Sitzung ant 31. März 1927. 273
da das Einwirken des Herrn Bezirksbürgermeisters
Schneider keine Erfolge zeitigte.
Das Verkaufshänschen in der Friedrich- Ecke
Krottenstraße hat in den letzten Jahren wiederholt An
laß zu Verkehrsunfällen gegeben. Der Polizeipräsident
verlangte durch Schreiben vom 21. Oktober 1924 die
Entfernung dieses Verkehrshänschens, und Herr Stadt
rat Bogt vom Bezirksamt Mitte teilte dem Polizei
präsidenten mit — merken Sie ans, meine Damen und
Herren, es ist eine klassische Begründung —: „Die
Verkehrsunfälle sind mtr darauf zurückzuführen, daß
die Wagenlenker so unvorsichtig fahren."
(Hört, hört!)
Sie sollen nur vorsichtiger fahren. Das ist die klassische
Begründung aller derjenigen, die bei der Ueberlastung
des Verkehrspersonals immer erklären, daß der Fahrer
daran schuld sei und daß die Kutscher daran schuld seien,
wenn sich Unfälle ereignen. Diese klassische Begründung
wurde vom Bezirksamt ebenfalls dem Polizeipräsidenten
gegenüber gegeben.
Im Widerspruch zu diesem Bescheide des Bezirks
amts steht ein Gutachten des Syndikus des Bezirks
amts Mitte. Der Syndikus des Bezirksamts Mitte
forderte vott seinem Standpunkt aus doch die Entfernung
des Verkaufshäuschens. Wenn sich nochmals ein Un-
glückssall zutrage, daun muß die Stadt dafür haften und
nicht Baruth. Er schreibt in seinem' Gutachten am
Schluß, daß er auf dem Standpunkt stehe, daß die
„Denkmäler einer irrigen Finanzpolitik der Tiefbau
verwaltung in der Inflationszeit auf das schnellste be
seitigt werden müssen."
Trotz dieses vorliegenden Gutachtens stellt sich das
Bezirksamt auf den Standpunkt, daß auch der neuer
dings sich zugetragene Verkehrsunfall noch keinen An
laß dazu biete, die Verkaufshäuschen zu entfernen. Das
Bezirksamt sagt, man müsse abwarten, bis sich die
Berkehrsunsicherheit dort noch mehr zugespitzt habe,
(Hört. hört!)
d. h. es müsse abgewartet werden, bis noch mehr Un-
glückssälle und noch mehr Todesfälle zu verzeichnen
seien. Dann kann man vielleicht darüber sprechen und
eine Entscheidung treffen.
Die Vereinigung der Kraftdroschenbesitzer hat sicb
ebenfalls in einem Protestschreiben an das Bezirksamt
gewendet und hat vom Bezirksamt die Entfernung
dieses verkehrshinderlichen Häuschens verlangt. Trotz
dem beharrte das Bezirksamt nach wie vor auf seinem
Standpunkt.
Aber, meine Damen und Herren, es kommt noch
bezeichnender. Der Polizeipräsident forderte strikt zu
einem bestimmten Termin die Entfernung der Verkaufs-
Häuschen. Und Ions tat das Bezirksamt? Das Bezirks
amt, vertreten durch den vorzüglichen Bezirksamtsjtt-
risten, hat vergessen, Rechtsmittel einzulegen. Die Rechts
mittelfrist war verstrichen, jetzt mußte man einen Platt
schmieden, um gegen die Polizeibehörde vorzugehen, um
Baruths Profit sicherzustellen. Man teilte Herrn Baruth
mit, daß er schreiben solle, er hätte so von hinten herum
gehört, daß das Verkaufshäuschen auf Anordnung der
Polizei entfernt werden sollte. Er solle nicht angeben,
rnts welcher Quelle er das Material habe. Dann würde
der Polizeipräsident antworten, dann laufe eine neue
Frist, und dann'kann man Einspruch einlegen. Dieser
Aktenvorgang, den wir das erstemal in den Akten fest
stellen konnten, ist in den Akten nicht mehr enthalten.
(Bei den Komm.: Hört, hört!)
Das ist nicht nur meine Auffassung, sondern auch die
der Herren des Unterausschusses, das ist die
Auffassung der Herren der verschiedenen Parteirich-.
tungen. Sie können übereinstimmend bezeugen, daß
dieser Aktenvorgang plötzlich verschwunden ist.
(Hört, hört!)
