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Volume Sitzung 14, 28.04.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

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Sitzung am 28. Avril 1927. 
Tatsächlich ist auch kein Material da. Es hat dem 
Landtag kein Material vorgelegen, cs hat der Staats 
regierung kein Material vorgelegen. Als ich dann mei 
nerseits nun die Folgerung ziehen wollte, daß man 
dann auch Berlin keine besonderen Lasten auferlegen 
könne, da sie! man zurück auf die Frage der Gewerbe 
steuer. Das ist ein Kreis, in dem man sich dreht und 
bei dem man niemals herausfinden kann, ob Berlin ge 
rechter Weise eine Mehrlast auferlegt morden ist und ob 
man gerechter Weise bestimmten Städten und Gemein 
den eine Mehrzufuhr an Einkommen- und Körperschafts 
steuer aus dem Säckel der Stadt Berlin leisten konnte. 
Meine Damen und Herren! Es ist ein sehr schwie 
riges Ding, unter solchen Umständen die Frage zu be 
antworten: wie kam es dann, daß trotzdem, trotz dieser 
einfachen klaren sachlichen Lage der Dinge im Landtag 
ein Beschluß gefaßt werden konnte, der ans dem Steuer 
säckel Berlins so hohe Summen nahm, wie es tatsächlich 
geschehen ist? Wie war das angesichts der Tatsache 
möglich, daß eine Denkschrift der Stadt Berlin in allen 
Einzelheiten nachwies, welche ungeheuren Bedürfnisse aller 
Art, aus allen Gebieten der kommunalen Verwaltung in 
Berlin seit Jahren nicht haben befriedigt werden können, 
daß wir hier Notznstünde nicht haben überwinden können, 
weil uns keine Mittel zur Verfügung standen, wie wir 
hier in einer Lage uns befinden, bei der in allen Par 
teien darüber Uebereinstimmung herrscht, daß wir voll 
kommen außerstande gewesen sind, finanziell das zu 
leisten, was unsere Bürger mit Recht von uns verlangen 
konnten? 
Wenn ich mir da die Stimme» der Rechtspresse vor 
Augen halte, die im Anschluß an die Auseinandersetzun 
gen über die Ausführungen des „Berliner Tageblattes" 
und die Ausführungen im Preußischen Landtag nun 
auf der einen Seite sagen: es wäre unerhört, daß der 
Oberbürgermeister von Berlin sich gegen diese Rechts 
parteien gewendet hätte, und andererseits in demselben 
Artikel ausführen: es wäre unerhört, was den gequälten 
Steuerzahlern in Berlin zugemutet würde, — ja, da 
muß man doch sagen, da hört doch einfach alles ans! 
(Hört, hört!) 
(Zurufe: Jawohl! Sehr richtig!) 
Meine Damen und Herren! Sieht denn kein Mensch, 
luic es hier in Berlin tatsächlich steht? Hat denn noch 
kein Landtagsabgeordneter, — — 
(Zurufe rechts.) 
— Gelegenheit gehabt, sich einmal das Berliner Obdach 
anzusehen und diese elenden Menschen zu sehen, denen 
wir seit Jahren noch nicht haben helfen können? 
.Können sie hier nicht sehen, in welch unglaublichen 
Wohnungsverhältnissen Tausende, Millionen von 
Menschen leben müssen, und daß wir uns vergeblich 
bemüht haben, notwendige Mittel zu beschaffen, um hier 
abzuhelfen? 
(Bei den Demokraten: Sehr richtig!) 
Wissen wir nicht alle, wie groß die Zahl der Erwerbs 
losen in Berlin gewesen ist, wie übergroß die Zahl der 
wirtschaftlichen Zusammenbrüche in allen Kreisen unserer 
Wirtschaft in den letzte» Jahren gewesen: sind? Und 
wissen wir nicht auch, daß im Vergleich zu deir Zahlen, 
die ans diesen Gebieten in Berlin in Betracht komme», 
die Zahlen im Westen und anderen Teile» des Reichs und 
in Preußen verhältnismäßig gering sind? Trotzdem 
nimmt man uns Summen weg, mit denen wir mit Leich 
tigkeit einen großen Teil unserer Beschwernisse beseitigen 
könnten. Ja, man verlangt von uns, wir sollen die Ge 
werbesteuern und die Realsteuern herabsetzen. Wenn wir 
die Summen, die uns hier entzogen worden sind, hätten 
nehmen können, mürben wir zahllose wirtschaftliche Exi 
stenzen ans den Beinen gehalten haben und imstande ge 
wesen sein, eine Unzahl von Menschen davor zu bewahren, 
daß sie durch krasse Rationalisiernngsmethoden aus ihrer 
Arbeit kamen, daß ihre Familien in Not gerieten. 
