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Volume Sitzung 7, 03.03.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

154 Sitzung mit 1 
Erwerbslosen bei diesem Antrag absolut nichts heraus. 
Es ist in Wirklichkeit eine Ablehnung unseres Antrages 
unter dem Schein einer Verbesserung der sozialen Lage 
des Notstandsarbeiters gegenüber seinem bisherigen 
Standard. In Wirklichkeit ist es aber keine Ver 
besserung. 
Wenn wir es uns heute versagen, unsern Urantrag 
wieder aufzunehmen, so aus dem Grunde, weil wir die 
Hoffnung haben, daß wenigstens der Abändernngsan- 
trag, den wir.im Ausschuß gestellt haben, heute ange 
nommen wird. Die Kommunistische Fraktion beantragt, 
den Notstandsarbeitern zunächst mal die Tage zu be- 
zahlen, die sie gearbeitet haben, und darüber hinaus für 
die Tage, an denen sie durch Regenzeit oder andere Ur 
sachen abgehalten wurden, einen Zuschuß in der Höhe 
der Erwerbslvsenunterstütznng zum Lohn. Dieser An 
trag würde in dieser Form dem Notstandsarbeiter eine 
Verbesserung seiner bisherigen Lage bringen. Wenn Sie 
aber den Antrag in der Fassung, wie er von der Sozial 
demokratischen Partei gestellt wurde, zustimmen, dann 
bringt das tatsächlich eine finanzielle Verbesserung für 
den Notstandsarbeiter nicht mit sich. Ich erwarte daher, 
daß Sie den Unterschied zwischen unserm Antrage und 
dem Antrag der S. P. D. erkennen und daß Sie mit 
Rücksicht auf die von mir geschilderte rechtliche und 
soziale Lage des Notstandsarbeiters erkennen, daß das, 
was wir im Ausschuß durch unsern Abänderungsantrag 
fordern, das mindeste von dem ist, was in dieser Be 
ziehung gefordert werden muß. 
In bezug auf den zweiten Fall unserer Forderung 
bezüglich der Sicherung eines Vertretungsrechts des 
Notstandsarbeiters auf der Arbeitsstelle ist die sozial 
rechtliche Stellung des Notstandsarbeiters an sich her 
vorzuheben. Der Notstandsarbeiter ist in bezug auf 
Pflichten gleichgestellt mit dem in freier Arbeitsstellung 
befindlichen Arbeiter. Er muß nämlich Steuern be 
zahlen aus dem Lohn, den er als Notstandsarbeiter hat, 
er muß seine Beiträge zur Krankenkasse bezahlen, ebenso 
Beiträge zur Erwerbslosenfürsvrge usw. leisten. 
Aber er hat keinerlei Rechte, die aus seiner Arbeit her 
vorgehen. Das Betriebsrätegesetz ist für die Vertretung 
des Notstaudsarbeiters auf der Arbeitsstelle nicht zu 
ständig, ebenso ist die Gewerbeordnung für den Not 
standsarbeiter nicht zuständig. Bei Arbeitsstreitigkeiten 
ans der Arbeitsstelle entscheidet lediglich das Landes 
arbeitsamt oder der Erwerbslosendezernent, in 
dessen Bezirk sich die Arbeitsstelle befindet. Er 
ist also in rechtlicher Beziehung vollständig dem 
Landesarbeitsamt oder dem Bezirk ausgeliefert, und 
cs besteht für ihn keinerlei Möglichkeit, ans diese 
Instanzen irgendwechen Einfluß auszuüben, wenn 
dies nicht durch besondere von den Notstandsarbeitern 
gewählte Vertrauensleute geschieht. 
Der Reichsarbeitsminister hat bereits in seinem 
Erlaß vom 1. April d. I. in gewissem Sinne dieses 
Vertretungsrecht des Notstandsarbeiters auf der Ar 
beitsstelle anerkannt. Das Landesarbeitsamt hat in 
seinem Entwurf für die Arbeitsbedingungen des Not 
ftandsarbeiters unter Benutzung dieser Möglichkeit dem 
Notstandsarbeiter ein Vertretungsrecht geben wollen. 
Es hat in die Arbeitsbedingungen vom 2. März d. Js. 
bereits Bestimmungen hineingebracht, die den Not 
standsarbeitern das Recht geben, bei einer Belegschaft 
von 25 Mann einen Vertrauensmann, bei einer Beleg 
schaft von 50 Mann zwei und bei einer Belegschaft von 
über 50 Mann IS Vertrauensleute zu wählen. Nach dem 
i? 8 sollten diese Vertrauensleute auch das Recht habe», 
im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber auch während 
der Arbeitszeit zur Erfüllung ihrer Vertretungsrechte 
beim Landesarbeitsamt ihre Arbeitsstelle zu verlassen. 
Ter Arbeitslosenansschnß des Landesarbeitsamts hat 
dieses Vertretungsrecht der Notstandsarbeiter gestrichen. 
