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wie möglich zu halten, und es fragt sich nun: Sind in
dem Angebot diese Bedingungen erfüllt oder können
unter den jetzigen Verhältnissen diese Bedingungen nicht
in dem vollen Umfange, wie die Stadtverordnetenver
sammlung es wünschen muß, wie vor allen Dingen die
wohnungsuchende Bevölkerung es wünschen muß, er
füllt werden?
Einmal müssen wir bedauern — und das möchte ich
ganz besonders betonen —, daß die Beratungsstelle der
Stadt nicht die Möglichkeit gibt, selbst die Anleihe
aufzunehmen
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!)
und im Wege der Ausschreibung selbst als Bauherr aus
zutreten, um so als Stadt gestaltend und regulierend
auf die Baupreise einzuwirken. Es ist außerordentlich be
dauerlich, daß die Reichsstellen den Gemeinden hier
Knüppel zwischen die Beine werfen und ihnen damit
in der Behebung der Wohnungsnot außerordentlich er
schwerend in den Arm fallen. Wir haben den dringenden
Wunsch und das dringende Interesse, daß die Reichs
stellen endlich von dieser ihrer Einstellung abgehen
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!)
und der Stadt die Möglichkeit geben, selbst die An
leihen zu beschaffen, damit sie im Wege der Bau
ausschreibung die Erstellung billigster und guter Woh
nungen vornehmen kann.
Der Magistrat ist, weil diese Haltung der Reichs
behörden vorliegt, nun auf diesen Weg, den bereits
der Herr Berichterstatter skizziert hat und den ich auch
bereits angedeutet habe, verfallen, mit Angeboten von
Privatfirmen diese Dinge zu machen. Wir sind uns
von Anfang ail ganz klar darüber gewesen: ob das nun
Chapman & Co., oder Philipp Holzmann oder irgend
eine andere kapitalistische Firma, ist, sie haben ja letzten
Endes alle das Interesse, daran zu verdienen,
(Sehr.richtig!)
und das kann man vom Standpunkte der kapitalistischen
Weltanschauung durchaus verstehen.
(Rechts: Hört, hört!)
Es kommt nun darauf an, zu beurteilen, ob die
Verdienstspanne von uns nicht als übermäßig ange
sehen wird, ob sie sich im Rahmen der Dinge hält, die
notwendig sind. Leider läßt sich das bei dem Staude
der Beratungen, in dem wir jetzt im Haushaltsausschuß
stehen, noch nicht in vollem Umfange und mit voller
Klarheit entscheiden. Notwendig ist ja noch zur vollen
Beurteilung, daß wir die diversen Unterlagen haben, um
ein endgültiges und abschließendes Urteil über diese
Dinge fällen zu können.
In dem Vertrage selbst hat dieses Konsortium der
Stadt ein Angebot gemacht auf Errichtung von 8324
Wohnungen, die schlüsselfertig hergestellt werden. Dazu
nimmt das Konsortium eine Anleihe von rund 126 Mil
lionen Goldmark bzw. Reichsmark auf und errichtet da
mit die Wohnungen. Die Stadt schließ mit dieser Ge
sellschaft einen Pachtvertrag ab und hat an dieses Kon
sortium eine jährliche Pacht von 9 830 000 M zu zahlen,
d. h. also, die Stadt hat zu zahlen 26 mal 9 830 000
Mark, wird nach Ablauf der Pachtfrist von 26 Jahren
Besitzer der Häuser und auch wieder Besitzer des Grund
und Bodens. Von diesen 26 Jahrespachtratcn zahlt
dieses Konsortium eine Jahrespacht für die Grundstücke.
Nun ist die Frage zu stellen: Ist diese Pachtsumme zu
hoch? Ergibt die Finanzierung so hohe Baukosten und
hohe Mieten, daß die Bevölkerung sie nicht tragen kann?
Der Magistrat hat ja in seiner Vorlage bereits aner
kannt, daß die Miete in dem Umfange, wie sie durch
die Baukosten und Herstellungskosten bedingt sind, nicht
getragen werden kann. Er hat deswegen ja schon vor
gesehen, wie auch der Herr Berichterstatter bereits mit
teilte, einen jährlichen Zuschuß zu zahlen, der zur Miets-
senkuüg bestimmt ist.
September 1927.
