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Volume Sitzung 36, 24.11.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung am 24. November 1927. 889 
Behandlung mit seiner Namensunterschrift an 
den Arzt zurückgeben. 
2. Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den 
Magistrat, eine Anzahl approbierter Aerzte 
anzustellen, die Geschlechtskranke auf deren 
Wunsch giftfrei (z. B. nach biochemischer und 
homöopathischer Methode) behandeln. 
8. Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den 
Magistrat, wenigstens in einem Krankenhause 
eine Abteilung für giftfreie Behandlung 
Geschlechtskranker einzurichten, um approbier 
ten Aerzten, die Vertreter der giftfreien Heil 
weise sind, Gelegenheit zu geben, den Beweis 
zu erbringen, das; die Geschlechtskrankheiten 
durch ihre Heilmethode geheilt werden können. 
Dann ein Antrag von Dr. Mayer, Schwarz 
und Merten: 
„Die Entschließung des Ausschusses zu Vor 
lage Nr. 787 wird abgelehnt; die Stadtverord 
netenversammlung ersucht statt dessen den Ma 
gistrat, zu prüfen, ob die vorhandenen Heime zur 
Unterbringung sittlich gefährdeter weiblicher Per 
sonen ausreichen und gegebenenfalls Vorschläge 
für den Ausbau dieses Fürsorgezweiges zu 
machen." 
Dann ein Antrag Gäbet und Gen.: 
„Die Räume des städtischen Ambulatoriums 
im Polizeipräsidium sind für die dort durch 
zuführenden Aufgaben völlig unzureichend. Die 
Stadtverordnetenversammlung ersucht daher den 
Magistrat, 
1. mit der Preußischen Bau- und Finanzdirektion 
nochmals Verhandlungen aufzunehmen zur 
Ueberlassung der sehr geeigneten Räume im 
ehemaligen Marstallgebäude zum Ausbau des 
Ambulatoriums, 
2. falls die Verhandlungen abermals scheitern 
sollten, alle Schritte zu tun, bis zum 
1. Januar andere Räume zu schaffen, eventl. 
einen Neubau zu errichten." 
Wir treten in die Fortsetzung der Beratung ein. 
Das Wort hat Frau Kollegin Dr. Maper. 
Stadtv. Frau Dr. Mayer (V): Meine Damen 
und Herren! Ich möchte zunächst zu einigen An 
trägen sprechen, die gestellt sind. Die Kommunisten 
haben beantragt, bei der Staatsregierung Einspruch 
zu erheben, um zu verhindern, daß durch die Preußi 
schen Ausführungsbestimmungen eine abermalige 
Reglementierung herbeigeführt werde. Ich möchte 
dazu sagen, daß die Kommunisten diese Ausführungs 
verordnung wohl nicht sehr gut gelesen haben, sonst 
würden sie wissen, daß unter Abschn. IX, Ziff. 1 
ausdrücklich steht: „Die sittenpolizeiliche Aufsicht über 
Personen, die gewerbsmäßig der Unzucht nachgehen" 
— das ist die Reglementierung — „ist durch das 
Reichsgesetz aufgehoben. Es dürfen also diesen 
Personen gegenüber keinerlei allgemeine polizeiliche 
Auflagen gemacht oder polizeiliche Verbote erlassen 
werden." Ich meine, das ist eigentlich sehr klar und 
deutlich. 
Was aber die Preußische Aussührungsanweisung 
in Abschn. IV sagt, ist etwas vollkommen anderes. Es 
steht dort, daß Personen, die häufig wechselnden 
Geschlechtsverkehr ausüben, wiederholt Zeugnisse bei 
zubringen haben, um ihren Gesundheitszustand nach 
zuweisen, und daß diese Zeugnisse bei solchen Per 
sonen, bei denen man einen Täuschungsversnch an 
nehmen kann, von amtlich dazu bestellten Aerzten 
ausgestellt werden müssen. Ja, meine -Damen und 
Herren, das ist doch etwas völlig anderes als Reg 
lementierung, das ist nichts weiter als die gesund 
heitliche Ueberwachung der Personen, die dringend 
verdächtig sind, krank zu sein und ihre Krankheit 
weiter zu verbreiten, wie es im § 4 des Reichs 
gesetzes ausdrücklich gesagt ist. Ich meine, Per 
sonen, die einen häufig wechselnden Geschlechtsver 
kehr haben, sind immer dringend verdächtig, krank 
zu sein und ihre Krankheit weiterzuverbreiten. Es 
steht hier kein Wort von Prostitution, sondern es 
steht da: alle Personen, bei denen diese Tatsachen 
vorliegen, haben solche Zeugnisse beizubringen. 
