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Volume Sitzung 22, 23.06.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

520 Sitzung am 21 
Ich frage Sie, Herr Kämmerer, warum haben Sie 
uns niemals früher, auch nicht Ihr Herr Vorgänger, 
rechtzeitig von diesen Absichten in Kenntnis gesetzt? ' 
(Zuruf links: Damit Sie feine Grundstücks 
spekulation treiben sollen!) 
Das; diese Absicht besteht, meine Damen und Herren, 
das wissen wir daher, daß in den Zeitungen ausdrück 
lich darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß die 
meisten dieser Grundstücke bereits gekauft worden sind, 
und zwar aus den Geldern, die wir im Jahre 1924 
als Ueberschuß an Steuern vereinnahmt haben. 
(Zuruf: Das ist doch sehr richtig!) 
Wir haben damals — auch die Deutsche Volks- 
Partei hat sich uns angeschlossen, ich erinnere an die 
Ausführungen des Hern von Eyuern in diesem Hause — 
wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß es durch 
aus unübersichtlich sei, wie diese Steuerüberschüsse 
untergebracht worden sind. Jetzt erfahren wir, daß mit 
weiter Sicht diese Grundstücke gekauft worden sind mit 
Rücksicht auf diese Erweiterung zu einer Prvinenaden- 
straße bis zum Alexanderplatz. 
Meine Damen und Herren! Das ist dann keine 
werbende Ausgabe mehr, sondern das ist eine Ausgabe, 
die den Steuerzahlern, die der Stadtverwaltung' un 
endliche Gelder kostet. Es sind wiederum Millionen 
und aber Millionen. 
(Glocke.) 
— Ich bin gleich fertig! — Kaum ist dieses Projekt 
verklungen, so lesen wir, daß auch das alte Projekt durch 
geführt werden soll, den Straßenzug Elsässer Straße— 
Lothringer Straße, ebenfalls mit Mittelweg in derselben 
Weise nach dem Osten hin zu erweitern. Es müssen 
auch hier Hunderte von Häusern entfernt werden. Wo 
her nehmen Sie die Gelder dazu? 
(Zuruf links: Ich denke, sie waren da?) 
Meine Damen und Herren! Ich darf mich nur 
noch summarisch äußern. Ich darf nur noch sagen: 
Dazu kommen die fortwährenden Ankäufe von Grund 
stücken und Gütern. Dazu kommt die Sorge darum: 
Woher nehmen wir die Mittel, wenn der Mittelland 
kanal gebaut wird, wo Berlin abermals für 40 Milli 
onen Mark Garantie übernehmen soll. 
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Nur für die 
Zinsen!) 
— Ja, eine Zinsgarantie —, wo die Interessenten wie 
Siemens und die „Behala" erklären, daß sic kein Inter 
esse daran haben. 
(Stadtv. Urjch: Das haben sie nicht erklärt!) 
Meine Damen und Herren! Ich erkläre Ihnen jetzt 
zum Schluß: Meine Freunde rufen dem Magistrat und 
dem Herrn Oberbürgermeister gegenüber diesen fort 
während neu auftauchenden Millionen- und aber Milli- 
vnen-Projekten zu: „Tempo, Herr Oberbürgermeister!" 
(Stadtv. Gäbet: Jawohl, schnelleres Tempo!) 
Etwas anderes wäre es noch, wenn meine Freunde 
in der Stadtverwaltung so viel mitzureden hätten und 
mit zu beschließen hätten, 
(Zuruf links: Wie im Reich!) 
daß wir einen Ueberblick hätten über die ganze Absicht 
des Magistrats. 
Solange die jetzt herrschende Mehrheit in diesem 
Hause und auch die führenden Mitglieder des Magistrats 
es nicht für nötig halten, auch nur eine einzige besoldete 
Stelle im Magistrat durch einen Deutschnationalen be 
setzen zu lassen, 
(Zuruf links: Aha!) 
haben wir nicht die Möglichkeit, die ganze Verwaltung 
und Finanzgebarung so nachzuprüfen, wie Sie in der 
Lage sind. 
