Path:
Volume Sitzung 26, 15.09.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

598 Sitzung am" 15. 
wie möglich zu halten, und es fragt sich nun: Sind in 
dem Angebot diese Bedingungen erfüllt oder können 
unter den jetzigen Verhältnissen diese Bedingungen nicht 
in dem vollen Umfange, wie die Stadtverordnetenver 
sammlung es wünschen muß, wie vor allen Dingen die 
wohnungsuchende Bevölkerung es wünschen muß, er 
füllt werden? 
Einmal müssen wir bedauern — und das möchte ich 
ganz besonders betonen —, daß die Beratungsstelle der 
Stadt nicht die Möglichkeit gibt, selbst die Anleihe 
aufzunehmen 
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!) 
und im Wege der Ausschreibung selbst als Bauherr aus 
zutreten, um so als Stadt gestaltend und regulierend 
auf die Baupreise einzuwirken. Es ist außerordentlich be 
dauerlich, daß die Reichsstellen den Gemeinden hier 
Knüppel zwischen die Beine werfen und ihnen damit 
in der Behebung der Wohnungsnot außerordentlich er 
schwerend in den Arm fallen. Wir haben den dringenden 
Wunsch und das dringende Interesse, daß die Reichs 
stellen endlich von dieser ihrer Einstellung abgehen 
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!) 
und der Stadt die Möglichkeit geben, selbst die An 
leihen zu beschaffen, damit sie im Wege der Bau 
ausschreibung die Erstellung billigster und guter Woh 
nungen vornehmen kann. 
Der Magistrat ist, weil diese Haltung der Reichs 
behörden vorliegt, nun auf diesen Weg, den bereits 
der Herr Berichterstatter skizziert hat und den ich auch 
bereits angedeutet habe, verfallen, mit Angeboten von 
Privatfirmen diese Dinge zu machen. Wir sind uns 
von Anfang ail ganz klar darüber gewesen: ob das nun 
Chapman & Co., oder Philipp Holzmann oder irgend 
eine andere kapitalistische Firma, ist, sie haben ja letzten 
Endes alle das Interesse, daran zu verdienen, 
(Sehr.richtig!) 
und das kann man vom Standpunkte der kapitalistischen 
Weltanschauung durchaus verstehen. 
(Rechts: Hört, hört!) 
Es kommt nun darauf an, zu beurteilen, ob die 
Verdienstspanne von uns nicht als übermäßig ange 
sehen wird, ob sie sich im Rahmen der Dinge hält, die 
notwendig sind. Leider läßt sich das bei dem Staude 
der Beratungen, in dem wir jetzt im Haushaltsausschuß 
stehen, noch nicht in vollem Umfange und mit voller 
Klarheit entscheiden. Notwendig ist ja noch zur vollen 
Beurteilung, daß wir die diversen Unterlagen haben, um 
ein endgültiges und abschließendes Urteil über diese 
Dinge fällen zu können. 
In dem Vertrage selbst hat dieses Konsortium der 
Stadt ein Angebot gemacht auf Errichtung von 8324 
Wohnungen, die schlüsselfertig hergestellt werden. Dazu 
nimmt das Konsortium eine Anleihe von rund 126 Mil 
lionen Goldmark bzw. Reichsmark auf und errichtet da 
mit die Wohnungen. Die Stadt schließ mit dieser Ge 
sellschaft einen Pachtvertrag ab und hat an dieses Kon 
sortium eine jährliche Pacht von 9 830 000 M zu zahlen, 
d. h. also, die Stadt hat zu zahlen 26 mal 9 830 000 
Mark, wird nach Ablauf der Pachtfrist von 26 Jahren 
Besitzer der Häuser und auch wieder Besitzer des Grund 
und Bodens. Von diesen 26 Jahrespachtratcn zahlt 
dieses Konsortium eine Jahrespacht für die Grundstücke. 
Nun ist die Frage zu stellen: Ist diese Pachtsumme zu 
hoch? Ergibt die Finanzierung so hohe Baukosten und 
hohe Mieten, daß die Bevölkerung sie nicht tragen kann? 
Der Magistrat hat ja in seiner Vorlage bereits aner 
kannt, daß die Miete in dem Umfange, wie sie durch 
die Baukosten und Herstellungskosten bedingt sind, nicht 
getragen werden kann. Er hat deswegen ja schon vor 
gesehen, wie auch der Herr Berichterstatter bereits mit 
teilte, einen jährlichen Zuschuß zu zahlen, der zur Miets- 
senkuüg bestimmt ist. 
