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Volume Sitzung 23, 28.06.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung am 28. 
Herr Kollege, damit werde ich ja den Magistrat nicht 
erziehen, wenn ich ihm eine solche kleine Sache ablehne. 
Aber ich möchte an den Magistrat das ernstliche Er 
suchen richten, uns mit Vorlagen nicht wieder nachträg 
lich zu belästigen, sondern uns diese Sachen vorher vor 
zulegen. Es handelt sich ja hier bei dem Ankauf des 
Grundstücks Reichskanzlerplatz gegenüber der Gesamt 
vorlage nur um eine Bagatelle. 
(Rechts: Ach so, bei Ihnen sind alles Bagatellen!) 
Verstehen Sie doch richtig, im Nahmen der Gesamt 
vorlage handelt es sich tatsächlich bei diesen beiden 
Grundstücken um eine Bagatelle, das können Sie doch 
nicht bestreiten. Nun drängt doch die Angelegenheit. 
Ich würde also der Stadtverordnetenversammlung 
empfehlen, die Vorlage anzunehmen. Meine Herren, 
alle ihre Zurufe können das doch nicht entkräften, was 
ich eingangs gesagt habe. Sie dokumentieren damit ja 
doch weiter nichts, als ihren konservativen Charakter: 
„Wat so is, dat bliwt so!" Nur keine Neuerungen nur 
keine Entwicklung, die der Stadt Rechnung trägt. Sie 
würden zur Sache anders stehen in dem Moment, wo 
Sie dort sitzen rtitb die Interessen Ihrer besitzenden 
Schichten ausziehen könnten. 
Also, meine Damen und Herren, täuschen Sie doch 
die Bürgerschaft Berlins nicht darüber hinweg. Auch 
diese Maßnahmen liegen nicht nur im Interesse der ar 
beitenden Bevölkerung, sondern sie liegen weit darüber 
hinaus auch im Interesse der Geschäftswelt. Ich glaube 
die Bürgerschaft und die Geschäftswelt draußen wird 
es zu würdigen wissen, daß die Linke dieses Hauses 
mehr Verständnis für die Entwicklungsmöglichkeiten 
ihrer Vaterstadt hat, wie sie es aufzubringen vermögen. 
(Lebhafter Beifall links.) 
Vorft. Hatz: Es ist/ ein Antrag des Herrn Lü- 
dicke und seiner Parteifreunde eingegangen: 
„Wir beantragen zu Punkt 6 der Tagesordnung 
namentliche Abstimmung." 
Es ist nur die Vorlage gemeint, nicht die Zurück- 
verweisung an den Ausschuß. 
Der Antrag bedarf der Unterstützung durch 15 
Mitglieder des Hauses. 
(Geschieht.) 
Die Unterstützung reicht aus. 
Das Wort hat Herr Kollege Preißing. 
Stadtv. Preißing (K.): Wir haben bereits iin Aus 
schuß erklärt, daß wir gegen das Vorgehen des^ Ma 
gistrats in einer Angelegenheit, die zweifellos die Stadt 
verordnetenversammlung außerordentlich interessiert, 
protestieren. 
Nun zu der Vorlage selbst. Meine Damen und 
Herren, wenn Sie die Presse der letzten Wochen ver 
folgt haben, die Zeitungen aller Schattierungen, dann 
werden Sie gelesen haben, daß man diesem Messe 
gedanken, den Messebestrebnngen Groß-Berlins außer 
ordentlich viel Interesse entgegenbringt, und auch diese 
Körperschaft, die Stadtverordnetenversammlung, hat das 
wiederholt zum Ausdruck gebracht. Auch der Herr Ver 
treter der Wirtschaftspakten erklärte vor einer halben 
Stunde noch, iin Prinzip sind wir dafür, daß Berlin 
Ausstellungen großzügiger Art aufmacht, weil er ganz 
genau weiß, wie auch wir es wissen, daß die Ausstellung 
Berlin ungeheuren Nutzen bringen wird, daß sie Ar 
beiten nach Berlin bringen wird, daß sie Fremdenver 
kehr nach Berlin bringen wird.' Von dieser reinen Sach 
lichkeit, glaube ich, sind wir alle überzeugt. 
Meine Damen und Herren, Berlin hat eine un 
geheure Konkurrenz in seinen Messebestrebungen in den 
Städten Leipzig, Köln, Düsseldorf und vielen anderen, 
Dresden auch eingerechnet. Berlin muß sich übermäßig 
. Juni 1927. 539 
anstrengen, um das Interesse für diese Messebestrebun 
gen nicht nur zu beleben, sondern auch — — 
(Stadtv. Dr. Caspari: Die Kaufleute sind ganz 
anderer Ansicht!) 