3. Juni 1927. 
Darum, meine Damen und Herren, erklären wir 
aus all diesen Gründen, weil die Sparsamkeitsanträgc, 
die wir gestellt haben, trotz unserer sachlichen Mitarbeit, 
weil unsere Anträge auf Steuersenkung, aus Ersparnisse 
in den Ausgaben samt und sonders abgelehnt worden 
sind und weil Sie uns nicht die Möglichkeit geben, durch 
geeignete Besetzung der Stellen im Magistrat nachzu 
prüfen, wie die Gelder auch verwendet werden, weil Sie 
einseitige Parteiwirtschaft treiben, darum lehnen 
tu i x den Etat ab. 
(Gelächter links.) 
Stadtv. Merten (D.): Meine Damen und Herren! 
Die Ausführungen des Herrn Kollegen Koch waren mir 
eine außerordentliche Ueberraschnng und Enttäuschung 
zugleich. 
(Rechts: Ach!) 
Sie sind deswegen bedauerlich, weil ich ihm gern zu 
gestehe, obwohl wir ja auf seine Anwesenheit im Haus 
haltsausschuß meist verzichten mußten, daß seine 
Kollegen aus der Fraktion mit großem Fleiß und großer 
Sachlichkeit unsere Arbeiten gefördert haben, weil wir 
zweitens bis zuletzt der Meinung sein mußten, daß 
diesmal auch die Herren von der Deutschnationalen 
Partei den Etat annehmen würden. 
Nun bin ich aber in etwas ausgesöhnt durch die 
Schlußerklärung des Herrn Kollegen Koch. 
(Links: So?) 
Herr Kollege Koch hat gesagt: W i r lehnen 
letzten Endes deshalb a b, w'e i l unsere 
Freunde in der städtischen Verwaltung 
nicht so vertreten sind, wie w i r e s b e - 
anspruchen dürfen und w i r keine Kon 
trolle über die Arbeiten des Magistrats 
habe it. 
Ich stelle zunächst einmal fest, daß meines Wissens 
drei hervorragende Mitglieder der Deutschnationalen 
Partei Mitglieder des Magistrats sind, 
(Links: Sehr richtig!) 
daß also die Möglichkeit der Kontrolle und der Heber- 
wachung der Arbeiten und der Beschlüsse des Magistrats 
durchaus gegeben ist. Sollte aber dem Herrn Kollegen 
Koch von einer Heberwachung und Kontrolle durch diese 
seine Mitglieder nichts bekannt sein, so kann ich nicht 
umhin, ihm das Zeugnis auszustellen, daß er für die 
Mitglieder seiner Partei im Magistrat kein Ruhmes 
blatt unsere Beratungen geflochten hat. 
(Stadtv. Koch: Es handelt sich ja um die Fachstadt 
räte, drehen Sie doch das nicht um!) 
Wer ist denn heute im Magistrat noch Fachstadtrat 
oder wer nicht? Wollen Sie etwa sagen, Herr Kollege 
Koch, daß der Stadtbaurat oder der oder jener mehr 
Fachstadtrat ist als der Mann, der das gesamte Woh- 
nnngs- und Siedlungswesen bearbeitet, mehr als der 
Mann, der den gesamten Verkehr unter seiner Leitung 
hat? Wollen Sie etwa sagen, daß der Herr Stadtrat 
Wege, der meines Wissens kein Landwirt ist, aber doch 
die Güter ausgezeichnet verwaltet, sich nicht auch im 
Laufe der Jahre gewisse fachmännische Erfahrungen und 
Beobachtungen angeeignet hat? 
(Zurnf rechts: Das ist auch ein Deutschnationaler!) 
Ich stelle fest, daß, wenn Sie auch nicht durch be 
soldete Stadträte vertreten sind, d o ch d i e A n w e s e n - 
heit von drei hervorragenden Mit 
glied c r n I h r e r P a r t e i a u s r e i ch e n m ü ß t e, 
um Sie jederzeit auf dem laufenden zu 
halten über die Absichten und die Poli 
tik des Magistrats, und wenn Sie in dieser Be 
ziehung nicht auf dem laufenden gehalten worden sind, 
dann müssen Sie sich bei Ihren Parteifreunden im 
Magistrat selber bedanken.
	        
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