September 1927. 
Nun entsteht die Streitfrage: Sind diese Mieten und 
sind diese Pachtsummen, auf die es ja vor allen Dingen 
ankommt, für uns als Stadt tragbar? Sind diese Ver 
pflichtungen, die ■ die Stadt einzugehen hat, für uns 
günstig, so günstig, daß sie sie unter dem Gesichtspunkte 
der ungeheuren Wohnungsnot annehmen kann oder nicht? 
Diese Fragen sind allerdings nach meinem Dafür 
halten bei dem Stadium der Beratungen, in dem der 
Haushaltsausschuß sich zurzeit befindet, nicht ganz klipp 
und klar zu entscheiden, sondern sie sind, wie ich schon 
sagte, erst dann zu entscheiden, wenn wir einen end 
gültigen Abschluß der Beratungen haben. 
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, 
daß die in der Presse erschienenen Artikel nicht immer 
dazu beigetragen haben, die sachlich notwendige Prüfung 
vorzunehmen, und es ist vielleicht eine zu starke Zu 
mutung an die Stadtverordnetenversammlung, von ihr 
zu verlangen, daß sie über ein solches Riesenprojekt, über 
eine solch starke Verpflichtung, die die Stadt einzu 
gehen hat, nun einfach in wenigen Tagen die Entschei 
dung fällen soll. Das kann nach meinem Dafürhalten 
der Stadtverodnetenversammlung nicht zugemutet wer 
den, sondern die Stadtverordnetenversammlung muß in 
eine sehr eingehende Prüfung dieser Verhältnisse ein 
treten und kann erst, nachdem diese eingehende Prüfung 
abgeschlossen ist, eine Entscheidung darüber fällen, ob sie 
dieses Angebot akzeptieren kann oder ob sie es nicht 
akzeptieren kann. 
(Sehr richtig!) 
Deswegen erscheint es mir heute verfrüht zu sein, diese 
Dinge abschließend zu beurteilen. 
(Rechts: Sehr richtig!) 
Es handelt sich heute nur darum, mal der Öffentlich 
keit zu sagen, daß die Stadtverordnetenversammlung 
diese Dinge durchaus eingehend prüft und ihre Ent 
scheidung dann nach rein sachlichen Gesichtspunkten fällen 
wird, wenn sie erkannt hat, daß dieses finanzielle An 
gebot, das dieses Konsortium gemacht hat, für sie trag 
bar ist als Stadt und als Vertreterin der Interessen 
der Allgemeinheit und ob das Angebot für sie tragbar 
ist auch vom Standpunkt der Wohnungssuchenden. 
Das sind die Gesichtspunkte, die uns als Sozialdemo 
kratische Fraktion bei der Beurteilung dieses Angebots 
geleitet haben. Wir werden in diesem Sinne die Prü 
fung des Angebots vornehmen und haben deswegen dem 
Antrage, wie er uns von dem Herrn Berichterstatter 
vorgetragen worden ist, zugestimmt, daß wir einmal be 
grüßen, daß der Magistrat einen neuen Weg zur Be 
hebung der Wohnungsnot beschritten hat, daß wir auf der 
andern Seite uns aber diesen Weg genau ansehen wer 
den und daß wir entscheiden werden, nachdem wir er 
kannt und festgestellt haben, ob der Weg für uns gang 
bar ist, nachdem wir festgestellt haben, ob die Be 
lastungen, die die Stadt zu tragen hat, tragbar sind, 
ob dieses Angebot auch vom Standpunkt der Wohnungs 
suchenden aus zu akzeptieren ist. 
(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) 
Stadtv. Dr. Steiniger (DN.): Meine Damen und 
Herren! Nur wenige Worte. Sie sollen sich im wesent 
lichen nicht aus das vorliegende Projekt beziehen, denn 
dessen genaue Prüfung steht ja noch bevor. Solange 
die Prüfung im einzelnen nicht abgeschlossen ist, kann 
weder der Haushaltsausschuß noch können die einzelnen 
Fraktionen endgültig Stellung zu dem Ergebnis nehmen. 
(Stadtv. Merten: Sehr richtig!) 
Daher kann sich unsere Stellungnahme heute nur auf 
die Wohnungsnot im allgemeinen, auf die Stellung der 
Stadt Berlin zu ihr und auf den neuen Weg, der hier 
gegangen werden soll, beziehen. 
Dieser Weg ist vollkommen neu. Er würde sehr viel 
einfacher sein, wenn ein einzelner Privatmann käme und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.