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Volume Sitzung 4, 03.02.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung aut 3. 
lichkeit in diesen Aussichtsräten, in diesen büro 
kratischen Kammern zu stärken, daß man dazu 
übergehet: muß, die Ziffer von 8 auf 10 zu erhöhen, 
und zwar unter Fortfall der 2 Sachverständigen. Wir 
erlauben uns, dazu ebenfalls einen Antrag einzureichen. 
Zu Ziffer 8 derselben Vorlage hat man sehr be 
scheiden tut Haushaltsausschuß, da, wo man unter sich ist, 
erklärt, matt müsse doch dazu übergehen, eine bessere Form 
zu 'finden, durch welche die Stadtverordnetenversamm 
lung, als Vertretern: der Oeffentlichkeit, in der Lage ist, 
mitzusprechen. Bitte, meine Damen und Herren, wenn 
Ihnen damit ernst ist, wir geben Ihnen Gelegenheit. 
Wir erlaubet: ttits, bezüglich der Ziffer 3 einen Abände 
rungsantrag einzubringen: 
„Sämtliche Tarifänderungen bei dei: drei Ver- 
kehrsuntertiehmuttgen unterliegen der Zustimmung der 
Stadtverordnetenversammlung. Den: evtl. entgegen 
stehende Bestimmungen in den Gesellschaftsverträgen 
sind vom Magistrat zu beseitigen." 
Wer also wirklich ernsthaft die Beratung und Zustimmung 
zu den Tarifveränderungen will, muß für diesen Antrag 
stimmen. 
Wir erlauben uns weiter zur Vorlage 90 — das ist 
die „berühmte" Vorlage, die uns nur zur Kenntnis 
nahme vorgelegt worden ist — etwas zu bemerken. 
Nun ja, .zur Kenntnisnahme können wir diese Vorlage 
ja nehmen, aber wir haben auch etwas dazu zu sagen. Ich 
mochte auf einige „peinliche Vorkommnisse" im Hatts- 
haltsausschuß eingehen. Im Haushaltsausschuß lag von 
feiten meiner Freunde ein grundsätzlicher Antrag vor, 
der verlangte, daß der Tarif auf der Grundlage von 
15 Pfg. festgelegt wird. Ich will es mir bei der Kürze 
der Zeit ebenfalls versaget:, auf die Geschichte einzugehen, 
wie das finanziell auch möglich ist. Herr Dr. Steiniger 
hat int Ausschuß etwas offener gesprochen als in: Plenum. 
Er hat im Ausschuß sehr deutlich gesagt, daß es bald 
nicht so weitergehet: kann, tvie bei der Straßenbahn 
und den übrigen städtischen Betrieben, die mau in der 
Zeit der Inflation auf den: Rücket: der Arbeiter 
saniert hat, daß das auch eine Schraube sein muß, die 
reißt. Wenn auch Herrn Dr. Steiniger von der Deutsch- 
nationalen Fraktion persönlich und seine Freunde viel 
leicht andere Gründe leiten lassen — aber daß die 
Ziffern stimmen, daß er die Methode richtig gekenn 
zeichnet hatte, das wagen auch selbst, glaube ich, die 
„Freunde" von der Sozialdemokratischen Fraktion nicht 
zu bestreiten. 
Wir sind also der Meinung, daß die Umsteigemöglich- 
keiten für 15 ch absolut möglich sind. Wie sieht es in 
Wirklichkeit aus? Begebet: wir uns einet: Moment weg 
von diesen großtönenden Worten: „Epoche", „Entwick 
lung", „fortschreitender Geist", was weiß ich mehr. Neh 
men wir mal die reale Wirklichkeit. Wie sieht es dann 
aus? Bisher konnte man int Berliner Verkehr für 
15 3) fahren, nicht wahr, Herr Kollege Lohmanu? Vom 
Verkehr scheinen Sie sehr viel „Ahnung" zu haben, aber 
daS haben Sie verwechselt. Es handelt sich nicht um 
Weit- n u d K u r z f a h r e r, sondern um Einzel- 
f a h r e r u tt d U nt steige r. Bisher konnte man für 
15 3) von Spandau bis Friedrichshagen fahren. Bisher 
konnte man auf der Untergrundbahn — zu unserm 
Bedauern mit Zoncneiuteilung — immerhin für 15 ^ 
eine Strecke fahren. Bisher konnte man mit der Aboag 
auch eine bestimmte Strecke fahren. Wie sehen die Zahlen 
in Wirklichkeit aus, die die Fahrten betreffen? Sie, Herr 
Lohma»», sowie Ihr Kollege Stadtrat Reuter auch, haben 
hier Zahlen gebracht. Ihr Kollege Stadtrat Reuter 
hat selbst die Statistik fertig gemacht. Da steht drin, das 
werden Sie sehen, wenn Sie sich mit der Statistik bekannt 
gemacht haben, daß z. B. bei der Untergrundbahn 
jetzt 31,5 o/o sämtlicher Fahr gaste Einzel f a h- 
rer si ttb , daß bei der S t r aß e u b a h u 53,O/o Ein 
z elf a hrsch ei ne benutze u. 
