154 Sitzung mit 1
Erwerbslosen bei diesem Antrag absolut nichts heraus.
Es ist in Wirklichkeit eine Ablehnung unseres Antrages
unter dem Schein einer Verbesserung der sozialen Lage
des Notstandsarbeiters gegenüber seinem bisherigen
Standard. In Wirklichkeit ist es aber keine Ver
besserung.
Wenn wir es uns heute versagen, unsern Urantrag
wieder aufzunehmen, so aus dem Grunde, weil wir die
Hoffnung haben, daß wenigstens der Abändernngsan-
trag, den wir.im Ausschuß gestellt haben, heute ange
nommen wird. Die Kommunistische Fraktion beantragt,
den Notstandsarbeitern zunächst mal die Tage zu be-
zahlen, die sie gearbeitet haben, und darüber hinaus für
die Tage, an denen sie durch Regenzeit oder andere Ur
sachen abgehalten wurden, einen Zuschuß in der Höhe
der Erwerbslvsenunterstütznng zum Lohn. Dieser An
trag würde in dieser Form dem Notstandsarbeiter eine
Verbesserung seiner bisherigen Lage bringen. Wenn Sie
aber den Antrag in der Fassung, wie er von der Sozial
demokratischen Partei gestellt wurde, zustimmen, dann
bringt das tatsächlich eine finanzielle Verbesserung für
den Notstandsarbeiter nicht mit sich. Ich erwarte daher,
daß Sie den Unterschied zwischen unserm Antrage und
dem Antrag der S. P. D. erkennen und daß Sie mit
Rücksicht auf die von mir geschilderte rechtliche und
soziale Lage des Notstandsarbeiters erkennen, daß das,
was wir im Ausschuß durch unsern Abänderungsantrag
fordern, das mindeste von dem ist, was in dieser Be
ziehung gefordert werden muß.
In bezug auf den zweiten Fall unserer Forderung
bezüglich der Sicherung eines Vertretungsrechts des
Notstandsarbeiters auf der Arbeitsstelle ist die sozial
rechtliche Stellung des Notstandsarbeiters an sich her
vorzuheben. Der Notstandsarbeiter ist in bezug auf
Pflichten gleichgestellt mit dem in freier Arbeitsstellung
befindlichen Arbeiter. Er muß nämlich Steuern be
zahlen aus dem Lohn, den er als Notstandsarbeiter hat,
er muß seine Beiträge zur Krankenkasse bezahlen, ebenso
Beiträge zur Erwerbslosenfürsvrge usw. leisten.
Aber er hat keinerlei Rechte, die aus seiner Arbeit her
vorgehen. Das Betriebsrätegesetz ist für die Vertretung
des Notstaudsarbeiters auf der Arbeitsstelle nicht zu
ständig, ebenso ist die Gewerbeordnung für den Not
standsarbeiter nicht zuständig. Bei Arbeitsstreitigkeiten
ans der Arbeitsstelle entscheidet lediglich das Landes
arbeitsamt oder der Erwerbslosendezernent, in
dessen Bezirk sich die Arbeitsstelle befindet. Er
ist also in rechtlicher Beziehung vollständig dem
Landesarbeitsamt oder dem Bezirk ausgeliefert, und
cs besteht für ihn keinerlei Möglichkeit, ans diese
Instanzen irgendwechen Einfluß auszuüben, wenn
dies nicht durch besondere von den Notstandsarbeitern
gewählte Vertrauensleute geschieht.
Der Reichsarbeitsminister hat bereits in seinem
Erlaß vom 1. April d. I. in gewissem Sinne dieses
Vertretungsrecht des Notstandsarbeiters auf der Ar
beitsstelle anerkannt. Das Landesarbeitsamt hat in
seinem Entwurf für die Arbeitsbedingungen des Not
ftandsarbeiters unter Benutzung dieser Möglichkeit dem
Notstandsarbeiter ein Vertretungsrecht geben wollen.
Es hat in die Arbeitsbedingungen vom 2. März d. Js.
bereits Bestimmungen hineingebracht, die den Not
standsarbeitern das Recht geben, bei einer Belegschaft
von 25 Mann einen Vertrauensmann, bei einer Beleg
schaft von 50 Mann zwei und bei einer Belegschaft von
über 50 Mann IS Vertrauensleute zu wählen. Nach dem
i? 8 sollten diese Vertrauensleute auch das Recht habe»,
im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber auch während
der Arbeitszeit zur Erfüllung ihrer Vertretungsrechte
beim Landesarbeitsamt ihre Arbeitsstelle zu verlassen.
Ter Arbeitslosenansschnß des Landesarbeitsamts hat
dieses Vertretungsrecht der Notstandsarbeiter gestrichen.
