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Volume Sitzung 33, 03.11.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung am 3. 
„Dafür Sorge zu tragen, daß keine Sonderkosten 
für die Ausbildung entstehen und der Unterhalt 
minderbemittelter Fürsorgerinnen nach Möglich 
keit sichergestellt wird." , > ■ 
Wir treten in die Aussprache ein. 
Das Wort hat für den Magistrat Herr Prof. 
Dr. Hoffmann. 
Prof. Dr. Hoffmann: Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Gestatten Sie mir in Ver 
tretung des beurlaubten Stadtmedizinalrats nur ein 
paar kurze Worte. 
Es ist Tatsache, daß schon seit länger Zeit ein 
großer Mangel an Gesundheitsfürsorgerinnen in 
ganz Preußen herrscht. Deshalb hat der Wvhlsahrts- 
minister schon vor Jahr und Tag darauf aufmerksam 
gemacht, daß mehr Gesundheitsfürsorgerinnen ausge 
bildet werden möchten. Wir werden nach Kräften 
den Antrag fördern, machen aber schon jetzt darauf 
aufmerksam, daß nach den bisher bestehenden ge 
setzlichen Prüfungsbestimmnngen ein Jahr Ausbil 
dung als Krankenpflegerin in einer Krankenanstalt 
dazu gehört. Wir werden versuchen, beim Wohl 
fahrtsminister dieses eine Jahr auf vielleicht ein 
halbes Jahr herabzudrücken. Wir hoffen, daß er 
vielleicht vorübergehend als Ausnahmebestimmung 
diesem zustimmen wird. Wir können natürlich heute 
darüber noch nichts Bestimmtes sagen. 
Stadtv. Fr. Rosenthal (K): Als dieser so not- , 
wendige Antrag hier eingebracht wurde, war meine 
Fraktion sofort entschlossen, an diesem Antrage nach 
aller Möglichkeit mitzuarbeiten. Ich muß allerdings 
ein Kuriosum feststellen. Die Stadtverordneten der 
SPD. lehnten im Ausschuß ab, die in Frage kom 
menden Kosten für die Ausbildung vom Magistrat 
übernehmen zu lassen. Dahingegen kommt nun hier 
ein Zusatzantrag, der besagt, daß mai\ den Unter 
halt für die minderbemittelten Fürsorgerinnen nach 
Möglichkeit sicherstellen soll. 
Wir haben bereits im Ausschuß gesagt: dieser 
Antrag ist, so wie er ist, eine Halbheit. Er ist nicht 
das, was wir unbedingt brauchen. Was wir brauchen 
ist, daß besonders diejenigen Frauen, die aus dem 
proletarischen Stande kommen, die Möglichkeit haben, 
für die Gesundheitsfürsorge wie auch für die ge 
samte Wohlfahrtsfürsorge ausgebildet zu werden. Es 
genügen absolut nicht die Mittel, die in Stipendien 
usw. vorhanden sind, sondern es muß von seiten des 
Magistrats so gesorgt werden, daß diese Personen 
einmal die Ausbildung vornehmen können und daß 
daun auch ihr Unterhalt sichergestellt ist. Uns ist 
das im Ausschuß abgelehnt worden. Jetzt wird der 
Antrag hier erneut eingebracht. 
Dann möchte ich aber dabei noch eins feststellen. 
Als wir neulich in der Wohlfahrtsdeputation zum 
Etat Stellung genommen haben, da haben meine 
Freunde ebenfalls beantragt, daß vorläufig erst 
malig Mittel bereitgestellt werden, aus denen 
diejenigen Personen, die zum Teil ehren- 
a 1111U ch h e ute s ch o n tätig sind oder d » r ch 
ptolet a r i s ch e Hilssorganisa-tionen v o r- 
g e s ch lägen w erde n , in d e r Wohl - 
f a y r t s ii 11 d G e fund h e i ts f ü r s o r ge aus 
gebildet werden können. Wir sind in der 
Wohlfahrtsdeputation als Kommunisten mit diesem 
Antrage allein geblieben. 
(Hört, hört!) 