(Stadtv. Frau Hoffmann-Gwinner: Ist das 
keine Reglementierung?) 
Frau Hoffmann-Gwinner, dann wissen Sie nicht, 
was Reglementierung ist. Dies ist hier eine rein ge 
sundheitliche Ueberwachung. Die Reglementierung ist 
eine polizeiliche Einschreibung, eine Untcrkontrolle- 
stellung mit dem Verbote, bestimmte Straßen und 
Plätze zu betreten. Diese polizeilichen Ueberwachungs- 
vorschriften sind etwas völlig anderes. Es tut mir 
leid, daß bei Ihnen die Begriffe noch nicht voll 
kommen geklärt zu sein scheinen. 
Nun der zweite Antrag, der sich auf das Heim 
bezieht, das wir für Frauen, die einen häufig 
wechselnden Geschlechtsverkehr haben, einrichten sollen. 
Ja, meine Damen und Herren, wir möchten über 
haupt kein Heim für solche Personen; wir möchten' 
Heime für sittlich gefährdete Frauen und Mädchen. 
Das ist das Signum, unter dem wir solche Heime 
aufmachen, nicht Heime für Personen, die häufig 
wechselnden Geschlechtsverkehr ausüben; das würde 
von vornherein diesen Heimen einen üblen Stempel 
aufdrücken. Aber Heime für sittlich Gefährdete haben 
wir ja, Frau Hoffmann-Gwinner. Bitte gehen Sie 
hinaus nach Oranienburg und sehen Sie sich dort 
das Heim Annagarten an, da ist alles, was Sie 
wollen. Die Mädchen werden freiwillig aufgenommen 
in ein offenes Heim, sie werden dort ausgebildet, 
wie sie wollen, in Hauswirtschaft, in der Gärtnerei, 
in kaufmännischen Fächern. Allerdings, als wir das 
Heim damals gründeten und von der Stadt eine 
Bürgschaft für ein Darlehn verlangten, da haben 
Sie diese Bürgschaft abgelehnt, weil Sie sagten, 
das Heim paßte Ihnen nicht, es wäre kein städti 
sches Heim sondern ein Heim der privaten Wohl 
fahrtspflege. Ja, meine Damen und Herren, so 
können wir nicht operieren. Wenn ein solches Heim 
da ist — mag es kommen, von wem es will —, 
wenn es ordentlich geleitet ist, dann ist es uns 
willkommen. Außerdem haben wir noch ein Heim 
in Conradshöhe, ein Heim in der Frankfurter Allee 
und das städtische Heim des Pflegeamts. Ich glaube, 
wir müssen erst einmal feststellen, ob diese Heime ge 
nügen; wenn sie nicht genügen, dann müssen wir 
uns unterhalten, in welcher Weise ein Ausbau dieses 
Fürsorgezweiges erfolgen kann. Aber ohne weiteres 
wieder eine Bewilligung von mindestens 150 000 M 
— denn soviel kostet solch ein Heim — vorzunehmen, 
das ist eine Unmöglichkeit. Wir haben deshalb einen 
Abänderungsantrag gestellt und bitten, ihn anzu 
nehmen. Er ist vernünftiger und nimmt Rücksicht 
auf die städtischen Finanzen. 
Nun möchte ich zu unserm Antrage selbst kommen. 
Er geht dahin, daß in die Ausführnngsbestimmun- 
gen, die uns hier vorliegen, eine Bestimmung hinein* 
genommen wird, die sagt, daß Richtlinien für die 
Zusammenarbeit zwischen der Gesundheitsbehörde 
und dem Pflegeamt unverzüglich auszustellen sind. Es 
ist leider so, daß in dem Organisationsplan, der uns 
hier vorliegt, uns etwas außerordentlich befremdlich
	        
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