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Volume No. 41, 20. Dezember 1928

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1928 (Public Domain)

Sitzung ant 20. 
im Aufsichtsrat der Freibad Wanufee-Gesellschaft 
zum Ausdruck gebracht habe. Von den ent« 
zeltten Rednern der bürgerlichen Parteien ist die 
^Befürchtung zum Ausdruck gekommen, daß das nicht 
,-üs letzte sein wird, was man heute durch die Vorlage 
fordert, daß man im nächsten Jahre oder in 2 Jahren 
wieder Forderungen stellen wird. Da sagen wir Ihnen 
sehr deutlich: Wenn das Bedürfnis der badenden Be 
völkerung uns dazu zwingt, dann werden wir uns nicht 
darum kümmern, ob das als werbende Anlage anzu 
sehen ist oder nicht, sondern wir werden für den Aus 
bau des Freibades, soweit er für die erholungsbedürf 
tige Bevölkerung, in erster Linie für die Arbeiter und 
Angestellten, notwendig ist, die Mittel bewilligen, da 
mit sie imstande sind, auch diese städtischen Einrichtungen 
vollständig für sich in Anspruch zu nehmen. Es darf 
Nicht die Befürchtung aufkommen, daß daraus ein 
Luxusbad für die besitzenden Klassen wird. Unsere Auf 
gabe wird es sein, darüber zu Wachen, daß es kein 
Luxnsbad wird, sondern daß es eine Erholungsstätte 
für die arbeitende Werktätige Bevölkerung werden muß. 
Dazu werden uns jedenfalls alle Mittel recht fein. Uns 
liegt daran, die arbeitenden Klassen gesund und 
widerstandsfähig zu erhalten, damit sie der herr 
schenden Gesellschaft, die heute noch zuviel Macht 
besitzt, endlich einmal den Garaus machen kann. 
(Beifall bei den Kommunisten.) 
Stadtv. Döring (DN): Meine Damen und Herren! 
Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß Wann 
see eine Erholungsstätte, eine Stätte, wo die Gesundheit 
der Großstadtbevölkerung gebessert wird, fein soll, nicht 
aber eine Vergnügungsstätte. 
(Zuruf des Stadtv. Clajus: Sind da Ver 
gnügungen?) 
Herr Kollege Clajus, dann ist das Wannfee, was Sie 
nach der Vorlage da aufbauen wollen, gerichtet, dann 
ist das Wannfee, das jetzt schon da ist, auch gerichtet. 
Das ist keine Erholungsstätte mehr, das ist kein Ge 
sundungsplatz mehr; das will ich Ihnen beweisen. Ich 
kenne Wannfee, Herr Kollege Clajus, ich habe es vom 
ersten Jahre an besucht, ich bin von seiner Gründung 
an dort gewesen. Ich habe feit Jahrzehnten und mehr 
meine Sommererholung in Wannfee gesucht, und zwar 
nur in Wannfee. Ich bin früh morgens um 7 Uhr 
draußen gewesen und bin um 7 Uhr abends nach 
Hause gefahren. Ich kenne Wannfee, wie es nur je 
mand kennen kann. Und wenn ich behauptet habe, daß 
es kein Erholungsplatz mehr ist, dann habe ich es an 
mir selber erfahren. 
Ich will Ihnen sagen, Herr Kollege Clajus, ich bin 
in diesem Jahre gar nicht mehr so oft draußen ge 
wesen. Warum? Lassen Sie einen schönen Sommertag 
fein und dann lassen Sie die Menschen, die jetzt in 
Wannfee schon sind, 
(Stadtv. Sellheim: Also müssen wir erweitern!) 
Ja schön, das stimmt. Da stimme ich Ihnen bei. Aber 
man soll nicht die Menschen da zusammenziehen und 
zusammenhalten. Sehen Sie, was ist die Folge davon? 
Es liegt ein Staub darüber, wie es in der schlimmsten 
Baugegend von Berlin-Mitte nicht anders sein kann. 
Es ist ein Lärm dort, daß von einer Erholung gar nicht 
mehr die Rede fein kann. Was ist die Folge davon? 
Die Leute machen es so, wie ich es in diesem Jahre 
gemacht habe, sie gehen irgendwo anders hin, wo sie 
dann Licht und Luft und Sonne haben, ohne den Staub 
der Großstadt, ohne den Lärm eines Rummelplatzes, 
ohne den ganzen Dunst, ohne den Kneipendunst, der 
Überfeinem Teil von Wannsee schon jetzt liegt. 
(Stadtv. Clajus: Wo denn?) 
;Iotmnt vom Restaurationsbetrieb. Wenn Sie den 
ishch ausdehnen wollen, Herr Kollege Clajus, dann 
hohen Sie einen.Biergarten nach Wannfee verlegt, 
danst-haben Sie Wannsee zum Biergarten gemacht. 
