Sitzung am 3.
„Dafür Sorge zu tragen, daß keine Sonderkosten
für die Ausbildung entstehen und der Unterhalt
minderbemittelter Fürsorgerinnen nach Möglich
keit sichergestellt wird." , > ■
Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat für den Magistrat Herr Prof.
Dr. Hoffmann.
Prof. Dr. Hoffmann: Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Gestatten Sie mir in Ver
tretung des beurlaubten Stadtmedizinalrats nur ein
paar kurze Worte.
Es ist Tatsache, daß schon seit länger Zeit ein
großer Mangel an Gesundheitsfürsorgerinnen in
ganz Preußen herrscht. Deshalb hat der Wvhlsahrts-
minister schon vor Jahr und Tag darauf aufmerksam
gemacht, daß mehr Gesundheitsfürsorgerinnen ausge
bildet werden möchten. Wir werden nach Kräften
den Antrag fördern, machen aber schon jetzt darauf
aufmerksam, daß nach den bisher bestehenden ge
setzlichen Prüfungsbestimmnngen ein Jahr Ausbil
dung als Krankenpflegerin in einer Krankenanstalt
dazu gehört. Wir werden versuchen, beim Wohl
fahrtsminister dieses eine Jahr auf vielleicht ein
halbes Jahr herabzudrücken. Wir hoffen, daß er
vielleicht vorübergehend als Ausnahmebestimmung
diesem zustimmen wird. Wir können natürlich heute
darüber noch nichts Bestimmtes sagen.
Stadtv. Fr. Rosenthal (K): Als dieser so not- ,
wendige Antrag hier eingebracht wurde, war meine
Fraktion sofort entschlossen, an diesem Antrage nach
aller Möglichkeit mitzuarbeiten. Ich muß allerdings
ein Kuriosum feststellen. Die Stadtverordneten der
SPD. lehnten im Ausschuß ab, die in Frage kom
menden Kosten für die Ausbildung vom Magistrat
übernehmen zu lassen. Dahingegen kommt nun hier
ein Zusatzantrag, der besagt, daß mai\ den Unter
halt für die minderbemittelten Fürsorgerinnen nach
Möglichkeit sicherstellen soll.
Wir haben bereits im Ausschuß gesagt: dieser
Antrag ist, so wie er ist, eine Halbheit. Er ist nicht
das, was wir unbedingt brauchen. Was wir brauchen
ist, daß besonders diejenigen Frauen, die aus dem
proletarischen Stande kommen, die Möglichkeit haben,
für die Gesundheitsfürsorge wie auch für die ge
samte Wohlfahrtsfürsorge ausgebildet zu werden. Es
genügen absolut nicht die Mittel, die in Stipendien
usw. vorhanden sind, sondern es muß von seiten des
Magistrats so gesorgt werden, daß diese Personen
einmal die Ausbildung vornehmen können und daß
daun auch ihr Unterhalt sichergestellt ist. Uns ist
das im Ausschuß abgelehnt worden. Jetzt wird der
Antrag hier erneut eingebracht.
Dann möchte ich aber dabei noch eins feststellen.
Als wir neulich in der Wohlfahrtsdeputation zum
Etat Stellung genommen haben, da haben meine
Freunde ebenfalls beantragt, daß vorläufig erst
malig Mittel bereitgestellt werden, aus denen
diejenigen Personen, die zum Teil ehren-
a 1111U ch h e ute s ch o n tätig sind oder d » r ch
ptolet a r i s ch e Hilssorganisa-tionen v o r-
g e s ch lägen w erde n , in d e r Wohl -
f a y r t s ii 11 d G e fund h e i ts f ü r s o r ge aus
gebildet werden können. Wir sind in der
Wohlfahrtsdeputation als Kommunisten mit diesem
Antrage allein geblieben.
(Hört, hört!)
