Sitzung am 28.
Herr Kollege, damit werde ich ja den Magistrat nicht
erziehen, wenn ich ihm eine solche kleine Sache ablehne.
Aber ich möchte an den Magistrat das ernstliche Er
suchen richten, uns mit Vorlagen nicht wieder nachträg
lich zu belästigen, sondern uns diese Sachen vorher vor
zulegen. Es handelt sich ja hier bei dem Ankauf des
Grundstücks Reichskanzlerplatz gegenüber der Gesamt
vorlage nur um eine Bagatelle.
(Rechts: Ach so, bei Ihnen sind alles Bagatellen!)
Verstehen Sie doch richtig, im Nahmen der Gesamt
vorlage handelt es sich tatsächlich bei diesen beiden
Grundstücken um eine Bagatelle, das können Sie doch
nicht bestreiten. Nun drängt doch die Angelegenheit.
Ich würde also der Stadtverordnetenversammlung
empfehlen, die Vorlage anzunehmen. Meine Herren,
alle ihre Zurufe können das doch nicht entkräften, was
ich eingangs gesagt habe. Sie dokumentieren damit ja
doch weiter nichts, als ihren konservativen Charakter:
„Wat so is, dat bliwt so!" Nur keine Neuerungen nur
keine Entwicklung, die der Stadt Rechnung trägt. Sie
würden zur Sache anders stehen in dem Moment, wo
Sie dort sitzen rtitb die Interessen Ihrer besitzenden
Schichten ausziehen könnten.
Also, meine Damen und Herren, täuschen Sie doch
die Bürgerschaft Berlins nicht darüber hinweg. Auch
diese Maßnahmen liegen nicht nur im Interesse der ar
beitenden Bevölkerung, sondern sie liegen weit darüber
hinaus auch im Interesse der Geschäftswelt. Ich glaube
die Bürgerschaft und die Geschäftswelt draußen wird
es zu würdigen wissen, daß die Linke dieses Hauses
mehr Verständnis für die Entwicklungsmöglichkeiten
ihrer Vaterstadt hat, wie sie es aufzubringen vermögen.
(Lebhafter Beifall links.)
Vorft. Hatz: Es ist/ ein Antrag des Herrn Lü-
dicke und seiner Parteifreunde eingegangen:
„Wir beantragen zu Punkt 6 der Tagesordnung
namentliche Abstimmung."
Es ist nur die Vorlage gemeint, nicht die Zurück-
verweisung an den Ausschuß.
Der Antrag bedarf der Unterstützung durch 15
Mitglieder des Hauses.
(Geschieht.)
Die Unterstützung reicht aus.
Das Wort hat Herr Kollege Preißing.
Stadtv. Preißing (K.): Wir haben bereits iin Aus
schuß erklärt, daß wir gegen das Vorgehen des^ Ma
gistrats in einer Angelegenheit, die zweifellos die Stadt
verordnetenversammlung außerordentlich interessiert,
protestieren.
Nun zu der Vorlage selbst. Meine Damen und
Herren, wenn Sie die Presse der letzten Wochen ver
folgt haben, die Zeitungen aller Schattierungen, dann
werden Sie gelesen haben, daß man diesem Messe
gedanken, den Messebestrebnngen Groß-Berlins außer
ordentlich viel Interesse entgegenbringt, und auch diese
Körperschaft, die Stadtverordnetenversammlung, hat das
wiederholt zum Ausdruck gebracht. Auch der Herr Ver
treter der Wirtschaftspakten erklärte vor einer halben
Stunde noch, iin Prinzip sind wir dafür, daß Berlin
Ausstellungen großzügiger Art aufmacht, weil er ganz
genau weiß, wie auch wir es wissen, daß die Ausstellung
Berlin ungeheuren Nutzen bringen wird, daß sie Ar
beiten nach Berlin bringen wird, daß sie Fremdenver
kehr nach Berlin bringen wird.' Von dieser reinen Sach
lichkeit, glaube ich, sind wir alle überzeugt.
Meine Damen und Herren, Berlin hat eine un
geheure Konkurrenz in seinen Messebestrebungen in den
Städten Leipzig, Köln, Düsseldorf und vielen anderen,
Dresden auch eingerechnet. Berlin muß sich übermäßig
. Juni 1927. 539
anstrengen, um das Interesse für diese Messebestrebun
gen nicht nur zu beleben, sondern auch — —
(Stadtv. Dr. Caspari: Die Kaufleute sind ganz
anderer Ansicht!)
