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Volume Sitzung 17, 19.05.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung am 19. Mai 1927. 425 
schm Werke nachprüfen soll. Das Wort hat Herr 
Stadtv. Paeth. 
(Stadtv. Paeth: Nein, ich danke. Nach dein An 
trage verzichte ich!) 
Dann wird wohl das Schluftwort auch nicht weiter 
verlangt? 
(Zuruf: Nein!) 
Dann können wir abstimmen über den Antrag ans 
Ausschußüberweisung. Wer für den Antrag auf Aus 
schußberatung ist, bitte ich, die Hand zu erheben. 
(Geschieht.) 
Das ist die Mehrheit. Der Antrag der Kom 
munistischen Fraktion wird dein Ausschuß mit über 
wiesen. 
Wir kommen nun zii Punkt 15 der Tagesordnung: 
Antrag der Stadtv. Gabel und Gen., betr. Wieder- 
einstcllung der vom Landesarbeitsamt wegen der 
Arbeitsniederlegung am 7. Mai d. Js. gematz- 
regelten Notstandsarbeiter — Drucks. 378 —. 
Das Wort zur Begründung des Antrages hat Herr 
Stadtv. Peschke. 
Stadtv. Peschke (K.): Meine Damen und Herren! 
Am 7. Mai trat in Berlin ein Teil der Notstandsar 
beiter in eine Protestaktion gegen den Stahlhelmauf 
marsch in Berlin ein. Die Notstandsarbeiter ließen 
sich in ihrer Aktion gegen diesen Stahlhelmanfmarsch 
besonders davon leiten, daß sie nicht gewillt waren, 
den Stahlhelmern, die durch Berlin marschierten, die 
Wege zu ebnen, und sie waren besonders entrüstet da 
rüber, daß das Landesarbeitsamt die Baustellen anwies, 
für Sonnabend, den 7. Mai, alle Baustellen möglichst 
in Ordnung zu halten, damit die Stadt recht nett und 
schmuck aussieht, 
(Bei den Kommunisten: Hört, hört!) 
damit auch ja die Stahlhelmleute keinen allzu schlechten 
Eindruck von Berlin mit in ihre Heimat nehmen. Die 
Notstandsarbeiter wollten nicht die Straßen in 
einen besonders netten Zustand bringen 
(Zuruf: Die wollten einen schlechten Eindruck 
erwecken!) 
und haben darum am 7. Mai zu einem Teil die Arbeit 
niedergelegt. 
Der Streik dieser Notstandsarbeiter selbst war also 
lediglich eine Protestaktion gegen die Berlin erobern 
wollenden Stahlhelmer. Der Streik ist auf Antrag 
einiger Baustellen in dem in Berlin bestehenden Aus 
schuß der Notstandsarbeitcr zustande gekommen. In 
diesem Ausschuß sind alle Banstellen vertreten, und die 
ser Ausschuß beschloß einstimmig, eine Urabstimmung 
unter den Notstandsarbeitern vorzunehmen. Die vor 
genommene Urabstimmung ergab daun eine Dreivier 
telmehrheit für die Durchführung der Arbeitsnieder 
legung am 7. Mai. 
Das Landesarbeitsamt, das von der Absicht der 
Notstaudsarbeiter rechtzeitig durch den Aufruf der 9iot- 
standsarbeiter erfahren hatte, brachte, wie der reak 
tionärste Unternehmer in seinem Betriebe, sofort einen 
Anschlag heraus, worin es die Notstandsarbeiter vor 
der Arbeitsniederlegung warnte und ihnen androhte, 
daß jedem der Notstandsarbeiter, die am 7. Mai nicht 
arbeiten würden, die Entlassung zuteil werden würde. 
In Verfolg dieses Streiks, der dann zum großen Teil 
trotz dieser Androhung durch das Landesarbeitsamt 
durchgeführt wurde, wurden ca. 350 Mann entlassen. 
(Hört, hört!) 
Aber nicht genug damit. Die Baustellen der Notstands 
arbeiter wurden auch durch Polizei gesichert, 
(Hört, hört!) 
damit auf jeden Fall die Notstandsarbeiter, die da etwa 
arbeiten wollten, an der Arbeit nicht verhindert werden 
konnten. 
