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Volume Sitzung 34, 10.11.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung am 10. November 1927. 831 
er hat sich wörtliche stenographische Aufzeichnungen 
darüber gemacht. Wenn er hier das Gegenteil be 
hauptet, dann entstellt er die Wahrheit bewußt. 
Oberbürgermeister Bös;: Meine Damen und 
Herren! Ich muß doch noch einmal das Wort er 
greifen, um richtigzustellen, was eben der Herr 
Kollege ausgeführt hat. 
Es ist nicht zutreffend, daß der Magistrat durch 
seine Vorlage sich für irgendwelche einseitigen Inter 
essen einsetzen wird. Es handelt sich um die All 
gemeinheit der Wirtschaft, und wir wollen doch 
nicht verkennen, daß auch die Interessen unserer 
Industrie allgemeine wirtschaftliche Interessen des 
deutschen Volkes sind 
(Stadtv. Merten: Sehr wahr!) 
und daß, wenn man von der Industrie spricht, man 
dann nicht nur Arbeitgeber sondern auch Arbeit 
nehmer meint. Ant einfachsten aber läßt sich die 
Sache doch dadurch klären, daß man sich ein Bei 
spiel vor Augen hält. 
Meine Damen tmt> Herren! Nehmen wir an, es 
soll durch die Stadt Berlin über die Messeausstellung 
und das Verkehrsamt eines Tages eine Städtebau- 
ausstellung gemacht werden. Dann haben wir mit 
dem Bauverein die Abrede getroffen, daß die Däuer- 
bauausstellung durch eine Sonderausstellung eine 
solche Städtebauausstellung unterstützen, sie aber 
nicht bei sich allein aufbauen wird. 
Die Befürchtungen des kommunistischen Redners 
sind deswegen ganz unbegründet. Es ist gar kein 
Zweifel und ist auch unzweideutig in der Vorlage 
ausgesprochen und im Vertrage festgelegt, was ge 
meint ist. Wir werden Hand in Hand miteinander 
arbeiten im Interesse der allgemeinen deutschen 
Wirtschaft, wie wir es in der zurückliegenden Zeit 
getan haben, und werden immer wieder Erfolge 
auf diesem Gebiete erzielen. 
(Bravo!) 
Vorst. Haß: Das Wort hat noch einmal Herr 
Stadtv. Kimbel. Es steht ihm noch eine Minute 
zur Verfügung. 
Stadtv. Kimbel (DN): Zunächst möchte ich 
einiges erklären zit der Volte, die hier geschlagen 
worden ist. Es wird hier erklärt, es handelt sich 
um die Diktatur der Industrie, es handelt sich 
aber in Wahrheit um die Freiheit der Künste und 
um die Freiheit des Handwerks. Da ich mich kurz 
fassen muß, kann ich nur das eiitc sagen: Es wäre 
das Schlimmste, was Berlin passieren kann, es 
wäre der schlimmste Mißbrauch des ganzen Geldes 
der (Steuerzahler, wenn die Ideen des Stadtban 
rats Wagner durchgehen. 
(Lachen bei den Kommunisten.) 
Es hat gar keinen Sinn, meine Herren, den 
Städtebau und diese Dittgc mit der rein technischen 
und künstlerischen Seite der Ausstellung zu ver 
quicken. Die Städtebanausstcllnug ist Angelegen 
heit der Städtebauer. Aber hier handelt es sich um 
etwas ganz anderes, hier handelt es sich um die 
Neuauflage eines Experiments, das von den Kollegen 
des Herrn Wagner bereits zwei-, dreimal in Deutsch 
land mit dem Gelde der Steuerzahler aufgeführt 
worden ist und jedesmal zu einem vollkommenen 
Mißerfolge geführt hat. 
,(Stadtv. Gäbet: Wo war das?) 
