Sitzung am 23. Juni 1927. 519
im Haushaltsausschutz nachgewiesen, datz es möglich ge-
wcseu sein würde, die Grundvermögenssteuer zugunsten
der Allgemeinheit um 50% herabzusetzen. Dieser Antrag
ist uns abgelehnt worden; Wir haben in bezug auf ein
zelne Titel nachgewiesen, datz wir die Einnähmen er
höhen konnten. Wir haben zu Tit. XVI den Antrag ge
stellt, die Krankenkassen zugunsten der Erhaltung unserer
Krankenhäuser in höherem Matze heranzuziehen.
(Stadtv. Urich: Auf Kosten der Arbeiter!)
Der Antrag ist uns abgelehnt worden. Wir haben einen
Antrag gestellt, der auch bei der Sozialdemokratischen
Partei zunächst Widerhall fand, auf Wiedereinführung
der übereilt abgeschafften II. Klasse bei der Untergrund
bahn und Hochbahn. Dieser Antrag ist uns abgelehnt
worden.
(Zuruf bei den Kommunisten: Mit Recht!)
Wir haben wiederholt im Haushaltsausschuß darauf
hingewiesen, das; die Stadt Berlin je länger je mehr,
insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen
allgemeinen Notlage, eine unvorsichtige Finanzpolitik
betreibt. Wir vermissen insbesondere bei der grohen
Anzahl von Vorlagen des Magistrats, die im letzten
Augenblick als Dringlichkeitsvorlage eingebracht werden,
ein übersichtliches System über gewisse finanzpolitische
Matznahmen, die ich im einzelnen Ihnen kurz auf
zählen will:
Wir tadeln diese überstürzten Vorlagen, und der
Vorsitzende unserer Fraktion, Herr Lüdicke, hat mit Recht
hier einen scharfen Ausdruck in einer unserer letzten
Sitzungen gebrauchen müssen, und hat sich namens
unserer Fraktion diese überstürzte Art der Einbringung
von Vorlagen des Magistrats verbeten.
Wir haben an dem Etat die unübersichtliche Auf-' 1
stellung zu tadeln, die es kaum möglich macht, ohne
stundenlange mühsame Sucherei festzustellen, was für
die einzelnen Gegenstände eigentlich insgesamt auf
gebracht wird. Man muß sich das aus dem Hauptetat
und den verschiedenen Positionen und Titeln aus den
20 einzelnen Bezirken heraussuchen. Aber wenn man
sich bei einzelnen dieser Ausgaben die Mühe macht, so
staunt man doch darüber, was in den einzelnen Posi
tionen aufgeführt ist, was da für Ausgaben heraus
kommen
Was die Ausgaben z. B. für die Sportplätze an
betrifft, so ist es nicht zu bezweifeln, und meine Freunde
haben das im Ausschutz zum Ausdruck gebracht, datz
Sportplätze für unsere Jugend durchaus notwendig sind.
Ob es aber notwendig ist, auf diesen Sportplätzen der
artig luxuriöse Bauten aufzuführen, wie sie — was ein
Herr der Deutschen Volkspartei vor einiger Zeit richtig
nachgewiesen hat — in keiner Grotzstadt der ganzen
Welt aufgeführt werden, und das in einer Zeit, wo wir
unter dem Drucke der Daweslasten stöhnen, das ist doch
Wohl zu bezweifeln.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Unter dem Drucke
der bürgerlichen Regierung!)
Das ist ein Zeichen dafür, datz die Aufstellung des Etats
durchaus unübersichtlich ist, vielleicht mit der Ab
sicht, datz die grohen Gesamtausgaben auf diese Weise
ein wenig verschleiert werden. I ch will nicht sagen, das;
das eine Absicht ist, aber die Wirkung ist da, datz eine
Verschleierung der großen Ausgaben eintritt. =<
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich
auf einige Punkte des Etats kurz eingehen:
Heute morgen ist im Finanzausschutz zugestimmt
worden, die 100-Millioncn-Anleihe aufzunehmen. Aber
schon hat der Herr Kämmerer erklärt, und die Öffent
lichkeit wird darüber staunen, das; alsbald eine neue
große Anleihe wird ausgelegt werden müssen. Das ist
)a auch natürlich die Folge von alledem, was hier be
schlossen wird, und zwar nicht im Nahmen des Etats.