Dieselben Fraktionen, die hier diesem Antrage
in einer andern Form in einem Sonderausschuß
zugestimmt haben, die hier für ein Teilgebiet der
November 1927. 799
Fürsorge nun etwas schaffen wollen, haben dort,
wo die Möglichkeit war, ein für allemal
einen Grundstein zu legen, damit wir
die Möglichkeit haben, proletarische
Frauen zu dieser Fürsorge hinzuzu
ziehen, diesen Versuch abgelehnt.
Trotzdem werden wir natürlich für die Vorlage
hier stimmen. Das ist ganz selbstverständlich. Wir
bringen aber doch noch wieder unsern Antrag ein,
der da grundsätzlich verlangt, daß der
Magistrat die Kosten für diese Ausbil
dung ü b e r n i m m t. Uns erscheinen alle diese
Formulierungen, wie sie hier geschaffen worden sind,
doch noch nicht grundlegend genug zu sein. Es wird
hier dauernd von den Minderbemittelten nsw. ge
sprochen. Wir wissen, wie das geprüft und festge
stellt wird. Wir sind der Auffassung, daß hier, wo
der Magistrat, die Stadt Berlin eine Aufgabe zu er
füllen hat, die ihr vom Reich aufgetragen worden ist,
sie auch finanziell dafür sorgen muß, daß für die
Lösung dieser Aufgabe in erster Linie
die Personen h e r a n g e z o g en werden, d i e
aus dem sozialen Milieu stammen, in
dem die zu Betreuenden in derMehrzahl
leben. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn
die Kosten vom Magistrat endgültig übernommen
werden.
Stadtv. Fr. Todenhagcn: Meine Herren und
Damen! Ich hätte erwartet, daß nach der Ein
stimmigkeit, die im Ausschuß erzielt war,' überhaupt
eine Debatte hier nicht mehr notwendig gewesen
wäre. Wir kommen ja dem, was Frau Rosenthal
verlangt, nach. Frau Rosenthal sagt selbst: prole
tarische Mädchen können die Ausbildungskosten nicht
tragen. Frau Rosenthal, dem kann man nicht anders
Rechnung tragen als dadurch, daß man minderbe
mittelten Kreisen den Unterhalt gewährleistet. Wir
können nicht ohne weiteres sagen: der Magistrat über
nimmt die vollen Kosten, d. H. auch die Unterhalts
kosten. Das würde das zeitigen, was auch Sie nicht
wollen, nämlich, daß auch wohlhabenden Mädchen die
Möglichkeit gegeben wird, auf Kosten des Magistrats
zu leben.
(Zuruf der Stadtv. Fr. Rosenthal..)
Was nun Ihr Antrag in der Wohlfahrtsdepu
tation anlangt, so muß ich feststellen, daß Sie da
mit um ein Jahr zu spät gekommen sind. Wir haben
ja schon im vorigen Jahre eine städtische Stiftung
für Ausbildungszwecke geschaffen. Sie erscheint auch
in diesem Jahre im Etat.
Wir haben es mit der Durchführung dieses An
trages sehr eilig. Er wird hoffentlich Ausgangs
punkt werden für neue Formen in der Ausbildung
der Fürsorgerinnen. Für.proletarische Kreise sind
die Schwierigkeiten nicht tragbar, die heute für
die Ausbildung in der Gesimdhe'tMrwrge vorliegen.
Einmal haben wir in den Krankenhäusern nicht so
viele Jnternatsplätze als Angebote, zum andern sind
auch nicht alle Frauen und Mädchen des Prole
tariats in der Lage, so lauge vollkommen aus der
Familie herausgerissen zu sein. Wir erwarten von
diesem Versuch, der sich zunächst auf ein halbes Jahr
erstreckt, daß er in einem neuen Aufbau der gesnnd-
heitsfürsorglichen Ausbildung überhaupt erreicht
wird.
Vorst.-Stellv. Dr. Caspar!: Wir kommen zur Ab
stimmung. Ich bitte, Platz zu nehmen.
Es liegen zwei Anträge zum Äusschußbeschluß
vor. Der eine ist der Abänderungsantrag zu Ab
satz 4 b von den Herren Czeminski und Genossen
Ich glaube, ich brauche ihn wohl nicht noch einmal
zu verlesen.