Path:
Volume Sitzung 32, 27.10.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Silutmi am 27. 
verordnetenversammlung sicherlich nicht die Lust zur , 
Nachahmung hervorrufen kann. 
(Zuruf links: Was seriös ist, versteht aber Herr 
Kunze nicht!) 
Es kommt für uns in Betracht, meine Damen 
und Herren, daß wir den vielleicht nicht sehr hoff 
nungsvollen, aber um so dringenderen Wunsch haben, 
daß die Stadtverordnetenversammlung ernsthafte 
und praktische Arbeit leistet und daß die ehrliche 
und ruhige Arbeit nicht verhindert wird durch An 
träge auf Vertrauens- oder Mißtrauensvotum, die 
ivir dann dauernd erledigen müßten, wenn irgend 
einer Fraktion irgendeine Tätigkeit irgendeines Ma 
gistratsmitgliedes nicht paßt. 
Aus diesen rein sachlichen, rein rechtlichen, rein 
verfassungsmäßigen Gründen heraus bitte ich Sie 
dringend, über die Anträge zur Tagesordnung über 
zugehen. 
(Bravorufe.) 
Vorst. Hatz: Bevor ich die Beratung schließe, 
möchte ich bekanntgeben, daß zu dem Antrage, den 
Herr Kollege Merten schon verlesen hat, über beide 
Anträge zur Tagesordnung überzugehen, noch der 
besondere Antrag von den Herren Lüdicke und Par 
teifreunden gestellt worden ist, namentliche Ab 
stimmung über diesen Antrag vorzunehmen. 
(Lachen links.) 
Der Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung ist 
im übrigen unterschrieben von den Herren Merten 
u. Parteifreunden, Czeminski u. Gen., Dr. Saltz- 
geber u. Parteifreunden und Kinscher u. Gen. 
Ich darf nun zunächst die Unterstützungsfrage 
stellen. Beide Anträge bedürfen der Unterstützung 
durch 15 Mitglieder dieses Hauses. 
Zunächst bitte ich die Mitglieder der Ver 
sammlung eine Hand zu erheben, die namentliche 
Abstimmung wünschen. 
(Geschieht.) 
Die Unterstützung reicht aus. 
Dann darf ich um Unterstützung für den An 
trag auf Uebergang zur Tagesordnung bitten. 
(Geschieht.) 
Die Unterstützung reicht aus. 
Dann schließe ich die Beratung. Das Schluß 
wort hat Herr Kollege Lüdicke. 
Stadtv. Lüdicke (DM) (Schlußwort): Meine 
Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat ge 
meint, daß die Deutschuationale Partei, die ja 
früher dem Parlamentarismus nicht gerade hold war, 
sich heute aller parlamentarischen Mittel bediene. 
Er glaubte, meiner Partei daraus einen Vorwurf 
machen zu können. 
Ja, meine Damen und Herren, nachdem nun 
einmal die Demokratie in der Verfassung festgelegt 
worden ist und wir mit der Verfassung rechnen 
müssen, ist es auch recht und billig, ist es sogar ganz 
selbstverständlich, daß wir von allen Rechten Ge 
brauch machen, die uns die Verfassung gibt. 
(Rechts: Sehr richtig!) 
Der Herr Kollege Meyer hat dann weiter aus 
geführt, es sei eine parlamentarische Spielerei, wenn 
man mit einem Mißtrauensvotum komme. Er hat 
darauf hingewiesen, daß mau dann ja alle Augen 
blicke mit einem solchen Antrage an die Versamm 
lung herantreten könne. 
Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich 
doch noch der Zeit, als einmal gegen den Ober 
Lktober 767 
bürgermeister Wermuts) ein Mißtrauensantrag ge 
stellt worden war. 
(Rechts: Hört, hört!) 
Damals verlangte der Herr Oberbürgermeister Mer 
muth darüber "ein Vertrauensvotum. Ein solcher 
Vertrauensantrag wurde auch eingebracht, und wenn 
ich nicht sehr irre, ist die Demokratische Partei mit 
dabei gewesen. 
(Stadtv. Merten: Nein, das stimmt nicht! Sie 
irren sich, Herr Kollege!) 
Jedenfalls war es die Sozialdemokratische Partei, 
die stärkste Partei in diesem Hause, die mit einem 
solchen Antrage kam. 
(Stadtv. Urich: Das ist auch nicht richtig, Sie 
irren sich ganz entschieden!) 
(Zuruf: Damals war sie nicht die stärkste!) 
Die Sozialdemokratische Partei war ganz gewiß da 
bei. Sehen Sie nur mal nach. Das hat den Sturz 
des Oberbürgermeisters Wermuth damals herbei 
geführt. 
(Stadtv. Merten: Ist ja gar nicht zur Ab 
stimmung gekommen!) 
Es kam nicht zur Abstimmung, Herr Kollege Mer 
ten, weil eine Partei ihre Unterschrift zurückzog 
und der Oberbürgermeister Wermuth daraufhin sein 
Amt niederlegte. 
Der Herr Kollege Dr. Saltzgeber hat geglaubt, 
in der Geschichte der Deutschuationalen Stadtver 
ordnetenfraktion wieder einmal nachgraben zu 
müssen. Er hat daran erinnert, daß die deutsch 
nationalen Stadtverordneten seinerzeit auch ihre 
Stimmen für Herrn Dr. Weyl bei der Oberbürger 
meisterwahl abgegeben haben. 
Meine Damen und Herren! Es ist gewiß richtig 
und niemals bestritten worden, daß ein Teil meiner 
Freunde gegen Herrn Böß für Herrn Dr. Weyl 
gestimmt hat. Sie hatten ihre Gründe dazu, und 
diese sind sattsam hier dargelegt worden. Meine 
Freunde, die für Dr. Weyl stimmten, sagten sich, 
nachdem einmal die Berliner Stadtverordnetenver 
sammlung eine sozialdemokratische Mehrheit habe, sei 
es auch recht und billig, wenn ein sozialdemokra 
tischer Oberbürgermeister an der Spitze stände, und 
die Berliner Stadtverwaltung nicht unter falscher 
Flagge segele. 
(Hört, hört!) 
— Das war ein Teil meiner Freunde. Der andere 
größere Teil hat anders gestimmt. — < 
Nun, Herr Merten, Sie entsetzen steh auch an 
scheinend heute noch über diese Stellungnahme. Ihre 
Parteifreunde sitzen doch mit den Sozialdemokraten 
in Preußen nach der Revolution immerfort zusam 
men in der Regierung, und Herr Dr. Weyl ist doch 
ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei ge 
wesen. 
(Zuruf des jStadtb. Dr. SaltzgeberJ 
(Stadtv. Merten: Er war damals noch 
Unabhängiger!) 
Es wundert mich gerade, daß Herr Dr. Saltzgeber 
mit diesem Einwände hier kommt. Herr Dr. Weyl 
ivar doch bis zu seinem Tode sein Koalitionsfreund. 
(Stadtv. Merten: Nein, er war damals 
Unabhängiger!) 
Unabhängige und Mehrheits-Sozialdemokratie haben 
sich doch nachher zusammeugetan. 
(Zuruf: Nachher!) 
Herr Dr. Weyl ist nicht aus seinem Rocke heraus 
gegangen, er hat nicht seine politische Ueberzeugung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.