Sitzung NM 29.
Prüfen kann in einem Ausschuß ober meinetwegen auch
hier. Aber eine solche Angelegenheit zu überstürzen, ist
wiederum ein Beweis dafür, daß wir in allen Fragen
von irgendwelcher Bedeutung neuerdings dadurch svgut
wie ausgeschaltet werden, daß man uns die Vorlagen
im letzten Moment bringt und daß es dann heißt: Friß
Vogel oder stirb!
Vorst.-Stcllv. Fabian: Weitere Wortmeldungen
liegen nicht vor. Es ist der Antrag gestellt worden,
nicht eilte Verwaltungsamtmannstelle, sondern eine Stadt
amtmannstelle zu seh affen. Ich lasse zunächst über diesen
Abünderungsantrag des Herrn Dr. Caspari abstimmen.
Wer dafür ist, bitte ich, die Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Ich bitte um die Gegenprobe.
(Geschieht.)
Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist ab
gelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Vor
lage des Magistrats. Wer hierfür ist, bitte ich, die
Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Das ist dieselbe Mehrheit. Die Vorlage ist ange
nommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 15:
I. und II. Beratung der Vorlage, betr. die neue Ver-
gnügungssteuerordnnng — Drucks. 661 —.
Hier ist beantragt, diese Vorlage einem besonderen
Ausschuß zu überweisen.
(Stadtv. Dr. Lohmann: Steuerausschuß!)
Hier ist von den Herren Braun, Kinscher, Schwarz
und Parteifreunden ein besonderer Ausschuß beantragt.
(Stadtv. Dethleffsen: Es soll doch der Steuer
ausschuß sein!)
Also, meine Damen und Herren, es scheint Ueberein
stimmung zu herrschen, daß diese Vorlage dem Steuer
ausschuß überwiesen wird. Widerspruch dagegen erhebt
sich nicht. Es ist so beschlossen.
Wir kommen nuw zu Punkt 17 der Tagesordnung:
Vorlage zur Kenntnisnahme, betr. Verwaltung des
Planetariums (Beschl. der Versammlung vom
23. Juni 1927 — Prot. Nr. 3 —) — Druck
sache 628 —.
Keine Wortmeldung. Die Vorlage ist zur Kennt
nis genommen.
Punkt 18:
Vorlage zur Kenntnisnahme, betr. Beseitigung des
Hohenzollerndenkmals in Neukölln (Beschl. der Ver
sammlung vom 28. Juni 1927 — Prot. Nr. 4 —)
— Drucks. 651 —.
Das Wort hat Herr Dr. Weinberg.
Stadtv. Dr. Weinberg (8.): Meine Damen und Herren!
Wir erkennen die Rechtslage, die uns der Magistrat
hier in seiner Vorlage zur Kenntnisnahme charakterisiert
hat, als richtig dargestellt an. Nach der bestehenden
Gesetzgebung konnte der Magistrat tatsächlich nicht anders
handeln, als es hier geschehen ist. Es ist wieder einmal
diese Rechtslage ein Beweis dafür, wie sich Gesetz und
Recht wie eine ewige Krankheit fortschleppen und fort
erben, wenn wir bedenken, daß die Stadt verhindert ist,
mit ihrem Eigentum auf ihrem eigenen Grund und Boden
zu tun, was sie will ans Grund eines Gesetzes, das
nunmehr bereits über 130 Jahre alt ist. Aber wir
können dagegen nicht ankommen. Andererseits aber sind
wir der Auffassung, daß mit dieser Darlegung der
Rechtslage die Angelegenheit noch nicht erledigt sein
September 1927. 635
kann. Wir haben deshalb zu dieser Vorlage einen An
trag eingebracht, von dem ich annehme, daß ihn der
Herr Vorsteher gleich verlesen wird und der darauf ab
gestellt ist, daß der Magistrat ersucht wird, beim Mini
sterium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung die
Erlaubnis zur Entfernung dieses Hohenzollerndenkmals
auf dem Hohenzollernplatz in Neukölln einzuholen und
daß er die Erwartung ausspricht, daß der Minister mit
Rücksicht darauf, daß das Denkmal irgendeinen Kunst
wert nach der allgemeinen Auffassung, die auch ich teile,
nicht repräsentiert und daß gerade in dieser Arbeitergegend
von Neukölln wirklich ein besonderes inneres Verhältnis
zu dem auf dem Denkmal dargestellten Wilhelm 1. nicht
besteht, die Genehmigung nicht versagen wird.
