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Volume Sitzung 14, 28.04.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung mn 28. April 1027. 
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recht uns zugefügt, worden ist und welche unbedinge Not 
wendigkeit besteht, dieses Unrecht wieder gut zu machen. 
(Zuruf des Stadtv. Koch.) 
Und in diesen Kämpfen, Herr Kollege Koch, werden 
Sie mich immer an erster Stelle finden tonnen, auch wenn 
ich gegen Ihre Partei dabei vorgehen muß, und Sic 
werden sehen, ich werde nicht ermangeln, meinen Mann 
dabei zu stehen. 
(Großer Beifall bei den Demokraten.) 
Stadtv. Dr. Caspari (V.): Meine Damen und 
Herren! Wir hatten zusammen mit den Herren von der 
Dentschnationalen Fraktion eine Anfrage eingebracht, die 
sich mit dem Interview des Herrn Oberbürgermeisters 
im „Berliner Tageblatt" und mit dessen Form beschäftigt. 
Der Herr Oberbürgermeister hat es nicht für nötig 
gehalten, ans diese Anfrage zu antworten, sondern er 
hat sich bei seinen Freunden eine Entschließung —, so hieß 
es vor drei Wochen bestellt, die ihm Gelegenheit geben 
sollte, von der unbequemen Anfrage auf ein bequemeres 
Gelände zu gelangen, ans dem er hier gegen die Beschlüsse 
des Landtages ankämpfen konnte. 
Aus dieser Entschließung, für die ja eine geschästs- 
ordnungsmäßige Möglichkeit nicht bestand, hat nun Herr 
Merten mit seiner bekannten Geschicklichkeit einen An 
trag gemacht. Aber ich habe mich vergeblich bemüht, 
in diesem Antrage einen Antrag zu finden. 
(Stadtv. Merten: Das werde ich Ihnen zeigen!) 
Dieser Antrag ist gar kein Antrag. Es wird nichts darin, 
gefordert. Es wird nicht einmal der Austritt Berlins 
ans dem Städtetage gefordert. 
(Stadtv. Ezeminski: Das soll ja mich nicht sein, 
Herr Caspari. Sie haben ihn ja noch gar nicht ge 
lesen! 
(Glocke.) 
Auch die Magistratsbank muß Ruhe, halten 
und hat sich der Ordnung des Hauses zu fügen!) 
(Zurufe rechts. 
Dieser Antrag ist nichts weiter als eine sehr hübsch 
zu lesende Deklaration, die im wesentlichen das wieder 
holt, was der Herr 'Oberbürgermeister bereits im „Ber 
liner Tageblatt" in weniger freundlicher Form gesagt hat. 
Was wir mit diesem Antrage eigentlich hier machen 
sollen, ist mir nicht klar. Der Herr Vorsteher wird ent 
scheiden müssen, ob wir etwas Derartiges beschließen. 
Ja, was wird denn beschlossen, wenn dieser Antrag 
angenommen wird? Darunter kann ich mir absolut 
nichts vorstellen. — Ties einmal zunächst voraus zu dem 
Antrage, den Herr Merten vorhin begründet hat. Jetzt 
zu dem, was der Herr Oberbürgermeister, wie er glaubt, 
„sachlich" ausgeführt hat. 
Meine Damen und Herren! Es war schon außer 
ordentlich interessant, daß der Herr Oberbürgermeister 
in dem Kampfe gegen den Finanzausgleich im „Berliner- 
Tageblatt" gerade die gedruckte Zahl von 100 Millionen 
Preisgegeben und diese von vornherein reduziert hat ans 
30 Millionen Mark. Es ist aber sehr merkwürdig, daß 
die Zahl von 100 Millionen, und zwar nicht nur diese 
Zahl von 100 Millionen, sondern 110 Millionen in den 
berühmten großen Plakaten, die überall an den Säulen 
in allen städtischen Amtsgebänden ausgehängt und von 
allen möglichen prominenten Korporationen unterschrie 
ben waren, wiederkehrt. 
(Rechts: Hört, hört!) 
Ich habe gestern im Stadthaus Wilmersdorf dieses Plakat 
gefunden. Da hatte einer daneben geschrieben: „Quatsch!" 
' (Stadtv. Ezeminski: Das kann nur in Wilmersdorf 
passieren!) 
Dieses „Quatsch" will ich mir durchaus nicht zu eigen 
machen. Das liegt mir sehr fern. Aber, meine Damen 
>nid Herren, eine gewisse sachliche Begründung hat diese. 