Dieselben Fraktionen, die hier diesem Antrage 
in einer andern Form in einem Sonderausschuß 
zugestimmt haben, die hier für ein Teilgebiet der 
November 1927. 799 
Fürsorge nun etwas schaffen wollen, haben dort, 
wo die Möglichkeit war, ein für allemal 
einen Grundstein zu legen, damit wir 
die Möglichkeit haben, proletarische 
Frauen zu dieser Fürsorge hinzuzu 
ziehen, diesen Versuch abgelehnt. 
Trotzdem werden wir natürlich für die Vorlage 
hier stimmen. Das ist ganz selbstverständlich. Wir 
bringen aber doch noch wieder unsern Antrag ein, 
der da grundsätzlich verlangt, daß der 
Magistrat die Kosten für diese Ausbil 
dung ü b e r n i m m t. Uns erscheinen alle diese 
Formulierungen, wie sie hier geschaffen worden sind, 
doch noch nicht grundlegend genug zu sein. Es wird 
hier dauernd von den Minderbemittelten nsw. ge 
sprochen. Wir wissen, wie das geprüft und festge 
stellt wird. Wir sind der Auffassung, daß hier, wo 
der Magistrat, die Stadt Berlin eine Aufgabe zu er 
füllen hat, die ihr vom Reich aufgetragen worden ist, 
sie auch finanziell dafür sorgen muß, daß für die 
Lösung dieser Aufgabe in erster Linie 
die Personen h e r a n g e z o g en werden, d i e 
aus dem sozialen Milieu stammen, in 
dem die zu Betreuenden in derMehrzahl 
leben. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn 
die Kosten vom Magistrat endgültig übernommen 
werden. 
Stadtv. Fr. Todenhagcn: Meine Herren und 
Damen! Ich hätte erwartet, daß nach der Ein 
stimmigkeit, die im Ausschuß erzielt war,' überhaupt 
eine Debatte hier nicht mehr notwendig gewesen 
wäre. Wir kommen ja dem, was Frau Rosenthal 
verlangt, nach. Frau Rosenthal sagt selbst: prole 
tarische Mädchen können die Ausbildungskosten nicht 
tragen. Frau Rosenthal, dem kann man nicht anders 
Rechnung tragen als dadurch, daß man minderbe 
mittelten Kreisen den Unterhalt gewährleistet. Wir 
können nicht ohne weiteres sagen: der Magistrat über 
nimmt die vollen Kosten, d. H. auch die Unterhalts 
kosten. Das würde das zeitigen, was auch Sie nicht 
wollen, nämlich, daß auch wohlhabenden Mädchen die 
Möglichkeit gegeben wird, auf Kosten des Magistrats 
zu leben. 
(Zuruf der Stadtv. Fr. Rosenthal..) 
Was nun Ihr Antrag in der Wohlfahrtsdepu 
tation anlangt, so muß ich feststellen, daß Sie da 
mit um ein Jahr zu spät gekommen sind. Wir haben 
ja schon im vorigen Jahre eine städtische Stiftung 
für Ausbildungszwecke geschaffen. Sie erscheint auch 
in diesem Jahre im Etat. 
Wir haben es mit der Durchführung dieses An 
trages sehr eilig. Er wird hoffentlich Ausgangs 
punkt werden für neue Formen in der Ausbildung 
der Fürsorgerinnen. Für.proletarische Kreise sind 
die Schwierigkeiten nicht tragbar, die heute für 
die Ausbildung in der Gesimdhe'tMrwrge vorliegen. 
Einmal haben wir in den Krankenhäusern nicht so 
viele Jnternatsplätze als Angebote, zum andern sind 
auch nicht alle Frauen und Mädchen des Prole 
tariats in der Lage, so lauge vollkommen aus der 
Familie herausgerissen zu sein. Wir erwarten von 
diesem Versuch, der sich zunächst auf ein halbes Jahr 
erstreckt, daß er in einem neuen Aufbau der gesnnd- 
heitsfürsorglichen Ausbildung überhaupt erreicht 
wird. 
Vorst.-Stellv. Dr. Caspar!: Wir kommen zur Ab 
stimmung. Ich bitte, Platz zu nehmen. 
Es liegen zwei Anträge zum Äusschußbeschluß 
vor. Der eine ist der Abänderungsantrag zu Ab 
satz 4 b von den Herren Czeminski und Genossen 
Ich glaube, ich brauche ihn wohl nicht noch einmal 
zu verlesen.
	        
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