Sitzung ant 7,
es kommt darauf an, daß es eine Straße ist, die im
Innern der Stadt liegt, die unmittelbar auf die
Wilhelmstraße mündet, in der Preuß einst sein Lebens
werk, das Werk der Weimarer Verfassung vollendete.
Darauf legen wir Gewicht, und meine Freunde glauben,
daß die Nene Wilhelntstraße in dieser Hinsicht aus
reichend ist. •
Nun muß ich mich aber noch etwas mit den wirt
schaftlichen Ausführungen des Herrn Baartz befassen.
Wie jemand die hervorragenden Geschäfte! in der Luisen-
straße, die einen Weltruf bei Gelehrten und Medizinern
in allen Kulturländern genießen, als „Reparaturwerk
stätten" bezeichnen kann, ist mir in der Tat unerfindlich.
(Zurufe des Stadtv. Baartz.)
Herr Baartz, das kann ich nur darauf zurückführen,
daß Sie entweder die Straße nicht kennen oder, wenn
Sie sie schon mal gesehen haben, Sie damals noch in
so jugendlichem Alter waren, daß Sie kein rechtes Bild,
keine zutreffende Auffassung von den Geschäften
gewinnen konnten.
(Stadtv. Baartz: Sie sind als Oberregierungsrat
ein tüchtiger Schulmeister geblieben!)
Ich bin in der Lage gewesen, ein Menschenalter während
meiner Berliner Tätigkeit in unmittelbarer Nachbar
schaft der Luisenstraße zuzubringen und jede Entwick
lung zu beobachten.
(Stadtv. Fritz Lange: Herr Merten, Herr Baartz
war noch nicht in tierärztlicher Behandlung!)
Nein, mein Lieber. Diese Zeit, wo jemand aus der
Versammlung mal tierärztlich behandelt wird, ist viel
leicht nicht mehr fern, und dazu sucht man sich wahr
scheinlich dann diejenigen aus, die die meisten viehischen
Manieren haben.
(Rechts und bei den Demokraten: Sehr gut! Bravo!
Sehr richtig!)
(Große Heiterkeit.)
Stadtv. Loewy (S.): Meine Damen und Herren!
Meine Freunde haben einen unpolitischen Antrag ein
gebracht und haben die ganze Zeit die Sache nur un
politisch behandelt.
(Zuruf rechts: Bis zur zweiten Lesung!)
Die Sache über die Straßenumbenennnng aus das po
litische Gebiet zu bringen, war den rechten Parteien vor
behalten.
Wir können auch gar nicht davon reden, daß die
Umbenennung der Stadt hier etwa Millionen kostet.
Das sind Behauptungen, die tatsächlich der Prüfung
nicht standhalten werden. Es wird sich kaum um
100 000 ,M handeln.
(Zuruf rechts: 100 Millionen!)
Dann ist davon die Rede, das bei Aufrechterhaltung
des Beschlusses zu III sich die Zahl der Straßen in
6000 umwandeln würde. Das würde vielleicht dann der
Fall sein, wenn Sie 'der Meinung sind, man müßte
bei Durchführung des Antrages in Zukunft auch die
Friedrichstraße oder die Charlottenstraße abschaffen.
Daran denkt keiner von uns. Wenn ich den Namen
Friedrichstraße oder ähnliche Straßennamen höre, denke
ich in diesem Augenblick gar nicht daran, daß sie nach
Friedrich I. benannt ist oder nach sonst wem. Viele
wissen nicht, nach welchem Friedrich, Karl oder August
die Straßen benannt worden sind. Also das ist für uns
keine politische Angelegenheit, die wichtig ist.
Nun wird uns damit graulich gemacht, was das
die Geschäftsleute kostet. Meine Damen und Herren,
ich nehme an, das wird jedent Geschäftsmann, der
Beteiligt ist, 1,50 bis 2,50 Jt kosten, je nach der Größe
des Gummistempels, der angeschafft werden muß, um
auf dem Briefbogen die Sache zu bezeichnen. Wenn
April 1927. 303
heute die Reichspost neue Telephonämter einführt, so
kann die Bevölkerung dagegen gar nichts machen,
(Bei den Soz.: Sehr richtig!)
sie weiß eben, das Amt heißt von heute ab nicht mehr
„Zentrum", sondern „Hasenheide" oder weiß ich wie.