Noch ist der Etat von uns nicht beschlossen und verab
schiedet worden, und schon werden wir in der Presse
überrascht durch magistratsoffiziöse Artikel von immer
wieder neuen Projekten. Wir leben in einer Zeit der
Projektmacherei in Berlin, wie in keinem Zeitalter
vorher,
(Rechts: Hört, hört!)
wie wir es selbst im höchsten Aufschwünge unserer Wirt
schaft nicht erlebt haben. Ich darf Ihnen einige von
diesen Projekten nennen:
Wenn der Etat verabschiedet sein wird, dann wird
die Oesfentlichkeit, noch viel mehr die Stadtverordneten
versammlung, darüber staunen, was nun außerhalb des
Etats an Millionen-, an Hundertmillionenprojekten von
der Stadtverordnetenversammlung gefordert werden
wird, wofür die Stadtverordnetenversammlung dann die
Deckung durch Anleiheschulden, durch Erhöhung der
Steuern geben muß.
Meine Damen und Herren! Ich erinnere an die
Ausgabe für das Messegelände. Das ist eins der
Probleme des Magistrats, das insbesondere — ich
glaube, Sie recht zu verstehen — das Schmerzenskind
unserer städtischen Verwaltung ist.
(Zuruf links: Für die Deutschnativnalen!)
Wohin das noch führen wird, wissen wir nicht.
(Zuruf links: Es bringt uns ja etwas ein!)
Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zu
den einzelnen Ausgaben, die Ihnen doch unzweifelhaft
als problematischer Natur erscheinen werden. Das; unser
Verkehrswesen im argen liegt und einer Erweiterung
bedarf, darüber besteht auch bei meinen Freunden kein
Zweifel. Daß insbesondere, nachdem wir Groß-Berlin
bekommen haben, die zu Groß-Berlin hinzugeschlagenen
Vororte ja den Anspruch erheben können, einigermaßen
so behandelt zu werden, wie das alte Berlin behandelt
wird in bezug auf den Verkehr, das ist ganz klar.
Wenn Spandau jetzt mit Verkehrswünschen kommt,
wenn Nieder-Schönhauscn jetzt mit Verkehrswünschen
kommt, so haben wir volles Verständnis dafür, und
unsere Freunde, die in den Ausschuß kommen werden,
werden es durch ihre Mitarbeit beweisen, daß wir
diesen Verkehrsnotwendigkeiten uns unter keinen Um
ständen versagen werden. Es ist hier nur die Frage,
meine Damen und Herrn, ob wir heute in der Lage
sind, die Mittel in dem großen Ausmaße aufzubringen,
wie sie jetzt von den Außenbezirken gewünscht werden.
Immerhin kann man bei Untergrundbahnen und bei
Hochbahnen, überhaupt bei allen Bahnbauten noch
sagen, daß die Möglichkeit besteht, bei vernünftiger Fi
nanzgebarung sie zu werbenden Betrieben zu machen
oder als werbende Betriebe zu erhalten. Das Geld, das
für diese Bahnbauten angelegt wird, wird der Wirt
schaft zugeführt. Es werden Tausende von Arbeitslosen
in die Betriebe hineingebracht, und die Unternehmer,
die daran beteiligt sind, können ebenfalls in ihren Be
trieben Arbeiter einstellen. Es sind also immerhin, sage
ich, noch werbende Betriebe.
Eine andere Frage aber ist es, wie wir uns unserer
Stratzenerweiterung gegenüber verhalten. Es spukt auch
hier schon wieder in der Oesfentlichkeit, obwohl der Etat
noch nicht verabschiedet ist. Gerade in den letzten Tagen
ist die Presse durch einzelne Artikel alarmiert worden,
die offenbar vom Magistrat ausgegangen sind, um in
der Oesfentlichkeit für solche Projekte Stimmung zu
machen. Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren,
an das erstaunliche Projekt, das vom Strausbcrger Platz
in demselben Ausmaße, in derselben Breite mit Mittel
promenade, wie die Frankfurter Allee sie darstellt, die
Frankfurter Straße bis zum Alexanderplatz erweitert
werden soll.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das ist doch
notwendig!)
(Zuruf bei den Kommunisten: Im Westen sind
Sie einverstanden!)