Der letzte große Mißerfolg war Stuttgart. Denn 
auf der ganzen Stuttgarter Ausstellung suchte mau 
vollständig vergeblich das, was man als Hand 
werker, wenn man überhaupt eine Ahnung von 
Produktion hat, unter Qualität versteht. Wird das 
Geld in dem Sinne, wie es Herr Wagner vor hat, 
für diese Ausstellung verwendet, so erleben Sie 
bett größten Ausstellungsbankrott, den Berlin 
überhaupt erleben kann. Die Hintermänner des 
Herrn Wagner verstehen es ausgezeichnet, mit den 
Geldern der Steuerzahler ihre eigenen Geschäfte 
zu machen. Nicht um die Diktatur der Schwer 
industrie handelt es sich, sondern — ich wieder 
hole' das — es handelt sich um die Freiheit des 
Handwerks, es handelt sich um die Freiheit der 
Künste, die hier in jeder Form bedroht wird. 
(Rechts: Sehr richtig!) 
Vorst. Haß: Herr Kollege Lohmanu hat das 
Wort. Ihm stehen noch 10 Minuten zur Ver 
fügung. 
Stadtv. Dr. Lohmann (S): Meine Damen und 
Herren! Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß 
eine Umgrenzung dessen, welche Gebiete des 
Ausstellungswesens für den Verein in Frage kommen 
sollen, nicht nur wünschenswert, sondern n o t- 
w endig ist. Meine Freunde sind es gewesen, die im 
Ausschuß zuerst diese Anregung gegeben haben. Ich 
nehme an, daß der Herr Kollege Schwenk sich 
dessen erinnert. 
Weiter kann es keinem Zweifel unterliegen, daß 
entsprechend den Ausführungen des Herrn Stadt 
baurats Wagner und dem Antrage des Herrn 
Kollegen Schwenk diese Abgrenzung ungefähr in 
der Linie liegen wird, die dort vorgesehen ist. Es 
ist aber doch sicher, daß sich über Einzelheiten 
dieses Antrages sehr wohl noch reden lassen 
w i x d und daß man auch vom Standpunkte der 
Aufrechterhaltung der städtischen Interessen über 
Einzelheiten sehr wohl reden könnte, z. B. ob 
etwa Bau- und Raumkunst in gewissem Sinne 
dem Verein als sein Ausstellungsgebiet zugewiesen 
werden können. Run sind wir ja in der Lage, daß 
nicht die Stadt allein entscheiden kann, sondern daß 
sie mit einem außerhalb von ihr stehenden Verein 
einen Vertrag geschlossen hat bzw. zu schließen be 
absichtigt und daß die Gegenseite erklärt hat, daß bei 
dieser Formulierung der Vertrag für sie unan 
nehmbar ist. 
Nun, meine Damen und Herren, wer die Aus 
stellung — das habe ich heute morgen bereits im 
■ Ausschuß gesagt — wirklich aus innere r 
Ueberzeugung w ill, der kann an einer 
solchen Formulierung das gesamte Pro 
jekt nicht scheitern lassen. 
(Bei den Demokraten und Sozialdemokraten: 
Sehr richtig!) 
Darum haben wir den Antrag gestellt, daß zu 
nächst verhandelt werden soll. Wir haben den 
Antrag gestellt, daß die Versammlung dem Projekte 
unter der Bedingung zustimmt, daß vor- 
h e r zwischen den städtischen Körperschaften und dem 
Verein eine Abgrenzung der A u s st e l l u n g s- 
gebiet e klargelegt wird. Ich glaube, mehr können 
und mehr wollen wir nicht. Alle städtischen Körper 
schaften haben citt Interesse daran, diese Ab 
grenzung ungefähr in dem Sinne vorzunehmen, 
wie cs der kommunistische Antrag will, das Messe 
amt nicht zuletzt. Denn das Messeamt ivill eine 
Möbelmesse, eine Wvchenendausstellung und was es 
sonst sein möge weiterhin veranstalten können. 
Also, meine Damen und Herren, Sie erledi- 
g e n das Projekt, wenn Sie dem kommunistischen 
Antrage zustimmen, weil die Gegenseite ausdrück 
lich erklärt hat, daß der Vertrag in dieser Form 
für sie unannehmbar ist. Sie ermöglichen das 
Projekt und halten alles das offen, was der kom-
	        
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