(Zurufe.) 
Februar 1927. 8-1 
Wahrscheinlich werben nach Ihrem Dafürhalten die Ar 
beiter, wenn sie morgens nach Siemensstadt oder sonst 
nach ihren Arbeitsstellen fahren, so lustig sein, 
erst über den Leipziger Platz auf der Untergrundbahn 
zu fahren, um den „herrlichen" Erfolg des Umsteigeus 
kennen zu lernen. Wenn aber auf der Untergrundbahn 
schon 31,5 o/o Kurzfahrer sind, die nur 15 ^ bezahlen, 
so sprechet: noch höhere Zahlen bei der Aboag. Bei der 
Aboag sind es 61,8% Knrzst reckeufa h r e r. Na, 
zum Teufel nochmal, wer bezahlt denn wirklich die Ge 
schichte? Nun sagt man der Oeffentlichkeit — das sind 
die beibett Pflaster, die man hier aufdrückt —, erstens 
schaffen wir die zweite Klasse ab, zweitens haben wir die 
Umsteigemöglichkeit. Derselbe Einzelfahrer, derselbe Ar 
beiter, der morgens die Straßenbahn benutzet: muß und 
abends dieselbe Strecke benutzet: muß, hat gar kein I::- 
teresse daran, aus geistigen oder ethischen Momenten 
heraus auf die Untergrundbahn zu steigen und für dieselbe 
Leistung 5 r3i mehr zu bezahlen, zumal heute das Unter 
grundbahnnetz überhaupt nicht ausgebaut ist, gerade in 
den großen Jndustriebezirken. 
(Zuruf.) 
Herr Kollege, Sie haben Amerika entdeckt. Auf diesen 
Zwischenruf habe ich nur gewartet, der ist proble 
matisch und mechanisch; es ist typisch, Jute einzelne 
Mitglieder Ihrer Fraktion Zurufe los lassen. Es ist 
natürlich klar, daß die Untergrundbahnen ausgebaut wer 
den müssen. Gerade wir waren diejenigen, die den 
Initiativantrag schon vor Jahresfrist gestellt haben. Aber 
erst nach 10 Jahren, Herr Kollege, lo erbet: 
nach de nt „Programm Reuter" die Außen- und Jndu- 
striebezirke herankommen. Fragen Sie mal, wann Sie- 
mensstadt herankommt, wann Spandau herankommt. Die 
rechte Seite dieses Hauses hat mit einen: nassen und mit 
einem heitern Auge hier dem Ban der Untergrundbahn 
Friedrichsfelde zugestimmt mit der Motivierung, von 
ihren: Standpunkt aus mit Recht: wir wollen eine 
Schnellbahn Halensee, und sie wird abstimmungsfreudig 
bei der nächsten Abstimmung für Halensee die Hände 
hochheben. Alles das sind Geschichten, über die man 
nicht streiten soll, weil sie ja jeder kennt. 
Ich habe versucht, nachzuweisen, daß ein ungeheurer 
Prozentsatz von Arbeitern kein Interesse daran hat, in 
diese Tariferhöhung einzutreten. Wir ändern uns also 
nicht, lvas Reuter versucht, ich weiß nicht, aus welchen 
Gründen, uns anzudichten. Ich tvill mich auf die Dema 
gogie von Lohmann nicht einlassen. Wir sind nicht 
dagegen, ich wiederhole es noch einmal, 
daß die V e r k e h r s s ch w i e r i g k e i t e n von der 
Stadt aus behoben werden. Wir sind die 
e r st e n gewesen, die t'i berh a u p t d e n Antrag 
gestellt haben, wäre n aber nicht dafür, 
daß mau nur teuer und schlecht fährt, 
sondern billig, bequem und schnell soll man fahren. 
(Sehr gut!) 
Man soll verkehrstechnische Verbesserungen machen, man 
soll stolz sein, daß Berlin ein großzügiges Bauprogramm 
hat, daß Berlin Verkehrsmöglichkettet: ersten Ranges 
hat. Man soll nicht sagen, in Krähwinkel sind die Tarife 
teurer, deswegen müssen wir stolz auf unsern „billigen" 
sein und können noch 5 H daraus schlagen. Wir werden 
bald dahin kommen, lvas Herr Schwarz im Haushalts 
ausschuß angedeutet hat: „diesen Einheitstarif können wir 
nur deswegen heute nicht ausführen, weil er uns zu 
gering erscheint." Seine Ausführungen in der 
Oeffentlichkeit waren etwas diplomatischer, sagten aber 
dasselbe. Man will in nächster Zeit wahrscheinlich dazu 
übergehen, 2 5 zu nehmen. Stimmung war auch vor 
Handen. Es ist Ihnen auch bekannt, daß die Aboag in 
den verschiedenen Koinmissiönchen und Deputationen, wo 
die Oeffentlichkeit nicht hinein kommt, die Geschichte 
gemacht hat, einen 25-Pfennig-Umsteigetarst einzuführen. 
Deshalb erlauben wir uns zur Vorlage 90, den Antrag,
	        
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