Da wird auf dem Briefbogen ein Stempel gesetzt, und
damit ist die Sache für die Gewerbetreibenden erledigt.
Das zu der allgemeinen Geschichte.
Nun haben wir allerdings grundsätzlich einen
Wunsch gehabt, der war, Straßenzüge, die durchlaufen,
nicht verschieden zu benennen. Wir haben den Grund
satz, der im Interesse der ganzen Bevölkerung liegt,
daß ein Straßenzug, der hintereinander liegt, nicht 12
verschiedene Namen hat, wie es beim Spreenfer der
Fall ist und von der Weidendammer Brücke bis zum
Spittelmarkt. Das ist bei vielen Fällen so. Alle solche
Straßen sind einheitlich zu benennen. Daß aber jeden
falls die Nene Wilhelmstraße und die Luisenstraße an
sich nur eine Straße sind, wird nicht gut bezweifelt
werden können. Deswegen sind wir der Meinung,
man soll hier, wo wir in einem Falle nach dem Wunsche
der Mehrheit der Versammlung einen Toten ehren, nun
auch dann den ganzen Straßenzug nach ihm benennen.
Nun allerdings wird hier die schreckliche Drohung
ausgesprochen. Warum die Charitedirektion ursprüng
lich Widerspruch erhoben hat, weiß ich nicht. Die
Charite hat doch schließlich nur einen Nebenausgang in
der Luisenstraße, und kein Mensch, den man fragt,
wo die Charite liegt, sagt: die Charite liegt in der
Luisenstraße. Wenn man die Charite in Berlin sucht,
weiß jeder Berliner, wo sie liegt und sucht nicht lange,
ob der Ausgang in der Luisenstraße sein könnte.
Aber, Herr Koch, ich glaube, Ihr Standpunkt ist
grundsätzlich nicht richtig. Jeder Preuße hat das Recht
der Petition, aber in seiner Eigenschaft als Beamter
hat er nur die Interessen seines Amtes zit vertreten.
(Rechts: Aha!)
Wenn der Direktor persönlich Deutschnational ist, darf
er seine reaktionären Gründe in einer persönlichen
Petition geltend machen, aber als Beamter muß er
tun, was sein Amt verlangt. Er hat zweifellos gegen
die Interessen seines Amtes gehandelt.
(Stadtv. Koch: Daher Republik!)
(Zurufe auf beiden Seiten des Hauses.)
Bei den Professoren der Tierärztlichen Hochschule gebe
ich Ihnen zu, es kann sein, daß die Herren so verärgert
sind, daß es auf die Behandlung der Patienten in Zu
kunft zurückwirkt, aber da sich ja unter den Patienten
der Tierärztlichen Hochschule nur die Wähler der Rechts
parteien befinden, so läßt uns das kalt.
(Rechts: Oho!) (Heiterkeit links.)
Wir haben in der vorigen Sitzung für den Antrag
gestimmt, die Sache an die Bezirksämter gehen zu
lasten, weil wir der irrtümlichen Meinung waren,
die Deutschnationalen bezweckten mit ihrem Antrag, zu
nächst die Bezirksämter zu hören, denn die Durch
führung soll ja auch nach unserer Meinung durch die
Bezirksämter geschehen. Da uns aber hinterher mit
geteilt worden ist, daß die Dentschnationalen etwas
ganz anderes mit ihrem Antrage bezwecken, daß sie
unsern Beschluß über die Aufhebung bisheriger Straßen
namen überhaupt nicht zulassen wollen, sind wir nun
mehr gezwungen, gegen diesen Antrag zu stimmen.
Unser Antrag geht jedenfalls, abgesehen von der Hugo-
Prenß-Straße im übrigen nur dahin, im Interesse der
Berliner Bevölkerung und im Interesse der gesamten
Berliner darin Ordnung zu schaffen und dafür zu sorgen,
daß jeder Straßename in Berlin nur einmal vorkommt,
damit man nicht, wenn man einen bestimmten Straßen
namen hört, erst suchen muß, welcher der 20 Straßen
namen gemeint ist. Bei diesem unsern grundsätzlichen
Standpunkt sind wir auch gezwungen, den Antrag der