Dezember 1928. 999 
Das tut mir leid um Wannsee. Es tut mir leid um die 
Bevölkerung von Berlin, die Erholung und Licht, Luft 
und Sonne Braucht. Wenn Sie Geld ausgeben wollen 
und etwas Übrig haben, dann tun Sie wirklich etwas 
für die Gesundheit, dann bringen Sie die Leute nicht 
alle an den Wannfee. Die arbeitende Bevölkerung 
braucht Luft, Licht und Sonne. Sie Braucht kein 
Luxusbad, sie Braucht keinen Staub, sie braucht keinen 
Lärm. Davon hat sie selber genug. Sie braucht auch 
keinen Biergartendunst. Dergleichen will sie gar nicht. 
Wenn Sie das Badewesen in der Weise ausbauen 
wollen, dann legen Sie lieber andere Erholungsstätten 
an, da, wo die Leute wirklich etwas davon Haben. 
Was haben Sie hier nach Ihrer Vorlage vor? 
Sie wollen Wannfee verbessern. Das könnten Sie tun. 
Herr Kollege Clajus. Wir kämen schon zusammen, 
wenn wir uns in Ruhe darüber verständigten. Daß die 
Anskleidehallen, die jetzt vorhanden sind, nicht genügen,, 
ist selbstverständlich. An Sontagen stehen die Leute eine 
Stunde lang und mehr, ehe sie die Sachen abgeben 
können. Was tun sie daher? Sie kleiden sich am 
Strande aus. Es ist dann alles knüppeldick voll. Das 
ist auch nicht angenehm und führt zu allerlei Miß 
ständen. Daß die Anskleidehallen vermehrt werden 
müssen, ist selbstverständlich. Die Anskleidehallen dort 
sind ja erst vor 2 Jahren fertig geworden. 
(Stadtv. Clajus: Vor 4 Jahren!) 
Vor 4 Jahren haben Sie sie angefangen. Sie sind ganf. 
stabil. Herr Kollege Clajus, Sie werden es nicht be 
zweifeln, daß es sehr schönes Holz ist, was man dort 
hineingebaut hat. 
(Zuruf des Stadtv. Sellheim: Die morgen ab 
brennen können!) 
Ich bitte Sie, Herr Kollege Sellheim, wo waren Sie 
denn vor 4 Jahren, als die Sache eingerichtet wurde? 
(Stadtv. Sellheim: Da war ich noch nicht im Aus 
sichtsrat!) 
Wo waren denn all die klugen Leute? Warum wurde 
da nicht darauf hingewiesen und gesagt: Ein Holzhaus 
kann Brennen und ein Haus, das mit Stroh gedeckt ist, 
kann auch Brennen. Aber so leicht brennt es doch nicht. 
Wenn da mal ein Gebäude abgebrannt ist und wenn 
in diesem Jahre in Rahnsdorf eins abgebrannt ist, so 
kommt das bei massiven Häusern auch vor. Das kann 
schon mal geschehen. Herr Kollege Clajus, wenn Sie 
Wannsee helfen wollen, dann setzen Sie noch einige 
Anskleidehallen hin an die Stellen, wo nicht die Be 
dürfnisanstalten liegen, die jetzt in diesem Jahre fertig 
geworden sind und die massiv sind. An diesen Stellen 
der ltferhöhe hätten Sie Platz, solche hinzusetzen. Tun 
Sie das, dann geben Sie Wannfee, was es Braucht. 
(Stadtv. Clajus: Sind schon da!) 
Aber Sie wollen das andere, was neu gebaut ist, was 
stabil, was gut ist, wegnehmen. Wir haben es ja dazu! 
Man will es entfernen, wenn es auch noch für Jahr 
zehnte und mehr genügt. Wir können uns das leister 
Wir machen das großzügig, dann paßt es auch in de 
späteren Bebauungsplan hinein. Sehen Sie, da sage 
wir: Das machen wir nicht mit, dafür tut uns da 
schöne Geld leid. Dafür können wir wirkliche Er 
holnngsstätten errichten, die Herr Sellheim auch will. 
Ich glaube, den Luxus wird er sich da nicht leisten 
wollen. Nach dem Plan haben Sie nicht bloß unten 
ein Restaurant, sondern oben ein Hauptrestaurant vor. 
Für die Leute, die dieses große und teure Restaurant 
besuchen wollen, ist Wannfee überhaupt nicht da, die 
sollen wo anders hingehen, die sollen den Leuten, die 
Luft und Licht und Wasser haben wollen, den Platz 
nicht wegnehmen. Die haben es dazu. Sie können nach 
Westerland, nach Norderney oder Heringsdorf und 
dergleichen fahren. Also gerade im Interesse der Volks 
gesundheit Bitte ich Sie, lehnen Sie das Projekt ab 
und lehnen Sie sich dagegen auf, daß man dem Volk 
das nimmt, was es braucht, daß man den Rummelplatz,
	        
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