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Volume Sitzung 13, 07.04.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

Sitzung ant 7, 
es kommt darauf an, daß es eine Straße ist, die im 
Innern der Stadt liegt, die unmittelbar auf die 
Wilhelmstraße mündet, in der Preuß einst sein Lebens 
werk, das Werk der Weimarer Verfassung vollendete. 
Darauf legen wir Gewicht, und meine Freunde glauben, 
daß die Nene Wilhelntstraße in dieser Hinsicht aus 
reichend ist. • 
Nun muß ich mich aber noch etwas mit den wirt 
schaftlichen Ausführungen des Herrn Baartz befassen. 
Wie jemand die hervorragenden Geschäfte! in der Luisen- 
straße, die einen Weltruf bei Gelehrten und Medizinern 
in allen Kulturländern genießen, als „Reparaturwerk 
stätten" bezeichnen kann, ist mir in der Tat unerfindlich. 
(Zurufe des Stadtv. Baartz.) 
Herr Baartz, das kann ich nur darauf zurückführen, 
daß Sie entweder die Straße nicht kennen oder, wenn 
Sie sie schon mal gesehen haben, Sie damals noch in 
so jugendlichem Alter waren, daß Sie kein rechtes Bild, 
keine zutreffende Auffassung von den Geschäften 
gewinnen konnten. 
(Stadtv. Baartz: Sie sind als Oberregierungsrat 
ein tüchtiger Schulmeister geblieben!) 
Ich bin in der Lage gewesen, ein Menschenalter während 
meiner Berliner Tätigkeit in unmittelbarer Nachbar 
schaft der Luisenstraße zuzubringen und jede Entwick 
lung zu beobachten. 
(Stadtv. Fritz Lange: Herr Merten, Herr Baartz 
war noch nicht in tierärztlicher Behandlung!) 
Nein, mein Lieber. Diese Zeit, wo jemand aus der 
Versammlung mal tierärztlich behandelt wird, ist viel 
leicht nicht mehr fern, und dazu sucht man sich wahr 
scheinlich dann diejenigen aus, die die meisten viehischen 
Manieren haben. 
(Rechts und bei den Demokraten: Sehr gut! Bravo! 
Sehr richtig!) 
(Große Heiterkeit.) 
Stadtv. Loewy (S.): Meine Damen und Herren! 
Meine Freunde haben einen unpolitischen Antrag ein 
gebracht und haben die ganze Zeit die Sache nur un 
politisch behandelt. 
(Zuruf rechts: Bis zur zweiten Lesung!) 
Die Sache über die Straßenumbenennnng aus das po 
litische Gebiet zu bringen, war den rechten Parteien vor 
behalten. 
Wir können auch gar nicht davon reden, daß die 
Umbenennung der Stadt hier etwa Millionen kostet. 
Das sind Behauptungen, die tatsächlich der Prüfung 
nicht standhalten werden. Es wird sich kaum um 
100 000 ,M handeln. 
(Zuruf rechts: 100 Millionen!) 
Dann ist davon die Rede, das bei Aufrechterhaltung 
des Beschlusses zu III sich die Zahl der Straßen in 
6000 umwandeln würde. Das würde vielleicht dann der 
Fall sein, wenn Sie 'der Meinung sind, man müßte 
bei Durchführung des Antrages in Zukunft auch die 
Friedrichstraße oder die Charlottenstraße abschaffen. 
Daran denkt keiner von uns. Wenn ich den Namen 
Friedrichstraße oder ähnliche Straßennamen höre, denke 
ich in diesem Augenblick gar nicht daran, daß sie nach 
Friedrich I. benannt ist oder nach sonst wem. Viele 
wissen nicht, nach welchem Friedrich, Karl oder August 
die Straßen benannt worden sind. Also das ist für uns 
keine politische Angelegenheit, die wichtig ist. 
Nun wird uns damit graulich gemacht, was das 
die Geschäftsleute kostet. Meine Damen und Herren, 
ich nehme an, das wird jedent Geschäftsmann, der 
Beteiligt ist, 1,50 bis 2,50 Jt kosten, je nach der Größe 
des Gummistempels, der angeschafft werden muß, um 
auf dem Briefbogen die Sache zu bezeichnen. Wenn 
April 1927. 303 
heute die Reichspost neue Telephonämter einführt, so 
kann die Bevölkerung dagegen gar nichts machen, 
(Bei den Soz.: Sehr richtig!) 
sie weiß eben, das Amt heißt von heute ab nicht mehr 
„Zentrum", sondern „Hasenheide" oder weiß ich wie. 