(Stadtv. Roth: Hört, hört!)
Es haben sich daran alle Faktoren dieses' Arbeitsloseil
ausschusses gleichmäßig beteiligt. Als Begründung dafür
. März 1927.
wurde angeführt, daß die Notstandsarbeiter sich ja so
wieso ihre Vertreter ans den Arbeitsstellen wählten.
Es sei nicht notwendig, daß man das noch besonders in
diesen Arbeitsbedingungen festlegt. Durch beit Wegfall
der Bestimmungen, die selbst vom Landesarbeitsamt
den Notstandsarbeitern zugebilligt waren, die aber durch
die Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und die
Vertreter der Stadt Berlin gestrichen wurden, sind ans
den Banstellen Verhältnisse entstanden, die in dieser
Form nicht mehr fortbestehen dürfen. Ans der einen
Stelle wird dem Vertreter der Notstandsarbeiter die
Möglichkeit gegeben, die es ihm gestatten, sein Recht
als Vertreter der Notstandsarbeiter einwandfrei auszu
üben. Das ist aber eine Ausnahme. Auf sehr vielen,
ja man kann sagen auf den meisten Arbeitsstellen
werden den Vertretern der Notstandsarbeiter, wettn
man ihr Zustandekommen nicht überhaupt unterbindet,
so viele Schwierigkeiten gemacht, daß von einer wirk
lichen Vertretung der Notstandsarbeiter nicht die Rede
sein kann.
(Bei den Komm.: Sehr richtig!)
Das Landesarbeitsamt — man muß hier einen Unter
schied machen zwischen Landesarbeitsamt und dem Ver-
waltnngsausschuß des Landesarbeitsamts —, also der
verantwortliche Beamte des Landesarbettsamts wollte
den Notstandsarbeitern dieses Vertretungsrecht zubilli
gen, während der Verwaltungsausfchuß ihnen dieses
Vertretungsrecht verweigert. Und ans diesem Grunde
war es notwendig, daß wir diesen Antrag in diesem
Hause hier stellten, um durch den Magistrat das Landes-
arbeitsamt anweisen zu lassen, diese Bestimmung, die
ursprünglich im alten Entwurf vorhanden war, in der
alten Form soweit wieder herzustellen, als darin das
Vertretungsrecht den Notstandsarbeitern zugebilligt
wird. Darüber hinaus muß aber auch den Vertretern
der Notstandsarbeiter die Möglichkeit gesichert sein, ihr
Recht auszuüben, und dazu gehört natürlich die vollstän
dige Unabhängigkeit des Vertreters von dem Wohl
wollen des Betriebsleiters. Es gehört dazu auch die
finanzielle Unabhängigkeit des Vertreters der Notstands
arbeiter von seiner Arbeitsstelle, indem diesem zum min
desten der Ausfall des Lohnes , der ihm durch seine Ver
treterarbeit entsteht, gewährleistet wird.
Nun hat sich ja der Ausschuß diesem zweiten Teil
unserer. Forderungen angeschlossen. Aber in bezug ans
den ersten Teil unserer Forderungen verweise ich noch
mals darauf, das ich unsern in dem Ausschuß gestellten
Abänderungsantrag hier nochmals stelle und daß ich hier
nochmals darauf hinweise, welcher Unterschied zwischen
dem Abänderungsantrag-der S. P. D. und unserm
Abänderungsantrag besteht. Der Abänderungsantrag
der S.P.Dj will dem Notstandsarbeiter, auch wenn er
arbeitet, nur den Lohn bis zur Höhe der Erwerbslosen-
nnterstütznng sichern, die er haben würde, wenn er
voll erwerbslos wäre. Unser Antrag will dem Null
standsarbeiter neben seinem Lohn für die in dieser
Woche geleistete Arbeit, also darüber hinaus für die
übrigen durch Regen arbeitsfreien Tage, die Zuwen
dungen machen, die ihm zustünden, wenn er erwerbslos
wäre. Es ist das das mindeste, worauf wir uns zurück
ziehen können, das ist das mindeste, was wir, nachdem
unser Urantrag im Ausschuß abgelehnt wurde, hier
fordern müssen, und ich erwarte von diesem Hanse, das;
es mindestens dieser unserer Forderungen zustimmt.
(Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.)
Stadtv. Klein (DN.): Meine Damen und Herren!
Ich möchte von dieser Stelle aus den Abänderungsan-
trag wiederholen, den wir bereits im Ausschuß gestellt
haben. Er hat folgenden Wortlaut:
„Der Magistrat wird ersucht, zu bewirken, das;
die durch ungünstige Witterung hervorgerufenen Ver-
dienstverluste der Notstandsarbeiter nach Ablauf der
Arbeitsperiode, d. H. bei Wiedereintritt in das Ar- j