Herr Dr. Caspari hören Sie bitte zu. Dafür ist not 
wendig daß das Messegelände erweitert wird. 
(Stadtv. Dr. Caspari: Die Kaufleute sind ganz 
anderer Ansicht!) 
Meine Damen und Herren, betrachten Sie bitte diese 
Angelegenheit vom reinen Geschäftsstandpnnkt ans. Be- 
traeyten Sie die Grnndstückspreife iin Westen, die heute 
sctzon ans 190 bis 200 Jt pro Lluaoratmeter gestiegen sind. 
Äier großzügige Ankauf des Geländes bis an die Havel 
heran bedeutet für Berlin zweifellos ein gutes Geichäst 
aus lange Sicht. Wir leiden es nicht und geben es nicht 
zu, daß man dieses Gelände der privaten Spekulation 
überantwortet. Wir sind dafür, daß Berlin ans dein 
jetzigen Wege fortschreitet. Sie wissen ganz genau, Herr 
Fatnan und Herr T)r. Caspari, anet) die übrigen Herren 
C/Precyer, daß der Verkauf der beiden Autohallen ab 
hängt von einer gewissen Frist, die mit den nächsten 
Tagen abläuft. Wenn heute diese Vorlage nicht ver 
abschiedet wird, dann kann erst nach den Ferien wieder 
herangegangen würben. Daher widersprechen wir einer 
Verschleppung. Wir widersprechen, daß die Vorlage 
erneut an den Ausschuß geht, und wir bitten Sie, mög 
lichst einstimmig dieser Vorlage zuzustimmen, in der 
Voraussetzung, daß das gekaufte Haus am Reichs- 
tanzlerplatz dem Messegelände einverleibt und nicht zu 
andern Zwecken gebraucht wird. Diesen Antrag haben 
lvir bereits im Ausschuß gestellt. Wir verlangen ferner, 
daß für Turn- und Sportplätze auf dem gleichen Ge 
lände ähnliche Terrains ausgewiesen werden. Wenn 
diesen unsern Wünschen Rechnung getragen wird, stim 
men wir dieser Vorlage zu. 
Nun noch eins, Herr Dr. Caspari sagte in etwas 
sehr höhnischer Weise 
(Stadtv. Dr. Caspari: Kann ich gar nicht!) 
und traf damit den Magistrat. — Ja, es war höhnisch. 
Er sagte: Sie, meine Damen und Herren von den 
Kommunisten bewilligen alle Ankäufe, wenn es sich 
aber um Bezahlung handelt, lehnen Sie ab. Das stimmt 
nicht. Meine Partei hat verschiedentlich bewiesen und 
hat versucht, die' Möglichkeit der Deckung zu schaffen — 
Sie wissen es ganz genau — beim Antrag zur Wvhnungs- 
Luxussteuer. Das alles hat die Kommunistische Partei 
mehrmals vorgebracht. Sie wurde dabei von Ihnen 
ausgelacht, man hat sie einfach abfallen lassen. Also 
sprechen Sie nicht darüber, daß die Kommunistische Frak 
tion nicht ernst bestrebt ist, auch genügend für Deckung 
zu sorgen. Allerdings machen wir eine andere Politik 
als Sie. Wir machen Politik im Interesse der Arbeiter 
schaft, während Ihre Politik darauf hinzielt, die reichen 
Leute, die Bourgeoisie, mehr oder weniger zu unterstützen. 
Stadtrat Busch: Meine Damen und Herren! Die 
Vorlage, die wir Ihnen heute unterbreiten, ist eine 
zweifache, einmal eine Verkehrsvorlage und zweitens 
eine Geländevorlage. 
Ich will mich zunächst mit dem Verkehr beschäf 
tigen. Sie sehen an der Karte, daß die alte Bahn- 
trace verlassen ist und in einem geschwungene» Bogen 
nach Süden nach dem neuen Verkehrsbahnhof nnt- 
schwenkt. Der Grund hierfür ist, daß sämtliche Vor- 
ortzüge, die bisher geteilt nach dem Westen fuhren, in 
diesem Krenzungsbahnyof ihren Sammelpunkt haben. 
Der Geländeaustausch zwischen der alten Bahntrace und 
der neuen ist ungefähr gleich. Wir haben für diese Ver 
legung der Eisenbahn 1 085 000 Jl zu zahlen. Damit 
sind aber unsere Kosten nach oben begrenzt. Außerdem 
wollen lvir, weil wir das Gelände ja als Messegelände 
verwenden werden, mit dieser Verlegung verbinden, daß 
eine Güterbahn, ein Güteratischluß herbeigeführt wird.
	        
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