Da wird auf dem Briefbogen ein Stempel gesetzt, und 
damit ist die Sache für die Gewerbetreibenden erledigt. 
Das zu der allgemeinen Geschichte. 
Nun haben wir allerdings grundsätzlich einen 
Wunsch gehabt, der war, Straßenzüge, die durchlaufen, 
nicht verschieden zu benennen. Wir haben den Grund 
satz, der im Interesse der ganzen Bevölkerung liegt, 
daß ein Straßenzug, der hintereinander liegt, nicht 12 
verschiedene Namen hat, wie es beim Spreenfer der 
Fall ist und von der Weidendammer Brücke bis zum 
Spittelmarkt. Das ist bei vielen Fällen so. Alle solche 
Straßen sind einheitlich zu benennen. Daß aber jeden 
falls die Nene Wilhelmstraße und die Luisenstraße an 
sich nur eine Straße sind, wird nicht gut bezweifelt 
werden können. Deswegen sind wir der Meinung, 
man soll hier, wo wir in einem Falle nach dem Wunsche 
der Mehrheit der Versammlung einen Toten ehren, nun 
auch dann den ganzen Straßenzug nach ihm benennen. 
Nun allerdings wird hier die schreckliche Drohung 
ausgesprochen. Warum die Charitedirektion ursprüng 
lich Widerspruch erhoben hat, weiß ich nicht. Die 
Charite hat doch schließlich nur einen Nebenausgang in 
der Luisenstraße, und kein Mensch, den man fragt, 
wo die Charite liegt, sagt: die Charite liegt in der 
Luisenstraße. Wenn man die Charite in Berlin sucht, 
weiß jeder Berliner, wo sie liegt und sucht nicht lange, 
ob der Ausgang in der Luisenstraße sein könnte. 
Aber, Herr Koch, ich glaube, Ihr Standpunkt ist 
grundsätzlich nicht richtig. Jeder Preuße hat das Recht 
der Petition, aber in seiner Eigenschaft als Beamter 
hat er nur die Interessen seines Amtes zit vertreten. 
(Rechts: Aha!) 
Wenn der Direktor persönlich Deutschnational ist, darf 
er seine reaktionären Gründe in einer persönlichen 
Petition geltend machen, aber als Beamter muß er 
tun, was sein Amt verlangt. Er hat zweifellos gegen 
die Interessen seines Amtes gehandelt. 
(Stadtv. Koch: Daher Republik!) 
(Zurufe auf beiden Seiten des Hauses.) 
Bei den Professoren der Tierärztlichen Hochschule gebe 
ich Ihnen zu, es kann sein, daß die Herren so verärgert 
sind, daß es auf die Behandlung der Patienten in Zu 
kunft zurückwirkt, aber da sich ja unter den Patienten 
der Tierärztlichen Hochschule nur die Wähler der Rechts 
parteien befinden, so läßt uns das kalt. 
(Rechts: Oho!) (Heiterkeit links.) 
Wir haben in der vorigen Sitzung für den Antrag 
gestimmt, die Sache an die Bezirksämter gehen zu 
lasten, weil wir der irrtümlichen Meinung waren, 
die Deutschnationalen bezweckten mit ihrem Antrag, zu 
nächst die Bezirksämter zu hören, denn die Durch 
führung soll ja auch nach unserer Meinung durch die 
Bezirksämter geschehen. Da uns aber hinterher mit 
geteilt worden ist, daß die Dentschnationalen etwas 
ganz anderes mit ihrem Antrage bezwecken, daß sie 
unsern Beschluß über die Aufhebung bisheriger Straßen 
namen überhaupt nicht zulassen wollen, sind wir nun 
mehr gezwungen, gegen diesen Antrag zu stimmen. 
Unser Antrag geht jedenfalls, abgesehen von der Hugo- 
Prenß-Straße im übrigen nur dahin, im Interesse der 
Berliner Bevölkerung und im Interesse der gesamten 
Berliner darin Ordnung zu schaffen und dafür zu sorgen, 
daß jeder Straßename in Berlin nur einmal vorkommt, 
damit man nicht, wenn man einen bestimmten Straßen 
namen hört, erst suchen muß, welcher der 20 Straßen 
namen gemeint ist. Bei diesem unsern grundsätzlichen 
Standpunkt sind wir auch gezwungen, den Antrag der
	        
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