Herr Dr. Caspari hören Sie bitte zu. Dafür ist not
wendig daß das Messegelände erweitert wird.
(Stadtv. Dr. Caspari: Die Kaufleute sind ganz
anderer Ansicht!)
Meine Damen und Herren, betrachten Sie bitte diese
Angelegenheit vom reinen Geschäftsstandpnnkt ans. Be-
traeyten Sie die Grnndstückspreife iin Westen, die heute
sctzon ans 190 bis 200 Jt pro Lluaoratmeter gestiegen sind.
Äier großzügige Ankauf des Geländes bis an die Havel
heran bedeutet für Berlin zweifellos ein gutes Geichäst
aus lange Sicht. Wir leiden es nicht und geben es nicht
zu, daß man dieses Gelände der privaten Spekulation
überantwortet. Wir sind dafür, daß Berlin ans dein
jetzigen Wege fortschreitet. Sie wissen ganz genau, Herr
Fatnan und Herr T)r. Caspari, anet) die übrigen Herren
C/Precyer, daß der Verkauf der beiden Autohallen ab
hängt von einer gewissen Frist, die mit den nächsten
Tagen abläuft. Wenn heute diese Vorlage nicht ver
abschiedet wird, dann kann erst nach den Ferien wieder
herangegangen würben. Daher widersprechen wir einer
Verschleppung. Wir widersprechen, daß die Vorlage
erneut an den Ausschuß geht, und wir bitten Sie, mög
lichst einstimmig dieser Vorlage zuzustimmen, in der
Voraussetzung, daß das gekaufte Haus am Reichs-
tanzlerplatz dem Messegelände einverleibt und nicht zu
andern Zwecken gebraucht wird. Diesen Antrag haben
lvir bereits im Ausschuß gestellt. Wir verlangen ferner,
daß für Turn- und Sportplätze auf dem gleichen Ge
lände ähnliche Terrains ausgewiesen werden. Wenn
diesen unsern Wünschen Rechnung getragen wird, stim
men wir dieser Vorlage zu.
Nun noch eins, Herr Dr. Caspari sagte in etwas
sehr höhnischer Weise
(Stadtv. Dr. Caspari: Kann ich gar nicht!)
und traf damit den Magistrat. — Ja, es war höhnisch.
Er sagte: Sie, meine Damen und Herren von den
Kommunisten bewilligen alle Ankäufe, wenn es sich
aber um Bezahlung handelt, lehnen Sie ab. Das stimmt
nicht. Meine Partei hat verschiedentlich bewiesen und
hat versucht, die' Möglichkeit der Deckung zu schaffen —
Sie wissen es ganz genau — beim Antrag zur Wvhnungs-
Luxussteuer. Das alles hat die Kommunistische Partei
mehrmals vorgebracht. Sie wurde dabei von Ihnen
ausgelacht, man hat sie einfach abfallen lassen. Also
sprechen Sie nicht darüber, daß die Kommunistische Frak
tion nicht ernst bestrebt ist, auch genügend für Deckung
zu sorgen. Allerdings machen wir eine andere Politik
als Sie. Wir machen Politik im Interesse der Arbeiter
schaft, während Ihre Politik darauf hinzielt, die reichen
Leute, die Bourgeoisie, mehr oder weniger zu unterstützen.
Stadtrat Busch: Meine Damen und Herren! Die
Vorlage, die wir Ihnen heute unterbreiten, ist eine
zweifache, einmal eine Verkehrsvorlage und zweitens
eine Geländevorlage.
Ich will mich zunächst mit dem Verkehr beschäf
tigen. Sie sehen an der Karte, daß die alte Bahn-
trace verlassen ist und in einem geschwungene» Bogen
nach Süden nach dem neuen Verkehrsbahnhof nnt-
schwenkt. Der Grund hierfür ist, daß sämtliche Vor-
ortzüge, die bisher geteilt nach dem Westen fuhren, in
diesem Krenzungsbahnyof ihren Sammelpunkt haben.
Der Geländeaustausch zwischen der alten Bahntrace und
der neuen ist ungefähr gleich. Wir haben für diese Ver
legung der Eisenbahn 1 085 000 Jl zu zahlen. Damit
sind aber unsere Kosten nach oben begrenzt. Außerdem
wollen lvir, weil wir das Gelände ja als Messegelände
verwenden werden, mit dieser Verlegung verbinden, daß
eine Güterbahn, ein Güteratischluß herbeigeführt wird.