(Stadtv. Roth: Hört, hört!) 
Es haben sich daran alle Faktoren dieses' Arbeitsloseil 
ausschusses gleichmäßig beteiligt. Als Begründung dafür 
. März 1927. 
wurde angeführt, daß die Notstandsarbeiter sich ja so 
wieso ihre Vertreter ans den Arbeitsstellen wählten. 
Es sei nicht notwendig, daß man das noch besonders in 
diesen Arbeitsbedingungen festlegt. Durch beit Wegfall 
der Bestimmungen, die selbst vom Landesarbeitsamt 
den Notstandsarbeitern zugebilligt waren, die aber durch 
die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und die 
Vertreter der Stadt Berlin gestrichen wurden, sind ans 
den Banstellen Verhältnisse entstanden, die in dieser 
Form nicht mehr fortbestehen dürfen. Ans der einen 
Stelle wird dem Vertreter der Notstandsarbeiter die 
Möglichkeit gegeben, die es ihm gestatten, sein Recht 
als Vertreter der Notstandsarbeiter einwandfrei auszu 
üben. Das ist aber eine Ausnahme. Auf sehr vielen, 
ja man kann sagen auf den meisten Arbeitsstellen 
werden den Vertretern der Notstandsarbeiter, wettn 
man ihr Zustandekommen nicht überhaupt unterbindet, 
so viele Schwierigkeiten gemacht, daß von einer wirk 
lichen Vertretung der Notstandsarbeiter nicht die Rede 
sein kann. 
(Bei den Komm.: Sehr richtig!) 
Das Landesarbeitsamt — man muß hier einen Unter 
schied machen zwischen Landesarbeitsamt und dem Ver- 
waltnngsausschuß des Landesarbeitsamts —, also der 
verantwortliche Beamte des Landesarbettsamts wollte 
den Notstandsarbeitern dieses Vertretungsrecht zubilli 
gen, während der Verwaltungsausfchuß ihnen dieses 
Vertretungsrecht verweigert. Und ans diesem Grunde 
war es notwendig, daß wir diesen Antrag in diesem 
Hause hier stellten, um durch den Magistrat das Landes- 
arbeitsamt anweisen zu lassen, diese Bestimmung, die 
ursprünglich im alten Entwurf vorhanden war, in der 
alten Form soweit wieder herzustellen, als darin das 
Vertretungsrecht den Notstandsarbeitern zugebilligt 
wird. Darüber hinaus muß aber auch den Vertretern 
der Notstandsarbeiter die Möglichkeit gesichert sein, ihr 
Recht auszuüben, und dazu gehört natürlich die vollstän 
dige Unabhängigkeit des Vertreters von dem Wohl 
wollen des Betriebsleiters. Es gehört dazu auch die 
finanzielle Unabhängigkeit des Vertreters der Notstands 
arbeiter von seiner Arbeitsstelle, indem diesem zum min 
desten der Ausfall des Lohnes , der ihm durch seine Ver 
treterarbeit entsteht, gewährleistet wird. 
Nun hat sich ja der Ausschuß diesem zweiten Teil 
unserer. Forderungen angeschlossen. Aber in bezug ans 
den ersten Teil unserer Forderungen verweise ich noch 
mals darauf, das ich unsern in dem Ausschuß gestellten 
Abänderungsantrag hier nochmals stelle und daß ich hier 
nochmals darauf hinweise, welcher Unterschied zwischen 
dem Abänderungsantrag-der S. P. D. und unserm 
Abänderungsantrag besteht. Der Abänderungsantrag 
der S.P.Dj will dem Notstandsarbeiter, auch wenn er 
arbeitet, nur den Lohn bis zur Höhe der Erwerbslosen- 
nnterstütznng sichern, die er haben würde, wenn er 
voll erwerbslos wäre. Unser Antrag will dem Null 
standsarbeiter neben seinem Lohn für die in dieser 
Woche geleistete Arbeit, also darüber hinaus für die 
übrigen durch Regen arbeitsfreien Tage, die Zuwen 
dungen machen, die ihm zustünden, wenn er erwerbslos 
wäre. Es ist das das mindeste, worauf wir uns zurück 
ziehen können, das ist das mindeste, was wir, nachdem 
unser Urantrag im Ausschuß abgelehnt wurde, hier 
fordern müssen, und ich erwarte von diesem Hanse, das; 
es mindestens dieser unserer Forderungen zustimmt. 
(Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.) 
Stadtv. Klein (DN.): Meine Damen und Herren! 
Ich möchte von dieser Stelle aus den Abänderungsan- 
trag wiederholen, den wir bereits im Ausschuß gestellt 
haben. Er hat folgenden Wortlaut: 
„Der Magistrat wird ersucht, zu bewirken, das; 
die durch ungünstige Witterung hervorgerufenen Ver- 
dienstverluste der Notstandsarbeiter nach Ablauf der 
Arbeitsperiode, d. H. bei Wiedereintritt in das Ar- j
	        
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