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Volume Sitzung 6, 17.02.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

128 Sitzung am 17. 
tc hier Uont Kollegen Urich angeführt worden ist, statt« 
inden darf. Ueberstunden, die unter allen Umständen 
notwendig sind, wenn z. B. eine andere Kategorie nicht 
weiter arbeiten kann, müssen natürlich auf der einen 
Stelle einmal ohne weiteres gemacht werden. Aber 
das darf nicht so ausgenutzt und so ausgedehnt werden, 
wie das hier von dem Herrn Kollegen Urich gefeint 
zeichnet ist. 
Meine Damen und Herren! Bei der großen Zahl 
der Erwerbslosen müsse» wir unter allen Umständen 
von allen Arbeitgebern verlangen, daß sie sich auf den 
Boden des Achtstundentages stellen, und ich betone hier 
erneut, wie wir das schon des öfteren getan haben, daß 
die Demokratische Fraktion. ans dem Boden des Acht 
stundentages steht. 
Meine Damen und Herren! In bezug ans den 
Antrag des Ausschusses haben wir gar keine Bedenken 
und Werden ihm ohne weiteres zustimmen. Nur bei 
Absatz 4 wünschten meine Freunde, daß der Absatz 4 
mit „Überstunden sind nur in den allerdringendsten 
Fällen zuzulassen" abschließt. Unsere Bedenken sind 
aber nicht so groß, daß wir etwa zur Ablehnung des 
Ausschußantrages kämen. Wir werden also als Demo 
kratische Fraktion dem Antrage des Ausschusses unsere 
Zustimmung geben. 
(Stadtv. Merten: Bravo!) 
Stadtv. Treffert (Z.): Meine sehr geehrten Damen 
und Herren! Meine politischen Freunde stimmen dem 
Ansschußantrage einmütig zu. Wenn wir im Ausschuß 
den Antrag der Kommunisten abgelehnt haben und 
auch heute den erneut gestellten Antrag ablehnen, so 
geschieht das nicht aus den Erwägungen und Gründen, 
die hier von deutschnationaler Seite angeführt worden 
sind, sondern mehr aus den Gründen, die von den beiden 
Vorrednern der Sozialdemokratie und der Demokraten 
schon eingehend geschildert wurden. 
Wenn heute Herr Kollege Guadt seinen Antrag noch 
einmal wiederholt, dann verstehen wir das einfach deshalb 
nicht, weil ihm im Ausschuß sowohl von den Stadt 
verordneten als zum Teil auch sogar von den Ver 
tretern der Gewerkschaften nachgewiesen worden ist, daß 
die Annahme des Antrages gänzlich unmöglich ist. 
Wenn wir noch einmal ganz kurz die Gründe 
zusammenfassen, daun sind es diese: Zunächst ist in 
vielen Betrieben die 45stündige Arbeitswoche deshalb 
nicht möglich, weil in drei Schichten gearbeitet wird 
und deshalb drei mal 8 Stunden gearbeitet werden 
muß. Sonst müßte die Arbeitszeit noch unter 45 Stun 
den herabgesetzt werden, damit man mit 4 Schichten 
arbeiten kann. Denn bei 45 Stunden gibt es gewisse 
Zwischenpausen, die unbedingt ergänzt werden müssen. 
Zweitens ist darauf hingewiesen, daß die bestehen 
den Tarifverträge vorhanden sind, die unbedingt ge 
halten werden müssen, und daß mit Hilfe der Gewerk 
schaften es versucht werden muß, im Wege der 
Verhandlungen zu einer Einigung zu kommen. 
Drittens ist darauf hingewiesen worden, daß ein 
Neichsmanteltarif vorhanden ist, und daß wir an diesen 
Reichsmanteltarif gebunden sind durch Vereinbarungen 
mit dem Reichsarbeitgeberverband. Der Herr Kollege 
Urich hat ja Einzelheiten geschildert, so daß ich auch 
darauf nicht mehr einzugehen brauche. 
Viertens ist schon darauf hingewiesen worden, daß 
für Notstandsarbciten Bestimmungen erlassen worden 
sind vom Reichsarbeitsministeriunh und daß die Stadt 
verordnetenversammlung diese Bestimmungen nicht 
aufheben kann. Der Antrag der Kommunisten läßt auch 
keinerlei Bewegungsfreiheit zu. Wenn der Antrag in 
der Form angenommen würde, wie er gestellt ist, dann 
wären die Werke gebunden, und bas' ist bei solchen 
Werken, wie wir sie vor uns haben, gänzlich unmöglich. 
