulehnen. 
(Bei den Kommunisten: Sehr gut!) 
Diese Spenden, die hier gegeben werden, sind doch 
eigentlich keine Spenden, sondern es sind stets nur die 
Gelder, die die Betreffenden vorher aus der Arbeiter 
schaft herausgeholt haben. 
(Bei den Kommunisten: Sehr wahr!) 
; Es ist also tatsächlich letzten Endes bloß das Geld der 
I Arbeiterschaft und das Geld, das die Steuerzahler anst 
i bringen. Das, was der Geiß und die Haltung der 
gönnerischen schulmeisterlichen Wohltäter erzeugt, ist, 
daß sie von den Unterstützungsberechtigten Dankbarkeit 
erheischen: das ist eine üble Bevormundung gegenüber 
den Müttern. Das geschieht hier in diesem Heime ganz 
besonders stark. Man bedenke einmal: Tie Mütter, die 
ein Vierteljahr lang bei 'der christlichen Beeinflussung in 
-diesem Heim sind, sind nachher so weit, wie das Kapital 
sie haben will, daß sie vor Unterwürfigkeit den Mund 
halten und schweigen und! ihre Not, in die sie gerate» 
sind, als eine von Gottes Ratschluß in Ewigkeit bestehende 
Notwendigkeit für sie selber anerkennen, daß sie ihre 
Armut als eine selbstverschuldete ansehen. So weit werde« 
sie in diesem Heim gebracht, und dann sind sie willige 
Dienstboten der herrschenden Gesellschaft. Denn Sie wer 
den bei den Arbeitsvermittlungen, die in diesem Heime 
stattfinden, finden, daß der größte Prozentsatz als Dienst 
boten dann weiter vermittelt wird. 
Ich glaube, wir müssen endlich einmal damit auf 
hören, zu glauben, daß die Muststerschsaft eine private 
Angelegenheit ist. Tie Mutterschaft ist eine Leistung, 
die jede Frau und Mutter dem Staate gegenüber voll 
bringt. Tie Mütter haben nicht dem Staate, der 
Kommune oder irgendeinem Wohltäter gegenüber dank 
bar zu sein, sondern die Kommune und der Staat haben 
dafür den Müttern dankbar zu sein, daß diese tat 
sächlich für das Volk die nötige Generation schaffen. 
Diese genannten sozialen Organisationen, die be 
haupten, sie arbeiten sozial, sie arbeiten nur im Interesse 
dieser in Not geratenen Mütter, sind nach unseren 
Auffassung doppelt verwerflich. Denn sie umgeben sich 
mit der Maske, daß sie wirklich für die Befreiung dicht 
Mütter und für die Arbeitsfähigkeit dieser Mütter sorge». 
In Wirklichkeit täuschen sie das Volk ganz bewußt, 
täuschen es dahingehend, daß die 'Leute wirklich glauben, 
daß sie von. diesen besitzenden Klassen erhalten werden. 
Ich will Ihnen einmal sagen, wer die Freunde des 
Heims sind: Da ist Herr Borsig, da ist Herr Delbrück, 
die Herren Schickler & Eo., da ist Theodor Hildebraudt, 
da ist die Strickgarnspiunerei Soundso, - 
(Zuruf bei den Kommunisten: Tie solche Löhne 
zahlt!)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.