786 Sitzung am 27.
Ich habe ferner im Ausschuß daraus aufmerksam
gemacht, daß durch die von der Sozialdemokratischen
Fraktion beantragte Regelung die Beamtenschaft keines
wegs zufriedengestellt werden kann. Ich habe inzwischen
Gelegenheit gehabt, mich über die Stimmung der Be
amtenschaft zu informieren und habe mir von den An
gehörigen der Gruppen 3—5 sagen lassen, daß sie mit dieser
Regelung auch nicht einverstanden wären. Wenn schon
der Antrag der Kommunistische» Fraktion, der auch
mir als der gerechteste erscheint, nicht angenommen werden
sollte, dann könnte man cs ruhig bei der Magistrats Vor
lage belassen und dadurch verhindern, daß durch die An
nahme des sozialdemokratischen Antrages den unteren Be
amten augenblicklich zwar Betrüge in Höhe von 10 bis
15 Ji monatlich mehr gegeben werden, daß aber dieselben
Barnten dann evtl. nach der endgültigen Verabschiedung
der neuen Besoldnngsresorm zusehen müßten, wie An
gehörige der mittleren und oberen Gruppen eine Nach
zahlung erhalten, während sie baun leer ausgehen
werden. Das wird für die Angehörigen, der Gruppen
3 bis 5 um so schmerzlicher fein, als wahrscheinlich die
Nachzahlung, wenn sie auch au und ftit sich nicht groß
sein wird, ausgerechnet im Weihuachtsmonat erfolgen
wird.
'Meinen politischere Freunden fällt es nicht leicht, dem
Antrage der Kommunistischen Fraktion zuzustimmen, da
sie sich auch bewußt sind, daß dieser Antrag, wenn er in
die Tat umgesetzt wird, wesentlich höhere Ausgaben
hervorruft, als der Antrag der Sozialdemokratischen Frak
tion oder die Magistratsvorlage. Meine Damen und
Herren, Sie kennen den alten Grundsatz der Deutsch
nationalen Fraktion, keine Ausgaben ohne Deckung zu
bewilligen. Und wenn der Magistrat weder in seiner
Vorlage noch im Ausschuß Auskunft gegeben hat, Ivie
er sich die Deckung denkt, so mich es meinen politischen
Freunden schwer fallen, dem Antrage der Kommunistischen
Fraktion die Zustimmung zu geben. Ich hoffe aber, daß
der Magistratsvertreter vielleicht heute hier erklären kann
und wird, aus welchen Mitteln die Deckung erfolgen
soll. Ich setze dabei schon voraus, daß die fehlenden Ein
nahmen ans keine» Fall durch Erhöhung von Gemeinde
steuern ausgeglichen werden sollen, da dies doch nach der
Denkschrift des Magistrats, betreffend den Preußischen
Finanzausgleich, selbst ein schwerer, bei der heutigen
Wirtschaftslage kaum möglicher Entschluß sein würde
Meine Damen und Herren! Wenn meine politischen
Freunde angesichts der Tatsache, daß die Deckungsfrage
noch nicht geklärt ist, und trotz dein vorerwähnten Grund
sätze, den die Deutschnationale Stadtverordnetenfraktion
hat, bereit sind, den kommunistischen Antrag anzunehmen,
so läßt das doch wirklich aus eine vorherige eingehende
Prüfung schließen. Außerdem werben wir aber auch schließ
lich durch das Verhalten der Stadtverordnetenversamm
lung zu diesem Schritt gezwungen.
(Stadtv. Wendt: Hört, hört!)
„Hört, hört" sagen Sie, Herr Kollege Wendt. Warten
Sie meine Ausführungen ab.
(Städtv. Wendt: Ich bin gespannt!)
Wenn wir einen Magistrat haben, der immer mit
wechselnder Mehrheit, und zwar bei der Bewilligung der
Ausgaben mit der Linken und bei der Deckungssrag'e mit
der Rechten arbeitet, so muß auch mit diesem Zustande
einmal ausgeräumt werden.
(Rechts: Sehr wahr!)
(Stadtv. Wendt: Ich möchte bei der Deckung mal
/die rechte Mehrheit sehen!)
Wenn Sie solche Einwürfe machen, will Ich Ihnen nur
einmal folgendes antworten: Es ist doch sehr sonderbar,
daß es ein Magistratsvertreter, der Ihrer politischen
Partei angehört, fertig bringt, zu unsern Freunden zu
kommen und zu sagen: „Sie werben doch hoffentlich den
Antrag der S.P.D. und K.P.D. ablehnen!"
