646 Sitzung am 6.
Verehrter Herr Kollege! Sie haben ein ungewöhn
lich angeregtes und bewegtes Leben in der Praxis und
im Beamtendasein hinter sich. Lange Jahre haben Sie
im Auslande zugebracht, haben dort gearbeitet, Erfahrun
gen und Kenntnisse gesammelt und sind dann wieder in
Ihre Heimat zurückgekehrt. Sie haben gewissermaßen
in Berlin ein neues Leben angefangen, von neuem
die Schule besucht, das Abituricntenexamen bestanden,
die Technische Hochschule besucht, neue Examinas mit
Erfolg bestanden und haben es erreicht, in einem Alter,
in dem andere längst in der Beamtenpraxis standen,
mit ungewöhnlich schnellen Schritten sich eine Stellung
zu schaffen, wie sie gerade in unserm Bereiche, in der
Stadt Berlin, im ehemalig zerrissenen Berlin zu den
schwierigsten gehörte.
Sie haben seit dem Jahre 1906 in Charlottenburg
und in der Stadt Berlin gearbeitet. Sie haben Bau
werke, insbesondere Brückenbauwerke geschaffen, die einzig
dastehen und von allen Sachverständigen bewundert wer
den. Sie haben später die Leitung eines ganz besonders
wichtigen Betriebes übernommen: die Leitung unserer
Untergrundbahnbauten, und es ist Ihnen in dieser
Stellung gelungen, sich das allgemeine Vertrauen zu er
werben. Sie haben insbesondere beim Bau der Unter
grundbahnen ungewöhnlich tüchtige Dienste geleistet. Sie
haben es in sehr schwieriger Zeit fertiggebracht, die
Arbeiten auf diesem überaus wichtigen Gebiete, dem Ber
liner Untergrundbahnbau, zu fördern und zu einem Er
gebnis zu führen, das allgemeine Anerkennung unter
den Sachverständigen sowohl als auch in unserer Be
völkerung gefunden hat.
Wenn Sie heute in den Berliner Magistrat eintreten,
so sind wir dessen gewiß, daß Ihre Erfahrungen und
Ihre Kenntnisse uns gute Dienste leisten werden, daß
insbesondere das, was Sie in den verschiedenen tech
nischen Zweigen innerhalb und außerhalb des Dienstes
der Stadt Berlin geleistet haben, unserer Stadt zugute
kommen wird. Zch bin deshalb davon überzeugt, daß
Sie im Magistrat eine volle Position einnehmen wer
den, daß Ihre Dienste unserer Stadt ganz besonders zu
gute kommen werden.
Ich darf Sie bitten, mir den Eid auf die Preußische
Verfassung und dann den auf die Reichsverfassung nachzu
sprechen.
Auf die Preußische Verfassung:
(Vereidigung auf die Staatsverfassung erfolgt.)
Nun auf die Reichsverfassung:
(Vereidigung auf die Reichsverfassung erfolgt.)
Ich habe Sie in bezug auf die Reichsversassung
daraus aufmerksam zu machen,
daß durch die in der Verordnung vom 14. August
1919 festgesetzte Form des Beamteneides Ihre in der
Reichsverfassung, besonders in Art. 130, gewährleisteten
Rechte in keiner Weise eingeengt oder beschränkt wer
den. Das eidliche Treugelöbnis zur Verfassung ent
hält nur die Bedeutung, daß der Beamte sich ver
pflichtet, in seiner Tätigkeit als Beamter die Ver
fassungsbestimmungen getreu zu beachten. Die Staats
regierung ist nicht der Auffassung, daß die Ableistung
des Eides auf die Reichsversassung einen Verzicht auf
die Wohltaten des § 13 der Verordnung vom 26. Fe
bruar 1919 in sich schließt.
Sehr verehrter Herr Kollege Zangemeister! Ich heiße
Sie im Berliner Magistrat aufrichtig willkommen und
führe Sie hiermit in Ihr Amt feierlich ein.
(Geschieht.)