Kritik der 110 Millionen, Nach dem, was der Herr 
Oberbürgermeister selbst gesagt hat, doch. 
Meine Damen und Herren! Ich möchte hier einmal 
in aller Deutlichkeit feststellen, daß es eine unerhörte 
Irreführung der Berliner Bevölkerung ist, wenn man 
immer davon spricht, daß von den Berliner Steuern 
sonndso viel weggenommen wirb. Von den Berliner 
kommunalen Stenern wird selbstverständlich nicht ein 
Pfennig weggenommen. Worum es sich hier handelt, 
das sind Reichssteuern, das sind Landesstenern. Es sind 
die Einkommensteuer, die Körperschaftsstener, die Umsatz« 
steiler, die Reichssteuern sind, und die Hausziussteuer, 
die eine Landesstencr ist. 
(Zurufe bei den Sozialdemokraten und Lärm.) 
— Meine Herren, ich habe Ihnen ruhig zugehört, 
ich bitte Sie freundlichst, nun auch mir zuzuhören. - - 
Es handelt sich hier um die Verteilung von Reichs 
steuern. Diese Reichsstenern sind zunächst zu verteilen 
zwischen Reich, Ltaat und Gemeinden vertikal und zwi 
schen den Gemeinden horizontal. 
Die Frage, wie diese Steuern zu verteilen sind, 
ist die schwierigste Frage, die heute die Finanzverwaltung 
im Reich und in den Ländern und die Finauzverwal- 
tnngen der Gemeinden zu bearbeiten haben, und da nun 
zu sagen, wenn der eine bei der Verteilung diesen Schlüssel 
anwendet und der andere jenen: dieser wendet den 
Schlüssel an ans Neid, Mißgunst und Haß, und ich bin 
allein derjenige, der den richtigen Schlüssel gefunden 
hat, meine Damen und Herren, das ist für mich ein 
fach unverständlich. 
(Rechts: Sehr richtig!) 
Ter Herr. Oberbürgermeister hat davon gesprochen, 
daß Berlin seinen schlüsselmäßigen Anteil nicht bekommt. 
Ja, was ist denn der schlüsselmäßige Anteil? 
(Stadtv. Frau Rosenthal: Das weiß man nie! 
(Heiterkeit.) 
Der schlüsselmäßige Anteil von Berlin soll der Schlüssel 
nach dem Aufkommen sein. Ja, meine Damen und 
Herren, wenn das Land Preußen einfach den Schlüssel 
nach dem Aufkommen anwendet, dann sind die meisten 
unserer Gemeinden restlos erledigt und können ihre Ver 
waltung überhaupt nicht mehr aufrecht erhalten. Und 
woher kommt das? Das kommt daher, daß früher, als 
die Einkommensteuer noch Staats- und Gemeindeange 
legenheit War, die Gemeinden zum Teil 100%, zum Teil 
300% und zum Teil noch mehr Zuschläge zu den Staats- 
steuern erhoben haben, daß jetzt aber die Steuern in allen 
Gemeinden in gleicher Höhe erhoben werden. Es geht 
deshalb nicht mehr an, jetzt einfach nach dem Auf 
kommen aufzuteilen. Tenn dann fahren diejenigen, die 
früher 300o/o gehabt haben, natürlich so schlecht, daß es 
nicht zu wagen ist. 
Ich möchte dabei gleich hinzufügen: Ob die Ein 
kommensteuer diejenige Steuer ist, die wirklich für den 
Ausgleich geeignet und zweckmäßig ist, darüber kann 
man verschiedener Ansicht sein. Wenn der Herr Ober 
bürgermeister hier wirklich vollständig referiert und 
mich die Tinge, die ich mir eben vorzutragen erlaubte, in 
den Kreis seiner Betrachtungen gezogen hätte, dann hätte, 
er vielleicht hinzugefügt, daß gerade der Vorstand des 
Städtetages die Einkommensteuer nicht für die richtige 
gehalten hat, sondern den Ausgleich lieber mit der Um« 
satzstener gemacht haben will. 
(Oberbürgermeister Büß: Das hät er in seiner 
Zuschrift bloß nicht gesagt!) 
Das lag mich jetzt gar nicht vor. Das kann erst bei dem 
endgültigen Finanzausgleich kommen. Das war dies 
mal gar nicht zu machen. 
(Oberbürgermeister Büß: Na also! 
Aber, Herr Oberbürgermeister, der Landtag hat es mit 
einer Vorlage der Regierung zu tun gehabt, die den Fi 
nanzausgleich auf die Einkommensteuer abstellt. Ich
	        
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