520 Sitzung am 21
Ich frage Sie, Herr Kämmerer, warum haben Sie
uns niemals früher, auch nicht Ihr Herr Vorgänger,
rechtzeitig von diesen Absichten in Kenntnis gesetzt? '
(Zuruf links: Damit Sie feine Grundstücks
spekulation treiben sollen!)
Das; diese Absicht besteht, meine Damen und Herren,
das wissen wir daher, daß in den Zeitungen ausdrück
lich darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß die
meisten dieser Grundstücke bereits gekauft worden sind,
und zwar aus den Geldern, die wir im Jahre 1924
als Ueberschuß an Steuern vereinnahmt haben.
(Zuruf: Das ist doch sehr richtig!)
Wir haben damals — auch die Deutsche Volks-
Partei hat sich uns angeschlossen, ich erinnere an die
Ausführungen des Hern von Eyuern in diesem Hause —
wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß es durch
aus unübersichtlich sei, wie diese Steuerüberschüsse
untergebracht worden sind. Jetzt erfahren wir, daß mit
weiter Sicht diese Grundstücke gekauft worden sind mit
Rücksicht auf diese Erweiterung zu einer Prvinenaden-
straße bis zum Alexanderplatz.
Meine Damen und Herren! Das ist dann keine
werbende Ausgabe mehr, sondern das ist eine Ausgabe,
die den Steuerzahlern, die der Stadtverwaltung' un
endliche Gelder kostet. Es sind wiederum Millionen
und aber Millionen.
(Glocke.)
— Ich bin gleich fertig! — Kaum ist dieses Projekt
verklungen, so lesen wir, daß auch das alte Projekt durch
geführt werden soll, den Straßenzug Elsässer Straße—
Lothringer Straße, ebenfalls mit Mittelweg in derselben
Weise nach dem Osten hin zu erweitern. Es müssen
auch hier Hunderte von Häusern entfernt werden. Wo
her nehmen Sie die Gelder dazu?
(Zuruf links: Ich denke, sie waren da?)
Meine Damen und Herren! Ich darf mich nur
noch summarisch äußern. Ich darf nur noch sagen:
Dazu kommen die fortwährenden Ankäufe von Grund
stücken und Gütern. Dazu kommt die Sorge darum:
Woher nehmen wir die Mittel, wenn der Mittelland
kanal gebaut wird, wo Berlin abermals für 40 Milli
onen Mark Garantie übernehmen soll.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Nur für die
Zinsen!)
— Ja, eine Zinsgarantie —, wo die Interessenten wie
Siemens und die „Behala" erklären, daß sic kein Inter
esse daran haben.
(Stadtv. Urjch: Das haben sie nicht erklärt!)
Meine Damen und Herren! Ich erkläre Ihnen jetzt
zum Schluß: Meine Freunde rufen dem Magistrat und
dem Herrn Oberbürgermeister gegenüber diesen fort
während neu auftauchenden Millionen- und aber Milli-
vnen-Projekten zu: „Tempo, Herr Oberbürgermeister!"
(Stadtv. Gäbet: Jawohl, schnelleres Tempo!)
Etwas anderes wäre es noch, wenn meine Freunde
in der Stadtverwaltung so viel mitzureden hätten und
mit zu beschließen hätten,
(Zuruf links: Wie im Reich!)
daß wir einen Ueberblick hätten über die ganze Absicht
des Magistrats.
Solange die jetzt herrschende Mehrheit in diesem
Hause und auch die führenden Mitglieder des Magistrats
es nicht für nötig halten, auch nur eine einzige besoldete
Stelle im Magistrat durch einen Deutschnationalen be
setzen zu lassen,
(Zuruf links: Aha!)
haben wir nicht die Möglichkeit, die ganze Verwaltung
und Finanzgebarung so nachzuprüfen, wie Sie in der
Lage sind.
