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Volume Sitzung 16, 12.05.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

404 Sitzung am 12. Mai 1927. 
Herr Klein hat so polemisiert: wir werden es nicht 
schaffe», alles zu proletarisieren. Nun, die Arbeiter sind 
schon Proletarier, da brauchen wir nicht erst zu prole- 
tarisieren. Also muß sich Ihr Interesse doch auf den 
.Inhaber der Ankerwerft erstrecken. 
Nun will ich Ihnen aber eins sagen: Wenn nach 
den Verhandlungen, die Herr Kollege Arndt hier er 
wähnt hat, jemand sich weigert, von einem Grundstück 
herunterzugehen, trotzdem ihm angeboten wird, daß er 
eine Abfindung bekommt ünd daß sein Betrieb wieder 
aufgebaut wird, so tut er cs nicht im Interesse der 
Arbeiter. Außerdem ist das aber ein Anerbieten, das 
sicher der Bezirksversammlung in Lichtenberg noch Ver 
anlassung geben wird, dazu zu sprechen, denn wir wissen 
.nicht, wie weit das Bezirksamt da mit seinen Befugnissen 
gegangen ist. Wenn Laubenkolonisten, die mit viel mehr 
Mühe und Not und mit vielen Kosten sich eine Laube 
errichtet haben, die auf einem Gelände dort 20 und 25 
Jahre sitzen, heruntergeworfen werden, ist das Bezirksamt 
Lichtenberg nicht so freigiebig mit den 1 Mitteln. Da 
werden die Kolonisten einfach heruntergeworfen. 
Im übrigen, wenn Sie grundsätzlich ansaugen wollen, 
mit all solchen Dingen hier der Stadtverordnetenver 
sammlung zu kommen, meine Damen und Herren, dann 
werden wir Ihnen mit jeder Räumungsklage, mit jeder 
Exmission von proletarischen Mietern hierher kommen, 
bei denen keine so lange Frist gelassen wird, sondern 
denen man einfach eine Frist von drei Tagen setzt. 
Die werden auf die Straße geworfen mit ihren Sachen, 
mit ihrer Familie. Kommen Sie doch nicht hierher mit 
solchen Geschichten, wo jetzt einem Unternehmer klar 
wird, daß er den Anschluß verpaßt.hat, wo er den Bogen 
überspannt hat bei dem, was er herausholen wollte. 
Kommen Sie doch nicht hierher und versuchen Sie nun 
hier noch etwas zu retten. Der Herr hätte aufpassen sollen, 
als ihm angeboten wurde, seine Existenz weiterzuführen, 
als ihm aber nicht die Möglichkeit gegeben werden sollte, 
mit diesem Gelde der Stadt Manipulationen zu machen, 
wie sie ihm behagen. Oder wollen Sie uns 
einreden, daß der Inhaber der Ankerwerft 
d i e 150 000 Mark, d i e er fordert, unter seine 
Arbeiter verteilen wolle? Dem lag es nicht 
an den Arbeitern, sondern am Gelde. Kommen Sie nicht 
mit solchen Anträgen, wir werden sie jedesmal ab 
lehnen . 
Stadtrat-Wutzkh: Meine Damen und Herren! Es ist 
durchaus richtig, wenn hier festgestellt worden ist, daß 
die Beschwerden der Firma nicht in dem Umfange be 
rechtigt sind, wie es behauptet toitch Nach dem Bericht, 
der mir vom Bezirksamt Lichtenberg vorliegt, ist doch 
festzustellen, daß tatsächlich bereits zum 1. Januar 1925 
ordnungsmäßig auf Grund des abgeschlossenen Vertrages 
gekündigt worden ist. Es sind dann von der Firma 
Vorstellungen erhoben worden, und das Bezirksamt 
Lichtenberg hat nun nicht, wie es nach den hier ge 
machten Darstellungen scheinen könnte, auf diesen Ter 
min bestanden, sondern es hat, wie es in dem mir er 
statteten Bericht ausdrücklich festgestellt worden ist, den 
Mann noch weiter auf diesem Grundstück belassen, und 
zwar ist die Frist bis zum 1. April 1927 verlängert 
worden. 
(Zuruf rechts.) 
Herr Kollege, Sie sind nicht im Bilde. Der Vertrag ist 
zwar bis zum 30. September 1929 geschlossen worden, 
aber mit der Bestimmung, daß er, wenn das Grundstück 
für andere Zwecke von seiten der Stadt benötigt wird, 
vierteljährlich gekündigt werden kann. 
(Zuruf rechts.) 