Nun entsteht die Streitfrage: Sind diese Mieten und
sind diese Pachtsummen, auf die es ja vor allen Dingen
ankommt, für uns als Stadt tragbar? Sind diese Ver
pflichtungen, die ■ die Stadt einzugehen hat, für uns
günstig, so günstig, daß sie sie unter dem Gesichtspunkte
der ungeheuren Wohnungsnot annehmen kann oder nicht?
Diese Fragen sind allerdings nach meinem Dafür
halten bei dem Stadium der Beratungen, in dem der
Haushaltsausschuß sich zurzeit befindet, nicht ganz klipp
und klar zu entscheiden, sondern sie sind, wie ich schon
sagte, erst dann zu entscheiden, wenn wir einen end
gültigen Abschluß der Beratungen haben.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen,
daß die in der Presse erschienenen Artikel nicht immer
dazu beigetragen haben, die sachlich notwendige Prüfung
vorzunehmen, und es ist vielleicht eine zu starke Zu
mutung an die Stadtverordnetenversammlung, von ihr
zu verlangen, daß sie über ein solches Riesenprojekt, über
eine solch starke Verpflichtung, die die Stadt einzu
gehen hat, nun einfach in wenigen Tagen die Entschei
dung fällen soll. Das kann nach meinem Dafürhalten
der Stadtverodnetenversammlung nicht zugemutet wer
den, sondern die Stadtverordnetenversammlung muß in
eine sehr eingehende Prüfung dieser Verhältnisse ein
treten und kann erst, nachdem diese eingehende Prüfung
abgeschlossen ist, eine Entscheidung darüber fällen, ob sie
dieses Angebot akzeptieren kann oder ob sie es nicht
akzeptieren kann.
(Sehr richtig!)
Deswegen erscheint es mir heute verfrüht zu sein, diese
Dinge abschließend zu beurteilen.
(Rechts: Sehr richtig!)
Es handelt sich heute nur darum, mal der Öffentlich
keit zu sagen, daß die Stadtverordnetenversammlung
diese Dinge durchaus eingehend prüft und ihre Ent
scheidung dann nach rein sachlichen Gesichtspunkten fällen
wird, wenn sie erkannt hat, daß dieses finanzielle An
gebot, das dieses Konsortium gemacht hat, für sie trag
bar ist als Stadt und als Vertreterin der Interessen
der Allgemeinheit und ob das Angebot für sie tragbar
ist auch vom Standpunkt der Wohnungssuchenden.
Das sind die Gesichtspunkte, die uns als Sozialdemo
kratische Fraktion bei der Beurteilung dieses Angebots
geleitet haben. Wir werden in diesem Sinne die Prü
fung des Angebots vornehmen und haben deswegen dem
Antrage, wie er uns von dem Herrn Berichterstatter
vorgetragen worden ist, zugestimmt, daß wir einmal be
grüßen, daß der Magistrat einen neuen Weg zur Be
hebung der Wohnungsnot beschritten hat, daß wir auf der
andern Seite uns aber diesen Weg genau ansehen wer
den und daß wir entscheiden werden, nachdem wir er
kannt und festgestellt haben, ob der Weg für uns gang
bar ist, nachdem wir festgestellt haben, ob die Be
lastungen, die die Stadt zu tragen hat, tragbar sind,
ob dieses Angebot auch vom Standpunkt der Wohnungs
suchenden aus zu akzeptieren ist.
(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Stadtv. Dr. Steiniger (DN.): Meine Damen und
Herren! Nur wenige Worte. Sie sollen sich im wesent
lichen nicht aus das vorliegende Projekt beziehen, denn
dessen genaue Prüfung steht ja noch bevor. Solange
die Prüfung im einzelnen nicht abgeschlossen ist, kann
weder der Haushaltsausschuß noch können die einzelnen
Fraktionen endgültig Stellung zu dem Ergebnis nehmen.
(Stadtv. Merten: Sehr richtig!)
Daher kann sich unsere Stellungnahme heute nur auf
die Wohnungsnot im allgemeinen, auf die Stellung der
Stadt Berlin zu ihr und auf den neuen Weg, der hier
gegangen werden soll, beziehen.
Dieser Weg ist vollkommen neu. Er würde sehr viel
einfacher sein, wenn ein einzelner Privatmann käme und