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Volume No. 4, 26. Januar 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

86 Sitzung am 26. Januar 1928. 
cmeit, alles übrige auf die werbenden Betriebe. Die 
Beträge, die für die Kämmereiverwaltung 
angefordert werden, find ja zum Teil fchon durch die Be 
schlüsse der städtischen Körperschaften im Laufe des 
letzten Jahres bedingt und werden hier nur etatisiert, 
zum -Teil beruhen sie auch auf vertraglichen Verpflich 
tungen. Neu und wichtig ist die Einsetzung eines Be 
trages von 25 Millivnn für den Wohnungsbau. 
Bei dieser Gelegenheit ein Wort zum Woh 
nungsbau überhaupt. Diese Frage muß uns für 
das nächste Jahr mit ernster Sorge erfüllen, da sich 
heute noch nicht übersehen läßt, in welcher Weise die 
Mittel für erste und zweite Hypotheken für die Woh 
nungen geschaffen werden sollen, die mit Hauszins 
steuer gebaut werden sollen. Daß dazu die Mittel der 
Sparkassen und der öffentlichen und privaten Hypo 
thekenbanken ausreichen werden, ist nicht zu erwarten. 
Eine Möglichkeit für die volle Finanzierung scheint nur 
dann gegeben zu sein, wenn auch für diesen Zweck aus 
ländische Kapitalien herangezogen werden. Es müßte 
aber gefordert werden, daß zu diesem Zwecke nicht die 
Gemeinden mit neuen Auslandsschulden belastet werden, 
sondern daß die Möglichkeit geschaffen wird, daß große 
Ausländsanleihen für Bauzwecke von öffentlichen oder 
privaten Hypothekenbanken aufgenommen werden oder 
von anderen Stellen, die jedenfalls in der Lage sind, 
ihrerseits dann die Gelder unmittelbar an die Bau 
unternehmer ohne besondere Mithaftnng der Gemeinde 
weiterzugeben. Die Gemeinden mit dieser Last zu be 
schweren, scheint kaum tragbar. 
Wir haben für das nächste Jahr auch einen Betrag 
in Höhe von 6 M i l I i o n e n M a r k f ü r d e n W o h- 
n u n g s b a u im Ordentlichen Haushalt. Dieser Be 
trag, der nicht als einmalige, sondern wohlbedacht vom 
Magistrat als laufende Ausgabe vorgesehen ist, er 
innert an die Bauprojekte, die ja die städtischen Körper 
schaften im Laufe des letzten Jahres sehr eingehend be 
schäftigt haben, das sogenannte Chapman-Projekt, das" 
„Bewoag"-Projekt usw. Ohne auf die Einzelheiten 
der damaligen Vorschläge näher einzugehen, muß doch 
ausgesprochen werden, daß diese Form der Förderung 
des Wohnungsbaues auch ihre sehr schweren Be 
denken hat. 
(Zurufe bei den Komm.) 
Eine Bevölkerung, die nach 20 Jahren die Dinge be 
trachten wird und die dann auf Jahre noch weiter eine 
Pächtabgabe von 5 Millionen Mark oder noch höheren 
Beträgen in Auslandsvaluta zahlen mutz für Bauten, 
die vor 20 Jahren einmal hergestellt worden sind, um 
der großen Not zu steuern, wird vielleicht schwer ver 
stehen, wie die Verhältnisse in unserer Zeit gelegen 
haben. Daß trotzdem dieser Weg gegangen werden 
muß und daß der Magistrat jetzt 5 Millionen Reichs 
mark laufend in den Haushalt eingesetzt hat — die Ver 
wendung wird nach Vorschlägen der Wohnnngs- und 
Siedlungsdeputation zu erfolgen haben —, das zeigt 
jedenfalls, wie unendlich groß die Wohnungsnot gerade 
in Berlin ist. Angesichts dieser Tatsache, die uns zwingt, 
diese unerhörten Lasten auf uns zu nehmen, ist es um so 
befremdlicher, daß immer noch der Zustand besteht, daß 
der Stadt Berlin Jahr für Jahr 50 Millionen aus 
ihrem Aufkommen an Hauszinssteuer für Bauzwecke ge 
nommen werden, um in anderen Gemeinden Verwen 
dung zu finden. 
(Stadtv. Merten: Sehr wahr!) 
Hätten wir nicht diese ungeheure Verkürzung zugun 
sten anderer Gemeinden, dann brauchten wir uns nicht 
mit derartig ungeheuren Lasten zu beschweren und 
könnten trotzdem mehr Wohnungen herstellen, als es 
durch Projekte, wie sie im Vorjahre erörtert wurden, 
möglich ist. 