Die Kommunisten sagen z. B. in ihrem Antrage „strikte 
Einhaltung der 45-Stündenwoche" und setzen noch hin 
Februar 1927. 
zu: „Jede Ueberarbeit für Beamte, Angestellte und 
Arbeiter ist zu verbieten. Wie wollen Sie denn das 
machen in einem Elektrizitätswerk, in einem Gaswerk, 
bei der Straßenbahn, wenn sie sagen, jede Ueberarbeit 
ist zu verbieten, d. H. es ist auch nicht einmal gestattet, 
eine einzige Ueberstunde zu machen? So kann man die 
Anträge nicht fassen, wenn man nicht das größte Unheil 
in diesen Werken zum Schaden der gesamten Bevölke 
rung anrichten will. 
Sie sagen dann weiter in Ihrem zweiten Absatz: 
„In alle n Betrieben — Sie nehmen also auch die 
Werke nicht aus — darf die Arbeitszeit in keinem 
Falle länger als 45 Stunden in der Woche betragen." 
(Zuruf: Das wäre auch sehr gut!) 
Selbstverständlich, ideal wäre das, und theoretisch mag 
das ganz richtig sein, und ich stimme Ihnen zu: wenn 
es zu erreichen wäre, daß wir in den Betrieben die 
45-Stundenwoche nicht nur erreichen, sondern auch 
strikte durchführen könnten, so wäre das ideal. Aber 
ich meine, Ideale lassen sich nicht im Praktischen Wirt 
schaftsleben durchführen, das müssen Sie auch als Ar 
beiter einsehen, und das sehen auch wir als Gewerk 
schaftsvertreter ein. Man kann ein Ideal anstreben 
und diesem Ideal nachstreben, aber man kann deshalb 
keine starre Formel wählen, sondern man muß unter 
allen Umständen auch zu gewissen Zeiten, in gewissem 
Umfange und in gewissen Betrieben auch Ausnahme 
bestimmungen zulassen. Deshalb können wir dieser 
Formel: „Jede Ueberarbeit ist zu verbieten; in keinem 
Falle darf die Arbeitszeit länger als soundso viel be 
tragen, in allen Betrieben ist das soundso durchzu 
führen" auf keinen Fall zustimmen. Wenn Sie einmal 
selbst mit sich zu Gericht sitzen würden und würden 
sich alles eingehend überlegen vom wirtschaftlichen und 
volkswirtschaftlichen, auch vom sozialen Standpunkte 
aus, vom Standpunkte des Bürgers, der Bevölkerung 
und auch vom Standpunkte der Industrie, die ja auch 
nicht nur für sich zu sorgen hat, sondern die wieder 
im Dienste der Allgemeinheit stehen soll, ich meine, 
wenn Sie sich das in Ruhe einmal überlegten, würden 
Sie selbst zu der Erkenntnis kommen, daß Ihre Anträge 
reine Agitationsmanöver sind, die auf die Massen 
wirken sollen, aber die niemals sich praktisch durchführen 
lassen. 
Deshalb lehnen wir also den Antrag der Kom 
munisten ab. 
Sie werden nicht bestreiten können, daß wir in den 
Äusschußsitzungen uns bemüht haben, etwas zu er 
reichen und einen Weg zu finden, der die Verhältnisse 
bessern kann. Dieser Weg wird gezeigt in dem Antrage 
der Sozialdemokratie in Verbindung mit unserm Zusatz- 
antrage. Der Antrag der Sozialdemokratie sagt, daß 
in städtischen Betrieben und Gesellschaften überall die 
48-Stundenwoche eingeführt werden soll. Meine Damen 
und Herren! Was das für einen Fortschritt bedeuten 
würde, das sehen Sie ans den wenigen Angaben, daß 
heute z. B. die Arbeitszeit noch beträgt bei der Hochbahn 
8 Stunden, bei der Straßenbahn 9 Stunden und bei 
der Aboag sogar 10 Stunden. 
(Bei den Kommunisten: Unerhört!) 
ür die Hanptwerkstatt der Straßenbahn gilt die 52 
tnndenwoche. 
Meine Damen und Herren! Wenn wir die Tatsache 
zu verzeichnen haben, daß in den Betrieben noch die 
52-Stundenwoche gilt und daß mau 9 und 10 Stunden 
am Tage arbeitest würde es einen nnaeheuren Fort 
schritt bedeuten, wenn wir diesem Antrage zur Durch 
führung verhelfen könnten und wenn es erreicht würde, 
daß die achtstündige Arbeitszeit überall eingeführt wird. 
Es ist dann weiter gesagt, daß bei Tarifverträgen, 
die eine längere Arbeitszeit als 48 Stunden die Woche 
vorsehen, ans dem Wege der Verhandlungen mit den 
zuständigen Organisationen versucht werden soll, eine 
Einigung zu erzielen, und ich glaube, daß das möglich
	        
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