3. Juni 1927.
Darum, meine Damen und Herren, erklären wir
aus all diesen Gründen, weil die Sparsamkeitsanträgc,
die wir gestellt haben, trotz unserer sachlichen Mitarbeit,
weil unsere Anträge auf Steuersenkung, aus Ersparnisse
in den Ausgaben samt und sonders abgelehnt worden
sind und weil Sie uns nicht die Möglichkeit geben, durch
geeignete Besetzung der Stellen im Magistrat nachzu
prüfen, wie die Gelder auch verwendet werden, weil Sie
einseitige Parteiwirtschaft treiben, darum lehnen
tu i x den Etat ab.
(Gelächter links.)
Stadtv. Merten (D.): Meine Damen und Herren!
Die Ausführungen des Herrn Kollegen Koch waren mir
eine außerordentliche Ueberraschnng und Enttäuschung
zugleich.
(Rechts: Ach!)
Sie sind deswegen bedauerlich, weil ich ihm gern zu
gestehe, obwohl wir ja auf seine Anwesenheit im Haus
haltsausschuß meist verzichten mußten, daß seine
Kollegen aus der Fraktion mit großem Fleiß und großer
Sachlichkeit unsere Arbeiten gefördert haben, weil wir
zweitens bis zuletzt der Meinung sein mußten, daß
diesmal auch die Herren von der Deutschnationalen
Partei den Etat annehmen würden.
Nun bin ich aber in etwas ausgesöhnt durch die
Schlußerklärung des Herrn Kollegen Koch.
(Links: So?)
Herr Kollege Koch hat gesagt: W i r lehnen
letzten Endes deshalb a b, w'e i l unsere
Freunde in der städtischen Verwaltung
nicht so vertreten sind, wie w i r e s b e -
anspruchen dürfen und w i r keine Kon
trolle über die Arbeiten des Magistrats
habe it.
Ich stelle zunächst einmal fest, daß meines Wissens
drei hervorragende Mitglieder der Deutschnationalen
Partei Mitglieder des Magistrats sind,
(Links: Sehr richtig!)
daß also die Möglichkeit der Kontrolle und der Heber-
wachung der Arbeiten und der Beschlüsse des Magistrats
durchaus gegeben ist. Sollte aber dem Herrn Kollegen
Koch von einer Heberwachung und Kontrolle durch diese
seine Mitglieder nichts bekannt sein, so kann ich nicht
umhin, ihm das Zeugnis auszustellen, daß er für die
Mitglieder seiner Partei im Magistrat kein Ruhmes
blatt unsere Beratungen geflochten hat.
(Stadtv. Koch: Es handelt sich ja um die Fachstadt
räte, drehen Sie doch das nicht um!)
Wer ist denn heute im Magistrat noch Fachstadtrat
oder wer nicht? Wollen Sie etwa sagen, Herr Kollege
Koch, daß der Stadtbaurat oder der oder jener mehr
Fachstadtrat ist als der Mann, der das gesamte Woh-
nnngs- und Siedlungswesen bearbeitet, mehr als der
Mann, der den gesamten Verkehr unter seiner Leitung
hat? Wollen Sie etwa sagen, daß der Herr Stadtrat
Wege, der meines Wissens kein Landwirt ist, aber doch
die Güter ausgezeichnet verwaltet, sich nicht auch im
Laufe der Jahre gewisse fachmännische Erfahrungen und
Beobachtungen angeeignet hat?
(Zurnf rechts: Das ist auch ein Deutschnationaler!)
Ich stelle fest, daß, wenn Sie auch nicht durch be
soldete Stadträte vertreten sind, d o ch d i e A n w e s e n -
heit von drei hervorragenden Mit
glied c r n I h r e r P a r t e i a u s r e i ch e n m ü ß t e,
um Sie jederzeit auf dem laufenden zu
halten über die Absichten und die Poli
tik des Magistrats, und wenn Sie in dieser Be
ziehung nicht auf dem laufenden gehalten worden sind,
dann müssen Sie sich bei Ihren Parteifreunden im
Magistrat selber bedanken.