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Volume Sitzung 27, 29.09.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung NM 29. 
Prüfen kann in einem Ausschuß ober meinetwegen auch 
hier. Aber eine solche Angelegenheit zu überstürzen, ist 
wiederum ein Beweis dafür, daß wir in allen Fragen 
von irgendwelcher Bedeutung neuerdings dadurch svgut 
wie ausgeschaltet werden, daß man uns die Vorlagen 
im letzten Moment bringt und daß es dann heißt: Friß 
Vogel oder stirb! 
Vorst.-Stcllv. Fabian: Weitere Wortmeldungen 
liegen nicht vor. Es ist der Antrag gestellt worden, 
nicht eilte Verwaltungsamtmannstelle, sondern eine Stadt 
amtmannstelle zu seh affen. Ich lasse zunächst über diesen 
Abünderungsantrag des Herrn Dr. Caspari abstimmen. 
Wer dafür ist, bitte ich, die Hand zu erheben. 
(Geschieht.) 
Ich bitte um die Gegenprobe. 
(Geschieht.) 
Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist ab 
gelehnt. 
Wir kommen dann zur Abstimmung über die Vor 
lage des Magistrats. Wer hierfür ist, bitte ich, die 
Hand zu erheben. 
(Geschieht.) 
Das ist dieselbe Mehrheit. Die Vorlage ist ange 
nommen. 
Wir kommen nunmehr zu Punkt 15: 
I. und II. Beratung der Vorlage, betr. die neue Ver- 
gnügungssteuerordnnng — Drucks. 661 —. 
Hier ist beantragt, diese Vorlage einem besonderen 
Ausschuß zu überweisen. 
(Stadtv. Dr. Lohmann: Steuerausschuß!) 
Hier ist von den Herren Braun, Kinscher, Schwarz 
und Parteifreunden ein besonderer Ausschuß beantragt. 
(Stadtv. Dethleffsen: Es soll doch der Steuer 
ausschuß sein!) 
Also, meine Damen und Herren, es scheint Ueberein 
stimmung zu herrschen, daß diese Vorlage dem Steuer 
ausschuß überwiesen wird. Widerspruch dagegen erhebt 
sich nicht. Es ist so beschlossen. 
Wir kommen nuw zu Punkt 17 der Tagesordnung: 
Vorlage zur Kenntnisnahme, betr. Verwaltung des 
Planetariums (Beschl. der Versammlung vom 
23. Juni 1927 — Prot. Nr. 3 —) — Druck 
sache 628 —. 
Keine Wortmeldung. Die Vorlage ist zur Kennt 
nis genommen. 
Punkt 18: 
Vorlage zur Kenntnisnahme, betr. Beseitigung des 
Hohenzollerndenkmals in Neukölln (Beschl. der Ver 
sammlung vom 28. Juni 1927 — Prot. Nr. 4 —) 
— Drucks. 651 —. 
Das Wort hat Herr Dr. Weinberg. 
Stadtv. Dr. Weinberg (8.): Meine Damen und Herren! 
Wir erkennen die Rechtslage, die uns der Magistrat 
hier in seiner Vorlage zur Kenntnisnahme charakterisiert 
hat, als richtig dargestellt an. Nach der bestehenden 
Gesetzgebung konnte der Magistrat tatsächlich nicht anders 
handeln, als es hier geschehen ist. Es ist wieder einmal 
diese Rechtslage ein Beweis dafür, wie sich Gesetz und 
Recht wie eine ewige Krankheit fortschleppen und fort 
erben, wenn wir bedenken, daß die Stadt verhindert ist, 
mit ihrem Eigentum auf ihrem eigenen Grund und Boden 
zu tun, was sie will ans Grund eines Gesetzes, das 
nunmehr bereits über 130 Jahre alt ist. Aber wir 
können dagegen nicht ankommen. Andererseits aber sind 
wir der Auffassung, daß mit dieser Darlegung der 
Rechtslage die Angelegenheit noch nicht erledigt sein 
September 1927. 635 
kann. Wir haben deshalb zu dieser Vorlage einen An 
trag eingebracht, von dem ich annehme, daß ihn der 
Herr Vorsteher gleich verlesen wird und der darauf ab 
gestellt ist, daß der Magistrat ersucht wird, beim Mini 
sterium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung die 
Erlaubnis zur Entfernung dieses Hohenzollerndenkmals 
auf dem Hohenzollernplatz in Neukölln einzuholen und 
daß er die Erwartung ausspricht, daß der Minister mit 
Rücksicht darauf, daß das Denkmal irgendeinen Kunst 
wert nach der allgemeinen Auffassung, die auch ich teile, 
nicht repräsentiert und daß gerade in dieser Arbeitergegend 
von Neukölln wirklich ein besonderes inneres Verhältnis 
zu dem auf dem Denkmal dargestellten Wilhelm 1. nicht 
besteht, die Genehmigung nicht versagen wird. 