(Rechts: Bravo!) 
Dabei sind auch einige sehr interessante Vorkommnisse 
passiert. So ist z. B. in Weißensee auf der Baustelle der 
Firma Riebe ein Polizeileutnant erschienen mit einigen 
Mann und hat von dem Unternehmer verlangt, daß 
ihm der Vertrauensmann dieser Notstandsarbeiter be 
kannt gemacht oder vorgestellt würde. 
(Bei den Kommunisten: Hört, hört!) 
Er hat — der Vertrauensmann stand nicht allzuweit 
entfernt davon — dem Unternehmer erklärt: „Zeigen 
Sie mir bitte den Vertrauensmann, den Kerl schlage 
ich in die Fresse!" 
sBei den Kommunisten: Hört, hört!—Rechts: Bravo!) 
— Dieses „Bravo" kennzeichnet so recht ihre Einstel 
lung gegenüber den Notstandsarbeitern. — 
Die Polizei scheint also Anweisung bekommen zu haben, 
in rigorosester Weise gegen die etwa streikenden Not 
standsarbeiter vorzugehen. 
Damit aber noch nicht genug. Die Notstandsar 
beiter wurden rücksichtslos hinausgeworfen. Selbst da, 
wo die Bauleitungen ihre Arbeiter, die schon einge 
arbeitet waren, nicht entlassen wollten, weil sie sie 
brauchten, wurden sie durch das Landesarbeitsamt ge 
zwungen, diese Arbeiter zu entlassen. Es ist doch typisch, 
daß der Baurat Reißer im Landesarbeitsamt erklärt hat, 
daß jetzt die Gelegenheit gekommen sei, wo man ein 
Exempel statuieren könne, denn dieser Streik sei doch 
von der KPD. angezettelt worden, 
(Rechts: Sehr richtig!) 
und da müsse man scharf durchgreifen. 
(Stadtv. Koch: Bravo!) 
Man müsse diesen Leuten endlich einmal zeigen, daß 
sie eben Notstandsarbeiter und keine freien Arbeiter 
seien. In diesem Äusspruch liegt eine glatte Begünsti 
gung des Stahlhelmaufmarsches, 
(Lachen rechts.) 
und die Berliner Arbeiter, die den Stahlhelmern am 
7. und 8. Mai in Berlin heimgeleuchtet haben, 
(Lachen rechts.) 
(Stadtv. Fritz Lange: Ausgepfiffen! Spießruten seid 
ihr gelaufen!) 
die werden sich nicht nur mit den Stahlhelmleuten 
beschäftigen müssen, die mit Hilfe von Unternehmer- 
geldern mit 50 <M Pro Mann nach Berlin transpor 
tiert wurden, sondern die werden sich auch beschäftigen 
müssen mit den Stahlhelmern und Faschisten, die im 
Berliner Landesarbeitsamt sitzen. 
(Bei den Kommunisten: Sehr wahr!) 
(Stadtv. Fritz Lange: Die hier sitzen, sind ganz 
ungefährlich!) 
Aber auch damit nicht genug. Das Landesarbeitsamt hat 
außerdem von den Bauleitungen auch noch Listen ein 
gefordert, in denen die streikenden Notstandsarbeiter 
verzeichnet waren, um sie von der Unterstützung aus 
zusperren. 
(Hört, hört!) 
Also schwarze Listen seligen Angedenkens aus der Vor 
kriegszeit. Es soll auch heute noch bei der Industrie 
solche schwarze Listen geben. Aber das Berliner Laudes 
arbeitsamt geht voran und fertigt in aller Öffentlichkeit 
schwarze Listen an, die sogar soweit gehen, daß die 
Notstandsarbeiter nicht nur von der Unterstützung aus 
gesperrt werden, sondern daß auch die Arbeitsvermittler 
die Vermittlung zu neuer Notstandsarbeit verweigern, 
wenn ein solcher gemaßregelter Notstandsarbeiter von 
irgendeiner Baustelle angefordert wird.
	        
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