Wir würden, meine Damen und Herren, diesen ,
Standpunkt auch einnehmen — ich jedenfalls —, wenn
wir monarchistisch gesinnt wären. Wir sind der Auf
fassung, daß auch die Monarchisten wirklich es nicht
als eine Ehrung für einen Monarchen ansehen können,
wenn derartige Kitschdenkmäler auf den Straßen bleiben.
Im übrigen sind wir der Auffassung, daß es doch
wohl erforderlich wäre, aus der Umwandlung, die seit
1918 eingetreten ist, auch im Straßenbilde einige Konse
quenzen zu ziehen.
Meine Damen und Herren! Denken Sie sich den
Fall, daß beispielsweise in der Bayrischen Räterepublik
zu Ehren des in München ermordeten Ministerpräsidenten
Eisner ein Denkmal errichtet worden wäre. Glauben Sie
wohl, daß dieses Denkmal noch heute bestehen würde?
Und wenn Sie das zugeben, dann werden Sie es
wirklich nicht als irgendwelchen Fanatismus oder als
Bilderstürmerei ansehen, wenn wir nun auch den Wunsch
haben, daß zum mindesten derartige kunstlose Elaborate
des Handwerks von unseren Straßen und Plätzen ver
schwinden, wo sie ja doch für die Mehrzahl der Bevölke
rung einen Stein des Anstoßes bilden.
Ich enthalte mich jeder politischen Ausführung, weil
ich hoffe, daß ich für diese Ausführungen Verständnis
finden werde und weil ich hoffe, daß die Mehrzahl der
Versammlung unserem Antrage zustimmen wird.
Vorst.-Stellv. Fabian: Der Antrag, den Herr
Weinberg gestellt hat, lautet folgendermaßen:
„Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den
Magistrat, bei dem Preußischen Ministerium für Kunst,
Wissenschaft und Volksbildung die Erlaubnis zur Ent
fernung des auf dem Hohenzollernplatz in Neu
kölln befindlichen Kaiser-Wilhelm-Denkmals einzuholen.
Sie erwartet, daß diese Erlaubnis erteilt wird, da das
Denkmal einen besonderen Kunstwort nicht hat und
eine überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung der Per
son, die auf diesem Denkmal dargestellt ist, keinerlei
Interesse entgegenbringt.
Das Wort hat Herr Stadtv. Friff Lange.
Stadtv. Fritz Lange (K.): Meine Damen und
Herren! Wir sind mit dem Antrage der Sozialdemo
kratischen Fraktion voll und ganz einverstanden. Ich
möchte heute nicht darauf eingehen, wie es gekommen ist,
daß heute noch 130 Jahre alte Gesetze in der Deutschen
Republik Recht und Wirkung haben.
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir uns in
nächster Zeit ebenfalls noch mit solchen Kitschmonstren
zu befassen haben, die hier draußen rechts und links
vom Haupteingang stehen. Es ist verwunderlich, daß
der Magistrat immer erst mit der Nase auf solche Dinge
gestoßen werden muß, ehe er seinem republikanischen
Herzen Luft macht, — um sich hinter Paragraphen
zu verkriechen. -
(Zuruf rechts: Da müssen wir Sie hinstellen!)
(Heiterkeit.)
— Nein, da passen Ihre vermanschten Schießbudenfiguren
besser hin! —