Ich will das eine nur sagen: Trotzdem Herr
Bürgermeister Schneider erklärte, er hätte nichts da
gegen, daß ich die Akten aus dem Bezirksamt mitnehme,
um sie einzusehen, bedurfte es erst eines Drucks durch
den Herrn Stadtsyndikus, daß der Unterausschuß ein
Recht hätte, die Akten durchzustudieren. Knapp hatte ich
die Akten in meinem Besitz, da ließ Bürgermeister
Schneider die Akten durch Boten wieder aus unserem
Büro abholen, um die Akten während der Weihnachts
feiertage durchzustudieren. Im Widerspruch dazu steht
die Erklärung des Bezirksamts. Was sagte der Herr
Syndikus Dr. Gordan? Er sagte: als Herr Bürger
meister Schneider erfahren hatte, daß die Stadtverord
netenversammlung oder namhafte Parteien der Stadt
verordnetenversammlung Angriffe bezüglich der Ver
mietung der Verkausshäuschen erheben, hat er sofort die
Angelegenheit dem Syndikus des Bezirksamts übergeben.
Meine Damen und Herren, diese Logik, die man anzu-
wendet: versucht, verstehe ich nicht. Mau versucht
einzuwenden, dem Herrn Syndikus sind die Akten über
geben worden, und Herr Bürgermeister Schneider läßt
die Akten aus meinem Büro holen, um sie einige Tage
durchzustudieren, um sich zu präparieren, wie er zu
antworten hat.
Meine Damen und Herren, das Bezirksamt glaubte
aber doch, daß es mit dem Weiterbestehen der Verkaufs-
Häuschen vielleicht nicht so einwandfrei sei, das; diese
Verkausshäuschen doch durch endgültige Entscheidung
der Polizeibehörde entfernt werden. Die Beschwerde,
die das Bezirksamt beim Oberpräfidenten gegen die
Entscheidung des Polizeipräsidenten einlegte, lehnte der
Herr Oberprästdent ab. Jetzt wollte das Bezirksamt
dem Herrn Baruth doch eine Entschädigung geben,
damit er die Möglichkeit hat, seinen Profit, wiederum
auf Kosten der Stadt, aufrecht zu erhalten. Man schrieb
Herrn Baruth, ob er denn nicht wo anders Verkaufs
hauscheu wünscht. Und da schrieb Herr Baruth in einer
sehr provozierenden Art und Weise, daß in Charlotten
burg an dem Platz der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
ein Häuschen der Firma Stiehlke und ein zweites der
Firma Neumann stehe. Nach Ablauf der Verträge mit
den beiden obigen Firmen wolle er diese Verkaufshäus
chen übernehmen. Das Bezirksamt als Lakai des
Herrn Baruth hat prompt geschrieben in einem Brief
an das Bezirksamt Eharlottenburg —> man möge doch
so liebenswürdig sein und diese beiden Verkausshäuschen
dem armen Baruth ausliefern. Was schrieb Char
lottenburg? Eharlottenburg schrieb, daß die Verkehrs
unsicherheit so groß sei, daß man die Verkausshäuschen
entfernen müsse. Das Bezirksamt Mitte wartete die
wetteren Unfälle ab und versuchte die Interessen von
Baruth beim Bezirksamt Eharlottenburg zu vertreten.
Was tat das Bezirksamt weiter? Am 1. Juli 1926 hatte
das. Bezirksamt dem Vertreter Baruths Vollmacht er
teilt, gegen die Entscheidung des Polizeipräsidenten im
Namen des Bezirksamts zu'klagen. Nun kommt wieder
die bezeichnende Logik des Herrn Syndikus, der er
klärte: „Wir als Stadt Berlin haben ein Interesse
daran, daß der Termin verloren geht. Wenn der Termin
verloren geht, dann könnet: wir die Häuschen entfernen."
Und damit ja der Termin verloren geht, hat das Be
zirksamt den Anwalt der Firma Baruth mit der Ver
tretung der Klage betraut, weil das Bezirksamt an
nahm,' daß der Anwalt von Baruth die Klage so ver
treten wird, daß der Termin verloren geht. Hier sehen
wir wiederum die Haarspalterei
(Lachen rechts.)
vom Bezirksamt und vom Syndikus des Bezirksamts.
Was sagt nun Herr Barnth? Er machte dem Be
zirksamt den Vorschlag, daß er bereit sei, eilten Schupo-
mattn, der vor seinem Hause Postiert wird, besonders
zu bezahlen. Aber damit nicht genug. Das Bezirksamt
hat Herrn Baruth bezüglich der Verkausshäuschen das
Vorkaufsrecht - eingeräumt. Herr Stadtrat Busch hat in