Um zum Außerordentlichen Haushalt 
zurückzukehren: Ich sagte, daß der überaus größte Teil 
für die Werke bestimmt ist, und zwar mit rund 
112 Millionen für die Elektrizitätswerke, 5 Millionen 
für die Wasserwerke und rund 72 Millionen für die 
Untergrundbahnen. 
Ob es möglich sein wird, diesen Auleihebedarf im 
Laufe des nächsten Jahres zu befriedigen, meine Damen 
und Herren, das ist eine Frage, die heute noch nicht mit 
Ja oder Nein beantwortet werden kann. Sie wissen, daß 
dies nicht nur von der Lage des inländischen und aus 
ländischen Geldmarktes abhängt, sondern von der Stel 
lungnahme der Beratungsstelle und anderen Faktoren. 
Es werden sicher gerade in diesen Tagen nach der Rück 
kehr des Reparationsagenten sehr wichtige Besprechun 
gen zwischen maßgebenden Persönlichkeiten stattfinden. 
Aber eines muß doch gesagt und gefordert werden: 
Nachdem von der Beratungsstelle und den sonst zustän 
digen Instanzen von den Gemeinden verlangt worden 
ist, das Material über ihre Verschuldung und ihren An 
leihebedarf, insbesondere auch über ihre kurzfristige 
Verschuldung zusammenzustellen und alles diesen Stellen 
offenzulegen, und nachdem alle diese Forderungen er 
füllt worden sind, muß erwartet werden, daß 
nunmehr die B e r a t u n g s st e l l e ihre Ar 
beiten wieder aufnimmt und zu den ein 
zelnen Anleiheanträgen Stellung nimmt. 
(Stadtv. Merten: Sehr wahr!) 
Meine Damen und Herren! Vor einiger Zeit hat 
einmal ein hochgeschätztes Mitglied dieses Hauses an 
dieser Stelle die Worte gebraucht: 
(Zuruf bei den Komm.: Tempo, Tempo!) 
„Wenn ich der Mussolini wäre, dann hätte ich 
Ihnen nicht erlaubt, neue Schulden zu machen." Ich 
bin den Ausführungen dieses Herrn Kollegen immer 
mit größtem Interesse gefolgt, nicht nur vom Fach 
standpunkt aus, sondern auch deshalb, weil sie für mich 
vielfach einen ästhetischen Genuß bedeuteten. Aber ich 
habe gerade bei dieser Gelegenheit vermißt, daß dieser 
Gedanke etwas weiter ausgeführt wurde dadurch, 
daß uns nämlich gesagt worden wäre, was heute wäre, 
(Stadtv. Merten: Sehr gut!) 
wenn uns ein Mussolini verboten hätte, Schulden zu 
machen. Ich glaube doch, daß man sich einmal einige 
kleine Bilder darüber entwerfen muß, wie es dann heute 
bei uns aussehen würde. Nur ein Beispiel: Wir hätten 
seit mindestens zwei Jahren auf dem Gebiete der Elek 
trizität die Zwangswirtschaft; seit zwei Jahren wäre 
es nicht mehr möglich gewesen, einen neuen Anschluß 
für elektrischen Strom, weder für Wohnungen noch für 
die Industrie, zu erhalten. Wie es auf dem Gebiete 
unseres Verkehrs heute aussehen würde, wenn keine 
Möglichkeiten für neue Strecken der Straßenbahn und 
Untergrundbahn, für neue Wagenanschaffungen, Bahn 
hofserweiterungen usw. gegeben wären, ich glaube, diese 
Dinge brauchte ich nicht erst auszumalen. 
Es ist klar, daß auf allen Gebieten die Ausgaben aus 
das unbedingt notwendige Maß beschränkt 
werden müssen. Das aber muß erfüllt werden. Wir 
können unmöglich die Entwicklung un 
serer Stadt und u n s e re r Wirtschaft d a - 
d u r ch h e m nt e n, daß wir den notwendig c n 
Ausbau unserer Werke n n d V e r k e h r s - „ 
Gesellschaften nicht gewärl e i st e n. 
(Sehr richtig!) 
Von den 345 Millionen, die seit der Inflation an An 
leihen aufgenommen worden sind, entfallen allein 270 
auf Elektrizität, Schnellbahnen und Wasserwerke, 
. Stadtv. Gcibel: Hört, hört!)
	        
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