Wir würden, meine Damen und Herren, diesen , 
Standpunkt auch einnehmen — ich jedenfalls —, wenn 
wir monarchistisch gesinnt wären. Wir sind der Auf 
fassung, daß auch die Monarchisten wirklich es nicht 
als eine Ehrung für einen Monarchen ansehen können, 
wenn derartige Kitschdenkmäler auf den Straßen bleiben. 
Im übrigen sind wir der Auffassung, daß es doch 
wohl erforderlich wäre, aus der Umwandlung, die seit 
1918 eingetreten ist, auch im Straßenbilde einige Konse 
quenzen zu ziehen. 
Meine Damen und Herren! Denken Sie sich den 
Fall, daß beispielsweise in der Bayrischen Räterepublik 
zu Ehren des in München ermordeten Ministerpräsidenten 
Eisner ein Denkmal errichtet worden wäre. Glauben Sie 
wohl, daß dieses Denkmal noch heute bestehen würde? 
Und wenn Sie das zugeben, dann werden Sie es 
wirklich nicht als irgendwelchen Fanatismus oder als 
Bilderstürmerei ansehen, wenn wir nun auch den Wunsch 
haben, daß zum mindesten derartige kunstlose Elaborate 
des Handwerks von unseren Straßen und Plätzen ver 
schwinden, wo sie ja doch für die Mehrzahl der Bevölke 
rung einen Stein des Anstoßes bilden. 
Ich enthalte mich jeder politischen Ausführung, weil 
ich hoffe, daß ich für diese Ausführungen Verständnis 
finden werde und weil ich hoffe, daß die Mehrzahl der 
Versammlung unserem Antrage zustimmen wird. 
Vorst.-Stellv. Fabian: Der Antrag, den Herr 
Weinberg gestellt hat, lautet folgendermaßen: 
„Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den 
Magistrat, bei dem Preußischen Ministerium für Kunst, 
Wissenschaft und Volksbildung die Erlaubnis zur Ent 
fernung des auf dem Hohenzollernplatz in Neu 
kölln befindlichen Kaiser-Wilhelm-Denkmals einzuholen. 
Sie erwartet, daß diese Erlaubnis erteilt wird, da das 
Denkmal einen besonderen Kunstwort nicht hat und 
eine überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung der Per 
son, die auf diesem Denkmal dargestellt ist, keinerlei 
Interesse entgegenbringt. 
Das Wort hat Herr Stadtv. Friff Lange. 
Stadtv. Fritz Lange (K.): Meine Damen und 
Herren! Wir sind mit dem Antrage der Sozialdemo 
kratischen Fraktion voll und ganz einverstanden. Ich 
möchte heute nicht darauf eingehen, wie es gekommen ist, 
daß heute noch 130 Jahre alte Gesetze in der Deutschen 
Republik Recht und Wirkung haben. 
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir uns in 
nächster Zeit ebenfalls noch mit solchen Kitschmonstren 
zu befassen haben, die hier draußen rechts und links 
vom Haupteingang stehen. Es ist verwunderlich, daß 
der Magistrat immer erst mit der Nase auf solche Dinge 
gestoßen werden muß, ehe er seinem republikanischen 
Herzen Luft macht, — um sich hinter Paragraphen 
zu verkriechen. - 
(Zuruf rechts: Da müssen wir Sie hinstellen!) 
(Heiterkeit.) 
— Nein, da passen Ihre vermanschten Schießbudenfiguren 
besser hin! —
	        
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