(Rechts: Hört, hört!)
Oktober 192 r.
Hätte sich dieser Magistratsvertreter nicht besser mit Ihnen
in Verbindung gesetzt und Sie gebeten, von Ihrem An
trage Abstand zu nehmen? — Ich wollte diese Aus
führungen nicht machen, aber schließlich wird man ja
durch Ihre Zurufe dazu gezwungen.
(Zuruf des Stadtv. Wendt.)
— Ties tue ich mit Rücksicht auf de», hier anwesende»
Magistratsvertreter nicht. Dazu habe ich als städtischer
Beamter immerhin noch etwas Taktgefühl, das allerdings
in Ihren Kreisen sehr oft zu vermissen ist. —
(Stadtv. Fr. Rosenthal: Hier sind Sie Stadtver
ordneter !)
— Ich bin hier Stadtverordneter, sehr richtig! Aber
auch als solcher soll man im allgemeinen etwas Takt
gefühl besitzen.
Meine Damen und Herren! Ich habe bereits aus
geführt, daß meine politischen Freunde, wenn auch nicht
leichten Herzens, dem Antrage der Kommunistischen Frak
tion zustimmen werden, loeil sie davon überzeugt sind,
daß die Notlage der Beamtenschaft — nicht nur der
unteren, sondern der gesamten Beamtenschaft — wirklich
groß ist u!nd daß diese Notlage endlich einmal behoben
werden muß,. Sie sind andererseits auch davon überzeugt,
daß durch jede Gehaltserhöhung, die der Beamtenschaft
zukommt, und wenn sie noch so gering ist, auch die
Wirtschaftskreise ihren Vorteil haben. Meine Damen und
Herren! Es wird doch auch hier in diesem Raume niemand
bestreiten wollen, daß die Beträge, die die Beamten,
Angestellten o der Arbeiter erhalten, nicht aus die Sparkasse
kommen, sondern restlos wieder beit Wirtschaftskreisen
zugeführt werden! Aus diesen Gründen haben meine
politischen Freunde keine Veranlassung, der Notlage der
Beamtenschaft nicht Rechnung zu tragen und den Antrag
der Kommunisten abzulehnen, sie werden vielmehr dem
kommunistischen Antrage zustimmen.
Stadtsyudikus Lange: Ueber diese Stellung
nahme der Teutschnationalen Fraktion und ihr Verhalten
im Ausschuß bin ich einigermaßen erstaunt. Herr Kollege
Linxweiler, dort haben Sie einen wesentlich anderen
Standpunkt eingenommen. Ihnen sind vermutlich die
Felle weggeschwommen, daß dieser Antrag nicht rechtzeitig
von Ihnen, sondern von der S.P.D. gestellt worden ist.
Das ist die heutige parlamentarische -Situation; das
möchte ich einmal hier feststellen.
Im übrigen möchte ich Sie bitten, den Namen des
Magistratsvertreters zu nennen, der Ihnen angeblich
derartige Aeußerungen gemacht hat.
(Zuruf links: Sehr gut!)
Es liegt nicht die mindeste Veranlassung vor, aus Takt
gefühl heraus diesen Vertreter hier zu schonkn.
Im übrigen kann ich Ihnen bestätigen, daß Ihre
Vermutungen und Voraussetzungen in der Deckungsfrage,
über die Sie sich im allgemeinen auch sonst ja keine Sorge
zu machen pflegen, richtig sind.
(Links: Sehr gut!)
Stadtv. Müller (D): Meine Damen und Herren!
Ich will mich bei der vorgerückten Stunde kurz fassen.
Wir bedauern zunächst, daß es nicht möglich ist, die bis
her gezahlten Vorschüsse au die Beamten ab 1. November
weiterzuzahlen. Aber im jetzigen Stadium der Ver
Handlungen sieht man schon, daß die Besoldungsregelung
voraussichtlich beim Reich und beim Staat so mager aus
fallen wird, daß man die weitere Zahlung in bisheriger
Höhe nicht verantworten kann.
Auch der Magistrat hat ja in der Ausschußsitzung
erklärt, daß er unter keinen Umständen entern derartigen
Beschluß beitreten könne. Aber auch der Antrag der
S.P.D. ist uns nicht sympathisch. Er kamt deshalb
nicht unsern Beifall finden, weil er uns nicht weit genug
geht und weil einige Mängel bestehen, die wir gerne
abstellen möchten. Erstens betrifft der Antrag der S.P.D.