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Volume Sitzung 32, 27.10.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

786 Sitzung am 27. 
Ich habe ferner im Ausschuß daraus aufmerksam 
gemacht, daß durch die von der Sozialdemokratischen 
Fraktion beantragte Regelung die Beamtenschaft keines 
wegs zufriedengestellt werden kann. Ich habe inzwischen 
Gelegenheit gehabt, mich über die Stimmung der Be 
amtenschaft zu informieren und habe mir von den An 
gehörigen der Gruppen 3—5 sagen lassen, daß sie mit dieser 
Regelung auch nicht einverstanden wären. Wenn schon 
der Antrag der Kommunistische» Fraktion, der auch 
mir als der gerechteste erscheint, nicht angenommen werden 
sollte, dann könnte man cs ruhig bei der Magistrats Vor 
lage belassen und dadurch verhindern, daß durch die An 
nahme des sozialdemokratischen Antrages den unteren Be 
amten augenblicklich zwar Betrüge in Höhe von 10 bis 
15 Ji monatlich mehr gegeben werden, daß aber dieselben 
Barnten dann evtl. nach der endgültigen Verabschiedung 
der neuen Besoldnngsresorm zusehen müßten, wie An 
gehörige der mittleren und oberen Gruppen eine Nach 
zahlung erhalten, während sie baun leer ausgehen 
werden. Das wird für die Angehörigen, der Gruppen 
3 bis 5 um so schmerzlicher fein, als wahrscheinlich die 
Nachzahlung, wenn sie auch au und ftit sich nicht groß 
sein wird, ausgerechnet im Weihuachtsmonat erfolgen 
wird. 
'Meinen politischere Freunden fällt es nicht leicht, dem 
Antrage der Kommunistischen Fraktion zuzustimmen, da 
sie sich auch bewußt sind, daß dieser Antrag, wenn er in 
die Tat umgesetzt wird, wesentlich höhere Ausgaben 
hervorruft, als der Antrag der Sozialdemokratischen Frak 
tion oder die Magistratsvorlage. Meine Damen und 
Herren, Sie kennen den alten Grundsatz der Deutsch 
nationalen Fraktion, keine Ausgaben ohne Deckung zu 
bewilligen. Und wenn der Magistrat weder in seiner 
Vorlage noch im Ausschuß Auskunft gegeben hat, Ivie 
er sich die Deckung denkt, so mich es meinen politischen 
Freunden schwer fallen, dem Antrage der Kommunistischen 
Fraktion die Zustimmung zu geben. Ich hoffe aber, daß 
der Magistratsvertreter vielleicht heute hier erklären kann 
und wird, aus welchen Mitteln die Deckung erfolgen 
soll. Ich setze dabei schon voraus, daß die fehlenden Ein 
nahmen ans keine» Fall durch Erhöhung von Gemeinde 
steuern ausgeglichen werden sollen, da dies doch nach der 
Denkschrift des Magistrats, betreffend den Preußischen 
Finanzausgleich, selbst ein schwerer, bei der heutigen 
Wirtschaftslage kaum möglicher Entschluß sein würde 
Meine Damen und Herren! Wenn meine politischen 
Freunde angesichts der Tatsache, daß die Deckungsfrage 
noch nicht geklärt ist, und trotz dein vorerwähnten Grund 
sätze, den die Deutschnationale Stadtverordnetenfraktion 
hat, bereit sind, den kommunistischen Antrag anzunehmen, 
so läßt das doch wirklich aus eine vorherige eingehende 
Prüfung schließen. Außerdem werben wir aber auch schließ 
lich durch das Verhalten der Stadtverordnetenversamm 
lung zu diesem Schritt gezwungen. 
(Stadtv. Wendt: Hört, hört!) 
„Hört, hört" sagen Sie, Herr Kollege Wendt. Warten 
Sie meine Ausführungen ab. 
(Städtv. Wendt: Ich bin gespannt!) 
Wenn wir einen Magistrat haben, der immer mit 
wechselnder Mehrheit, und zwar bei der Bewilligung der 
Ausgaben mit der Linken und bei der Deckungssrag'e mit 
der Rechten arbeitet, so muß auch mit diesem Zustande 
einmal ausgeräumt werden. 
(Rechts: Sehr wahr!) 
(Stadtv. Wendt: Ich möchte bei der Deckung mal 
/die rechte Mehrheit sehen!) 
Wenn Sie solche Einwürfe machen, will Ich Ihnen nur 
einmal folgendes antworten: Es ist doch sehr sonderbar, 
daß es ein Magistratsvertreter, der Ihrer politischen 
Partei angehört, fertig bringt, zu unsern Freunden zu 
kommen und zu sagen: „Sie werben doch hoffentlich den 
Antrag der S.P.D. und K.P.D. ablehnen!" 