Vorst.-Stellv. Meyer: Sehr geehrter Herr Stadt
rat! Namens der Stadtverordnetenversammlung schließe
ich mich den Begrüßungsworten des Herrn Oberbürger
meisters an. Der Herr Oberbürgermeister hat bereits
insbesondere auf die reiche Tätigkeit, die Sie in städti
schen Diensten ausgeübt haben, hingewiesen. Ich selbst
Oktober 1927.
kann nicht umhin, das noch deshalb zu unterstreichen,
weil ich den Vorzug gehabt habe, 15 Jahre hindurch
in der damaligen Stadt Charlottenburg mit Ihnen zu
sammenzuwirken und den Umfang und die Bedeutung
Ihrer Arbeit aus eigener Anschauung zu sehen. Ich
gebe der Hoffnung und dem Wunsche Ausdruck, daß es
Ihnen beschicken sein möge, Ihre ausgezeichneten Kennt
nisse für die Stadt Berlin, zum Wohle der gesamten
Bürgerschaft und zu Ihrer eigenen Befriedigung zu ver
werten.
(Bravorufe.)
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen vor
Eintritt in die Tagesordnung noch einige Mitteilungen
zu machen. •
Es ist ein Dankschreiben des Stadtrats a. D. und
Stadtältesten Dr. Göhring für die Glückwünsche der
städtischen Körperschaften zu seinem 70. Geburtstage ein
gegangen.
Der Magistrat teilt uns mit, daß er die Vorlage 17 e
— Drucks. 648 —, betr. die Ueberweisuug eines Grund
stücks Berlin-Wilmersdorf, Berliner Straße 40, an die
Sparkasse, zurückgezogen hat. Der Aeltestenausschuß
schlägt Ihnen demgemäß vor, diesen Punkt von der
Tagesordnung abzusetzen.
Kein Widerspruch. Es' ist demnach so verfahren.
Der Aeltestenausschuß schlägt Ihnen ferner im Ein
verständnis sämtlicher Fraktionen vor, die Punkte 25
und 26 der Tagesordnung, d. H. den
Antrag der Stadtv. Czeminski u. Gen., betr. Bereit
stellung von Neubauwohnungen für Kriegsbeschädigte
— Drucks. 680 —,
und den
Antrag der Stadtv. Gäbel u. Gen., betr. Errichtung
eines Paul-Singer-Stifts für Kriegsbeschädigte in
der Schönholzer Heide — Drucks. 683 —
ohne vorherige Beratung einem besonderen Ausschuß zu
überweisen.
Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist demgemäß
beschlossen.
Dann sind zwei Dringlichkeitsanträge eingegangen,
die sich auf die Beamtenbesoldung beziehen.
Ein Antrag Czeminski u. Gen.:
„Die Stadtverordnetenversammlung möge be
schließen, den Magistrat zu ersuchen, die zuletzt ge
währten Gehaltszuschüsse bis zur endgültigen Neu
regelung der Besvldungsordnung den Beamten der
Gruppen 1—5 weiterzuzahlen."
sowie eilt Antrag Gäbel, Menz und der übrigen Mit
glieder der Kommunistischen Fraktion:
„Stadtverordnetenversammlung wolle beschließen:
Der Magistrat wird ersucht, die von den städti
schen Körperschaften festgesetzten und im September und
Oktober gezahlten Sätze der Gehnltszuschüsse bis zur
Inkraftsetzung einer neuen Besoldungsordnung für die
Beamten und Festangestellten der Stadt Berlin weiter
zuzahlen und den Beschluß vom 28. September auf
zuheben."
Der Aeltestenausschuß schlägt Ihnen vor, diese beiden
Antrüge ohne Beratung im Plenum dem bereits ein
gesetzten Beamtenausschuß zu überweisen.
Ein Widerspruch erhebt sich nicht. Es ist demgemäß
beschlossen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, erteile
ich dem Herrn Stadtverordneten Gäbel das Wort.
Stadtv. Gäbel (K.): Meine Damen und Herren!
Ich muß namens meiner Fraktion gegen die vorzeitige
Schließung der letzten Sitzung protestieren. Der Herr
Vorsteher verkündete, daß nach Uebereinstimmung mit den
Fraktionen die Sitzung geschlossen werden müßte. Ich
habe sofort dagegen protestiert und mich zum Wort ge
meldet. Dessen ungeachtet schloß der Herr Vorsteher