Das alles ist nicht in Betracht gezogen worden bei 
der Entscheidung des Landtags. Und es ist in der Tat 
nicht zu verwundern gewesen, meine Damen und Herren, 
daß, als ich mich an die Vertreter der Berliner Wirtschaft 
wandte, Industrie-, Handels- und Handwerkskammer und 
die Gewerkschaften von links bis rechts zu einer Aus 
sprache über diese Dinge aufforderte, man mir ein 
mütig auf der ganzen Linie zustimmte, und daß eine 
Kundgebung dieser Berliner Wirtschaft in der Oeffentlich- 
keit erlassen worden ist, die in der entschiedensten Form 
sich gegen die Absichten des Preußischen Landtages, 
wendete. 
(Stadtv. Merten: Bravo!) 
^ Das alles hat keinen Eindruck gemacht. Und min 
entsteht die weitere Frage: was hat in Berlin zu ge 
schehen, damit wir nicht in Zukunft neuen Schaden er 
leiden? Denn es ist ganz mit Recht int Preußischen Land 
tage daraus hingewiesen worden, es handelt sich nicht 
nur um den Finanzausgleich für 1927 und 1928, es 
handelt sich um den endgültigen Finanzausgleich, der in 
1928 beraten und entschieden werden wird. Es handelt 
sich sehr wahrscheinlich, ivenn nicht sicher, außerdem 
um bot interkommünalen Lastenansgleich in Preußen, 
vielleicht bis dahin schon im Reich. Und wenn dann die 
Meinung weiter bestehen sollte, daß Berlin viele Mil 
lionen abgeben kann an andere Gemeinden, dann wirb 
uns eine Last erwachsen, die uns auf lange Zeit hinaus 
die Hände bindet. Diese Fragen sind um so ernster zu 
nehmen, als wir ivohl wissen, daß wir auf den Anleihe 
markt nicht in dem Umfange unsere Bedürfnisse befrie 
digen können, wie es tatsächlich notwendig wäre. 
Meine Damen und Herren, zwei Wege liegen vor 
uns, ans denen wir i» der Zukunft arbeiten müsse», 
um unser Recht zu erreichen. Der eine geht dahin: 
es ist unsere Aufgabe, alles sachliche Material zu sammeln, 
das der Oeffentlichkeit, dem Landtage, dem ganzen Lande 
klarlegt, wie unsere Verhältnisse tatsächlich liegen. 
(Stadtv. Schwarz: Sehr richtig! Es kommt nur 
auf die Form an!) 
Wir haben uns in dieser Beziehung bereits mit Den 
Vertretern der Wirtschaft in Verbindung gesetzt. Das 
Material wird gesammelt, wir werben arbeiten, wir 
werden es objektiv zusammenstellen und der Oeffentlich 
keit zur Verfügung stellen. 
Meine Damen und Herren! Ein anderes ist aber 
außerdem notwendig, das ist die Aufklärung der Berliner 
Bürgerschaft über die Frage: Wer hat uns diese Lasten 
auferlegt 
(Bei den Demokraten: Sehr richtig!) 
und können mir Berliner Bürger cs uns gefallen lasse», 
daß Parteien, die auch ans Berliner Geldern Unter 
stützungen in der verschiedensten Form erfahren, 
(Zurufe rechts.) 
sich gegen die Berliner Interesse» wenden, ja, daß sic 
nicht einmal eine Würdigung unserer eigenen Gründe 
vornehmen? 
Und da kann ich mir nicht helfen, meine Dame» 
und Herren, so schwer es mir persönlich gefallen ist, i» 
diesen politischen Kampf hineinzutreten, 
(Lachen rechts.) 
da muß ich im Interesse der Stadt Berlin, für die ich 
bestellt bin, auch gegen diejenigen Parteien kämpfe» 
und angehen, die die Interessen der Stadt Berlin z» ; 
riirfstellen hinter anderen Interessen. 
(Bei den Demokraten: Bravo!) 
Dann kann ich nur sagen, meine Damen u»d 
Herren: es wird Aufgabe des Magistrats und der Stadt- 
verordnetenversammlüng sei», in der Oeffentlichkeit 
immer und immer wieder darauf hinzuweisen, was >» 
den vorliegenden zwei Jahren geschehen ist, welches Un-
	        
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