(Rechts: Hört, hört!) 
Oktober 192 r. 
Hätte sich dieser Magistratsvertreter nicht besser mit Ihnen 
in Verbindung gesetzt und Sie gebeten, von Ihrem An 
trage Abstand zu nehmen? — Ich wollte diese Aus 
führungen nicht machen, aber schließlich wird man ja 
durch Ihre Zurufe dazu gezwungen. 
(Zuruf des Stadtv. Wendt.) 
— Ties tue ich mit Rücksicht auf de», hier anwesende» 
Magistratsvertreter nicht. Dazu habe ich als städtischer 
Beamter immerhin noch etwas Taktgefühl, das allerdings 
in Ihren Kreisen sehr oft zu vermissen ist. — 
(Stadtv. Fr. Rosenthal: Hier sind Sie Stadtver 
ordneter !) 
— Ich bin hier Stadtverordneter, sehr richtig! Aber 
auch als solcher soll man im allgemeinen etwas Takt 
gefühl besitzen. 
Meine Damen und Herren! Ich habe bereits aus 
geführt, daß meine politischen Freunde, wenn auch nicht 
leichten Herzens, dem Antrage der Kommunistischen Frak 
tion zustimmen werden, loeil sie davon überzeugt sind, 
daß die Notlage der Beamtenschaft — nicht nur der 
unteren, sondern der gesamten Beamtenschaft — wirklich 
groß ist u!nd daß diese Notlage endlich einmal behoben 
werden muß,. Sie sind andererseits auch davon überzeugt, 
daß durch jede Gehaltserhöhung, die der Beamtenschaft 
zukommt, und wenn sie noch so gering ist, auch die 
Wirtschaftskreise ihren Vorteil haben. Meine Damen und 
Herren! Es wird doch auch hier in diesem Raume niemand 
bestreiten wollen, daß die Beträge, die die Beamten, 
Angestellten o der Arbeiter erhalten, nicht aus die Sparkasse 
kommen, sondern restlos wieder beit Wirtschaftskreisen 
zugeführt werden! Aus diesen Gründen haben meine 
politischen Freunde keine Veranlassung, der Notlage der 
Beamtenschaft nicht Rechnung zu tragen und den Antrag 
der Kommunisten abzulehnen, sie werden vielmehr dem 
kommunistischen Antrage zustimmen. 
Stadtsyudikus Lange: Ueber diese Stellung 
nahme der Teutschnationalen Fraktion und ihr Verhalten 
im Ausschuß bin ich einigermaßen erstaunt. Herr Kollege 
Linxweiler, dort haben Sie einen wesentlich anderen 
Standpunkt eingenommen. Ihnen sind vermutlich die 
Felle weggeschwommen, daß dieser Antrag nicht rechtzeitig 
von Ihnen, sondern von der S.P.D. gestellt worden ist. 
Das ist die heutige parlamentarische -Situation; das 
möchte ich einmal hier feststellen. 
Im übrigen möchte ich Sie bitten, den Namen des 
Magistratsvertreters zu nennen, der Ihnen angeblich 
derartige Aeußerungen gemacht hat. 
(Zuruf links: Sehr gut!) 
Es liegt nicht die mindeste Veranlassung vor, aus Takt 
gefühl heraus diesen Vertreter hier zu schonkn. 
Im übrigen kann ich Ihnen bestätigen, daß Ihre 
Vermutungen und Voraussetzungen in der Deckungsfrage, 
über die Sie sich im allgemeinen auch sonst ja keine Sorge 
zu machen pflegen, richtig sind. 
(Links: Sehr gut!) 
Stadtv. Müller (D): Meine Damen und Herren! 
Ich will mich bei der vorgerückten Stunde kurz fassen. 
Wir bedauern zunächst, daß es nicht möglich ist, die bis 
her gezahlten Vorschüsse au die Beamten ab 1. November 
weiterzuzahlen. Aber im jetzigen Stadium der Ver 
Handlungen sieht man schon, daß die Besoldungsregelung 
voraussichtlich beim Reich und beim Staat so mager aus 
fallen wird, daß man die weitere Zahlung in bisheriger 
Höhe nicht verantworten kann. 
Auch der Magistrat hat ja in der Ausschußsitzung 
erklärt, daß er unter keinen Umständen entern derartigen 
Beschluß beitreten könne. Aber auch der Antrag der 
S.P.D. ist uns nicht sympathisch. Er kamt deshalb 
nicht unsern Beifall finden, weil er uns nicht weit genug 
geht und weil einige Mängel bestehen, die wir gerne 
abstellen möchten. Erstens betrifft der Antrag der S.P.D.
	        
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