Ja, meine Damen und Herren, mit der Behauptung, 
daß es sich lediglich um die Freimachung von Gelände 
für eine Grünfläche handelt, kann man wirklich in diesem 
Falle nichts anfangen. Es dreht sich hier nicht etwa 
darum, daß irgendein Teil des Grundstücks nunmehr 
angesamt werden soll als Grünfläche, sondern es dreht 
sich darum, daß diese Grünfläche, die nun zufällig in 
dieses Grundstück hineinfällt, den Bestandteil einer großen 
städtischen Anlage, nämlich eines Bades, das nach einem 
bestimmten Plan erbaut werden soll, bildet. Also die 
Frage steht infolgedessen nicht so, ob man auf dieses 
Stück Grünfläche verzichten kann oder nicht verzichten 
kann, sondern ob der Plan, der für die Errichtung 
dieses Bades aufgestellt und genehmigt worden ist, durch 
geführt werden soll. 
Also auch damit ist m. E. die Sache nicht richtig 
gekennzeichnet. Es ist Tatsache, daß die Firma ausreichend 
Zeit bekommen hat, um nach anderer Richtung hin 
für ihre Betriebsfortführung Sorge zu tragen. Es ist 
auch das richtig, wie ich aus dem Bericht ersehe, daß der 
Firma Angebote gemacht worden sind, die sich m. E. 
durchaus sehen lassen können. Es stimmt, daß nicht bloß 
der Abriß und nicht bloß der Ausbau zugesichert wor 
den sind, sondern es ist auch noch eine Barentschädigung 
extra zugesichert. 
(Links: Hört, hört!) 
Es ist ferner festzustellen, daß auch — wenn ich mich 
nicht täusche — schon zweimal Barentschädigungen ge 
geben worden sind. Einmal bestimmt; ich kann die Sache 
jetzt im Augenblick nicht übersehen. Ich glaube aber 
sagen zu können, daß zweimal Barentschädigungen der 
Firma aus Anlaß anderer Dinge, die mit dem Groß 
kraftwerk in Verbindung stehen, gezahlt worden sind. 
Es ist ferner nicht zu bestreiten, meine Damen und 
Herren, daß die Firma, nachdem sie diese Vorschläge ab 
gelehnt hat, gefordert hat, sie entweder auf dem Ge 
lände an der Wasserfront auf eine Reihe von Jahren 
zu belassen, oder den Abriß und den Wiederaufbau der 
Werftbaulichkeiten an anderer Stelle auf Kosten der 
Stadt vorzunehmen, oder die Baulichkeiten abzureißen 
und eine Barentschädigunq in Höhe von 150 000 Mark 
zu gewähren. 
(Stadtv. Czeminski: Hört, hört!) 
Meine Damen und Herren, ich verstehe vollkommen, 
wenn ein Vorschlag wie dieser nicht ernsthaft behandelt 
worden ist. Es ist nicht so verfahren worden, sondern 
— und das möchte ich ausdrücklich feststellen und damit 
die Erklärungen schließen, auf die es mir ankam, sie 
hier zur Kenntnis zu bringen — es sind, nachdem die 
hier wiederholt genannte Besprechung beim Stadtrat 
Stimming in Lichtenberg stattgefunden hat, die Be 
mühungen fortgesetzt worden, der Firma behilflich zu 
sein, eine andere geeignete Stelle am Wasser in Groß- 
Berlin zu finden und ihre Werft wieder aufzubauen. 
Ich habe eben in diesem Augenblick mit dem Herrn 
Kollegen Schlichting Rücksprache genommen, von dem 
ich hörte, daß er auch schon in diesem Sinne Verhand 
lungen gepflogen hat. Er hat mir erklärt, daß sie sich 
noch bemühen, der Firma behilflich zu sein, daß die 
Verhandlungen darüber aber noch nicht zum definitiven 
Abschluß kommen konnten. Es sind die Bezirksämter, 
die für Wassergebiete in Frage kommen, in Bewegung 
gesetzt worden. Wie gesagt, die Verhandlungen sind 
noch nicht abgeschlossen. Ich glaube sagen zu können, 
daß man nach dem, was der Bericht des Bezirksamts 
Lichtenberg sagt, und nach dem, was ich vom Herrn 
Kollegen Schlichting gehört habe, doch wahrhaftig nicht 
behaupten kann, daß die Stadt brutal und rücksichtslos 
die Werft von ihrem Platze zu werfen sich bemüht hat. 
Vielmehr ist doch eigentlich wohl alles geschehen, was 
man billigcrweise verlangen kann, um der Firma be 
hilflich zu sein. 
Ich möchte aber meinerseits noch folgendes hinzu 
fügen, meine Damen und Herren: Ich werde Ver 
anlassung nehmen, festzustellen — was mir neu ist, was 
ich heute erst hier aus dieser Aussprache gehört habe —, 
ob Zwangsmaßnahmen eingeleitet sind. Sollte das der 
Fall sein, so werde ich sehen, ob diese Zwangsmaß 
nahmen nicht zweckmäßigerweise zurückgestellt werden und
	        
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